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Aktuelle Version vom 16. Dezember 2022, 06:07 Uhr
1. Begriffsbildung
Der Begriff des C. wird heute vorwiegend technisch gebraucht, ist jedoch literarischen Ursprungs. Er findet sich erstmals 1982 in der Kurzgeschichte „Burning Chrome“ des amerikanischen Science-Fiction-Autors William Gibson. Dort ist der C. ein von Computern erzeugter grafisch strukturierter Raum.
Technisch versteht man unter C. die Gesamtheit aller Daten und Dienste, deren visuelle Darstellung und Verknüpfungen, insb. des Internets und World Wide Webs, aber durchaus auch die von Computern wie Smartphones, Laptops, Workstations und Großrechnern. Durch den hohen Vernetzungsgrad zwischen den unterschiedlichen Rechnern und ihren Speichern entsteht ein vielfältig verknüpftes virtuelles Gebilde, das konkret und auch in abstrakter Weise als räumlich strukturiert begriffen werden kann: der Raum der digitalen Daten und Dienste, kurz eben C.
Daneben hat C. eine starke Bedeutung in der Science-Fiction, aber auch im eher umgangssprachlichen sowie geisteswissenschaftlichen Umfeld. Dort bezeichnet C. die virtuelle Welt der Daten und Dienste (Virtuelle Realität), gewissermaßen als Gegenstück und Ergänzung der physikalischen Welt. In Science-Fiction-Vorstellungen bekommt er auch eine nahezu physische Dimension mit Vorstellungen, dass sich Menschen gleichsam direkt in den C. begeben und dort zwischen dessen einzelnen Knoten hin und her bewegen können. Das englische Wort C. enthält das Präfix „cyber“ in Anlehnung an die Kybernetik, die nach ihrem Begründer Norbert Wiener die Wissenschaft der Steuerung und Regelung von Maschinen, aber auch von lebenden Organismen und sozialen Organisationen ist.
2. Struktur und Aufbau – technische Sicht
Aus Sicht der Informatik handelt es sich beim C. um einen riesigen heterogenen Komplex von Daten, genau genommen Datenstrukturen, verbunden über Querbeziehungen, sogenannten Hyperlinks. Man versteht C. vornehmlich als das Internet mit seinen Daten und Diensten. Basis ist die Internettechnologie, eine Technik aus den 70er Jahren, die im Wesentlichen der Vernetzung von Rechnern dient. Dabei ist technisch zu unterscheiden zwischen der Hardware, der physischen Vernetzung durch Kabel oder funkgestützte Übertragungseinrichtungen, und der Software, den darauf laufenden Verbindungsprotokollen zur systematischen Herstellung von Verbindungen und zur Übertragung von Daten.
In den 90er Jahren wurde auf die Internettechnologie die World Wide Web-Technologie abgestützt (World Wide Web). Dabei werden Datenbestände in festgelegten Formaten wie Hypertext abgelegt und auf Rechnern, sogenannten Servern, so zur Verfügung gestellt, dass von anderen Rechnern aufgrund der Verknüpfung durch das Internet zugegriffen werden kann. Technisch heißt das nichts anderes, als dass entsprechende Protokolle ablaufen, die die Daten von einem Rechner, dem Server, auf den anderen, den Client, übertragen. Auf dem Rechner des Clients werden diese Daten dann mithilfe sogenannter Browser für die Nutzer in übersichtlicher und gut lesbarer Form dargestellt. Diese Daten können natürlich auch von Software-Diensten direkt abgerufen und genutzt werden. Dadurch entstehen vernetzte Applikationen, in denen Daten in vielfältiger Weise verwendet und aus Basisdiensten anspruchsvollere Dienste zusammengebaut werden können.
3. Internet der Dinge
Mit der zunehmenden Vernetzung von eingebetteten Systemen in Geräten direkt in das Internet werden aus diesen Systemen Daten direkt in das Internet eingebracht. Über sogenannte Aktuatoren durch Impulse aus dem Internet wird es letztlich möglich, die physikalische Wirklichkeit direkt zu beeinflussen. So werden auch diese Daten und Dienste Teil des C. Ein einfaches Beispiel ist eine an das Internet angebundene Heizungssteuerung, die Daten wie z. B. Wassertemperatur abfragen und Einstellungen wie etwa Temperaturerhöhungen oder Ein- und Ausschaltung vornehmen kann. Man spricht hier von dem Internet der Dinge, Internet of Things (IoT), oder auch cyberphysischen Systemen, Cyber-physical Systems. Dies erweitert den C. über das Internet hinaus in vielfältiger Weise auf Geräte und Systeme der physischen Realität.
4. Sichtweisen
Abstrakt gesehen handelt es sich beim C. um komplexe, vielfältige Datenstrukturen, wie Baumstrukturen, Verknüpfungen zwischen den Elementen, Datenbanken und Relationen. Diese Gliederung und Verknüpfungsstrukturen bilden gleichermaßen die Geographie des C. Daran entlang kann man sich gleichsam im C. bewegen und von bestimmten Positionen zu weiteren Positionen gelangen. Dies unterstreicht, dass der C. anders strukturiert ist als physikalische Räume, obwohl sich auch deren Struktur, insbes. die der Geographie, im C. abbilden lässt.
Die Nutzer sehen den C. häufig so, wie er sich konkret auf ihren Endgeräten (Smartphones, Tablets und Laptops) darstellt. Texte, deren Layout, Bilder, Videos und Algorithmen prägen die Vorstellung, sich in einem multidimensionalem Raum zu bewegen. Die Nutzer sprechen anschaulich davon, im C. zu surfen. Tatsächlich bewegen sie sich nur virtuell (Virtualität). Was wirklich bewegt wird, sind Daten.
Aufgrund der gigantischen Umfänge ist entscheidend, wie man im C. gezielt auf bestimmte Datenbestände zugreift. In den 90er Jahren sind sehr schnell Suchmaschinen entstanden, die es ermöglichen, über Stichworte fündig zu werden. Abgestützt auf riesige Datenumfänge ist für die Suchmaschinen entscheidend, in kürzester Zeit möglichst gut passende Vorschläge für Webseiten zu produzieren, in denen das Gesuchte zu finden ist. Die Qualität einer Suchmaschine lässt sich schlicht danach beurteilen, ob sie Seiten für den Nutzer identifizieren kann, die dieser mit seiner Anfrage verbindet.
Heute sind Suchmaschinen dominante Bestandteile des C. Sie bestimmen weithin, wie Informationen für Nutzer zugänglich sind, da ein Großteil von ihnen immer wieder über Suchanfragen in den C. einsteigt. Immer bedeutsamer wird in diesem Zusammenhang die semantische Suche, bei der nicht nur die syntaktisch mit dem Suchbegriff übereinstimmenden Seiten aufgerufen, sondern auch semantische Assoziationen verwendet werden, um geeignete Suchergebnisse zu erzielen.
6. Soziale Netze
In sozialen Netzen werden soziale Gruppen, Freundeskreise, Familien, aber auch Firmen über die Mittel des Internets und des World Wide Webs miteinander verbunden, sodass sie in schneller und unkomplizierter Weise Informationen, Bilder und Daten austauschen und so gemeinsame Vorhaben durchführen können (Social Media). Aufgrund der großen Verbreitung von Zugangsgeräten, nicht zuletzt sogenannter Smartphones, sind auch soziale Netze ein wesentlicher Bestandteil des C. Hier zeigt sich bereits der Trend, dass dieser und die physikalische Welt immer stärker miteinander verschmelzen (Soziale Netzwerke).
7. Medien
Klassische Kommunikationsmedien (Medien) wie Zeitungen (Presse), oder auch Fernsehen können durch Daten und Dienste im C. ersetzt werden. Mit entsprechenden Endgeräten lassen sich Informationen schnell und problemlos abrufen. Entscheiden ist, dass Informationen (Information) überall weltweit und augenblicklich verfügbar sind, da bspw. keine Herstellungskosten (etwa Druckkosten) anfallen und in ganz anderer Art und Weise navigiert werden kann.
8. Cyberspace und physikalische Realität
Die Verbindung von C. mit physikalischer Realität, auch Internet der Dinge genannt, und die dadurch gegebene starke Wechselwirkung zwischen dem C. und der physikalischen, aber auch der gesellschaftlichen Realität, führen dazu, dass der C. von vielen Menschen ähnlich gesehen wird wie die physikalische Realität. Letztendlich wird gar nicht mehr unterschieden zwischen der Frage, ob etwas real existiert oder im C. (Virtuelle Realität), insbes. wenn der C. viele Aspekte der physikalischen Realität nicht nur wiedergibt, sondern durch eine Vielzahl von Daten und Aspekten stärker durchdringt als Menschen dies mit ihren herkömmlichen Sinnen erfassen können. Hinzu kommen die sozialen Netze, die für Menschen immer stärker auch die Basis ihrer sozialen Kontakte ergeben (Soziale Netzwerke, Social Media). Damit beansprucht der C. zunehmend mehr Zeit und Aufmerksamkeit, sodass sich die Beschäftigung mit dem C. für viele Menschen als wichtiger erweist als die Beschäftigung mit der physikalischen Realität. Langfristig ist zu erwarten, dass hier gar nicht mehr scharf unterschieden wird, da der C. mit der physikalischen Realität völlig verwächst.
9. Cybersecurity und Cybercrime
Ein schwieriges Thema ist die Cybersecurity. Durch die hohe Konnektivität und die Möglichkeit, von praktisch jedem Platz der Erde jeden anderen über den C. zu erreichen, gibt es eine Vielfalt von Möglichkeiten, im C. Angriffe zu fahren oder unberechtigt auf Daten und Dienste zuzugreifen. Deren Schutz im C. ist das Ziel der Cybersecurity. Allerdings sind die Angriffsmöglichkeiten so vielfältig, dass vollständiger Schutz schon heute völlig ausgeschlossen erscheint und die Nutzer sich der Risiken und Gefahren bewusst sein müssen. Die Angriffsmöglichkeiten werden insb. auch von Kriminellen genutzt: Cybercrime bezeichnet alle Formen der Computerkriminalität und damit alle Straftaten, die unter Ausnutzung insbes. des C. begangen werden (Kriminalität). Die Basis sind oft Angriffe wie sie durch Cybersecurity eigentlich verhindert werden sollten, aber auch vielfältig Straftaten, die über die sozialen Netze oder E-Mail begangen werden, indem eine Vielzahl von Nutzern in betrügerischer Weise adressiert wird.
Die Möglichkeiten der Angriffe im C. eröffnen auch Handlungsoptionen bei militärischen Auseinandersetzungen. Viele Infrastrukturen, aber insbes. die Information von Datennetzen können auf diese Weise angegriffen werden, vielmals verdeckt, ohne dass die Angreifer schnell zu identifizieren sind. Die Ergebnisse der Angriffe können einerseits in Zerstörung auch physikalischer Einrichtungen bestehen, in denen die entsprechenden Kontrollsysteme manipuliert oder lahmgelegt werden, oder sie bestehen schlicht darin, dass die Datennetze gestört werden, sodass wesentliche Informationsprozesse nicht mehr stattfinden können.
10. Ausblick
Die moderne Ausprägung des C., basierend auf dem Internet, dem World Wide Web, dem Internet der Daten und Dinge, den modernen Endgeräten wie Smartphones und Tablets, ist in einer Zeitspanne von wenig mehr als 30 Jahren entstanden. Betrachtet man die Entwicklung, so drängt sich der Eindruck auf, dass die Geschwindigkeit der Nutzung noch weiter zunimmt. Es scheint, dass wir aktuell bestenfalls in der Mitte, vielleicht sogar eher am Anfang stehen. Die Möglichkeiten der Erweiterung und weitergehenden Nutzung erscheinen ungebrochen.
Was jetzt schon absehbar ist und sich in Zukunft noch stärker auswirken wird, ist eine starke Verschränkung mit der physischen Realität, wie sie sich z. B. in der Augmented Reality („erweiterten Realität“) ausprägt. Ein Beispiel sind Datenbrillen, bei denen der Nutzer und Betrachter neben den Gegenständen, die er sieht, zusätzlich Informationen aus dem C. erhält.
Weiteres Thema ist Virtual Reality (Virtuelle Realität), die im Rechner geschaffen wird, so dass der Nutzer durch entsprechende Gerätschaften (Brillen, Kopfhörer, haptische Eindrücke) den Eindruck bekommt, sich in künstlichen Räumen audiovisuell und haptisch bewegen zu können, also im wahrsten Sinne des Wortes sinnlich im C. unterwegs zu sein.
Verstärkt werden diese Effekte durch die nach wie vor anhaltende schnelle Entwicklung der digitalen Technik, der Rechengeschwindigkeit, der Kapazität der Speicher und der Übertragungseinrichtungen sowie der sich weiterhin schnell mehrenden Anzahl der Geräte. Die Bedeutung des C. wächst immer noch und scheint in manchen Bereichen bereits physikalische Räume in ihrer Bedeutung zu übertreffen.
Literatur
D. E. Comer, Internetworking with TCP/IP – Principles, Protocols and Architectur, 62014 • L. Strate, The varieties of cyberspace: Problems in definition and delimitation, in: Western Journal of Communication 63/3 (1999), 382 f. • J. Steuer, Defining Virtual Reality: Dimensions Determining Telepresence, in: Journal of Communication 42/4 (1992), 73–93 • T. Berners-Lee, The Original HTTP as defined in 1991 (1991), https://www.w3.org/Protocols/HTTP/AsImplemented.html, (abger. 28.09.2016) • J. Lanier, Was heißt „Virtuelle Realität“? Ein Interview mit Jaron Lanier, in: M. Waffender (Hg.): Cyberspace, 1991, 67–87 • W. Gibson, Neuromancer, 1984 • R. Metcalfe/D. Boggs, Ethernet: Distributed Packet Switching for Local Computer Networks, in: Communications of the ACM 19/7 (1976), 395–405.
Empfohlene Zitierweise
M. Broy: Cyberspace, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Cyberspace (abgerufen: 24.11.2024)