Einrichtungsgarantien: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 4. Januar 2021, 11:07 Uhr
1. Herkunft des Begriffs
Den Begriff E. prägte Friedrich Klein als Oberbegriff für die Kategorien Rechtsinstitutsgarantien und institutionellen Garantien in seiner 1934 veröffentlichten Dissertation. Er knüpfte damit an eine Systematisierung des Grundrechtsteils der WRV an, die maßgeblich auf Carl Schmitt zurückgeht. Dieser unterschied zwischen Freiheitsrechten, Staatsbürgerrechten, Leistungsrechten und institutionellen Garantien, wobei er innerhalb dieser Kategorie noch die Unterform der Rechtsinstitutsgarantien bildete. Zu den Rechtsinstitutsgarantien gehörten danach die Garantien von Ehe, Eigentum und Erbrecht, also von zivilrechtlichen Rechtsinstituten. Die verbleibenden institutionellen Garantien bezogen sich auf öffentlich-rechtliche Ordnungsstrukturen. Zu nennen sind insoweit die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung und des Berufsbeamtentums (Beamte). Gemeinsam war diesen Garantien, dass ihr Schutzgegenstand jeweils historisch überkommene Ordnungsstrukturen in Staat oder Gesellschaft betraf, die der rechtlichen Ausgestaltung bedurften. Sie waren dementsprechend nicht nach Maßgabe des rechtsstaatlichen Verteilungsprinzips zu schützen, wonach die individuelle Freiheit prinzipiell unbegrenzt, staatliches Handeln dagegen prinzipiell begrenzt und rechtfertigungsbedürftig ist. Inhalt dieser Garantien sollte vielmehr sein, diese Strukturen in ihrem historisch überkommenen Kern zu erhalten. Demgemäß sollte es dem Gesetzgeber verboten sein, die geschützten Institutionen (Institution) abzuschaffen oder in ihrem Kern auszuhöhlen. In einer Zeit, in der die Grundrechtsbindung des Gesetzgebers noch überwiegend bestritten wurde, bezog diese Lehre ihre Plausibilität nicht zuletzt aus dem Rechtsdenken der Historischen Rechtsschule, in welcher der Begriff des Rechtsinstituts seinen Ursprung hat und der es ebenfalls darum ging, das „Wesen“ historisch gewachsener Rechtsstrukturen zu bewahren und den Gesetzgeber auf zeitgemäße Anpassung zu beschränken. Insb. die Kategorie der institutionellen Garantie war jedoch von Anfang an unklar. So wurden etwa auch die Regelungen der Schulverfassung, die unabhängige Gerichtsbarkeit, die kirchliche Selbstverwaltungsgarantie oder der Mittelstands- und Minderheitenschutz den institutionellen Garantien zugeordnet. Die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten hatte zur Folge, dass nunmehr auch „Einrichtungen“, die dieser Bewegung wichtig waren, etwa die NSDAP als Staatspartei, der Arbeitsdienst oder das Hakenkreuzbanner als E. eingeordnet wurden, bis deutlich wurde, dass es in einem Staat ohne rechtliche Bindung keinerlei Garantien geben kann.
2. Funktion der Kategorie im Zusammenhang des Grundgesetzes
Nach der Überwindung des Unrechtsstaats wurde im Zuge der rechtsdogmatischen Bearbeitung des Grundrechtsteils des GG auch die Kategorie der E. mit ihren Unterkategorien wiederbelebt. Dabei lässt sich in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung kein klares Konzept von Inhalt und Funktion etwaiger E. erkennen. Als Rechtsinstitutsgarantie wird ausdrücklich nur noch die Erbrechtsgarantie bezeichnet. In Bezug auf die Ehe findet der Begriff der Institutsgarantie Verwendung, wobei dieser Begriff infolge seiner Erstreckung auf den Familienschutz zwischen Rechtsform und Lebensformgarantie schwankt. Infolge der Loslösung vom bürgerlich-rechtlichen Eigentumsbegriff (Eigentum) hat auch die Eigentumsgarantie ihre Kontur als Rechtsinstitutsgarantie im überkommenen Sinne verloren. Die Begriffe „institutionelle Garantie“ und „Institutsgarantie“ werden zum Teil als Synonyme verwendet und finden Anwendung auf die verschiedensten Organisations- und Funktionszusammenhänge (z. B. Presse, Rundfunk, Gerichtsbarkeit, Schulwesen; Schule) wie auch auf öffentlich-rechtliche Normenkomplexe (z. B. Staatsangehörigkeitsrecht [ Staatsangehörigkeit ], Sonn- und Feiertagsschutz, Amtshaftungsrecht). Angesichts dieses Befundes wurde die Rechtsfigur bereits für obsolet erklärt. Zutreffend ist insoweit der Hinweis, dass Art. 1 Abs. 3 (Grundrechtsbindung), 19 Abs. 2 (Wesensgehaltsgarantie), 20 Abs. 3 (Verfassungsbindung des Gesetzgebers) sowie 79 Abs. 3 GG (Ewigkeitsklausel) ausdrücklich den Gesetzgeber an die Verfassung binden, so dass es hierfür keiner spezifischen Kategorienbildung bedarf. Dennoch hat auch im Rahmen des GG die Kategorie der E. einen verfassungssystematischen Mehrwert. Das ihr zugrunde liegende Problem der Verfassungsbindung des Gesetzgebers stellt sich auch im Rahmen des GG in bes.r Weise in Bezug auf solche Verfassungsgarantien, deren Schutz nicht natürliche Freiheit ist, sondern die Ausübung von Rechtsmacht. Die Verfassungsbindung des Gesetzgebers, der das Rechtsgut überhaupt erst schafft, das (auch) vor seinem Zugriff geschützt werden soll, erfordert bes. Begründung. Im Rahmen der freiheitlichen Ordnung des GG erweist sich als gemeinsamer Schutzzweck derartiger Garantien die Sicherung von Autonomie im Sinne der Freiheit zur Selbstregulierung. Die Rechtsinstitutsgarantien von Ehe, Eigentum, Erbrecht und Tarifautonomie enthalten die Verpflichtung des Gesetzgebers, die Rechtsnormen zu schaffen, die erforderlich sind, um von der Eheschließungsfreiheit, der Persönlichkeitsentfaltung im vermögensrechtlichen Bereich, der Testierfreiheit und der kollektiv privatautonomen Regelungsbefugnis der Arbeitsbedingungen Gebrauch zu machen. Soweit Verfassungsnormen im Bereich staatlicher Verantwortung Autonomiegewährleistungen enthalten, die auf Gesetzgebung angewiesen sind, rechtfertigt das gleichartige Schutzgut der Autonomie die Zuordnung zu den E. Institutionelle Autonomiegewährleistungen in diesem Sinne sind die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung wie auch die Privatschulgarantie, deren Funktion die Sicherung eines freiheitlichen und pluralen Schulsystems ist, wofür den Privatschulbetreibern im Rahmen eines insgesamt staatlichen Schulsystems Autonomie eingeräumt wird. Den so gefassten E. ist gemeinsam, dass sich das Problem der Abgrenzung von ausgestaltender und eingreifender Gesetzgebung mit ihren jeweils unterschiedlichen Rechtfertigungsanforderungen stellt. Ausgestaltende Gesetzgebung zielt auf die Schaffung der Normen (Norm), die Voraussetzung für die Wahrnehmung der Autonomie sind. Sie müssen für diesen Zweck sachgerecht sein. Eingreifende Gesetzgebung ist dagegen solche, die in Verfolgung eines außerhalb der Gewährleistung liegenden Zwecks die Autonomie einschränkt. Sie muss dem Maßstab der Verhältnismäßigkeit genügen.
Der systematisch gehaltvolle Begriff der E. scheidet eine Vielzahl von Gewährleistungen aus, deren Gemeinsamkeit allein darin besteht, dass es sich nicht um den Schutz natürlicher Freiheit handelt, sondern um Verpflichtungen des Gesetzgebers, sei es in Form von Rechtsstatusgarantien, Gesetzgebungsaufträgen oder Bestandsgarantien, teils mit, teils ohne subjektivrechtlichem Gehalt. Werden sie in den Begriff der E. einbezogen, verliert die Kategorie jeglichen systematischen Erkenntnismehrwert.
Literatur
M. Kloepfer: Einrichtungsgarantien, in: D. Merten/H.-J. Papier (Hg.): Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa II, 2006, § 43 • U. Mager: Einrichtungsgarantien, 2003 • C. Mainzer: Die dogmatische Figur der Einrichtungsgarantie, 2003 • H. de Wall: Die Einrichtungsgarantien des Grundgesetzes als Grundlagen subjektiver Rechte, in: Der Staat 38/3 (1999), 377–398 • K. Waechter: Einrichtungsgarantien als dogmatische Fossilien, in: Die Verwaltung 29/1 (1996), 47–72 • M. Kemper: Die Bestimmung des Schutzbereichs der Koalitionsfreiheit, 1990 • E. Schmidt-Jortzig: Die Einrichtungsgarantien der Verfassung, 1979 • G. Abel: Die Bedeutung der Lehre von den Einrichtungsgarantien, 1964 • F. Klein: Institutionelle Garantien und Rechtsinstitutsgarantien, 1934 • C. Schmitt: Freiheitsrechte und institutionelle Garantien, 1931 • C. Schmitt: Verfassungslehre, 1928.
Empfohlene Zitierweise
U. Mager: Einrichtungsgarantien, Version 22.10.2019, 17:30 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Einrichtungsgarantien (abgerufen: 24.11.2024)