Rechtsanwalt: Unterschied zwischen den Versionen

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F. Westphalen: Rechtsanwalt, Version 11.11.2020, 09:00 Uhr, in: Staatslexikon<sup>8</sup> online, URL: {{fullurl:Rechtsanwalt}} (abgerufen: {{CURRENTDAY2}}.{{CURRENTMONTH}}.{{CURRENTYEAR}})
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F. Westphalen: Rechtsanwalt, Version 14.08.2021, 13:00 Uhr, in: Staatslexikon<sup>8</sup> online, URL: {{fullurl:Rechtsanwalt}} (abgerufen: {{CURRENTDAY2}}.{{CURRENTMONTH}}.{{CURRENTYEAR}})
 
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Version vom 15. August 2021, 11:52 Uhr

Ende 2017 waren in Deutschland 165 857 Rechtsanwälte (R.e) bei den 27 regionalen Anwaltskammern (Berufskammern) registriert. Davon sind 1 975 Syndikusanwälte, d. h. bei einem Nichtanwalt angestellt, aber in ihrer Funktion als Anwalt selbständig und unabhängig. Die Kammern sind K.en d. ö. R., welche im Rahmen der anwaltlichen Selbstverwaltung tätig werden; auf Bundesebene fungiert die Bundesrechtsanwaltskammer. Die wichtigsten Aufgaben der Kammer sind nach den Regeln der BRAO Zulassung sowie Rücknahme oder Widerruf der Zulassung, einschließlich der Zulassung von Anwaltsgesellschaften (AG, GmbH oder überwiegend inzwischen PartG mit beschränkter Berufshaftung). Außerdem überwachen die Kammern die Einhaltung der anwaltlichen Berufspflichten, welche v. a. in der Berufsordnung für R.e geregelt sind (BORA). Hinter dem Kammersystem verbirgt sich eine seit dem 19. Jh. angestoßene und letztlich erfolgreich geführte Debatte über die „freie Advokatur“: Die Disziplinargewalt über Anwälte ist dem staatlichen und dem gerichtlichen Zugriff entzogen; zuständig sind die für jeden Kammerbezirk eingerichteten Anwaltsgerichte als staatlich anerkannte Gerichte (§ 92 BRAO). An ihnen sind Anwälte als ehrenamtliche Richter tätig; Berufungsinstanz ist der Anwaltsgerichtshof; dort entscheiden drei Anwälte und zwei Berufsrichter. Letzte Instanz ist der Anwaltssenat des BGH.

Das anwaltliche Berufsrecht definiert den Anwalt (§ 1 BRAO) als „unabhängiges Organ der Rechtspflege“; dieser übt nach § 2 Abs. 1 BRAO einen „freien Beruf“ (Freie Berufe) und kein Gewerbe aus. Nach § 3 Abs. 1 BRAO ist der Anwalt „der berufene und unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten“. Etwas überhöht sagt § 1 Abs. 2 BRAO: „Die Freiheitsrechte des Rechtsanwalts gewährleisten die Teilhabe des Bürgers am Recht. Seine Tätigkeit dient der Verwirklichung des Rechtsstaats.“ Konkreter ist da schon, dass drei „Grundwerte“ anwaltlicher Tätigkeit die anwaltliche Tätigkeit konstituieren, nämlich: Die Unabhängigkeit, die Verschwiegenheitspflicht und das Verbot der Wahrnehmung widerstreitender Interessen. Noch etwas näher an der Realität ist die Feststellung, dass der Zugang des Bürgers zum Recht nicht denkbar ist, ohne dass der Anwalt primär sich der Vertretung der Interessen seines Mandanten widmet und dies als Gegenpart gegenüber Gericht, Staatsanwaltschaft und anderen öffentlichen Einrichtungen. Das ist auch die Perspektive, welche Art. 47 Abs. 2 S. 2 der EuGRC adressiert: „Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen“, um i. S. des Abs. 1 bei Gericht einen „wirksamen Rechtsbehelf einzulegen“, falls der Bürger sich in seinen Grundrechten verletzt wähnt.

Im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahrzehnte hat sich – Hand in Hand mit einer immer weiter fortschreitenden Deregulierung – die Bedeutung des „Allgemeinanwalts“ immer weiter reduziert. Die Spezialisierung des Anwalts steht eindeutig im Vordergrund. Sie ist das Ergebnis des durch die Fachanwaltsordnung (FAO) gestatteten – mit beträchtlicher Außenwirkung zugunsten von Mandaten versehenen – Rechts eines Anwalts, seine geprüften Fachkenntnisse in einem der 23 Fachgebiete auch werbend unter Beweis zu stellen; per Ende 2017 waren 53 866 Anwälte als Fachanwälte registriert. Die Verleihung eines Fachanwaltstitels durch die zuständige Kammer setzt „besondere theoretische Kenntnisse und besondere praktische Erfahrungen“ voraus (§ 2 Abs. 2 FAO). Das vorhandene theoretische Wissen wird durch Leistungskontrollen geprüft, ein Fachgespräch ist i. d. R. zu führen, nachdem Unterlagen mit der gesetzlich vorgeschriebenen Zahl an selbst bearbeiteten Fällen eingereicht worden sind.

Die Kosten bei Einschaltung eines R.s berechnen sich für den Mandanten nach den gesetzlichen Gebühren des RDG. Sie sind abhängig vom Streitwert gestaffelt. Im Rahmen der außergerichtlichen Beratung können Stundensätze vereinbart werden, was weithin (bei etwa 2/3 der Anwälte) üblich ist; sie liegen nach den letztverfügbaren Daten (2013/1.1.2018) bei durchschnittlich 179 Euro. Der Honorarumsatz eines selbständigen R.s lag 2013 bei 193 000 Euro; bei Rechtsanwältinnen bei 118 000 Euro. Bei großen Wirtschaftskanzleien sind allerdings Stundensätze von 500 Euro (und mehr) nicht selten. Stundensätze dürfen auch für die Vertretung in gerichtlichen Verfahren vereinbart werden; doch dürfen sie nicht niedriger sein als die gesetzlichen Gebühren. Der Honorarumsatz einer überörtlichen Sozietät belief sich per 2013 auf rund 2,4 Mio Euro; das Gefälle zwischen Ost und West ist immer noch beträchtlich; lokale Sozietäten kamen nur auf 751 000 Euro. Als Faustregel gilt: Je größer die Stadt, desto größer der Umsatz; je höher die Spezialisierung, umso besser. Anwälte als Vollzeitangestellte erhielten in Sozietäten 69 000 Euro, in Einzelkanzleien 43 000 Euro.

Das europäische Richtlinienrecht zur Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit hat inzwischen ganz erheblichen Einfluss auf das anwaltliche Berufsrecht. Im Vordergrund steht die Niederlassungs-RL 98/5/EG. Sie erleichtert die ständige Berufsausübung eines (niedergelassenen) „europäischen R.s“ (unter seiner eigenen Berufsbezeichnung: etwa „avocado“) in einem anderen Mitgliedstaat der Union als in dem, für den er die Qualifikation als Anwalt erhalten hat. Diese Richtlinie ist (neben anderen) im EuRAG umgesetzt worden. Daneben spielt die Berufsqualifikations-RL 2001/19/EG eine wichtige Rolle. Sie gewährleistet, dass der Aufnahmestaat – unter Beachtung der Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV – prüfen muss, ob neben dem im Diplom bescheinigten noch weitere in der Praxis erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten geeignet sind, Unterschiede zu kompensieren, welche für die Zulassung und Berufsausübung eines „europäischen R.s“ im Aufnahmeland einschlägig sind. Nach dreijähriger Tätigkeit und Ablegung einer Eignungsprüfung kann der „europäische R.“ dann als deutscher Anwalt anerkannt werden. Ein „europäischer R.“ ist allerdings auch berechtigt, in einem anderen Mitgliedstaat nur eine „vorübergehende Tätigkeit“ unter der Berufsbezeichnung seines Herkunftslandes auszuüben.