Shoa: Unterschied zwischen den Versionen

K (Shoa)
 
K (Shoa)
Zeile 110: Zeile 110:
 
</p>
 
</p>
 
</div>
 
</div>
 +
{{ #staatslexikon_license: }}
 
</div>
 
</div>
 
{{ #staatslexikon_track_view: {{ARTICLEPAGENAME}} }}
 
{{ #staatslexikon_track_view: {{ARTICLEPAGENAME}} }}
 +
[[Category:Geschichte]]

Version vom 14. November 2022, 06:00 Uhr

Sh. meint die Verfolgung und Ermordung jener Einwohner Europas in den Jahren 1933/39–1945, die vom nationalsozialistischen Deutschland (Nationalsozialismus) und seinen Verbündeten als Juden angesehen wurden. Seit den 1980ern hat sich dafür v. a. der Begriff „Holocaust“ eingebürgert, im israelischen Sprachraum dominiert der Begriff „Sh.“, gelegentlich wird noch das jiddische Churbn als Bezeichnung verwendet.

Die Ursachen und Hintergründe dieses Menschheitsverbrechens sind äußerst komplex, nicht zuletzt wegen der enormen geographischen Ausdehnung der Verfolgung (nahezu ganz Kontinentaleuropa bis in den Westen Russlands), wegen der Vielfalt der Opfergruppen (aschkenasische und sephardische Juden, Krimtschaken, zum Christentum Konvertierte usw.), aber auch wegen der breiten Beteiligung von Institutionen und Personen an der Verfolgung. Sicher ist der Antisemitismus als zentrale Voraussetzung der Sh. anzusehen, da diese Diskurse und Ideologeme die Feindbilder schufen, die der Verfolgung zugrunde lagen. Die Judenfeindschaft in Europa nahm ihren Anfang in der christlichen Spätantike, im Kern eine religiös, kulturell und sozioökonomisch begründete Vorstellung. Sie veränderte sich im Laufe des 19. Jh., richtete sich nun gegen Emanzipation und sozialen Aufstieg der jüdischen Bevölkerungsgruppe, die zunehmend für alle als negativ wahrgenommenen Facetten der Moderne verantwortlich gemacht wurde.

Für die Motivierung der antijüdischen Politik und Gewalt war der Stereotyp vom „jüdischen Bolschewismus“ wichtig, einer behaupteten Affinität zwischen Juden und dem Kommunismus; daneben die Vorstellung, das „Weltjudentum“, das als monolithisch interpretiert wurde, strebe die Weltherrschaft an, in Form des östlichen Kommunismus und des westlichen Finanzkapitalismus. Die lange Kontinuität antijüdischer Vorstellungen im christlichen Europa zeigt jedoch, dass der Antisemitismus allein bei weitem keine hinreichende Erklärung für die S. ist.

Es war vielmehr bedeutsam, dass der Antisemitismus zu einem Element der Politik avancierte, bei politischen Randgruppen schon Ende des 19. Jh., verstärkt dann nach dem Ersten Weltkrieg. Für Adolf Hitlers NSDAP wurde der Antisemitismus dann zum zentralen Feindbild und gleichzeitig zum wichtigsten Faktor der Weltdeutung. Als zweites Element ist aber die Brutalisierung der Politik in Europa nach dem Ersten Weltkrieg zu sehen, in Bürgerkriegen und bei politischen Morden. Schließlich ist der Abbau des Rechtsstaates in Rechnung zu stellen, der schon vor 1933 Risse zeigte, wenn es sich um die Bestrafung rechtsextremer Gewalt handelte.

Die Machtübernahme der NSDAP in einem der größten und wirtschaftsstärksten Länder Europas, einer Bewegung, die selbst gewalttätig war und traditionelle Politikstrukturen zerschlug, schuf die Voraussetzung für den Weg in den Massenmord. Nicht nur speiste das „Dritte Reich“ seine Dynamik aus der ständigen Radikalisierung, sondern es mobilisierte auch weite Teile der Bevölkerung für seine Vorstellungen. Entscheidend für den Übergang zum Massenmord war dann aber v. a. die Expansionspolitik ab 1938/39, die immer mehr ausländische Juden unter deutschen Zugriff brachte.

Obwohl rechtsextreme Gruppen schon vor 1933 Gewaltakte und Geschäftsboykotte gegen Juden zu verantworten hatten, begann die eigentlich nationalsozialistische Judenverfolgung erst mit der Machtergreifung im Januar 1933. Die Regierung A. Hitlers und die gleichgeschalteten Verwaltungen unternahmen Schritte zur Entrechtung jener Deutscher, die als Juden betrachtet wurden, also auch von Christen mit jüdischen Vorfahren. Diese wurden sukzessive aus dem öffentlichen Dienst entlassen, mit den Nürnberger Gesetzen von 1935 offiziell zu Bürgern zweiter Klasse degradiert, und sexuelle Kontakte zu Nichtjuden außerhalb der Ehe als „Rassenschande“ kriminalisiert. Gleichzeitig unternahmen NS-Formationen und ihre völkischen Sympathisanten immer wieder Aktionen zur Diskriminierung, aber auch zur Terrorisierung (Terror) der Juden. So organisierte die NSDAP im April 1933 reichsweit einen Boykott gegen jüdische Geschäfte, während einzelne NS-Chargen in vielen Orten Juden öffentlich demütigten, in einigen Fällen sogar ermordeten. Innerhalb der deutschen Gesellschaft wurden die Juden immer mehr sozial isoliert. Bes. solche Personen jüdischer Herkunft, die politisch engagiert waren, aber auch jene, die wegen kleinster Vergehen kriminalisiert wurden, liefen Gefahr, in die KZ eingewiesen zu werden, wo sie bes. schlecht behandelt wurden.

V. a. ab 1936 setzte ein struktureller Wandel in der Judenverfolgung ein. Nicht mehr nur Innenverwaltung und Justiz machten den Juden das Leben schwer, sondern die Gestapo riss diese Kompetenzen allmählich an sich und der Sicherheitsdienst der SS (SD) entwickelte umfassende Planungen zur Vertreibung. Aus außenpolitischen Gründen blieb während der Olympiade in Berlin 1936 die offizielle Judenpolitik zurückhaltend, doch 1937 verschärfte sich der Kurs der Politik. V. a. jüdische Unternehmer wurden so unter Druck gesetzt, dass sie ihre Geschäfte unter Wert verkaufen mussten. Im Jahr 1938 radikalisierte sich die Judenverfolgung auf allen Feldern. Zunächst folgten auf den deutschen Einmarsch in Österreich eine Welle antijüdischer Gewalt und ein Raubzug österreichischer Nationalsozialisten an den Juden. Im Juni 1938 organisierte die Gestapo eine erste Massenverhaftung von Juden, die als angeblich „asozial“ stigmatisiert wurden. Im Oktober 1938 schob die politische Polizei dann 17 000 Juden mit polnischer Staatsbürgerschaft nach Polen ab.

Nachdem ein Sohn von damals deportierten Juden ein Attentat auf einen deutschen Diplomaten in Paris verübte, nahm die NSDAP dies zum Anlass, um einen reichsweiten Pogrom zu organisieren. NS-Formationen, Gestapo, aber auch andere Antisemiten begannen bereits am 7.11.1938 mit ersten Ausschreitungen in Hessen, in der Nacht vom 9. auf den 10.11. überzogen sie das ganze Deutsche Reich mit einer Welle antijüdischer Gewalt, Zerstörung und Plünderung. Etwa 27 000 jüdische Männer wurden in KZ gebracht, viele von ihnen misshandelt. Etwa 400 von ihnen starben in den nächsten Wochen. Ungefähr 100 Menschen wurden ermordet, Hunderte nahmen sich angesichts der Bedrohung das Leben. Etwa 1 200 Synagogen und Bethäuser, unzählige Geschäfte wurden zerstört.

Die Staatsführung verfolgte mit der Initiierung des Pogroms mehrere Ziele: Zum einen sollte die Emigration der Juden, die nach 1934 rückläufig war, wieder forciert werden. Zum zweiten erwartete sie einen größeren wirtschaftlichen Gewinn, zumal der Staatshaushalt durch die ungebremste Rüstung in eine Krise gekommen war. Die Juden sollten alle ihre Unternehmen mit einem Schlag verlieren, zugl. wurde ihnen in zynischer Manier eine Buße von einer Mrd. Reichsmark für die Schäden auferlegt. Und schließlich mobilisierte die Staatsführung die NS-Organisationen und Teile der Bevölkerung, um die Judenverfolgung weiter voranzutreiben. Bis Kriegsbeginn sind etwa 3 000 Juden ermordet worden, etwa 250 000 flüchteten aus Deutschland und etwa 130 000 aus Österreich. Auch die Juden aus dem Sudetenland wurden bei der Annexion im Oktober 1938 weitgehend vertrieben, hingegen gerieten mit der Besetzung der tschechischen Gebiete im März 1939 weitere 100 000 Juden unter deutschen Zugriff.

Der deutsche Angriff auf Polen am 1.9.1939 markiert den Bruch von Vertreibungspolitik und individueller Gewalt hin zum Massenmord. Im Krieg in Osteuropa warf die deutsche Führung alle völkerrechtlichen Restriktionen über Bord, zugl. wurden die Polen als angeblich minderwertiger slawischer Gegner denunziert, die Ostjuden sollten hingegen noch unter diesen rangieren. Schon während der Kampfhandlungen verübten deutsche Einheiten, vereinzelt auch solche des Heeres, Morde an Juden. Bereits im Oktober 1939 massakrierte die deutsche Ordnungspolizei eine ganze jüdische Gemeinde in Ostrów Mazowiecki. Zwar richteten sich die deutschen Verbrechen um die Jahreswende 1939/40 v. a. gegen die polnische Oberschicht und auch gegen Patienten der Psychiatrie, die zuerst im besetzten Polen, dann auch in Deutschland systematisch ermordet wurden.

Doch auch jene etwa zwei Mio. polnische Juden, die 1939 unter deutsche Herrschaft gerieten, sahen sich totaler Entrechtung und offener Terrorisierung ausgesetzt. Bes. fatal wirkten sich die deutschen Pläne für eine geographische und demographische Umstrukturierung Polens aus. Die deutsch besetzte Hälfte wurde in zwei Territorien geteilt, die eingegliederten Gebiete im Westen und Norden, welche zum Reich kamen, und das Generalgouvernement in Zentral- und Südpolen. Die Juden aus den eingegliederten Gebieten sollten nach deutschen Plänen alle ins Generalgouvernement abgeschoben werden, dies gelang jedoch nur z. T., da die Besatzungsbehörden im Generalgouvernement deren Aufnahme ablehnten. Mit dem Scheitern dieser Vorhaben begann die deutsche Besatzungsverwaltung, die Juden in Ghettos zu isolieren, zunächst 1940 in Lodz und Warschau, dann auch allmählich in den anderen Städten. Im Gegensatz zu diesen beiden Großghettos waren die Zwangsbezirke für Juden meist nicht hermetisch abgeriegelt; freilich wurde das Verlassen der Ghettos drastisch bestraft, spätestens seit Herbst 1941 wurden flüchtende Ghettoinsassen erschossen. Noch vor dem Beginn der systematischen Massenmorde starben Zehntausende Menschen an den unerträglichen Lebensbedingungen in den Ghettos, an Hunger, Krankheit und Kälte.

In Deutschland und Österreich waren die Juden seit Kriegsbeginn weitgehend isoliert, zumeist in Großstädte vertrieben und dort in „Judenhäusern“ untergebracht, jüngere Personen mussten Zwangsarbeit leisten. Anders als in Polen wurde die jüdische Minderheit in Westeuropa, das im Juni 1940 unter deutsche Herrschaft fiel, erst allmählich Opfer von Verfolgung, in Frankreich nicht zuletzt wegen der administrativen Restriktionen, die das Vichy-Regime verhängte.

Der Krieg gegen die Sowjetunion ab Juni 1941 markierte den Übergang zum systematischen Massenmord an den Juden. Einheiten von SS und Polizei, sowohl Einsatzgruppen als auch Polizeibataillone, hatten allg.e Weisungen erhalten, jene Personengruppen zu ermorden, die die deutsche Führung als gefährlich ansah. Damit waren wahrscheinlich auch alle jüdischen Männer im wehrfähigen Alter gemeint, insb. auch jüdische Kriegsgefangene. Bereits am 22.6.1941 ermordeten deutsche Einheiten vereinzelt jüdische Männer, am 26.6. begannen die Massenmorde. Nach sechs bis acht Wochen gingen die Einheiten dazu über, auch jüdische Frauen, Kinder und alte Personen zu erschießen. Schließlich wurden in jenen Gebieten, die ab September 1941 neu erobert wurden, jüdische Gemeinden binnen kurzem in großen Massakern zur Gänze ausgelöscht, so etwa in Kiew am 29./30.9.1941 beim Massaker von Babi Jar. Von Ende 1941 bis Ende 1942 wurden dann die meisten Juden im Westen der UdSSR, d. h. auch in den von der UdSSR annektierten polnischen und baltischen Gebieten ermordet. An diesen Mordaktionen nahm in der Südukraine auch Rumänien teil, das dort über ein eigenes Besatzungsgebiet verfügte.

Der Mord an den Juden in der besetzten Sowjetunion wurde zwar von deutschen Stellen damit gerechtfertigt, dass die Juden angeblich Träger des kommunistischen Regimes seien, er wirkte jedoch als Katalysator für den systematischen Massenmord an allen Juden in Kontinentaleuropa. Schon seit Ende 1939 diskutierten deutsche Funktionäre „Gesamtlösungen der Judenfrage“, etwa durch die Einrichtung von Sterbereservaten in Polen oder auf der französischen Kolonialinsel Madagaskar. Im Frühjahr 1941 wurde auch die Deportation in die Sümpfe Weißrusslands erwogen. Als jedoch der deutsche Plan eines „Blitzkrieges“ nicht aufging, wurde im Spätsommer/Herbst 1941 deutlich, dass ein umfassender Massenmord im besetzten Polen organisiert werden sollte. Zahlreiche Besatzungsfunktionäre hatten von dort bereits Vorschläge gemacht, zunächst v. a. jene Juden zu töten, die nicht zur Zwangsarbeit eingesetzt wurden.

Im September/Oktober 1941 begann der systematische Massenmord in Polen, zunächst in jenen ostpolnischen Gebieten, die zeitweise von der UdSSR besetzt gewesen waren. Zugl. wurden mehrere Vernichtungslager in Polen aufgebaut. Dabei griff die SS-Führung auf Personal zurück, das vorher bei der Ermordung von Kranken und Behinderten eingesetzt worden war. Im Warthegau, der Region um Posen, wurde im Dorf Kulmhof (Chelmno) ein solches Lager errichtet, im Generalgouvernement zunächst in Belzec, dann im Frühjahr 1942 auch in Sobibor und schließlich Treblinka. Das KZ Auschwitz wurde zu dieser Zeit um einen Lagerteil in Birkenau erweitert, der zunächst zur Inhaftierung sowjetischer Kriegsgefangener gedacht war, dann aber für jüdische Häftlinge genutzt wurde. Auch hier wurden Ende 1941 erste Vernichtungsanlagen installiert.

In dieser Zeit fielen in Berlin auch die endgültigen Entscheidungen zum Massenmord. Vermutlich geht dies nicht auf eine einzelne Weisung A. Hitlers zurück, sondern auf eine Reihe von Einzeldiskussionen zwischen dem März 1941, der Entscheidung zum Massenmord in der UdSSR, und dem Frühjahr 1942, als die Planungen für ganz Europa fertiggestellt wurden. Eine umfassende Weisung, die das Schicksal aller europäischen Juden betraf, hat A. Hitler anscheinend erst nach Beginn der Massenmorde in der Sowjetunion und in Polen ausgegeben, vermutlich im Zusammenhang mit der Kriegserklärung an die USA vom Dezember 1941. Die deutschen Spitzenbehörden koordinierten sich dann auf der sog.en Wannsee-Konferenz vom 20.1.1942, in der die Kompetenzaufteilung und das Vorgehen beim Völkermord besprochen wurden.

Der Massenmord an Juden in den Vernichtungslagern setzte noch im Dezember 1941 in Kulmhof ein, dann im März 1942 in Belzec und Auschwitz, im Mai in Sobibor und im Juli in Treblinka. Die völlig verarmten Juden wurden in großen Polizeiaktionen aus den Ghettos getrieben und in Güterzügen an die Vernichtungsorte gebracht. Bis zum Frühjahr 1942 richtete sich die Vernichtungspolitik v. a. gegen jene Juden, die aus deutscher Sicht als „arbeitsunfähig“ galten oder keine Arbeitsstelle vorzuweisen hatten. Im Sommer 1942 begann die Besatzungsverwaltung zusammen mit SS und Polizei mit der Ermordung der Mehrheit der polnischen Juden, zwischen Ende Juli und Ende Oktober 1942 wurden so jeden Tag 10 000–20 000 Menschen ermordet, entweder in den Vernichtungslagern oder bei Massenerschießungen in Ostpolen.

Wenig zentralisiert verliefen die Massenmorde an Juden in Jugoslawien. Nach der deutschen Besetzung des Landes begann die kroatische Ustascha, die ein faschistisches Regime in Kroatien und Bosnien-Herzegowina einrichtete, eigenständig mit Morden v. a. an Serben, aber auch an Juden. Serbien wiederum fiel unter deutsche Militärverwaltung. Dort erschossen Wehrmacht-Einheiten seit Oktober 1941 die jüdischen Männer unter dem Vorwand, es handle sich um Repressalien gegen Partisanenangriffe. Frauen und Kinder wurden anschließend Anfang 1942 von der Sicherheitspolizei ermordet. Griechenland war 1941 ebenfalls nur teilweise unter deutsche Besatzung gekommen, dort wurden die Angehörigen der größten jüdischen Gemeinde von Thessaloniki im März 1943 nach Auschwitz deportiert, ab Herbst des Jahres auch Juden aus dem Westen des Landes.

Auch die Gauleiter der NSDAP und die Verwaltungen im Deutschen Reich drängten schon seit Kriegsbeginn darauf, die Juden aus ihrem Bereich abzuschieben. Im September 1941 entschied die NS-Führung schließlich, nicht – wie geplant – auf das Ende des Krieges in der Sowjetunion zu warten, sondern mit der Deportation zu beginnen. Seit November 1941 wurden Juden aus Deutschland, Österreich und den böhmischen Ländern deportiert, zunächst in Ghettos in Polen, im Baltikum und in Weißrussland. Zahlreiche von ihnen wurden sofort nach Ankunft ermordet, doch die systematische Ermordung der Juden aus dem Reich in Osteuropa setzte dann im Mai/Juni 1942 ein, ab Herbst 1942 auch in Auschwitz. Bis Mitte 1943 waren die Juden in Deutschland und Österreich an die Vernichtungsorte deportiert worden, sofern sie nicht in „Mischehen“ mit nichtjüdischen Partnern lebten. Aus propagandistischen Gründen sollten jedoch ältere Personen in ein Ghetto kommen, nach Theresienstadt (Terezin) in Westböhmen, das aber in Wirklichkeit ein Sterbeghetto und eine Durchgangsstation an die Vernichtungsorte darstellte.

Auch die Juden im besetzten Westeuropa wurden seit dem Sommer 1942 in das Vernichtungsprogramm mit einbezogen. Hier baute die deutsche Besatzungsverwaltung mehr auf die politische Kooperation mit einheimischen Verwaltungen und Polizeistrukturen. In den Niederlanden zeitigte diese Politik die schlimmsten Folgen, über 100 000 Juden wurden von dort in die Vernichtungslager deportiert. Die belgische Polizei war hingegen nur teilweise zur Kooperation bereit, zudem gelang es vielen Juden rechtzeitig unterzutauchen; etwa 50 % der im Lande lebenden Juden konnten sich retten. In Frankreich verhandelte die Besatzungsmacht mit der Vichy-Regierung, die sich bereit zeigte, alle Juden ohne französische Staatsbürgerschaft auszuliefern, auch solche aus der unbesetzten Zone im Süden des Landes. Nichtsdestotrotz wurden auch Menschen mit französischem Pass in den Tod deportiert. Insgesamt wurde etwa ein Viertel der in Frankreich lebenden Juden ermordet.

Die deutsche Staatsführung drängte ihre Verbündeten fortwährend, die Juden in deren Ländern auszuliefern. Die neu entstandenen Staaten Slowakei und Kroatien waren dazu frühzeitig bereit. Rumänien beteiligte sich zwar am Massenmord an den Juden in den Gebieten, die es 1940 an die UdSSR verloren hatte, und in der Ukraine selbst, lehnte im Sommer 1942 eine Auslieferung der Juden aus Altrumänien aber ab. Ähnlich verhielt sich die bulgarische Führung, die zwar die jüdischen Staatsbürger schützte, aber die Juden aus bulgarisch besetzten Gebieten in Jugoslawien und Griechenland auslieferte. Das faschistische Italien (Faschismus) betrieb zwar selbst eine Verfolgungspolitik gegen Juden, beteiligte sich jedoch nicht an den Massenmorden, und zahlreiche Funktionäre schützten Juden in den italienisch besetzten Gebieten. Mit dem Sturz Benito Mussolinis und dem deutschen Einmarsch in Italien im September 1943 entfiel dieser Schutz und ein Teil der Juden in Italien wurde ermordet; die meisten tauchten jedoch unter. Ungarn wiederum, dessen jüdische Bevölkerungsgruppe durch Annexionen 1938/40 auf über 700 000 angestiegen war, verhielt sich ähnlich, lieferte nichtungarische Staatsbürger teilweise aus und verfolgte Juden generell. Doch erst mit der deutschen Besetzung im März 1944 begann die systematische Deportation der Juden nach Auschwitz mit massiver ungarischer Beteiligung, die im Juli 1944 freilich gestoppt wurde. Weitere Verschleppungen folgten Ende 1944.

Jene Juden, die wegen ihrer Zwangsarbeit noch am Leben gelassen worden waren, kamen seit Sommer 1944 sukzessive in die KZ. Zwar wurden im November 1944 die Massenvernichtungen in Auschwitz eingestellt, ein erheblicher Teil der jüdischen Häftlinge wurde jedoch während der Evakuierungen und Todesmärsche in den ersten Monaten des Jahres 1945 ermordet.

Insgesamt beläuft sich die Zahl der ermordeten Juden auf etwa 5,6 bis 5,8 Mio., das waren fast zwei Drittel aller Juden im Vorkriegseuropa. Hunderttausende überlebten mit schweren gesundheitlichen Schäden und waren ihr Leben lang traumatisiert. Etwa drei Mio. Menschen waren in den Vernichtungslagern umgebracht worden, über zwei Mio. v. a. in den sowjetischen Gebieten bei Massenerschießungen ermordet, Hunderttausende starben in den Ghettos und anderen Lagern, ebenso wie bei den Evakuierungen 1945. Bes. Kinder und alte Menschen hatten kaum eine Überlebenschance, sie wurden von der deutschen Herrschaft als ungeeignet zur Ausbeutung angesehen und als erste ermordet. Aber auch Frauen hatten eine geringere Überlebenschance als Männer, da für die Zwangsarbeit meist letztere ausgesucht wurden. Oft waren jüngere Menschen mobiler, weniger familiär gebunden, und deshalb gelang ihnen eher die Flucht.

Die meisten Opfer hatten die jüdischen Gemeinden in Ostmitteleuropa zu verzeichnen, bes. in Polen und im Baltikum wurden an die 90 % der jüdischen Einwohner ermordet. In den altsowjetischen Gebieten konnten etwa ein Drittel der Juden rechtzeitig flüchten. Von jenen, die unter deutsche Herrschaft kamen, überlebten nur etwa 5 %. Auch in Ungarn, Jugoslawien, Griechenland und den Niederlanden waren die Bevölkerungsverluste sehr hoch. Allein in Frankreich, Belgien, Rumänien, Norwegen und Italien überlebten mehr als die Hälfte der Verfolgten, aus Dänemark gelang den meisten die Flucht.

Die jüdischen Gemeinden waren vor dem Krieg sehr unterschiedlich sozial und kulturell positioniert und deshalb auch mit unterschiedlichen Ressourcen ausgestattet, um mit Verfolgung und Vernichtung unter deutscher Herrschaft umzugehen. In weiten Teilen Ostmitteleuropas verfügten die Juden zwar bereits über Verfolgungserfahrungen aus der Zwischenkriegszeit, aber meist über wenig materielle Mittel und oft waren sie in der Gesellschaft eher isoliert. Meist fehlte ein politischer Rückhalt und der indigene Antisemitismus verschärfte die Situation noch. Dennoch ist Mio. Menschen die Flucht gelungen, etwa 400 000 aus Deutschland und Österreich, über einer Mio. in der Sowjetunion. Wer unter deutschen Zugriff kam, musste eigene Überlebensstrategien entwickeln; Hunderttausende tauchten unter, viele versuchten sich in kriegswichtigen Unternehmen unentbehrlich zu machen. In allen besetzten Ländern entwickelten sich jüdische Untergrundgruppen, die v. a. Leben zu retten versuchten, sich aber seit Beginn der totalen Vernichtung 1942 auch zur Wehr setzten, so in vielen Ghettorevolten, nicht nur jene in Warschau im April/Mai 1943. Die Voraussetzungen für jüdischen Widerstand waren jedoch denkbar schlecht. In den meisten Ländern – mit Ausnahme Jugoslawiens und Italiens – waren Juden von der allg.en Widerstandsbewegung isoliert, oft fehlten Netzwerke zur Beschaffung von Waffen, falschen Papieren usw.

Die Sh. war v. a. das Werk des nationalsozialistischen Deutschland. Während Mio. Deutsche (und Österreicher) von der Enteignung und Ausgrenzung der Juden profitierten, durch materiellen Gewinn oder berufliches Weiterkommen, haben ungezählte zur alltäglichen Diskriminierung beigetragen. Die Zahl der deutschen Täter bei den Massenmorden lässt sich nur schwer eingrenzen: Nimmt man die beteiligten Strukturteile deutscher Institutionen, SS und Polizei, Verwaltung und NSDAP-Apparat, Wehrmacht, andere Organisationen v. a. im besetzten Osteuropa, so kann man etwa eine Zahl von 200 000 Beteiligten schätzen. Zwar ging der Massenmord v. a. von der deutschen Staatsführung aus, wichtige Initiativen kamen jedoch auch aus den Besatzungsverwaltungen oder von Experten der Rassenforschung (Rassismus), der Raumplanung oder dem Medizinwesen. Den Kern des kriminellen Systems machte sicher der vereinigte SS- und Polizeiapparat aus, der nicht nur die meisten Exekutoren stellte, Tötungseinheiten, Lagerbesatzungen, Beteiligte bei Deportationen, sondern auch immer mehr Kompetenzen in sich vereinigte. In einigen Militärgebieten wie der besetzten UdSSR oder Serbien übernahm die Wehrmacht die Koordination und oft auch die Exekution der Morde. Die meisten Täter hielten die Morde oder zumindest die Deportationen für sinnvoll, Kritik wurde, anders als etwa bei den Verbrechen an den Kriegsgefangenen, kaum laut. Schließlich schlossen sich immer mehr Täter der Dynamik des Mordens an.

Doch die Sh. war in diesem Ausmaß nicht denkbar ohne die Beteiligung von Ausländern. Dies galt zunächst für die Regierung Rumäniens, aber auch für die von Deutschland abhängigen Regimes in der Slowakei, in Kroatien, Ungarn oder Vichy-Frankreich. Von zentraler Bedeutung waren darüber hinaus die einheimischen Polizeien und Verwaltungen. Nicht selten bekamen die jüdischen Opfer erst beim Deportationstransport oder gar im Vernichtungslager den ersten Deutschen zu Gesicht. Diese Indienstnahme Einheimischer beim Großverbrechen wurde von Deutschen systematisch gefördert, doch baute sie auf antisemitischen Strömungen der Vorkriegszeit auf. Die nichtdeutschen Helfer beim Massenmord, insb. in den einheimischen Polizeien, überstiegen an Zahl die der Deutschen bei weitem, sie kannten die lokalen Verhältnisse und konnten Juden überhaupt erst als solche identifizieren. Doch bleibt die Hauptverantwortung bei den Deutschen.

Zwar war die Sh. unmittelbar nach dem Krieg überall präsent, ihre Folgen waren schlichtweg nicht zu übersehen, doch verschwand das Thema schon Ende der 1940er Jahre aus der deutschen und auch der europäischen Öffentlichkeit. Erst in den 1960er Jahren, mit dem Wiederaufleben der Strafprozesse wegen NS-Verbrechen, kam sie wieder stärker ins Bewusstsein; oft standen die jüdischen Opfer des NS-Regimes aber im Schatten der nichtjüdischen. Erst Ende der 1970er Jahre bahnte sich ein grundlegender Wandel an, zunächst im Westen, dann allmählich auch in Osteuropa, wo die meisten Opfer zu verzeichnen sind. Seit 2000 sind die Bemühungen verstärkt worden, den Mord an den Juden im Zweiten Weltkrieg international als das historische Massenverbrechen schlechthin im allg.en Bewusstsein zu verankern und sein Gedenken weltweit zu begehen.