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Aktuelle Version vom 14. November 2022, 06:00 Uhr
S. sind Normen des Verfassungsrechts, die zwar rechtlich bindend sind, dem Bürger jedoch keine einklagbaren subjektiven Rechte einräumen. Damit sind sie juristisch alles andere als irrelevant, können sie als „Verfassungsgüter“ doch Abwägungstopoi von Gewicht in den zahlreichen, v. a. grundrechtlichen Abwägungsvorgängen (Abwägung) in der Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit darstellen. S. bilden zum einen die zentralen Strukturprinzipien einer Verfassungsordnung ab (daher wird teilweise auch von Staatsstrukturprinzipien gesprochen): Republik, Bundesstaatlichkeit (Bundesstaat), Demokratie, Rechtsstaatlichkeit (Rechtsstaat). Dieser Typus von S. findet seine Konkretisierung in zahlreichen Normen der jeweiligen Verfassung (für die Bundesstaatlichkeit unter dem GG etwa in den Art. 20 ff., 70 ff., 83 ff. und 104a ff.). Daher hat es – v. a. anhand des Rechtsstaatsprinzips – Diskussionen gegeben, ob angesichts der Positivierung in Einzelbestimmungen auf die übergeordnete Kategorie nicht verzichtet werden kann. Durchgesetzt hat sich insoweit jedoch ein summarisches Verständnis, das in der übergeordneten Kategorie und d. h. in der jeweiligen S. einen Eigenwert erblickt. Der zweite Typus von S. normiert Staatsaufgaben und gibt gleichzeitig Direktiven für sämtliche Staatsorgane vor, diese zu verwirklichen (ohne die Konkretion von Gesetzgebungsaufträgen zu erreichen). Hierunter fällt das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 S. 1 GG; Sozialstaat), das Staatsziel europäische Integration (Präambel, Art. 23 GG; Europäischer Integrationsprozess), Umweltschutz und Tierschutz (Art. 20a GG), das Friedensgebot (Präambel, Art. 24 Abs. 2, 26 GG), Maßgaben für die Konjunkturpolitik (Art. 109 Abs. 2 GG) und bis 1990 auch das Wiedervereinigungsgebot (Präambel). Rechtspolitisch ist seit jeher umstritten, welche Staatsaufgaben durch eine S. hervorgehoben werden sollen. Diskussionen gibt es insoweit über eine S. „Kultur“ (Kulturpolitik) oder „Sport“. Auf Ebene der Landesverfassung besteht hier eine kontextual erklärbare größere Vielfalt. Klar ist dabei, dass sich die Staatsaufgaben nicht allein aus dem Verfassungstext herleiten lassen, sondern im Wesentlichen dem politischen Prozess überantwortet bleiben (müssen).
Literatur
C. Waldhoff: Der positive und der negative Verfassungsvorbehalt, 2016 • F. Reimer: Verfassungsprinzipien, 2001 • K. P. Sommermann: Staatsziele und Staatszielbestimmungen, 1997 • P. Badura: Arten der Verfassungsrechtssätze, in: HStR, Bd. 7, 11992, § 159 • Bundesminister des Innern/Bundesminister der Justiz (Hg.): Staatszielbestimmungen – Gesetzgebungsaufträge. Bericht der von den Bundesministern des Innern und der Justiz eingesetzten Sachverständigenkommission, 1983 • U. Scheuner: Staatszielbestimmungen, in: R. Schnur (Hg.): FS für Ernst Forsthoff zum 70. Geburtstag, 1972, 325–346.
Empfohlene Zitierweise
C. Waldhoff: Staatszielbestimmungen, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Staatszielbestimmungen (abgerufen: 21.11.2024)