Kameralistik: Unterschied zwischen den Versionen

K (Kameralistik)
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Version vom 14. November 2022, 05:56 Uhr

1. Grundlagen

Die K. – auch „kameralistische Buchführung“ genannt – ist in ihren Ursprüngen eine Form der Buchhaltung, deren Entstehung zurück bis ins 16. Jh. reicht. Sprachgeschichtlich leitet sich der Begriff K. von der fürstlichen Rechnungskammer ab (im Lateinischen: camera). Die K. stellt das (bisher) dominante Buchführungssystem öffentlich-rechtlicher Körperschaften (Bund, Länder und Gemeinden) sowie öffentlicher Unternehmen dar und ist in ihrer einfachsten Form eine reine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung, die eine Soll-Rechnung (Budget) und eine Ist-Rechnung umfasst. Mit der Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben ergibt sich ein Überschuss oder ein Fehlbetrag (ein Defizit) der Abrechnungsperiode.

Eine Erfassung der Geschäftsvorfälle auf der Grundlage der kassenmäßigen Vorgänge und eine darauf aufbauende Ermittlung des finanzwirtschaftlichen Ergebnisses beziehen sich insofern auf die Bedarfsdeckungsfunktion öffentlicher Haushalte, als die geplanten den tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben gegenübergestellt werden. Die dadurch entstehende Verlaufsrechnung liefert Informationen über Grund und Höhe sowohl von Einnahmen als auch Ausgaben und damit exakte Kontrollinformationen über die Haushaltsausführung gegenüber externen Informationsempfängern. Eine Überwachung der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung bzw. eine Abbildung des leistungsbezogenen Ressourcenverbrauchs sind im Rahmen – zumindest der einfachen – K. allerdings ebenso wenig möglich wie die Erfassung und Fortschreibung der Bestände an Vermögensgegenständen und Schulden sowie an Reinvermögen (Eigenkapital). Mit der zuvor skizzierten Ausrichtung wird der Rechnungsstil der K. häufig als gegensätzlich zur kaufmännischen Buchführung (Doppik) betrachtet: Es steht nicht die Ermittlung des Erfolgs (und des Vermögens), sondern vielmehr die Nachprüfbarkeit der Ordnungsmäßigkeit des Handelns der Verwaltung im Mittelpunkt der Betrachtung.

2. Struktur und Formen der Kameralistik

Aus der Zielsetzung heraus, Ansätze im Haushaltsplan einhalten bzw. nicht überschreiten zu wollen, folgt der elementare Grundsatz der K., nach dem sowohl Einnahmen als auch Ausgaben eine Anordnung voranzugehen hat. Ein derartiges Anordnungs-Soll – buchhalterisch eine Soll-Stellung – muss allerdings nicht zwingend identisch mit der Veranschlagung im Haushaltsplan, dem sog.en Haushalts-Soll, sein. Entspr. gibt sich das Ergebnis einer Periode (Überschuss oder Fehlbetrag) aus der Gegenüberstellung des Anordnungs-Solls mit den tatsächlich erfolgten Einnahmen und Ausgaben („Ist“), wobei im Regelfall weitere Informationen in einer dritten Spalte in der Rechnung berücksichtigt werden:

a) Ordnungsmäßigkeit der vorgenommenen Buchungen;

b) Liquidität bzw. Kassenstand (= Differenz zwischen dem Ist der Einnahmen und Ausgaben aller Konten) und

c) noch zu leistende Ausgaben bzw. noch ausstehende Einnahmen (= Ausgaben- und Einnahmen-Reste).

Insgesamt sind innerhalb der K. damit Mehrspaltenschemata von Konten typisch. Rechnungsabschlüsse sind auf der Basis von laufenden Soll-Stellungen oder Ist-Buchungen möglich und üblich.

Die einseitige Ausrichtung der zuvor beschriebenen traditionellen Verwaltungs-K., insb. das Fehlen einer Erfolgsrechnung, hat zur Entwicklung verschiedener Ausprägungen einer Betriebs-K. geführt. Basierend auf einer weiten Definition von Resten sowie einer Differenzierung des Sachbuchs nach verschiedenen ökonomischen Merkmalen liegt das Ziel einer solchen Rechnung für Betriebe mit zumindest teilweise entgeltbasierter Finanzierung v. a. in der Erstellung einer kaufmännischen Erfolgsrechnung sowie einer damit korrespondierenden Vermögensrechnung. Darüber hinaus werden im Rahmen einer erweiterten K. unter Einbeziehung kalkulatorischer Kostenkomponenten ökonomisch begründete Kalkulationen insb. für betriebliche Einheiten angestrebt, die sich z. B. aus Benutzungsgebühren finanzieren.

3. Aktuelle Entwicklungen

Die eingeschränkte Aussagekraft der kameralistischen Rechnung sowie die weiter fortschreitende Ökonomisierung öffentlicher Einrichtungen im Zuge angespannter Haushalte und/oder globaler Entwicklungen haben in den letzten Jahren einen umfassenden Trend zur Substituierung der kameralistischen Buchführung in Gang gesetzt. Im Mittelpunkt der Reformbemühungen steht ein Übergang entweder auf das Konzept der kaufmännischen (doppelten) Buchführung oder einer spezifisch definierten, in jedem Fall aber deutlich erweiterten K. Ziel ist es, zu einem Ressourcenverbrauchskonzept zu gelangen, in dem unter Beachtung des Prinzips der Periodengerechtigkeit Erträge und Aufwendungen dem Jahr zugerechnet werden, dem das Ressourcenaufkommen bzw. der zugehörige Ressourcenverbrauch unabhängig vom Zeitpunkt der Zahlung ökonomisch zuzurechnen sind. Eine damit vorliegende Erfolgsrechnung lenkt den Blick – anders als reine geldstromorientierte Rechnungen – auf eine Leistungs- und Produktorientierung öffentlicher Verwaltungen und ermöglicht umfassendere Informationen über die finanzielle Lage. Werden darüber hinaus bestandsorientierte Vermögensrechnungen als integraler Teil des Rechnungssystems betrachtet, lassen sich finanzielle Risiken aus öffentlichen Schulden (z. B. Krediten und Pensionszusagen) oder aus Bürgschaften ebenso offenlegen wie Potenziale (und Risiken) aus Vermögensbeständen.

In Deutschland ist der skizzierte Umstellungsprozess auf der Ebene der Kommunen in Anlehnung an die handelsrechtliche Rechnungslegung für Kapitalgesellschaften am weitesten fortgeschritten. Für den Bund und die Länderebene besteht hingegen nach § 1a HGrG grundsätzlich ein Wahlrecht zwischen der kameralistischen Buchführung und der staatlichen Doppik. Internationale Bemühungen beziehen sich auf die IPSAS, die zu harmonisierten EPSAS fortentwickelt werden könnten.