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Aktuelle Version vom 3. Mai 2023, 12:14 Uhr
1. Die Vielfalt von Gütern
G. sind Mittel zur Bedürfnisbefriedigung (Bedürfnis). Mit der Fähigkeit, Bedürfnisse zu befriedigen weisen G. bei den potentiellen Nutzern eine Wertschätzung und gegebenenfalls eine Zahlungsbereitschaft zum Erwerb von Nutzungsrechten auf. G. lassen sich in eine Vielzahl von Kategorien einordnen. Im Folgenden sollen zunächst die wichtigsten G.-Arten voneinander abgegrenzt werden. Anschließend werden in den folgenden Abschnitten die wichtigsten dieser Klassifikationen genauer betrachtet.
a) Eine erste Unterscheidung ist diejenige in freie und knappe G. Unter einem freien G. versteht man ein solches, das in größerem Umfang zur Verfügung steht als es von den Konsumenten gewünscht wird, sodass ein jeder Konsument bis zum Grad der vollständigen Sättigung konsumieren kann und die Menge der betrachteten G. noch immer nicht verbraucht ist. Beispiel für freie G. sind die Luft zum Atmen, Sand in der Sahara oder das Salzwasser in den Ozeanen. Solange G. als frei bezeichnet werden können, besteht kein wirtschaftliches Versorgungsproblem (etwa bei der „Lieferung“ von Luft), was zur Folge hat, dass sie in der Ökonomik nicht weiter untersucht werden.
Knappe G. sind solche, die nur in einem begrenzten Umfang zur Verfügung stehen und deren Bereitstellung im Allgemeinen mit Kosten verbunden ist. Sie werden oftmals auch als wirtschaftliche G. bezeichnet und stehen im Vordergrund dieses Beitrags.
b) Eine zweite G.-Klassifikation erfolgt anhand des Kriteriums, ob G. materiell sind oder nicht. Materielle G. können angefasst werden, sie weisen also eine körperliche Substanz auf. Immaterielle G. sind hingegen körperlos. Beispiele für immaterielle G. sind Dienstleistungen, Rechte und Informationen.
c) Konsum-G. werden von Produktions-G.n unterschieden. Unter den letzteren versteht man solche G., die als Input in den volkswirtschaftlichen Produktionsprozess eingehen.
d) G. können in Gebrauchs- und Verbrauchs-G. eingeteilt werden. Der wesentliche Unterschied zwischen diesen Kategorien besteht eigentlich nur in der Nutzungsdauer. Verbrauchs-G. – man denke etwa an Nahrungsmittel – werden in kurzer Zeit verbraucht, während Gebrauchs-G. über einen längeren Zeitraum eingesetzt werden. Sie besitzen damit einen Investitions- bzw. Kapitalcharakter. Beispiele für Konsum-Gebrauchs-G. sind Automobile, Fernseher und Wohnimmobilien. Maschinen, Werkzeuge und Patente sind hingegen als Produktions-Gebrauchs-G. (Kapital-G.) einzustufen.
e) Nach den Kriterien der Rivalität im und der Exkludierbarkeit vom Konsum werden verschiedene Arten von Kollektiv-G.n (öffentlichen G.n) bzw. privaten G.n unterschieden. Diese Thematik wird in Abschnitt 2 genauer betrachtet.
f) Meritorische und demeritorische G. sind solche, bzgl. derer dem Verbraucher unterstellt wird, dass er seine Konsumentscheidungen nicht optimal trifft und sein Verhalten einer Korrektur bedarf. Die Meritorik ist Gegenstand des dritten Abschnitts.
g) G. lassen sich auch danach unterscheiden, inwieweit Informationsdefizite hinsichtlich der G.-Qualität vorliegen oder nicht. Die damit verbundene Einteilung in transparente G., Inspektions-, Erfahrungs- und Vertrauens-G. wird in Abschnitt 4 erläutert.
2. Private und öffentliche Güter
Die Kollektiv-G.-Theorie grenzt G. nach der Erfüllung oder Nichterfüllung zweier Kriterien ab: der Exkludierbarkeit und der Rivalität. Unter einer Exkludierbarkeit vom Konsum versteht man die Eigenschaft, ob es zu vertretbaren Kosten möglich ist, einen Verbraucher vom Konsum des G.es auszuschließen. So ist es z. B. durch ein simples Abschließen einer Wohnung möglich, andere Menschen von der Nutzung des eigenen Wohnraums auszuschließen. Damit liegt eine Exkludierbarkeit vor. Im Gegensatz dazu ist es kaum möglich, einen Bürger vom Nutzen des Rechtssystems oder der Bundeswehr auszuschließen. Selbst wenn der betrachtete Bürger überhaupt keinen Beitrag zur Finanzierung des Rechtsapparates leistet, profitiert er doch von den damit verbundenen Verhaltensänderungen der Mitbürger und vom Schutz vor den inhaftierten Verbrechern. Hier liegt offensichtlich keine Exkludierbarkeit vor.
Das Fehlen der Möglichkeit zum Ausschluss vom Konsum hat ein Trittbrettfahrerproblem zur Folge: Im Vertrauen darauf, dass die anderen Bürger eine Finanzierung der Bundeswehr sicherstellen, hat jeder Einzelne einen Anreiz, seinen eigenen Beitrag dazu zu verweigern, ohne dass sein persönlicher Nutzen aus der Landesverteidigung sinkt. Doch selbst wenn die anderen Bürger ihren Beitrag ebenfalls verweigern, ist es für den betrachteten Verbraucher nicht sinnvoll, als einziger in die (damit völlig wirkungslose) Landesverteidigung zu investieren. Bei fehlender Exkludierbarkeit vom Konsum liegt somit ein über den Markt kaum lösbares Finanzierungsproblem vor. In diesem Fall könnte der Staat einspringen und durch eine Zwangsfinanzierung (Steuern) das von den Menschen eigentlich gewünschte G. Landesverteidigung bereitstellen.
Das zweite Kriterium der Kollektiv-G.-Theorie besteht in der Rivalität im Konsum. Rivalität im Konsum liegt dann vor, wenn der Konsum eines G.es durch eine Person den Konsum desselben G.es durch andere Menschen beeinträchtigt oder ganz unmöglich macht. Jede Scheibe Brot, die Person A verzehrt, steht Person B nicht mehr zur Verfügung. Es herrscht vollkommene Rivalität im Konsum. Es existieren jedoch auch andere G., für die das nicht gilt: z. B die Landesverteidigung. Wird etwa ein Kind geboren, das ebenfalls von der Bundeswehr geschützt wird – es konsumiert somit das G. Landesverteidigung – so wird der Nutzen der anderen Bürger des Landes durch den neuen Konsumenten gar nicht beeinträchtigt. Es liegt somit überhaupt keine Rivalität im Konsum vor. Bei fehlender Rivalität im Konsum ergibt sich ein anderes „Problem“: Wird das G. für eine bestimmte Menge von Menschen bereitgestellt, so ist ein Ausschluss der anderen Menschen gar nicht gewünscht: Könnten sie am Konsum teilnehmen, entstünden keine Kosten, wohl aber ein signifikanter Konsumnutzen. Dürften jedoch alle Menschen kostenlos an der Nutzung teilnehmen, wer soll dann die Bereitstellung des G.es finanzieren?
Fasst man die beiden Kriterien zusammen, so ergibt sich eine 2×2-Matrix mit den resultierenden Arten von Kollektiv- bzw. Privat-G.n, die in Tab. 1 dargestellt ist. Für den Fall, dass sowohl Exkludierbarkeit als auch Rivalität vorliegt, spricht man von privaten G.n. Diese werden im Allgemeinen durch den wettbewerblichen Marktprozess (Markt, Wettbewerb) in angemessenem Umfang bereitgestellt.
Das Gegenstück hierzu bilden die (rein) öffentlichen G., bei denen weder eine Exklusion vom Konsum möglich ist noch eine Rivalität im Konsum vorliegt. Ein Musterbeispiel dafür stellt die bereits erwähnte Landesverteidigung dar. Da eine Exklusion vom Konsum weder möglich noch wünschenswert ist, aber ein Trittbrettfahrerproblem bei der Finanzierung vorliegt, ist eine Zwangsfinanzierung durch Steuern oder Abgaben nur schwer zu vermeiden.
Exkludierbarkeit gegeben | Keine Exkludierbarkeit | |
Rivalität im Konsum | Private Güter | Gesellschaftliche Ressourcen |
Keine Rivalität im Konsum | Klubkollektivgüter | (Rein) Öffentliche Güter |
Tab. 1: Öffentliche und private Güter
Eine Finanzierung durch den Staat bedeutet jedoch noch nicht, dass der Staat die öffentlichen G. auch produziert. Grundsätzlich könnte er die Produktion auch bei privatwirtschaftlichen Unternehmen in Auftrag geben. Dies würde in den meisten Fällen kostensenkend und damit ressourcenschonend wirken. In anderen Fällen, wie etwa der Landesverteidigung oder der Rechtsprechung, gibt es weitere Gründe – z. B. die Sorge vor einem Missbrauch der resultierenden privaten, militärischen Macht – dafür, dass auch die Produktion des G.es durch den Staat erfolgen sollte.
Eine dritte Form von G.n sind die gesellschaftlichen Ressourcen, die gelegentlich auch als Allmende-G. bezeichnet werden. Bei ihnen ist die Exkludierbarkeit nicht gegeben, Rivalität im Konsum herrscht dennoch vor. Ein Beispiel hierfür wäre ein von mehreren Unternehmen genutztes Ölfeld oder der Fischbestand in den Weltmeeren. In beiden Fällen könnte es zu kostspielig sein, andere Personen an der Nutzung der Ressource zu hindern. Wollte man etwa den Weltbestand an Walen vor unbegrenztem Zugriff schützen, so müsste man die Ozeane umfassend kontrollieren. Wenn eine Exklusion von der Nutzung nicht möglich ist, so ist von einer verschwenderischen Übernutzung der Ressource auszugehen: Jede Zurückhaltung im Verbrauch der Ressource ermöglicht v. a. den anderen Nutzern einen leichteren Zugriff: Der Wal, den Fischer A verschont, wird mit Freude von Fischer B gefangen und geht damit Fischer A für alle Zeiten verloren. Dies ist der Grund dafür, warum viele Tierarten vom Aussterben bedroht sind.
Zu lösen ist dieses Problem eigentlich nur durch technische oder rechtliche Innovationen, die letztendlich doch einen Ausschluss vom Konsum und damit die Zuweisung privater Eigentumsrechte ermöglichen. Falls zwar der Zugriff auf die Ressource nicht verhindert, aber zumindest gemessen werden kann, könnten auch Kontrollen der Absatzmengen auf Märkten oder Kontrollen mit Sanktionen in Kleingruppen helfen.
In der letzten Kategorie, die hier als Klubkollektiv-G. (Clubgüter) bezeichnet wird, ist die Exkludierbarkeit zwar gegeben, es herrscht jedoch keine Rivalität im Konsum. Beispiele hierfür wären das Kabelfernsehen, nicht voll besetzte Züge oder Hörsäle oder nicht ausgelastete Sportanlagen. Ein weiterer Zuhörer in einem halbvollen Hörsaal verursacht keine zusätzlichen Kosten und mindert den Genuss der anderen Zuhörer in keiner Weise. Gleichzeitig könnte der zusätzliche Hörer aber durch eine Eingangskontrolle vom Konsum ausgeschlossen werden. Dies wäre jedoch nicht wünschenswert, insoweit die Vorlesung schon angeboten wird. Würde jedoch niemand einen Beitrag für die Bereitstellung des Vorlesungsangebots zahlen, so würde die Vorlesung gar nicht erst stattfinden. Ein möglicher Ausweg für das Finanzierungsproblem besteht in der Klublösung: Alle an Vorlesungen interessierten Bürger zahlen einen festen Beitrag und ermöglichen somit die Bereitstellung des Vorlesungsangebots. Durch Zahlung des Beitrags können sie zu beliebig vielen Veranstaltungen gehen. Sollte der Hörsaal jedoch überfüllt sein, wechselt die Veranstaltung ihren Charakter, da nunmehr Rivalität im Konsum vorliegt. Die Veranstaltung wird zu einem privaten G., und die Forderung eines weiteren Eintrittspreises wird sinnvoll, um denjenigen, die für die Veranstaltung die höchste Wertschätzung aufweisen, den Zugang zu sichern.
3. Meritorische und demeritorische Güter
G. werden dann als meritorisch oder demeritorisch bezeichnet, wenn unterstellt wird, dass der Verbraucher ohne Eingriff des Staates eine für ihn selbst suboptimale Entscheidung träfe. Mit anderen Worten: Die Konsumentensouveränität wird in Frage gestellt.
Als Begründung wird angeführt, dass bestimmte Konsumhandlungen einen Eigenwert hätten oder dass dem Konsumenten die Reife fehlt zu erkennen, was eigentlich gut für ihn ist. So könnte etwa dem Theaterbesuch ein über den reinen Konsumgenuss hinausgehender Wert eingeräumt werden, der vom Verbraucher nicht hinreichend gewürdigt wird. Aus diesem Grund soll der Verbraucher gedrängt oder gezwungen werden, das so verdienstvolle („meritorische“) G. in höherem Maß zu konsumieren. Fehlende Reife wird häufig für Kinder und Jugendliche unterstellt, die z. B. einer Schulpflicht unterliegen. Aber auch Erwachsenen wird gelegentlich unterstellt, dass sie etwa ihre Bedürfnisse im Alter unterschätzen und deshalb einer Altersvorsorgepflicht unterliegen sollten.
Während meritorische G. in größerem Umfang konsumiert werden sollen, als es der Verbraucher eigenständig entscheiden würde, werden demeritorische G. als inhärent schädlich angesehen. Demeritorische Eingriffe haben dementsprechend zum Ziel, den Konsum dieser G. zu verringern. Klassische Beispiele hierfür sind Suchtmittel wie Tabak, Alkohol, harte und weiche Drogen oder auch Wetten (Spielsucht).
Die „klassische“ Interpretation meritorischer Eingriffe in die Konsumentscheidungen unterliegt einem grundsätzlichen Problem: Wie bestimmt man den meritorischen Zusatzwert einer Konsumhandlung und wer bestimmt diesen? Einschätzungen können hier weit auseinander liegen, sodass einer willkürlichen Bevormundung Tür und Tor geöffnet werden. Woher will die bevormundende Instanz besser wissen, was für Person A und für alle anderen, doch ganz unterschiedlichen Personen besser oder schlechter ist? Dies Problem gilt übrigens auch für demokratisch legitimierte meritorische Eingriffe: Warum sollte eine Mehrheit von Wählern mit bestimmten Präferenzen der Minderheit Konsumvorgaben diktieren können? Und warum soll die Mehrheit den „wahren“ Konsumnutzen besser erkennen können als die Minderheit?
Warum reicht es nicht aus, die Konsumenten hinreichend zu informieren, sodass sie selbst herausfinden können, was gut für sie ist? Im Grunde kann als Begründung allenfalls angeführt werden, dass der Lernprozess der Menschen bei bestimmten G.n (etwa harten Drogen) systematisch versagt. Abgesehen davon, dass ein solches Versagen allenfalls bei einigen wenigen G.n anwendbar sein könnte, bleibt noch immer das Problem festzustellen, wann dies zutrifft und warum die Einschätzung einiger vermeintlicher Fachleute zutreffender sein soll als die Selbsteinschätzung der Konsumenten. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass alle Ansätze, bei denen vermeintlich besser informierte Menschen anderen ihre Konsummuster zumindest teilweise vorgeben möchten, überaus fragwürdig sind.
Es gibt jedoch einen anderen, „neueren“ Ansatz der Meritorik, dessen Idee weniger darin besteht, anderen Menschen Verbrauchmuster vorzuschreiben, als vielmehr den Versuch von Menschen darstellt, sich selbst an bestimmte Verhaltensweisen zu binden. Die Grundidee besteht in der Einführung sogenannter Meta-Präferenzen, also Präferenzen über Präferenzen. Ein auf diese Weise betrachteter Mensch unterscheidet zwischen seiner Wunschvorstellung über sein eigenes Verhalten und seinem tatsächlichen Verhalten. So mag eine Person bspw. die Meta-Präferenz haben, keinen Alkohol zu trinken. Gleichzeitig erkennt er, dass die Wahrscheinlichkeit groß ist, von diesem Idealbild abzuweichen, wenn er in geselliger Runde nicht als Außenseiter gelten möchte und deshalb gemeinsam mit den anderen doch Alkohol zu sich nimmt. Um seinem Wunschbild über sich selbst näher zu kommen, könnte er – seine Willensschwäche antizipierend – sich einer Selbstbindung aussetzen wollen. Bspw. könnte er allen seinen Freunden einen hohen Geldbetrag versprechen, wenn er jemals wieder beim Alkoholkonsum beobachtet würde. Befindet er sich nun erneut in der geselligen Runde, so wäre die Androhung der hohen Vermögenseinbuße möglicherweise hilfreich, den Alkoholverzicht konsequent umzusetzen.
Wenn bestimmte Formen solcher Willensschwächen nicht nur im privaten Umfeld auftreten, kann es schwierig werden, derartige Selbstbindungs-Versprechen mit allen ihm möglicherweise in der Zukunft begegnenden Menschen vorzunehmen. In diesem Fall könnte man einem gesetzlichen Alkoholverbot zustimmen wollen, um eine umfassende Selbstbindung einzurichten. Sollten viele Menschen ein solches Selbstbindungsbedürfnis aufweisen, könnte eine demokratische Mehrheit ein demeritorisch motiviertes Alkoholverbot realisieren, nicht um andere Menschen im Konsum zu bevormunden, sondern um sich selbst an die eigenen Meta-Präferenzen zu binden. Damit würde zwar noch immer die Mehrheit der Minderheit Konsummuster verbieten, doch geschähe dies nicht aus der Perspektive vermeintlich überlegenen Wissens, sondern nur, um sich selbst vor eigenen Fehlentscheidungen zu schützen.
Solche „individualistisch-meritorischen“ (Erlei 1992: 34) Eingriffe sind grundsätzlich legitimierbar, da eine Präferenzverletzung unvermeidlich ist: Entweder die sich meritorisch binden wollendenden Personen werden daran gehindert, ihre Meta-Präferenzen realisieren zu können, oder die überstimmte Minderheit wird in ihrer Konsumfreiheit beeinträchtigt. Da in jedem Fall eine Freiheit – die zur Selbstbindung oder die zum freien Konsum – verletzt wird, handelt es sich um eine Frage der Abwägung, in welchen Fällen ein meritorischer Eingriff noch als verhältnismäßig angesehen werden kann. Gleichzeitig gilt es nicht zu übersehen, dass jede Möglichkeit meritorischer Vorgaben auch missbräuchlich genutzt werden kann, insb. dann, wenn nicht wirklich alle Menschen über die Vorgabe abstimmen können, sondern eine parlamentarische Elite die Entscheidung trifft.
4. Information und Güterarten
Ein ganz andersartiger Problemkomplex ergibt sich, wenn man G. anhand des Ausmaßes von Informationsdefiziten über die G.-Eigenschaften unterscheidet. Die ökonomische Literatur unterscheidet dabei v. a. vier Arten von G.n:
a) transparente G.,
b) Inspektions-G.,
c) Erfahrungs-G. und
d) Vertrauens-G.
Unproblematisch sind die transparenten G., deren wesentliche Eigenschaften dem Verbraucher hinreichend genau bekannt sind. Beispiele hierfür sind v. a. nahezu homogene G. wie etwa Benzin, Elektrizität oder Getreide. Käufer und Verkäufer wissen beim Handel solcher G. hinreichend genau, auf was sie verzichten bzw. was sie erwerben.
Ein wenig problematischer sind die sogenannten Such- oder Inspektions-G. Für diese gilt, dass die Produktqualität zwar nicht im Vorhinein bekannt ist, diese jedoch durch einfache Maßnahmen der Inspektion – z. B. Anblick, Anfassen, Messen, Wiegen usw. – erfasst werden kann. Das Inspizieren kostet u. U. Zeit und Geld, sodass Inspektionen, die wiederholt durch unterschiedliche Kaufinteressenten durchgeführt werden, zu unnötig hohen Messkosten führen können. Dies kann jedoch leicht vermieden werden, indem erfahrene oder zertifizierte Händler die Messung einmalig und glaubhaft – unter Androhung empfindlicher Strafen bei Fehlmessungen – vornehmen.
Erfahrungs-G. zeichnen sich dadurch aus, dass zumindest eine Marktseite (im Allgemeinen der Käufer) die Eigenschaften des G.es nicht durch eine Inspektion bestimmen kann, sondern erst im Rahmen der Nutzung selbst oder im Anschluss an den vollzogenen Verbrauch. Ein beliebtes Beispiel hierfür sind Gebrauchtwagen. Zwar mag der Verkäufer durch seine jahrelange Erfahrung mit dem Auto eine relativ gute Vorstellung von dessen Qualität haben, doch wird er sie häufig nur dann ehrlich an den Kaufinteressenten weitergeben, wenn er die Qualität für hoch erachtet. Möchte er jedoch ein Montagsauto verkaufen, hat er einen großen Anreiz, die Produkteigenschaften zu verschweigen oder sogar zu lügen. Für den potentiellen Käufer bedeutet dies, dass ihm zumeist mitgeteilt wird, die Produktqualität sei hoch. Da er leider den Wahrheitsgehalt der Aussage nicht feststellen kann, sind die entsprechenden Mitteilungen für ihn wertlos. George A. Akerlof hat gezeigt, dass unter solchen Bedingungen Märkte vollständig zusammenbrechen können. Im Rahmen der Prinzipal-Agent-Theorie wird argumentiert, dass diese Art von Marktversagen durch Filterung und Signalisierung vermieden werden kann. Zwar werden dabei oftmals keine effizienten Marktergebnisse erzielt, doch werden immerhin Second-best-Zustände erreicht.
Die Filterung basiert auf der Idee, dass der schlecht informierte Transaktionspartner seinem Gegenüber mehrere Verträge zur Auswahl vorlegt. Die unterschiedlichen Vertragsangebote sind dabei so gestaltet, dass gut informierte Verkäufer je nach Qualität des eigenen Produkts unterschiedliche Verträge auswählen und damit – unfreiwillig – ihr Vorsprungswissen offenbaren.
Das Konzept der Signalisierung beinhaltet, dass der gut informierte Transaktionspartner kostenverursachende Handlungen vornimmt (oder unterlässt), die dem schlecht informierten Kaufinteressenten glaubhaft signalisieren, welche Produkteigenschaften vorliegen. Ein Beispiel: Der Verkäufer kann umfassende Garantierechte einräumen, die sich für ihn nur dann rechnen, wenn die Wahrscheinlichkeit ihrer Inanspruchnahme gering ist. Auf diese Weise können sich Anbieter von hochwertigen Autos von den Verkäufern von Montagsautos absondern und einen höheren Verkaufspreis erzielen.
Ein wirkliches Problem stellt die vierte Klasse von G.n, die Vertrauens-G., dar. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass der Käufer die Produktqualität weder vor dem Kauf noch nach dem Konsum beurteilen kann. Das klassische Beispiel hierfür ist die ärztliche Behandlung. Kommt ein nicht medizinisch ausgebildeter Patient zum Arzt und erfährt eine Behandlung, so kann er in den meisten Fällen allenfalls beurteilen, ob bestimmte Symptome – falls überhaupt welche vorlagen – verschwunden sind oder nicht. Ob sein Wohlbefinden jedoch auf die Behandlung zurückzuführen ist und ob die Behandlung notwendig war und fachgerecht ausgeführt wurde, entzieht sich seinem Wissen. Negative Folgen des Eingriffs mögen sich vielleicht erst in einigen Jahren zeigen und können dann kaum noch zweifelsfrei auf die Therapie zurückzuführen sein.
Eine solche grundsätzliche Nichtmessbarkeit der Produktqualität lädt natürlich zum Missbrauch seitens des gut informierten Transaktionspartners ein. Signalisierung und Filterung werden hier oftmals nicht funktionieren, da die Produktqualität auch nach dem Konsum verborgen bleibt. U. U. können Reputationsmechanismen helfen. So mag es sich herumsprechen, dass manche Ärzte wesentlich häufiger kostspielige Eingriffe vornehmen als andere. Reputationsmechanismen stellen jedoch keine umfassende Allzweckwaffe dar und können eher die groben Fehlverhaltensweisen unterbinden.
Literatur
M. Erlei/M. Leschke/D. Sauerland: Institutionenökonomik, 32016 • H. Grossekettler: Öffentliche Finanzen, in: T. Apolte u. a.: Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, 92007, 561–715 • E. Ostrom: Die Verfassung der Allmende. Jenseits von Staat und Markt, 1999 • M. Erlei: Meritorische Güter. Die theoretische Konzeption und ihre Anwendung auf Rauschgifte als demeritorische Güter, 1992, Lit. • J. Elster: Ulysses and the Sirens. Studies in rationality and irrationality, 1984 • G. Brennan/L. Lomasky: Institutional aspects of „Merit goods“ analysis, in: Finanzarchiv 41/2 (1983), 183–206 • Y. Barzel: Measurement cost and the organization of markets, in: J. Law Econ. 25/1 (1982), 27–48 • B. Klein/K. B. Leffler: The role of market forces in assuring contractual performance, in: JPE 89/4 (1981), 615–641 • G. A. Akerlof: The market for „lemons“. Quality uncertainty and the market mechanism, in: QJE 84/3 (1970), 488–500 • R. A. Musgrave: Finanztheorie, 21969 • C. E. McLure: Merit wants. A normatively empty box, in: Finanzarchiv 27/3 (1968), 474–483 • R. A. Musgrave: A multiple theory of budget determination, in: Finanzarchiv 17/3 (1956/57), 333–343.
Empfohlene Zitierweise
M. Erlei (†): Güter, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/G%C3%BCter (abgerufen: 24.11.2024)