NATO (North Atlantic Treaty Organization)
1. Begriff
Die NATO oder OTAN, im Deutschen häufig als Atlantisches Bündnis oder als Nordatlantikpakt bezeichnet, wurde 1949 in Washington, D.C. gegründet. Sie ist eine internationale Organisation ohne Hoheitsrechte. Ihr Zweck ist die gemeinsame Verteidigung des laut Vertrag im Süden durch den „Wendekreis des Krebses“ begrenzten Vertragsgebietes. Grundlage dafür ist der Vertrag von Washington. Die Mitgliedstaaten behalten volle Souveränität; alle Entscheidungen werden einstimmig getroffen. Heute ist die NATO eine politisch-militärische Organisation von 28 europäischen und nordamerikanischen Staaten zum Zweck der Sicherung gemeinsamer Sicherheit und weltweiter Stabilität. Das NATO-Hauptquartier ist Sitz des Nordatlantikrates. Es war bis 1952 in Washington, anschließend in Paris, und wurde 1967 – nach dem Rückzug Frankreichs aus den militärischen Strukturen – nach Brüssel verlegt.
2. Geschichte, Entwicklung, Strategie
Die Geschichte der NATO kann man in Vorgeschichte und vier Phasen einteilen.
Phase I war der Kalte Krieg. Es folgte ab 1990 als Phase II die Suche nach gemeinsamer Sicherheit durch Kooperation. Die Phase III begann mit dem 11.9.2001 als Kampf gegen den Terror und führte zu 13 Jahren Krieg in Afghanistan. Die Phase IV nahm ihren Anfang im Februar 2014, als Russland unter Bruch von Verträgen sowie völkerrechtswidrig die ukrainische Krim besetzte und sie im März dann annektierte. Seitdem stellt die NATO – freilich ohne Rückfall in einen neuen Kalten Krieg – Abschreckung durch Verteidigungsfähigkeit wieder her und versucht auf diese Weise, von einem weiteren Krieg in Europa abzuhalten. Insgesamt ist es nun die Aufgabe der NATO, einesteils das Vertragsgebiet zu schützen und andernteils Gefahren von außerhalb des NATO-Gebietes zu begegnen. Ob die Regierung Donald John Trumps in den USA eine „Phase V“, etwa die des schrittweisen Abbaus amerikanischer Schutzgarantien für Europa, mit sich bringt, kann noch nicht beurteilt werden.
2.1 Vorgeschichte
Bald nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden die Gegensätze zwischen den westlichen Siegermächten und der UdSSR deutlich. Frankreich, Großbritannien und die Benelux-Staaten schlossen sich deshalb am 17.3.1948 im Brüsseler Vertrag zur kollektiven Selbstverteidigung und zu enger wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Zusammenarbeit zusammen. Nominell war der Pakt eine Beistandsverpflichtung gegen eine erneute deutsche Aggression; doch die Entwicklungen in Griechenland, in der Tschechoslowakei sowie die 1948 einsetzende Berlin-Blockade wandelten das Ziel: Der Brüsseler Vertrag diente fortan dem Beistand gegen eine mögliche sowjetische Aggression. Allerdings fehlte es an eigener militärischer Kraft; also brauchten die Westeuropäer die USA. In Verhandlungen von knapp einem Jahr entstand dann der Nordatlantikvertrag, den am 4.4.1949 in Washington die USA und Kanada, die Brüsseler Paktstaaten sowie Dänemark (einschließlich Grönland), Island, Italien, Norwegen und Portugal unterzeichneten. Er trat am 24.8.1949 in Kraft.
2.2 Phase I: Kalter Krieg, 1949 bis 1990
Politisches Ziel der NATO war es stets, Krieg in und um Europa zu verhindern, bei einem trotzdem erfolgenden Angriff aber so weit wie möglich im Osten des Bündnisgebietes zu verteidigen. Doch die Entwicklungen im Koreakrieg ab 1950 und v. a. die Zündung der ersten sowjetischen Atomwaffe (ABC-Waffen) im Jahr 1949 ließen das als schwierig erscheinen. Die Europäer mussten jedenfalls mehr für ihre Verteidigung tun. Also entwickelten sie 1951 mit Zustimmung der USA den Pleven-Plan zur Aufstellung einer integrierten europäischen Armee und zur Bildung einer EVG. Der EVG-Vertrag, der auch die Beteiligung deutscher Streitkräfte vorsah, wurde am 26.5.1952 unterzeichnet, scheiterte aber am 30.8.1954 in der französischen Nationalversammlung. Vorher waren am 18.2.1952 Griechenland und die Türkei in die NATO aufgenommen worden. Ende 1952 wurde dann das Strategische Konzept der „Vorneverteidigung“ (Militärausschuss 14/1) beschlossen, faktisch also entlang der innerdeutschen Grenze. Diese war aber ohne einen deutschen Wehrbeitrag nicht zu verwirklichen. Deshalb verankerten die Pariser Verträge von 1954 die 1949 gegründete BRD fest im Westen und luden sie ein, der NATO beizutreten. Am 6.5.1955 wurde Deutschland in Paris ihr Mitglied. Schon am 14.5.1955 wurde dann der Warschauer Pakt gegründet. Einen Tag später wurde der Österreichische Staatsvertrag in Wien unterzeichnet, der die immerwährende Neutralität Österreichs sowie den Abzug aller Besatzungstruppen bis zum Oktober des Jahres vorsah. Ende Mai 1957 wurde auch noch das strategische Konzept der „massiven Vergeltung“ (Militärausschuss 14/2) beschlossen, das sich nahezu ausschließlich auf die amerikanischen Nuklearwaffen stützte. Die atomare Rüstung der UdSSR machte zwar diese Strategie fragwürdig. Doch angesichts des Kräfteverhältnisses von 18 NATO-Divisionen zu 82 sowjetischen Divisionen war es immer noch am plausibelsten, um durch Abschreckung Krieg zu verhindern.
Spätestens die Kubakrise von 1962, der – mit dem Aufbau einer eigenen Atombewaffnung – begründete Rückzug Frankreichs aus der militärischen Integration im Jahr 1966 sowie das nukleare Patt zwischen USA und UdSSR verlangten neue Wege. Die zeigte der am 13.12.1967 vom NATO-Rat gebilligte Harmel-Bericht auf. Pierre Harmel, damals belgischer Außenminister, wollte die NATO als Faktor dauerhaften Friedens stärken und wies ihr zwei Aufgaben zu: militärisch durch ausreichende Stärke abzuschrecken und das NATO-Gebiet erfolgreich zu verteidigen, sowie politisch durch Dialog strittige Probleme zu lösen. So wurde Sicherheit zur Summe von „Verteidigung“ und „Entspannung“. Dementsprechend wurde alsbald die Strategie der „flexiblen Antwort“ (Militärausschuss 14/3) beschlossen, die dann bis 1991 gültig blieb. Sie sah eine Triade der Nuklearstreitkräfte aus landgestützten Interkontinentalraketen, strategischen Bombern und seegestützten Raketen vor, die zusammen mit den konventionellen und taktischen nuklearen Streitkräften das Kontinuum der Abschreckung bildeten. Damit wollte die NATO in Krisen flexibel reagierend Krieg verhindern sowie im Fall eines Scheiterns der Abschreckung den Krieg einesteils durch grenznahe Verteidigung, andernteils durch Drohung mit Eskalation beenden. Ergänzt wurde die Säule der Verteidigung durch Schritte der Entspannung (Entspannungspolitik), darunter 1968 das Signal von Reykjavik, einem Vorschlag zur beiderseitigen und ausgewogenen Truppenverminderung.
Doch die Erstarrung im Ost-West-Verhältnis (Ost-West-Konflikt), ausgelöst durch den Einmarsch von Truppen des Warschauer Pakts in die Tschechoslowakei im August 1968, konnte erst gelockert werden, als im Juli 1973 der Helsinki-Prozess eingeleitet und in Wien die MBFR-Verhandlungen aufgenommen wurden. Mit der Schlussakte der KSZE (OSZE, KSZE) 1975 in Helsinki, die von allen Staaten Europas (ohne Albanien und Andorra), von der UdSSR und von USA sowie Kanada unterzeichnet wurde, begann dann eine Phase der Öffnung. Diese Schlussakte war allerdings nur eine selbstverpflichtende Absichtserklärung der Staaten, kein bindender Vertrag. Sie enthält Vereinbarungen über Menschenrechte, Zusammenarbeit in Wirtschaft, Wissenschaft, Technik und Umwelt, in Sicherheitsfragen sowie in humanitären Angelegenheiten. Ziel war es, ein friedliches Miteinander in ganz Europa zu gestalten. Die Zusicherungen über Menschenrechte und Grundfreiheiten lösten alsbald innere Unruhen in Staaten des Warschauer Pakts aus, v. a. 1980/81 in Polen. Dann aber kam es zu den Entwicklungen, die den Kalten Krieges letztlich beendeten.
Der Durchbruch begann, als ab 1985 Generalsekretär Michail Sergejewitsch Gorbatschow in der UdSSR seine Politik der Öffnung (Glasnost/Perestroika) einleitete. Er hatte erkannt, dass das Wettrüsten gegen die USA, wenn überhaupt, nur um den Preis eines wirtschaftlichen Ruins der UdSSR zu gewinnen sei. Zuvor hatte die von der NATO ab 1976 erkannte Aufstellung der sowjetischen Mittelstreckenraketen SS-20 einen Rückschlag bewirkt. Ein Vorschlag zu Gegenmaßnahmen von Bundeskanzler Helmut Schmidt am 28.10.1977 in London führte zum NATO-Doppelbeschluss von 1979. Ihm folgten 1981 die INF-Verhandlungen in Genf, sie wurden mit Zeichnung des INF-Vertrages am 7.12.1987 abgeschlossen. Das war der eigentliche Wendepunkt. Dem bis 1991 abgeschlossenen Abbau aller Mittelstreckenraketen in Europa folgten im Februar 1989 die VKSE und sodann die friedlichen Revolutionen in Polen, in der DDR und in der Tschechoslowakei sowie der Umsturz in Rumänien. Im Juli 1990 erklärte die NATO in London den Kalten Krieg für beendet und bot den Gegnern von einst Freundschaft an.
Am 12.9.1990 wurde der Zwei-plus-Vier-Vertrag über Deutschland unterschrieben, und am 3.10.1990 war Deutschland wieder vereint (Deutsche Einheit). Europas Landkarte war friedlich verändert worden. Ein ungeteiltes und freies Europa erschien möglich, als am 21.11.1990 die USA und Kanada sowie 32 europäische Staaten die Charta von Paris unterschrieben.
2.3 Phase II: Gestaltung europäischer Sicherheit, 1990 bis 2001
In Phase II gab es nur eine einzige globale Macht, nämlich die USA. Die NATO war nach Auflösung des Warschauer Paktes und der UdSSR 1991 als einziges Instrument der Krisenbewältigung und Garant europäischer Sicherheit verblieben. Sie versuchte nun, ein ungeteiltes und freies Europa zu schaffen. Beim Gipfel in Rom 1991 beschloss sie eine neue Strategie, die auf Verteidigungsfähigkeit, Dialog und Kooperation in Europa setzte. Im Dezember wurde der NATO-Kooperationsrat gegründet, im Januar 1994 in der „Partnerschaft für den Frieden“ engere militärische Zusammenarbeit vereinbart und – dem Drängen ehemaliger Warschauer Pakt-Staaten folgend – diesen eine Beitrittsperspektive eröffnet. Die NATO verringerte in den Folgejahren ihre Landstreitkräfte um 35 %, die Luftstreitkräfte um 40 % und die Seestreitkräfte um 30 %; außerdem wurden alle landgestützten Atomwaffen aus Europa abgezogen. Aus dem NATO-Kooperationsrat wurde dann 1997 der Euro-Atlantische Partnerschaftsrat, welcher monatlich auf Botschafterebene und jährlich auf Ministerebene tagt. In Paris wurde im Mai 1997 die NATO-Russland-Grundakte vereinbart, die Russland versicherte, dass die Aufnahme neuer Mitglieder in die NATO nicht gegen Russland genutzt würde. Im Juli 1997 wurden in Madrid Polen, Ungarn und Tschechien zum Beitritt eingeladen; der erfolgte am 12.3.1999. Mit der Ukraine wurde in Madrid eine „besondere Partnerschaft“ vereinbart. Auf ihrem Jubiläumsgipfel am 24.4.1999 in Washington billigte die NATO dann ihr neues strategisches Konzept. Es hatte sich gleich angesichts der jugoslawischen Zerfallskriege zu bewähren.
Ende 1995 begannen Einsätze von NATO-Truppen auf dem Balkan, zunächst in Kroatien und Bosnien-Herzegowina, später auch im Kosovo. Ein UN-Mandat führte im Dezember 1995 zum Einsatz der IFOR in Bosnien. Sie wurde im Dezember 1996 von der SFOR abgelöst, zu welcher auch Truppen der ehemaligen Warschauer Pakt-Staaten und Russlands gehörten. Die Unruhen im Kosovo von 1998 führten dann trotz geduldigen Suchens der NATO nach einer friedlichen Lösung schließlich – ohne Mandat der UNO – am 24.3.1999 zur Operation Allied Force über Serbien und Kosovo. Sie war der erste Kriegseinsatz außerhalb des NATO-Gebietes. Er endete am 10.6.1999. Zwei Tage später übernahm die KFOR, mandatiert von der UNO, die Umsetzung der Vereinbarungen zu Kosovo. Die Phase II der NATO-Geschichte endete am 11.9.2001, als das nie Erwartete geschah: Die USA wurden in New York und Washington von Terrorangriffen getroffen.
2.4 Phase III: Krieg gegen den Terror
Am 12.9.2001 erklärte die NATO erstmals den Bündnisfall nach Art. 5 des NATO-Vertrags. Der Terrorangriff auf die USA wurde als Angriff auf alle gedeutet, welcher die kollektive Verteidigung erfordere. Ende 2001 begann auf der Grundlage der UN-Resolution 1386, und zwar unter deutscher Beteiligung, der Einsatz der ISAF in Afghanistan. Dieser wurde 2003 zur NATO-Mission, die am 31.12.2014 auslief. Der NATO-Russland-Rat, nach der NATO-Intervention im Kosovo ausgesetzt, wurde im Mai 2002 in Rom neu gegründet. Bis zum Eingreifen der NATO in Libyen 2011 gab es dann auch ermutigende Ergebnisse praktischer Zusammenarbeit.
Beim Prager Gipfel im November 2002 wurden Bulgarien, Rumänien, die Slowakei, Slowenien sowie die drei baltischen Staaten (Estland, Lettland, Litauen), also erstmals auch Gebiete der ehemaligen UdSSR sowie des früheren Jugoslawien, zur Mitgliedschaft in der NATO eingeladen. Sie wurden es am 29.3.2004. Die amerikanische Intervention im Irak im März 2003 stürzte das Bündnis dann in seine tiefste Krise, weil sich zwei Bündnismitglieder – Deutschland und Frankreich – im UN-Sicherheitsrat gegen die USA stellten, die ohne UNO-Mandat den Irak angriffen.
Beim NATO-Gipfel im April 2008 in Bukarest wurden auch Albanien und Kroatien zur Mitgliedschaft eingeladen; sie wurden NATO-Mitglieder im Jahre 2009. Versuche der USA, im Schnellverfahren auch Georgien und die Ukraine zu Mitgliedern zu machen, scheiterten an Deutschland und Frankreich. Beide Staaten wollten – nach der von Präsident Wladimir Wladimirowitsch Putin seit seiner Münchner Rede 2007 eingeleiteten konfrontativen Politik – weitere Verschärfung der Beziehungen zwischen der NATO und Russland vermeiden. Dennoch kam es im Sommer 2008 zum Krieg zwischen Georgien und Russland, der zu territorialen Verlusten Georgiens führte.
2.5 Phase IV: Partnerschaft trotz Konfrontation
Russlands Militärdoktrin vom Februar 2010 bezeichnet die NATO als eine Gefahr für Russland. Dennoch wollte die NATO weitere Zusammenarbeit. Das strategische Konzept von 2010 nennt die Partnerschaft mit Russland ausdrücklich als ein Element der NATO-Strategie. Beim Gipfel in Lissabon im November 2010 wurde zudem die russische Beteiligung am Aufbau eines Raketenabwehrsystems gegen Raketen aus Iran und Nordkorea vereinbart. Die Unruhen in der arabischen Welt führten 2011 zum Bürgerkrieg gegen den libyschen Herrscher Muammar al-Gaddafi. Wegen seiner Drohungen, in Bengasi ein Blutbad anzurichten, beschloss die UNO – erstmals nach der Responsibility to Protect – einen bewaffneten Einsatz. Die NATO führte ihn unter Beteiligung von Jordanien, Katar, den VAE und Schweden durch. Er dauerte von März bis Oktober 2011 und führte zum Sturz M. al-Gaddafis. Russland sah darin eine Überschreitung der von Russland gebilligten UN-Resolution und beendete de facto die Zusammenarbeit mit der NATO. Später führte die Lage in Syrien Ende 2012 zum Ersuchen der Türkei, Flugabwehrkräfte in das Grenzgebiet zu Syrien zu verlegen. Entspr. einer Entscheidung des NATO-Rats sind die Kräfte der Operation Active Fence seit Januar 2013 dort einsatzbereit. Zum Bruch Russlands mit der NATO führte später die zunächst verdeckte, dann offene russische Intervention auf der Krim sowie die anschließende Annexion der Krim durch Russland im März 2014. Diese entstand aus einer Krise in der Ukraine seit Ende 2013 und den sich daraus entwickelnden, von Russland aktiv unterstützten, bewaffneten separatistischen Unruhen in der Ost-Ukraine. Seit 2014 wurde dann in der Ukraine, unter russischer militärischer Beteiligung, völkerrechtswidrig Krieg geführt. Die NATO reagierte darauf beim Gipfel 2014 in Wales mit ihrem NATO Readiness Action Plan. Er stärkt die NATO Response Force durch eine sehr schnell einsetzbare „Speerspitze“, auch durch eine erhöhte, rotierende Präsenz des Bündnisses in den mittel- und osteuropäischen Mitgliedstaaten, sowie durch verstärkte maritime Einsatzverbände. Wegen der andauernden Krise in der Ukraine beschloss der Gipfel von Warschau im Juli 2016 auch noch weitere Maßnahmen zur Sicherung der NATO-Ostflanke (Enhanced Forward Presence), konkret zur Abschreckung Russlands. Zu diesem Zweck ist – ohne Verletzung der NATO-Russland-Akte – eine rotierende Verlegung von jeweils rund 1 000 Mann multinationaler Kampftruppen zu Ausbildungs- und Übungszwecken in die drei baltischen Staaten sowie nach Polen vorgesehen.
3. Ausblick
Russland hat – so der NATO-Standpunkt – in der Ukraine Recht gebrochen und Vertrauen zerstört. Es will nicht einfach Partner des Westen sein, sondern Einflusszonen bewahren oder neu gewinnen. Eben das einte allerdings die „nach Afghanistan“ bröckelnde NATO und brachte, durchaus überraschenderweise, auch die EU zu gemeinsamen Sanktionen. Jedenfalls steht nun wieder der Schutz des NATO-Gebietes im Mittelpunkt der NATO; Krisenbewältigung und Ausbildungsunterstützung für Afghanistan wurden hingegen zu Nebenaufgaben. Es ist offen, ob die jetzige NATO-Politik zur Friedenssicherung genügt. In einer weiterhin unberechenbaren Welt bleibt somit die NATO ein unersetzliches Instrument zur Gewährleistung der Sicherheit Nordamerikas und Europas. Ihre Wirksamkeit hängt allerdings davon ab, ob die USA weiterhin am Bündnis mit Europa festhalten, und ob Europa endlich mehr für seine eigene Sicherheit tut. Derzeit können jedenfalls nur die USA global handeln. Zwar betragen Europas Verteidigungsausgaben rund 50 % des amerikanischen Aufwands, doch Europas militärische Fähigkeiten sind zersplittert und auch deshalb unzureichend. Zudem ist die NATO noch nicht ausreichend auf die Abwehr von Terrorismus und auf cyber operations vorbereitet. Diesen Herausforderungen muss sich die NATO in der Zukunft stellen.
4. Organisation
Das politische Hauptquartier der NATO in Brüssel wird von einem von den Mitgliedstaaten gewählten Generalsekretär geführt. Als oberstes militärisches Organ berät der in das Hauptquartier integrierte Militärausschuss der NATO den NATO-Rat. Er wird von einem aus dem Kreis der Generalstabschefs gewählten General oder Admiral geführt. Um keine völlige Übermacht der USA in der NATO entstehen zu lassen, werden der Vorsitzende des Militärausschusses und der Generalsekretär der NATO niemals von den USA gestellt. Die Arbeit des Hauptquartiers wird vom Internationalen Stab und vom Internationalen Militärstab unterstützt. Die militärische Kommandostruktur aus insgesamt 19 international gemischt besetzten Stäben, stationiert in neun Mitgliedsländern und in drei Ebenen geordnet, wird geführt von zwei Oberkommandos: dem Allied Command Operations in Mons, Belgien, sowie dem Allied Command Transformation in Norfolk, Virginia. Der Oberbefehlshaber Operations ist stets ein Amerikaner. Mit Ausnahme der Airborne Warning And Control System Component Force und künftig des Alliance Ground Surveillance System verfügt die NATO über keine eigenen ständigen Streitkräfte. Sie werden vielmehr aus den rund 3,8 Mio. Soldaten der Bündnisstaaten von Fall zu Fall bereitgestellt.
Die NATO verfügt zudem über Agenturen für Fachaufgaben. Die Mitgliedstaaten finanzieren gemeinsam die internationale Organisation; Kosten für die Operationen tragen die teilnehmenden Staaten. Neben der Zusammenarbeit mit der UNO und der EU hat die NATO auch vielerlei Kooperationsgremien zur regionalen Zusammenarbeit geschaffen. Dies sind v. a. die Mittelmeerinitiative für die Mittelmeeranrainer sowie die Istanbul Initiative für die Zusammenarbeit im Nahen Osten. Oberste Ausbildungsstätte ist das NATO Defense College in Rom.
Literatur
P. Keller: NATO, in: W. Woyke/J. Varwick (Hg.): Handwörterbuch Internationale Politik, 132015, 330–338 • B. Giegerich: Die NATO, 2012 • M. Overhaus: Die deutsche NATO-Politik. Vom Ende des Kalten Krieges bis zum Kampf gegen den Terrorismus, 2009 • W. J. Thies: Why NATO Endures, 2009 • J. Varwick: Die NATO, 2008 • NATO-Presse- und Informationsdienst: NATO-Handbuch. Jubiläumsausgabe zum fünfzigjährigen Bestehen der Nordatlantikpakt-Organisation, 1998 • J. Schwarz: Nordatlantikpakt, in: StL, Bd. 4, 71985, 37–42.
Empfohlene Zitierweise
K. Naumann: NATO (North Atlantic Treaty Organization), Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/NATO_(North_Atlantic_Treaty_Organization) (abgerufen: 22.11.2024)