Pareto-Kriterium

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Das nach dem italienischen Ökonomen und Soziologen Vilfredo Pareto benannte P.-K. besagt, dass politische Maßnahmen als gesellschaftlich erwünscht gelten können, wenn sie mindestens ein Mitglied des betreffenden Gemeinwesens besser und niemanden sonst schlechter stellen. Ist dieses Kriterium erfüllt, so spricht man von einer Pareto-Verbesserung. Als Pareto-Optimum bezeichnet man einen Zustand, von dem ausgehend keine solche Verbesserung mehr möglich ist.

Dem P.-K. kommt ein zentraler Stellenwert in der Wohlfahrtsökonomik zu, die sich mit der Anwendung ökonomischer Theorie auf politische Entscheidungen befasst und dabei deren Auswirkungen auf die „gesellschaftliche Wohlfahrt“ als Beurteilungskriterium verwendet. Die von Arthur Cecil Pigou in Lehrbuchform gebrachte sog.e „alte“ Wohlfahrtsökonomik hatte dieses Kriterium in der Tradition des Benthamschen Utilitarismus als Summe der individuellen Nutzen interpretiert und das Ziel von Politik in der Maximierung dieser Größe gesehen. Diese Interpretation sah sich in den 1930er Jahren verstärkt dem, bes. einflussreich von Lionel Robbins vorgebrachten, Einwand ausgesetzt, dass Nutzen eine subjektive Größe sei, die sich weder kardinal, in absoluten Zahlen messen noch interpersonell vergleichen und daher auch nicht zu einer Nutzensumme aggregieren lasse.

Diesem Einwand suchte die sog.e „neue“ Wohlfahrtsökonomik durch den Rückgriff auf das von V. Pareto formulierte und dann nach ihm benannte Kriterium Rechnung zu tragen, da es eine lediglich ordinale, rangmäßige Nutzenmessung erfordert und auf interpersonelle Vergleiche verzichtet. Allerdings sah sich dieser Versuch einer Lösung des Problems der Wohlfahrtsmessung seinerseits der Kritik ausgesetzt, dass es kaum politische Maßnahmen geben dürfte, die niemanden schädigen, und das P.-K. daher wenig aussagekräftig sei. Dieser Kritik suchten wiederum Nicholas Kaldor und John Richard Hicks mit ihrem Kompensationskriterium zu begegnen, das eine Aussage über die Wohlfahrtswirkungen von Politikmaßnahmen auch bei Interessenkonflikten ermöglichen soll, also dann, wenn es sowohl Besser- als auch Schlechtergestellte gibt. Nach dem Kompensationskriterium gilt eine Maßnahme als wohlfahrtssteigernd, wenn die Gewinne der Bessergestellten das übersteigen, was zur Kompensation der Verlierer erforderlich ist. Doch auch dieser Versuch, die Aussagekraft des P.-K.s zu erhöhen, blieb nicht von Kritik verschont, und zwar in seinen beiden möglichen Interpretationen als rein hypothetische oder als faktische Kompensation. Gegen die Vorstellung hypothetischer Kompensation wurde eingewandt, dass sie in das utilitaristische Denkschema zurückfalle, setze sie doch voraus, dass sich die Nutzen der Gewinner und die Nachteile der Verlierer gegeneinander aufrechnen lassen. Im Sinne faktischer Kompensation interpretiert, so wurde eingewandt, füge das Kompensationskriterium dem P.-K. nichts hinzu, da letzteres nach erfolgter Kompensation ja erfüllt sei.

Der „neuen“, auf dem P.-K. aufbauenden, ebenso wie der „alten“ Wohlfahrtsökonomik liegt ein normativer Individualismus in dem Sinne zugrunde, dass sie die Wertungen der Individuen als Maßstab dafür betrachten, was als „für die Gesellschaft wünschenswert“ gelten kann. Beide Varianten der Wohlfahrtsökonomik interpretieren diese normative Prämisse so, dass das Maß für die soziale Wohlfahrt aus den individuellen Nutzen herzuleiten ist. Eine grundlegend andere Interpretation und, daraus folgend, eine andere Lösung für das mit dem P.-K. verbundene Problem mangelnder Aussagekraft hat James McGill Buchanan mit seinem Forschungsprogramm einer kontrakttheoretischen konstitutionellen Ökonomik (Vertragstheorie) vorgeschlagen. Nach J. M. Buchanan sollte der normative Individualismus so verstanden werden, dass die in den tatsächlichen Entscheidungen der Einzelnen – und nicht den ihnen unterstellten Nutzen – zum Ausdruck kommenden Wertungen den Maßstab für die Beurteilung von Politikmaßnahmen abgeben. So wie die in der Ökonomik gängige Annahme, dass marktlicher Tausch beiden Parteien zum Vorteil gereicht, letztendlich nur aus deren freiwilliger Zustimmung gefolgert werden kann, so kann, wie J. M. Buchanan argumentiert, auch die Annahme, dass Politikmaßnahmen dem Gemeinwohl i. S. d. gemeinsamen Interessen aller Beteiligten dienen, letztlich nur aus deren Zustimmung zu den betreffenden Maßnahmen gefolgert werden, bzw. ihrer Zustimmung zu dem Verfahren, nach dem über diese entschieden wird.

Für die Interpretation des P.-K.s bedeutet dies nach J. M. Buchanan, dass es explizit in einem kontrakttheoretischen, auf die Zustimmung der Beteiligten abstellenden, statt in einem nutzentheoretischen Sinne verstanden werden sollte. Auf die Möglichkeit einer solchen, auf die Zustimmung der Beteiligten abstellenden Interpretation des P.-K.s war auch zuvor bereits in der wohlfahrtsökonomischen Diskussion hingewiesen worden. Sie wurde jedoch mit dem Argument abgetan, dass Einstimmigkeit in der Politik kaum je erreichbar und daher ein solches Zustimmungskriterium nur von geringer Relevanz sein könne. Diesem naheliegenden Einwand hält J. M. Buchanan entgegen, dass das P.-K. seine fruchtbare Anwendung nicht auf der Ebene politischer Einzelmaßnahmen, sondern auf der konstitutionellen Ebene findet, auf der Entscheidungen über die in einem Gemeinwesen geltenden allg.en Regeln getroffen werden, einschließlich der Regeln, nach denen Entscheidungen über politische Einzelmaßnahmen zu treffen sind. Dort, wo es um die Wahl von auf unbestimmte Zeit geltenden Regeln geht, so sein Argument, sind alle Beteiligten in einem gewissen Maß unsicher darüber, wie sie persönlich in konkreten zukünftigen Anwendungsfällen betroffen sein werden. Mit dem Grad dieser Ungewissheit wächst aber ihr Interesse an fairen, unparteiischen Regeln und damit die Wahrscheinlichkeit einer Einigung auf Regeln, von denen sich alle eine Verbesserung gegenüber dem gegebenen Regelrahmen versprechen.