Economic Community of West African States (ECOWAS)
Die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS ist eine regionale Kooperation zwischen 15 westafrikanischen Staaten mit dem Ziel der wirtschaftlichen und politischen Integration. Sie wurde durch den Vertrag von Lagos am 28.5.1975 begründet (in Kraft getreten am 23.6.1976) und ist somit eine der ältesten Regionalorganisationen Westafrikas. Am 24.7.1993 wurde der Ursprungsvertrag durch den Cotonou-Vertrag abgelöst, in dem für gemeinsame Beschlüsse eine höhere Bindungswirkung vorgesehen ist und die politische Zusammenarbeit einen höheren Stellenwert erhält. Ergänzend hierzu treten Protokolle und Konventionen, die auf zwischenstaatlichen Treffen beschlossen werden. ECOWAS war bis zum überarbeiteten Gründungsvertrag im Jahr 1993 lediglich ein Forum für regelmäßige Treffen. Infolge des neuen Vertrages steigerte sich die Integrationsdynamik erheblich. Zu den Mitgliedern zählen: Benin, Burkina Faso, Elfenbeinküste, Gambia, Ghana, Guinea, Guinea-Bissau, Kap Verde (Beitritt 1976), Liberia, Mali, Niger, Nigeria, Senegal, Sierra Leone und Togo. Bislang ist mit Mauretanien lediglich ein Gründungsmitglied im Jahr 2000 ausgetreten. Nach dem Militärputsch in Mali (22.3.2012) wurde deren Mitgliedschaft kurzzeitig ausgesetzt. Insgesamt umfasst ECOWAS 300 Mio. Menschen. Die Heterogenität der Mitgliedsstaaten hinsichtlich ihrer Zugehörigkeit zum franko- und anglophonen Sprachraum und ihren damit verbundenen unterschiedlichen politischen Traditionen ist ein wesentlicher Grund für zahlreiche Verständigungsschwierigkeiten innerhalb der Organisation. So existiert mit der UEMOA, bestehend aus den überwiegend frankophonen ECOWAS-Mitgliedern Benin, Burkina Faso, Elfenbeinküste, Guinea-Bissau, Mali, Niger, Senegal und Togo (Frankophonie) seit 1994 eine Organisation, die fast identische Ziele wie ECOWAS verfolgt. Dominiert wird ECOWAS durch Nigeria, das mehr als die Hälfte der Bevölkerung und der Wirtschaftskraft der Gemeinschaft stellt und zusammen mit Togo die treibende Kraft der ECOWAS-Gründung gewesen ist.
Vorranging verfolgt ECOWAS die ökonomische Integration, indem ein gemeinsamer Binnenmarkt sowie eine Wirtschafts- und Währungsunion geplant sind. Erreicht wurden bislang die Errichtung einer Freihandelszone für einige, speziell zertifizierte Produkte, einige Erleichterungen im intraregionalen Personenverkehr und eine gemeinsame Finanzierung von Infrastrukturprojekten. Die Einführung der gemeinsamen Währung Ecô wurde jedoch mehrfach verschoben und ist aktuell für das Jahr 2020 vorgesehen. Insgesamt ist die ökonomische Integrationstiefe als sehr gering zu werten. Darüber hinaus wurden mit der Errichtung eines gemeinsamen Gerichtshofes, eines gemeinsamen Parlaments und dem Abschluss eines Nichtangriffspaktes (1978) und einer gemeinsamen Verteidigungsstrategie (1981) mit einer gemeinsamen Eingreiftruppe ECOMOG zunehmend auch politische Ziele verfolgt. Die Interventionen der ECOMOG 1990 in Liberia und 1997 in Sierra Leone stellen wichtige Einschnitte dar. Im Vordergrund steht hierbei die Konfliktprävention und das Konfliktmanagement. Durch die politische Integration sollen der Friede, die Stabilität und die Sicherheit der Region befördert werden, die wiederum als Voraussetzung für wirtschaftliche Entwicklung gelten.
Institutionalisiert ist ECOWAS im Wesentlichen durch eine jährliche Versammlung der Staats- und Regierungschefs (Hohe Behörde), den Ministerrat, die supranationale Kommission (bis 2007 Exekutivsekretariat), das Parlament (ab 1994), den Wirtschafts- und Sozialrat, den Gerichtshof (ab 1991) und die Entwicklungsbank EBID. Die Hohe Behörde (High Authority) ist das höchste Entscheidungsorgan und ernennt den Vorsitzenden der Kommission für vier Jahre sowie die sieben Richter des Gerichtshofes. Die Staats- und Regierungschefs wählen aus ihren Reihen für ein Jahr den Vorsitzenden der Hohen Behörde, der für die Dauer seiner Amtszeit sämtliche Treffen der ECOWAS-Organe vorbereitet. Der Ministerrat (Council of Ministers) übernimmt die Umsetzung der Gipfelbeschlüsse der Hohen Behörde sowie ihre Entscheidungsfunktion zwischen deren Treffen und steht unter Leitung des der Hohen Behörde vorstehenden Landes. Die Kommission ist für das operative Geschäft zuständig und besteht aus einem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und 13 Kommissaren mit jeweils eigenen Ressorts (Landwirtschaft, Umwelt und Wasserressourcen, Bildung, Wissenschaft und Kultur, Energie und Bergwerke, Finanzen, finanzielle Kontrolle der ECOWAS-Institutionen, allg.e Administration, Management von Humanressourcen, Förderung des industriellen und privaten Sektors, Infrastruktur, makroökonomische Politik und Wirtschaftsforschung, politische Angelegenheiten im Bereich Frieden und Sicherheit, soziale Angelegenheiten, Telekommunikations- und Informationstechnologie, Handel sowie Freizügigkeit). Hauptsitz der Kommission ist Abuja (Nigeria). Das Parlament (ECOWAS Community Parliament) hat lediglich eine beratene Funktion. Dessen 115 Mitglieder werden nicht direkt gewählt, sondern durch die jeweiligen nationalen Parlamente für fünf Jahre entsendet. Der Wirtschafts- und Sozialrat ECOSOC hat ebenfalls empfehlenden und beratenden Charakter und besteht sowohl aus staatlichen als auch privaten Akteuren. Der Gerichtshof (ECOWAS Court of Justice) soll sowohl die Einhaltung der Verträge als auch der Menschenrechte überwachen.
Literatur
A. Gupta: Regional Integration in West Africa: The Evolution of ECOWAS, in: ORF Occasional Paper Nr. 67, 2015 • S. Plenk: Regionale Integration im sub-saharischen Afrika, 2014 • J. Cernicky: Regionale Integration in Westafrika, 2008 • E. Edi: Globalization and Politics in the Economic Community of West African States, 2007 • H. Kyambalesa/M. Houngnikpo: Economic Integration and Development in Africa, 2006 • A. Ayissi: Cooperating for Peace in West Africa, 2001 • S. Mair: Economic Community of West African States (ECOWAS), in: SWP-Studien S 15 (2001), 2001 • K. Kufuor: Public Choice Theory and the Failure of the ECOWAS Trade Liberalisation Scheme, in: World Competition 23/4 (2000), 137-145 • P. Mistry: Africa’s Record of Regional Cooperation and Integration, in: African Affairs 99/4 (2000), 553-573 • P. Körner: Macht- und Interessenpolitik in der ECOWAS-Region und der Krieg in Liberia, in: Hamburger Beiträge zur Afrika-Kunde, Bd. 51, 1996 • ECOWAS: ECOWAS Revised Treaty, 1993.
Empfohlene Zitierweise
J. Dörr: Economic Community of West African States (ECOWAS), Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Economic_Community_of_West_African_States_(ECOWAS) (abgerufen: 25.11.2024)