Energierecht
1. Übersicht
E. regelt die Rechtsverhältnisse Privater untereinander bzw. im Verhältnis zu Hoheitsträgern in Bezug auf die unterschiedlichen Energieträger (wie Kohle, Kernenergie, Mineralöl, Fernwärme und erneuerbare Quellen) in den verschiedenen Sektoren (Elektrizität, Wärme und Kraftstoffe) und auf sämtlichen Marktstufen. Einen bedeutenden, wenn auch nicht den alleinigen Inhalt bilden die Regelungen der Rechtsverhältnisse in Bezug auf die leitungsgebundenen Energien Strom und Gas, die v. a. im EnWG kodifiziert sind. Die teils dem öffentlichen Recht und teils dem Privatrecht zuzuordnenden Regeln, die ursprünglich allein national-autonom, zunehmend aber auch von der EU gesetzt werden, erfassen die Wertschöpfungskette in sämtlichen Bereichen der Energieversorgung: die Produktion ebenso wie die (soweit möglich) Lagerung bzw. Speicherung und die Verteilung von Energie bis zu ihrem Verbrauch und gegebenenfalls ihrer Wiedergewinnung.
Konzeptionell hat das E. seit seiner Entstehung vor etwa 100 Jahren im Laufe der Zeit erhebliche Änderungen erfahren und immer komplexer ausgreifende Regelungsziele aufgenommen. V. a. seit der durch das EuR (Europarecht) in den 1990er Jahren angestoßenen Liberalisierung und Wettbewerbsöffnung sieht das Regelungsgeflecht des E.s in der BRD den Staat immer weniger in einer Erfüllungsverantwortung für die Energieversorgung; es überantwortet die effiziente und kostengünstige Energieversorgung Privaten und hält dabei eine Regulierungs- und Auffangverantwortung des Staates aufrecht, der im Lichte der normativen Zielvorgabe, „eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche“ Energieversorgung zu erreichen (§ 1 EnWG), eine gemeinwohlsichernde Gewährleistungsaufgabe zukommt.
Die rasant einsetzende und deswegen zu Recht als Energiewende bezeichnete Gesetzgebung in der Folge der Reaktorkatastrophe von Fukushima im März 2011 hat umwelt- und klimaschutzfördernde Zielsetzungen des E.s in den Vordergrund gestellt. Die Berechtigungen zum Leistungsbetrieb von Kernenergieanlagen sollen demnach bis Ende 2022 (vorzeitig) erlöschen und der Anteil der Strom- und Wärmeerzeugung aus erneuerbaren Energien soll durch die Novelle des EEG und des EEWärmeG kontinuierlich erheblich gesteigert werden; der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung soll 40–45 % bis zum Jahr 2025 und mindestens 80 % bis zum Jahr 2050 ausmachen. Für das E. stellen sich damit neue Herausforderungen, v. a. hinsichtlich der Gewährleistung der Sicherheit der Energieversorgung im nationalen bzw. europäischen Kontext, in der Netz- und Marktintegration der Energien aus erneuerbaren Quellen und hinsichtlich der sachgerechten Ordnung des sich ändernden Marktdesigns.
2. Rechtsentwicklung
Die Entwicklung des E. zu einem Rechtsgebiet begann mit der technischen Entwicklung leistungsfähiger Energieerzeugungsanlagen und dem damit möglichen Aufbau flächendeckender Energieversorgungsanlagen. Nachdem sich in Deutschland durch Konzessions- und Demarkationsverträge abgeschottete Versorgungsgebiete von außerordentlich zahlreichen, nicht wettbewerblich kontrolliert agierenden Strom- und Gasversorgungsunternehmen mit je eigenen Bedingungswerken und Preisen entwickelt hatten, nahm sich das EnWG 1935 der als Missstand empfundenen Verhältnisse an. Die Energieversorgung wurde staatlicher Aufsicht unterstellt; die Versorger mussten ihre allgemeinen Versorgungsbedingungen und Preise öffentlich bekannt machen und unterlagen einem gesetzlich angeordneten Anschluss- und Versorgungszwang. Der Wirtschaftsminister machte von seiner Befugnis Gebrauch, auf die allgemeinen Bedingungen und Tarifpreise der Energieversorgungsunternehmen Einfluss zu nehmen. Im Hinblick auf die, mit dem EnWG 1935 eingeführte Zielsetzung, „die Energieversorgung so sicher und billig wie möglich zu gestalten“, wurden einheitliche Tarifordnungen für elektrische Energie und Gas erlassen. Während dann später in der damaligen DDR eine nach dem staatlich-zentralistischen Modell konzipierte Energieversorgungsordnung geschaffen wurde, galt das EnWG in der BRD nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bis zum Jahr 1998 fort.
Die Reform des EnWG im Jahre 1998 war eine Zäsur in der Entwicklung des E.s. Angestoßen vom Europarecht, das ab 1992 die Einbeziehung der Energiewirtschaft in den Bereich der Verkehrsfreiheiten des Europäischen Binnenmarktes einleitete, wurden die Mitgliedstaaten veranlasst und verpflichtet, bestehende geschlossene Versorgungsgebiete zu beseitigen und die Strom- und Gasmärkte schrittweise dem Wettbewerb zu öffnen. Die bestehenden Bereichsausnahmen vom Wettbewerbsrecht im deutschen Kartellrecht (GWB) wurden abgeschafft. Mit dem EnWG 1998 wurde ein Paradigmenwechsel zur Schaffung von Wettbewerb in der Energiewirtschaft eingeleitet, zunächst für den Elektrizitätsbereich in Umsetzung der EU-Stromrichtlinie (1996) und später (2003) für den Gasbereich in Umsetzung der EU-Gasrichtlinie (1998). Die Reform sah die Liberalisierung des Netzzugangs in der leitungsgebundenen Energieversorgung und Vorschriften zur (zunächst noch eingeschränkten) organisatorischen Trennung des Übertragungsnetzes von der Erzeugung, der Verteilung und den sonstigen Tätigkeiten vertikal integrierter Energieversorgungsunternehmen (sogenanntes Unbundling) vor.
Die weitere Entwicklung des E. ging wiederum vom Europarecht aus. Die Umsetzung der sogenannt Beschleunigungsrichtlinien des Jahres 2003 durch das geänderte EnWG 2005 sah den Übergang vom vertraglich verhandelten zum gesetzlich regulierten Zugang zu Strom- und Gasnetzen und weitergehende Verpflichtungen vertikal integrierter Energieversorgungsunternehmen zu unterschiedlichen Stufen des Unbundling vor.
Eine erneute Novellierung des EnWG machte die Verabschiedung des Dritten Energiebinnenmarktpakets der EU aus dem Jahr 2009 erforderlich. In das dazu angestoßene Gesetzgebungsverfahren in Deutschland wurde das in der Folge der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima 2011 beschlossene Gesetzespaket der Energiewende einbezogen. Dieses insgesamt acht (Artikel-)Gesetze und Änderungen in mehr als zwei Dutzend Gesetzen und Verordnungen vorsehende Gesetzespaket hat das deutsche E. erneut ganz wesentlich verändert und mit der AtG-Novelle zur „Abschaltung“ der Atomenergieanlagen bis 2022 und der erheblichen Steigerung des Anteils erneuerbaren Energien v. a. an der Stromerzeugung Leitlinien fixiert.
Ein Abschluss der Rechtsentwicklung ist damit nicht erreicht. Erforderlich wird in naher Zukunft eine Weiterentwicklung des Ordnungsrahmens insbes. für den Strommarkt. Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Steigerung des Anteils von Energie aus erneuerbaren Quellen macht es erforderlich, Regeln zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit mittels entsprechender Reservekapazitäten sowie zur sachgerechten Preisbildung im Stromhandel dauerhaft (und europarechtskonform) zu schaffen.
3. Konzeption
3.1 Zielsetzungen
Die legislative Konzeption des geltenden E. kommt exemplarisch in den normativen Zielvorgaben des § 1 EnWG („möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche“ Energieversorgung) zum Ausdruck. Mit der Sicherheit der Energieversorgung wird gesetzlich nicht nur die technische Zuverlässigkeit der Energieanlagen und -netze, sondern auch die Sicherheit der Verfügbarkeit adressiert. Eine in diesem Sinne sichere Energieversorgung ist die unabdingbare Grundlage für die moderne Privat- und Wirtschaftsordnung, ebenso wie für die Staats- und Verwaltungsordnung in Deutschland und verleiht der verfassungsrechtlich verbürgten Verantwortung des Staates Ausdruck, die im Gemeinwohlinteresse gebotene daseinsfürsorgliche Aufgabe in sachgerechter Weise zu bewältigen.
Ohne die Gewährleistung einer preis- und verbraucherfreundlichen Energieversorgung könnte der Gesetzgeber seiner sozialstaatlichen Verantwortung gegenüber den Verbrauchern nicht gerecht werden. Im Sozialstaat des deutschen GG steht es nicht im Belieben des Gesetzgebers des E.s, für eine sachgerechte Ordnung der Preis- und Lieferkonditionen zu sorgen. Mit den Mitteln des modernen Verbraucherschutzstandards genügenden Energievertrags- und -wettbewerbsrechts stehen dem Gesetzgeber dafür geeignete Instrumente zur Verfügung. Verbraucherbelange beanspruchen nicht zuletzt bei der Ausgestaltung der Förderung der erneuerbaren Energien erhebliche Aufmerksamkeit. Die Kosten des Fördermodells werden sowohl im Hinblick auf die bes. Belastung energieintensiver Unternehmen als auch mit Rücksicht auf die Vorhersehbarkeit und Bezahlbarkeit durch Privatverbraucher einer rechtlichen Ordnung unter Berücksichtigung des Finanzverfassungs- und Subventionsrechts unterworfen.
Die Gewährleistung der Effizienz der Energieversorgung ist im modernen E. der wettbewerbsorientierten Aufsicht von Regulierungs- und Wettbewerbsbehörden überantwortet. Regulierter Wettbewerb in der Energieversorgung auf der Grundlage eines diskriminierungsfreien Netzzugangs und eine an den Maßstäben kompetitiver Chancengleichheit orientierte Übertragung, Verteilung oder Speicherung der Energie, soll unter behördlicher Aufsicht eine effiziente Energieversorgung bewirken. Darüber hinaus sieht das EnEG den Ermächtigungsrahmen für Maßnahmen der Energieeinsparung und des effizienten Energieeinsatzes (insbes. im Gebäudebereich) vor. Die Regeln zur Kraft-Wärme-Kopplung im KWKG dienen der Modernisierung, dem Ausbau und der Markteinführung entsprechender Anlagen; mit ihnen sollen im Vergleich zur ungekoppelten Erzeugung Effizienzvorteile bei der Nutzung der jeweils eingesetzten Primärenergie erzielt werden.
Nicht zuletzt hat die Energieversorgung umweltverträglich zu erfolgen. Umwelt- und Klimaschutz (Umweltschutz) sind immer bedeutender gewordene Maximen des E.s geworden, um Umweltschäden und Gesundheitsrisiken für die Bevölkerung zu minimieren. Das E. konkretisiert dabei das Staatsziel des Art. 20a GG. Als zentrale Aufgabe ist die Verringerung der Kohlendioxid-Belastung bei der Energieversorgung erkannt und mit den durch die Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien erreichbaren Reduktionszielen im EEG 2014 normativ verbindlich festgelegt worden. In Deutschland ist damit eine bedeutende Transformation der Energieversorgung eingeleitet worden, die eine weitgehende Dekarbonisierung bewirken und einen Beitrag zur Erreichung des Kernziels der (in der Weiterentwicklung befindlichen) UN-Klimarahmenkonvention leisten soll, die Erderwärmung auf höchstens zwei Grad Celsius gegenüber vorindustriellen Zeiten zu begrenzen.
3.2 Liberalisierung
Die im Zuge der Entwicklung des E.s vollzogene Umgestaltung ist v. a. durch eine sukzessive Öffnung des Energiesektors für unternehmerischen Wettbewerb geprägt. Diese liberalisierende Gesetzgebung hat die überkommene Struktur der in geschlossenen monopolisierten Gebieten erfolgenden Energieversorgung sukzessive abgeschafft, nachdem erkannt wurde, dass die Ausschaltung des ursprünglich als „volkswirtschaftlich schädlich“ angesehenen Wettbewerbs in den Energiesektoren wirtschaftlich ineffizient und konzeptionell verfehlt ist.
Die Liberalisierung des Rechtsrahmens der Energieversorgung stellt ein zuvörderst europäisches Projekt dar. Es wurde mit den grundlegenden europäischen Richtlinien zu Strom (1996) und Gas (1998) eingeleitet, die das Ziel der Liberalisierung der bis dahin weithin national abgeschotteten Energiemärkte verfolgten. Schon bald darauf wurde mit den Beschleunigungs-Richtlinien Strom und Gas (sogenannt Zweites Energiepaket 2005) die Entfaltung des Wettbewerbs auf den Energiemärkten forciert. Bes. Bedeutung sollte sodann das Dritte Energie- bzw. Liberalisierungspaket 2009 haben, das insgesamt fünf Rechtsakte umfasst und v. a. die grundsätzliche eigentumsrechtliche Herauslösung des Netzgeschäfts aus vertikal integrierten Elektrizitätsversorgungsunternehmen (sogenanntes Ownership Unbundling) zum Gegenstand hatte und damit eine zentrale Bedingung für ein liberalisiertes Konzept der Energiewirtschaft auf der Grundlage effizienter Energiewettbewerbsmärkte schaffen sollte.
Die europäischen Liberalisierungsrichtlinien trafen auf sehr unterschiedliche E.s-Konzeptionen in den EU-Mitgliedstaaten. In Deutschland war (im Unterschied etwa zum service public-Konzept in Frankreich) die Energieversorgung seit jeher durch privatrechtlich organisierte Versorgungsunternehmen geprägt. Die Liberalisierung der Energiemärkte und ihre Öffnung für den Wettbewerb setzte auf dieser Struktur auf und schuf in Umsetzung der EU-Richtlinien mit dem EnWG 1998 Gebietsabsprachen und Ausschließlichkeitsbindungen zugunsten des Systems des seinerzeit noch zulässigen sogenannt verhandelten Netzzugangs ab. An dessen Stelle traten mit dem EnWG 2005 Regeln, nach denen die Regulierungsbehörden die Netzanschluss- und Netzzugangsbedingungen einschließlich der Tarife für Übertragung bzw. Fernleitung und Verteilung festlegten. Die Unbundling-Regeln wurden im Interesse einer verbesserten isolierten Kontrolle der Netznutzungsentgelte weiter verschärft und die wettbewerbsöffnende Grundkonzeption des E.s mit verbesserten Verbraucherschutzregeln verbunden.
3.3 Regulierung
Energierechtliche Regulierung kompensiert das spezifische Wettbewerbsdefizit der leitungsgebundenen Energieversorgung. Mangels realwirtschaftlicher Duplizierbarkeit des Leitungsnetzes verfügt dessen Inhaber über ein natürliches Monopol. Es ist deshalb eine Aufgabe staatlich gesetzten Regulierungsrechts, kompetitive Chancengleichheit der Marktakteure für die Vereinbarung netzbezogener Verträge der Energiewirtschaft zu fördern. Die Gewährleistung des Netzzugangs und der Netznutzung gehört zu den zentralen (privatrechtsgestaltenden) Aufgaben des Regulierungsrechts. Regulierungsrecht und Kartellrecht stimmen in ihrer auf die privatrechtliche Austauschgerechtigkeit gerichteten Zielsetzung überein, einen gegen Machtmissbrauch geschützten fairen Interessenausgleich von Energieversorgern und Energieproduktnutzern zu gewährleisten. Beide Regelungskreise unterscheiden sich dadurch, dass das Kartellrecht tatsächlich existierenden Wettbewerb gegen wettbewerbsbeschränkende Maßnahmen schützen soll, während Regulierungsrecht in Ermangelung bestehenden Wettbewerbs die Aufgabe hat, kompetitive Prozesse zu fördern.
Die Regulierung der Energieversorgung stellt funktionell eine dauerhafte staatliche Aufgabe dar, mit der systembedingte Wettbewerbsdefizite kompensiert und durch die Netzzugangs- und Preisregulierung Bedingungen für Wettbewerb in den Energiemärkten geschaffen werden. Zudem wird die regulierte privatwirtschaftliche Tätigkeit in der Energiewirtschaft mit öffentlich-rechtlichen Standards überformt, insbes. durch Pflichten zur Netzpflege und zum Netzausbau, Vorschriften über das Unbundling oder die Pflicht zur Einspeisung von Erneuerbare Energien-Strom in das Netz. Insgesamt nimmt der Gesetzgeber mit dem Regulierungsrecht für die Energiewirtschaft eine strukturfördernde, Wettbewerbsverhältnisse überhaupt ermöglichende Aufgabe wahr.
4. Regelungsbereich: Energiewirtschaft
Das geltende E. in Deutschland ist nicht durchweg systematisch strukturiert. Es ist einerseits nach Regelungsbereichen (wie dem der Energiewirtschaft und des Umwelt- und Klimaschutzes) unterteilt, kennt aber auch Regeln für einzelne Energieträger (etwa das AtG über die friedliche Verwendung der Kernenergie und das EEG mit den Regeln über die erneuerbaren Energien) oder Energiesektoren (etwa das EEWärmeG und das den Kraftstoffmarkt betreffende BioKraftQuG).
4.1 Recht der leitungsgebundenen Energieversorgung
Die Regeln der leitungsgebundenen Energieversorgung über die Entflechtung des Netzbetriebes (sogenanntes Unbundling), die Regulierung des unabhängig vom Energieträger geregelten Netzbetriebs sowie eine umfassende behördliche Missbrauchsaufsicht stehen im Zentrum des im EnWG geregelten Energiewirtschaftsrechts. Hinzukommen Regeln zur Grundversorgungspflicht gegenüber Letztverbrauchern, zum Planungs- und Wegerecht (seit 2013 unter Einbeziehung von Offshore-Erzeugungsanlagen) und zur Sicherheit und Zuverlässigkeit der Energieversorgung.
Die das natürliche Monopol des Netzbetreibers aufbrechenden Regeln des regulierten Netzzugangs, insbes. die des Anschlusses und Zugangs zum Netz für Energie durchleitende Dritte zu behördlich kontrollierten Preisen und Konditionen bilden eine unabdingbare Voraussetzung für Wettbewerb im Energiesektor und damit ein Filetstück des EnWG. Ihnen stehen die Unbundling-Regeln in ihrer Bedeutung nicht nach. Insbes. mit den für Transportnetzbetreiber vorgesehenen drei gleichwertigen Entflechtungsoptionen (Ownership Unbundling, Independent System Operator und Independent Transmission Operator) verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, die Unabhängigkeit des Netzbetreibers von anderen Tätigkeitsbereichen der Energieversorgung zu stärken und damit eine diskriminierungsfreie Gestaltung und Abwicklung des Netzbetriebs gegenüber konzernunabhängigen Dritten zu gewährleisten.
4.2 Recht der sogenannten erneuerbaren Energien
Die Förderung von den Energien aus erneuerbaren Quellen hat einen bedeutenden (und stetig wachsenden) Einfluss auf die Energiewirtschaft, der sich in Auswirkungen auf die Struktur der Energieerzeugung, die Wirtschaftlichkeit des herkömmlichen Kraftwerkparks, den Netzbetrieb und den Ausbau des Leitungsnetzes zeigt. In rechtlicher Hinsicht ergeben sich umfängliche Verflechtungen und Abstimmungen mit den Regeln des Energiewirtschaftsrechts etwa im Bereich des Netzzugangs, der Netzentgeltermittlung und der Netzengpassbewirtschaftung. Zentrale Regelungen des Rechts der erneuerbaren Energien hat der deutsche Gesetzgeber im EEG geschaffen, die weitestgehend autonom und ohne rechtvergleichend heranziehbare Vorbilder entstanden sind und fortlaufend weiterentwickelt wurden. Die Regeln haben ihren Ursprung im StrEinspG 1990, sind aber über die verschiedenen Fassungen des EEG seit jenem Jahr bis zum derzeit geltenden EEG 2017 den Kinderschuhen entwachsen, obwohl grundsätzliche Fragen zur Vereinbarkeit insb. des gesetzlichen Fördersystem mit dem Europa- und Verfassungsrecht nicht abschließend geklärt sind.
Das EEG enthält nicht etwa eine Gesamtkodifikation des Rechts der erneuerbaren Energien, sondern ist als energieträgerspezifisches Spezialgesetz für Anlagen erneuerbarer Energien konzipiert und hat damit Vorrang vor den allgemeinen Regeln des EnWG. Es sieht eine grundsätzliche Rechtspflicht von Netzbetreibern zur Abnahme, Übertragung und Verteilung von Strom aus erneuerbaren Energien und ein im Laufe der kurzen Geschichte des Gesetzes bereits mehrfach verändertes Regelwerk zur finanziellen Förderung der erneuerbaren Energien vor. Nachdem ursprünglich eine strikt technologiespezifische Förderung (z. B. für Wind-, Solar- und Biomasseanlagen) über festgelegte Einspeisevergütungen vorgesehen war, hat das EEG 2014 einen Systemwechsel angebahnt. Durch eine an Ausbaukorridore und Zubauregeln orientierte Förderdegression wurden Elemente der Mengensteuerung eingeführt, Neubauanlagen wurden grundsätzlich zur Direktvermarktung verpflichtet und Einspeisevergütungen werden nur noch ausnahmsweise gewährt.
4.3 Markt- und Wettbewerbsregeln
Das Energiewettbewerbsrecht will die Energieversorgung zu wettbewerbsorientierten Preisen und Konditionen gewährleisten. Es unterwirft den Inhaber des natürlichen (Netz-)Monopols als Korrelat fehlender wettbewerblichen Kontrolle einer sektorspezifischen Regulierung. Damit wird dem Netzinhaber verwehrt, Monopolrenditen aus dem Netzbetrieb zu erwirtschaften und vertikal integrierten Versorgern versagt, missbräuchliche Quersubventionierung anderer energiewirtschaftlicher Betätigungen vorzunehmen.
Die Regeln des allgemeinen Kartellrechts (GWB, AEUV, FKVO [ Wettbewerbsrecht ]) sind daneben seit der Aufhebung der kartellrechtlichen Freistellung für geschlossene Versorgungsgebiete uneingeschränkt anwendbar. Für die Aufsicht über den Preismissbrauch bei der Versorgung mit Strom und Gas durch das Bundeskartellamt gilt eine (bis Ende 2017 befristete) Sonderregel. Die Missbrauchsaufsicht über das Marktverhalten der Betreiber von Energieversorgungsnetzen ist dagegen nach dem EnWG den Regulierungsbörden übertragen.
4.4 Verbraucherschutz- und Preisrecht
Verbraucherschutz im E. gewinnt vermehrt an Bedeutung. Er umfasst den Schutz vor unangemessenen Geschäftsbedingungen und unlauteren Geschäftspraktiken, den Verbraucher- und Verbrauchsdatenschutz sowie Hilfen für Verbraucher in prekären Lebensverhältnissen zur Vermeidung von Energiearmut.
Eine allgemeine Kontrolle von Energiepreisen erfolgt im Wege der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht und der zivilrechtlichen Billigkeitskontrolle. Die Grenze des wettbewerbswidrigen Ausbeutungsmissbrauchs wird am Maßstab des wettbewerbsanalogen Preises unter Berücksichtigung einer Gewinnspannenbegrenzung gezogen. Die zivilrechtliche Billigkeitskontrolle von Preisgleitklauseln in Energielieferverträgen tritt neben die energiewirtschafts- und kartellrechtliche Preiskontrolle und stellt wesentlich auf die übliche Ausübung der Preisbestimmung in sachlich vergleichbaren Fällen ab.
Die Preisregulierung zum Ausschluss von Monopolrenditen in der Netzwirtschaft ist eine unabdingbare Voraussetzung für effektiven Wettbewerb. Die Regulierung der Netznutzungsentgelte wird am Maßstab der Kosten eines effizienten, strukturell vergleichbaren Netzbetreibers orientiert. Sie beschränkt sich nicht auf einen status quo-Vergleich mit dem marktüblichen Preis, sondern lässt es zu, analytische Kostenmodelle zugrunde zu legen, wenn Daten aus kompetitiven Vergleichsmärkten nicht zur Verfügung stehen. Die Preisobergrenze bildet der Preis, der effizient entstandene Kosten für sichere Netze abbildet. Hinzu tritt eine Anreizregulierung, die auf der Grundlage einer periodenbezogenen Festlegung von Erlösobergrenzen ineffizienten Unternehmen geringere, effizienten Unternehmen dagegen höhere Renditen zugesteht.
5. Regelungsbereich: Umwelt- und Klimaschutz
Zentrale Regelungen des anlagen- bzw. vorhabenbezogenen Energieumweltrechts finden sich in den Genehmigungserfordernissen des BImSchG, das – differenziert nach Gefahrenpotentialen unterschiedlichen Genehmigungsverfahren – die Einhaltung verordnungsrechtlich konkretisierter Emissionsgrenzwerte für die Errichtung und den Betrieb von Energieanlagen regelt. In das Verwaltungsverfahren fließt bei den vom UVPG erfassten Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung ein, die eine Berücksichtigung der Umweltauswirkungen des Vorhabens auf die Genehmigungsentscheidungen gewährleisten soll. Anlagenbetreiber bedürfen zur Freisetzung von Treibhausgasen einer behördlichen Genehmigung nach dem TEHG, das zugleich den Handel mit entsprechenden Zertifikaten regelt. Eingriffe in die Natur und Landschaft durch den Bau und den Betrieb von Energieanlagen sind mit den Schutzbelangen des Naturschutzrechts (z. B. BNatSchG) und der in mehreren Bundesländern geltenden Klimaschutzgesetze in Einklang zu bringen. Die umweltpolitisch bes. umstrittene dauerhafte Speicherung von Kohlendioxid in unteren Gesteinsschichten wird im KSpG geregelt.
6. Sonstige (ausgewählte) Regelungsbereiche
6.1 Anlagenplanung und Anlagenzulassung
Das Planungs- und Zulassungsrecht für Energieanlagen bildet einen umfänglich ausgebildeten Regelungsbereich, der seit der Gesetzgebung der Energiewende des Jahres 2011 erhebliche Veränderungen erfahren hat. V. a. unterliegt der Energieleitungsbau intensiver planerischer Steuerung und mehrstufiger Bedarfs- und Investitionsplanung. Im EnWG wurden zentrale Regelungen der Netzentwicklungs- und Bedarfsplanung (einschließlich der Offshore-Windparks) verankert, spezifische Trassenfindungs- und Planfeststellungsregeln wurden im NABEG und BBPIG geschaffen, die neben das seit 2009 geltende EnLAG getreten sind. Für die Errichtung von Energieerzeugungsanlagen gelten dagegen grundsätzlich (mit Ausnahmen für Offshore-Windenergie- und Wasserkraftanlagen) die allgemeinen Instrumente der Planung und Zulassung gemäß dem Raumplanungsrecht und den Vorgaben des Bau- und Immissionsschutzrechts.
6.2 Konzessionsvergabe
Die Nutzung der öffentlichen Verkehrswege für den Energieleitungsbetrieb wird durch gesetzlich gebundene und befristete Konzessionsverträge geregelt, deren Neuabschluss nach dem EnWG und den Regeln des Kartell- und Vergaberechts (Wettbewerbsrecht) erfolgt. Die Gemeinden (Gemeinde) können dafür Konzessionsabgaben erheben, deren Zulässigkeit und Bemessung durch die Konzessionsabgabenverordnung geregelt ist.
6.3 Energiehandel
Energiehandel erfolgt traditionell auf der Grundlage von Energielieferverträgen. Es existiert eine Vielzahl von Verträgen, die sich grundsätzlich nach Haushaltskunden- und Sondervertragskundenvertrag typisieren lässt. Haushaltskunden können die verpflichtende Grundversorgung nach dem EnWG auf der Grundlage standardisierter Vertragsbedingungen und Preise in Anspruch nehmen; für sie gelten die Regeln der StromGVV bzw. GasGVV.
Im Zuge der Liberalisierung der Energiemärkte sind neue Formen des Handels mit Strom und Gas sowie mit Emissionsrechten entstanden. Auf Handelsplattformen oder in Börsen findet ein Spot- und Terminhandel mit physischen oder finanziellen Future-Kontrakten bzw. Optionen statt. Dieser Handelsbereich wird durch ein zunehmend engmaschiger werdendes Netz von Regeln des Europarecht (MiFIR-, REMIT-, EMIR-VO) geordnet.
Literatur
W. Danner/C. Theobald: Energierecht 89. Erg.–Lfg., Stand Mai 2016 • J. Ebbinghaus/J. Berfelde: Energielieferverträge, 2015 • M. Kment (Hg.): Energiewirtschaftsgesetz, 2015 • F. Säcker (Hg.): EEG 2014, 2015 • F. Säcker (Hg.): Energierecht, 32014 • H. Schwintowski (Hg.): Handbuch Energiehandel, 32014 • C. Koenig/J. Kühling/W. Rasbach: Energierecht, 32013 • J. Schneider/C. Theobald: Recht der Energiewirtschaft, 42013.
Empfohlene Zitierweise
M. Paschke: Energierecht, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Energierecht (abgerufen: 03.12.2024)