Fernsehen

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1. Komponenten und Aspekte

Wie sich aus dem heterogenen Gebrauch des Kompaktbegriffs Medium ergibt, lassen sich bei Medien eine semiotische, eine technische und eine organisatorisch-institutionelle Komponente unterscheiden, aus deren systemischen Zusammenspiel die jeweiligen Medienangebote hervorgehen. Das Medium F. verbindet die audiovisuelle semiotische Substanz des Mediums Kino mit der elektronischen Rundfunktechnik. Dadurch erzielen seine Produkte bes. Suggestivkraft, Aktualität und Breitenwirkung.Der F.-Zuschauer „empfindet sich als Augenzeuge […], ohne sich der Selektion bewußt zu sein, mit der die Fernsehkamera seine Augen führt“ (Noelle-Neumann 1994: 546). Bei Live-Übertragungen kann er Ereignisse miterleben, ohne am Ereignisort zu sein. In Deutschland steht fast in jedem Haushalt mindestens ein TV-Gerät. 2016 hat jeder Bundesbürger im Durchschnitt täglich 223 Minuten mit F. zugebracht. Die meistgesehenen Einzelsendungen erreichen Zuschauerzahlen in zweistelliger Millionenhöhe.

Das Medium F. besitzt daher eine eminente Bedeutung für die Bildung der individuellen und der öffentlichen Meinung. Da beide Meinungsbildungsprozesse wesentliche Voraussetzungen funktionsfähiger Demokratie sind, hat der Staat aufgrund der verfassungsrechtlichen Anforderungen von Art. 5 GG die Aufgabe, den Rechtsrahmen für dieses Medium so zu gestalten, dass sowohl die Meinungs- und Informationsfreiheit wie auch die Freiheit der Berichterstattung sichergestellt sind.

Zugleich ist das F. wegen seiner unternehmerischen Aktivitäten und seiner besonderen Bedeutung für den Werbemarkt ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Die ProSiebenSat.1 Media SE zählt seit März 2016 zu den 30 Dax-Unternehmen. So ist die Sicherung des wirtschaftlichen Wettbewerbs eine weitere staatliche Aufgabe.

Ansatzpunkt staatlichen Handelns ist dabei die organisatorisch-institutionelle Komponente des Mediums. Dessen zeitaufwändiger Komplexität steht die rasante Beschleunigung technischer Innovationen und die Dynamik medienökonomischer Prozesse gegenüber. Dieses strukturelle Problem kennzeichnet die Rundfunkpolitik von Anfang an und erklärt die zentrale Bedeutung der Rundfunkurteile des BVerfG für die Entwicklung des F.s. Durch die Digitalisierung der Medien, den globalen Informationsaustausch und die weltweiten Verflechtungen der großen IT- und Medienkonzerne hat sich dieses Problem noch verschärft. So trennt das deutsche Medienrecht nach wie vor Presse und Rundfunk, obwohl inzwischen Bewegtbild und Schrift zu einheitlichen Onlineangeboten zusammenwachsen und die großen Medienkonzerne zugleich Presseerzeugnisse, TV-Programme und Online-Produkte anbieten.

2. Entwicklung des Fernsehens in Deutschland

2.1 Entstehung

Die grundlegenden Erfindungen zur elektronischen Übertragung bewegter Bilder sind die Nipkow-Scheibe (1883) und die Braunsche Röhre (1897). Nach dem Ersten Weltkrieg gab es in allen Industrieländern Weiterentwicklungen des F.-Funks. Die ersten Programme wurden 1935 in Deutschland und 1936 in Großbritannien ausgestrahlt. Erstes Fernsehereignis war die Übertragung der Olympischen Sommerspiele 1936 im Großraum Berlin. Das F. unterstand damals dem Reichspropagandaministerium, hatte aber für die NS-Propaganda keine größere Bedeutung. 1944 wurde es wegen Kriegsschäden eingestellt. Danach verschlug es viele Mitarbeiter nach Hamburg, wo sie einen wesentlichen Anteil am Aufbau des bundesdeutschen F.s hatten.

2.2 Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens

Die Entwicklung des heutigen F.s beginnt in den 50er Jahren, ausgehend von den Landesrundfunkanstalten, die nach 1945 unter alliierter Kontrolle in den Westzonen eingerichtet wurden. Sie schlossen sich 1950 zur Wahrnehmung gemeinsamer Aufgaben zur ARD zusammen. Dazu gehörte auch die Einrichtung eines gemeinsamen F.-Programms. Zuerst strahlte der NWDR in Hamburg seit 1950 Sendungen aus, am 26.12.1952 die erste Tagesschau. Nach Fertigstellung des bundesdeutschen F.-Übertragungsnetzes nahm das Deutsche F. (heute: Das Erste) am 1.11.1954 seinen Betrieb auf. Zur Finanzierung wurde zusätzlich zur Rundfunkgebühr eine eigene Gebühr für den Betrieb von F.-Geräten erhoben.

Diese Entstehungsgeschichte prägt die regionale und rechtliche Organisation. Die Aufteilung der Sendegebiete mit den verschiedenen Länder- und Mehr-Länder-Sendeanstalten geht auf die Militärzonen der Alliierten zurück. Ebenso wurde damals das britische Modell des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als Organisationsform eingeführt, da im kriegszerstörten Deutschland aufgrund fehlender technischer und wirtschaftlicher Voraussetzungen das durch Werbung finanzierte kommerzielle amerikanische Modell nicht realisierbar war. In der DDR waren Radio und F. staatlich organisiert, oberste Leitungsinstanz war das Staatliche Rundfunkkomitee. Seit 1952 wurde der Deutsche F.-Funk mit seinen Studios in Berlin-Adlershof aufgebaut, der 1972 in F. der DDR umbenannt wurde. Nach der Wiedervereinigung wurde es abgewickelt und durch Landesrundfunkanstalten der neuen Länder ersetzt.

Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind Anstalten des öffentlichen Rechts, denen im Rundfunkstaatsvertrag der Länder gesetzlich die Aufgabe zugewiesen ist, „durch die Herstellung und Verbreitung ihrer Angebote als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken.“ (§ 11 RStV). Ihre Organisationsstruktur setzt sich aus drei Organen zusammen:

a) Der Intendant ist für Sendeanstalt und Programm verantwortlich. Ihm sind Hörfunk- und F.-Direktion mit ihren Red.en untergeordnet, die das Programm gestalten und produzieren.

b) Der Rundfunkrat wählt den Intendanten, legt die Programmgrundsätze fest und überwacht ihre Einhaltung. Ihm gehören je nach Sender zwischen 29 und 74 Mitglieder an, die von den gesellschaftlich relevanten Gruppen entsandt werden (Kirchen, Verbände, Gewerkschaften, Parteien, Hochschulen usw.).

c) Der Verwaltungsrat besteht je nach Anstalt aus 7 bis 15 Mitgliedern und überwacht die Geschäfts- und Haushaltsführung.

Dieses System wurde 1961 durch das erste Rundfunkurteil des BVerfG nachhaltig bestätigt (BVerfGE 12, 205 ff.). Anlass war ein Konflikt zwischen Bund und Ländern über die Verwendung freier Funkfrequenzen für ein neues bundesweites F.-Programm. Der Bund berief sich auf seine Zuständigkeit für den Funkverkehr und hatte alle Vorbereitungen für ein von ihm kontrolliertes, privat finanziertes F. getroffen („Adenauer-F.“). Das BVerfG entschied jedoch aufgrund der „Kulturhoheit der Länder“ zugunsten ihrer Gesetzgebungskompetenz und auch gegen staatsbetriebenen Rundfunk jeder Form („Staatsfreiheit“). Als Reaktion darauf schlossen die Länder den Staatsvertrag zur Einrichtung eines bundesweiten Zweiten Deutschen F.s mit Sitz in Mainz, das am 1.4.1963 den Betrieb aufnahm. Von 1964 bis 1969 richteten die Landessender ihre Dritten Programme ein. Als Studien- und Bildungsprogramme konzipiert, haben sie sich inzwischen zu regionalen Vollprogrammen entwickelt.

2.3 Die Entwicklung der dualen Rundfunkordnung

Ende der 70er Jahre gewann die Satelliten- und Kabelübertragung zunehmend an Bedeutung. Damit ließ sich das Monopol der öffentlich-rechtlichen Sender nicht länger mit der Knappheit terrestrischer Frequenzen rechtfertigen. 1981 erklärte das dritte Rundfunkurteil den kommerziellen Betrieb privater Rundfunksender für zulässig, vorausgesetzt, dass durch gesetzliche Regelungen die für die private und öffentliche Meinungsbildung unverzichtbare Meinungsvielfalt sichergestellt wird (BVerfGE 57, 295 ff.). Seitdem können natürliche und juristische Personen mit der erforderlichen Lizenz privaten Rundfunk veranstalten. Lizenzvergabe und Aufsicht liegen bei Landesmedienanstalten, die in ähnlicher Weise staatsfern organisiert sind wie die Landesrundfunkanstalten. Dieses Urteil ist die Grundlage der dualen Rundfunkordnung von öffentlich-rechtlichen Sendern, deren Meinungsvielfalt durch die Zusammensetzung der Gremien garantiert wird (Binnenpluralität), und privaten, deren Meinungsvielfalt auf wirtschaftlicher Konkurrenz beruht (Außenpluralität). Beide stehen wiederum im gegenseitigen Wettbewerb um die Zuschauer.

Eine Vorreiterrolle bei der Etablierung des dualen Systems spielte Rheinland-Pfalz: Am 1.1.1984 startete das Kabelpilotprojekt Ludwigshafen. Erstmals wurde auch ein kommerzielles F.-Programm ausgestrahlt, das „Verleger-F.“ PKS, heute SAT.1. Die weitere Entwicklung des Privat-F.s war durch Unübersichtlichkeit und Diskontinuitäten geprägt. Zunächst dominierten lokale und regionale Anbieter. In manchen Regionen gibt es noch heute ein vielfältiges lokales Angebot. Bundesweit kam es jedoch bald zu einer Marktbereinigung, die zum Duopol von RTL-Gruppe, die zum Bertelsmann-Konzern gehört, und ProSiebenSat.1 Media SE, vormals Kirch-Gruppe, führte. Die bundesweiten Programme konnten rasch große Teile des Publikums für sich gewinnen. 1992 war mit RTL zum ersten Mal ein privates F.-Programm Marktführer. Inzwischen hat sich bei der Zuschauerquote ein Gleichstand von privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern eingependelt.

Für die weitere Entwicklung des dualen Systems besitzt das vierte Rundfunkurteil von 1986 zentrale Bedeutung (BVerfGE 73, 118 ff.). Um den publizistischen Wettbewerb zu sichern, gibt es ihm einen Rahmen. Das Urteil geht davon aus, dass werbefinanzierte F.-Sender aus wirtschaftlicher Notwendigkeit möglichst massenattraktive Programme anbieten und deshalb die Vielfalt der Meinungen und kulturellen Strömungen nicht in voller Breite wiedergeben. Dieser geringere Standard ist nur dann zulässig, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk entspr. seinem gesetzlichen Funktionsauftrag jene „Grundversorgung“ leistet, die für die gesellschaftliche Meinungsbildung unerlässlich ist. Zugleich muss der Gesetzgeber verhindern, dass im privaten Rundfunk eine vorherrschende Meinungsmacht entsteht.

Die gesetzliche Ausgestaltung des dualen Systems erfolgte 1987 im Rundfunkstaatsvertrag der Länder zur Neuordnung des Rundfunkwesens. Er wurde 1991 in den Staatsvertrag zur Regelung des Rundfunks im wiedervereinten Deutschland integriert und seitdem mit mehrfachen Änderungen fortgeschrieben.

1992 schrieb das siebte Rundfunkurteil die Rahmenbedingungen für den wirtschaftlichen Wettbewerb fest. Es bestätigte die Werbebeschränkungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und sah die ihm „gemäße Art der Finanzierung“ in der Rundfunkgebühr. Eine Mischfinanzierung mit Werbung ist aber zulässig, sofern die Gebührenfinanzierung nicht in den Hintergrund tritt (BVerfGE 87, 181).

2.4 Internationalisierung

Die Satellitentechnik machte das F. auch zu einem internationalen Medium. Zwar hatte sein Programm mit den internationalen Serien und Live-Übertragungen immer schon eine internationale Komponente. Doch der Empfang ausländischer Sender war auf grenznahe Gebiete beschränkt. Satellitenprogramme lassen sich dagegen europaweit empfangen. Dies erforderte eine europäische Harmonisierung des Medienrechts. 1989 wurde die EG-F.-RL 89/552/EWG beschlossen. Ihre zentrale Regelung ist das Sendestaatsprinzip. Programme, die der nationalen Umsetzung dieser RL in ihrem Heimatland entsprechen, sind in allen Mitgliedsstaaten frei empfangbar, selbst wenn dort strengere Regeln gelten. Große praktische Bedeutung haben auch die Werberegelungen.

Als erstes internationales F.-Programm des deutschsprachigen Raums wird seit 1984 das Satellitenprogramm 3sat ausgestrahlt. 1992 folgte das deutsch-französische Gemeinschaftsprogramm ARTE. Seit 1993 gibt es das europäische Informationsprogramm Euronews. Mittlerweile wird es in 13 Sprachen simultan gesendet, was zeigt, wie schwierig die notwendige Bildung einer europäischen Öffentlichkeit ist.

Heute bieten die beiden großen europäischen Satelliten-Betreiber Eutelsat und SES S.A. (Astra) hunderte von F.-Programmen an. Hinzu kommen die F.-Sendungen, die über das Internet empfangbar sind. Wichtig sind diese Angebote für die Migranten der verschiedenen Senderländer. Daneben haben internationale englischsprachige Programme wie CNN oder Al Jazeera besonderen Einfluss gewonnen. Unübersehbar ist aber auch, wie die Internationalisierung des F.s für nationale Propaganda benutzt wird.

2.5 Digitalisierung und Medienkonvergenz

Mitte der 90er Jahre setzte mit der Digitalisierung der F.-Technik eine neue Entwicklungsphase ein. Die Produktion von Sendungen wurde einfacher und billiger, die Übertragungskapazität nahm zu, das Programm wurde ausgeweitet. Zugleich begann die Konvergenz von F. und Internet. Aus dem programmbegleitenden Videotext entwickelten sich umfassende Onlineportale, und von allen Sendern wurden Mediatheken als Video-on-Demand-Angebote eingerichtet. Damit gibt es neben dem linear ausgestrahlten Programm noch zeit- und ortsunabhängige individuelle Zugriffsmöglichkeiten auf das F.-Angebot. Damit gibt es neben dem linear ausgestrahlten Programm noch zeit- und ortsunabhängige individuelle Zugriffsmöglichkeiten auf das F.-angebot, was dessen Nutzungsbedingungen verändert hat. Das hat beim Rezeptionsverhalten der jüngeren Generation bereits zu Auswirkungen geführt.

Diese Innovationen waren bei den privaten Anbietern durch kommerzielle Überlegungen begründet. Die Öffentlich-Rechtlichen reagierten wiederum auf die absehbaren Veränderungen des Zuschauerverhaltens und konnten sich dabei auf die Bestands- und Entwicklungsgarantie des sechsten Rundfunkurteils berufen. Zugleich hatte die Medienkonvergenz für ihre Finanzierung erhebliche Konsequenzen, da für den Empfang von F.-Sendungen inzwischen keine F.-Geräte mehr erforderlich sind. Damit war die gerätebezogene Rundfunkgebühr nicht mehr praktikabel. Sie wurde 2016 durch den haushaltsbezogenen Rundfunkbeitrag ersetzt.

Viel weitreichendere Konsequenzen haben allerdings die Videoportale, auf denen die Nutzer eigene Videos posten können. Schlüsseldatum ist die Gründung von YouTube 2005. Seitdem wurden in der global organisierten Online-Welt Bewegtbildbeiträge auf Grund ihrer Attraktivität immer wichtiger. Das audiovisuelle Rundfunkmedium F. muss nun mit Beiträgen konkurrieren, die Privatpersonen, Unternehmen und politische Institutionen auf allgemein zugänglichen Online-Plattformen publizieren. Zugleich verschwimmen in der öffentlichen Wahrnehmung die Unterschiede zwischen öffentlicher und privater Kommunikation, zwischen Journalismus und PR, zwischen Beiträgen, für die eine Red. verantwortlich zeichnet, und solchen, bei denen Streamingdienste lediglich für die Verbreitung sorgen. Zentrale Kategorien der etablierten Medienordnung drohen damit ihre Bedeutung zu verlieren.

Das Medienrecht reagierte darauf, indem es nun zwischen Rundfunk und Telemedien unterscheidet. Als zentrales Differenzkriterium gilt die Linearität, ein zweites ist die Zahl der Nutzer. Lineare audiovisuelle Medienangebote gelten als F.-Programme. Sie unterliegen dem Rundfunkrecht und benötigen eine Lizenz. Alle anderen zählen als Telemedien, für die einfachere Vorschriften gelten (§ 2 Abs. 1 RStV). Für die öffentlich-rechtlichen Sender ist damit aber ein spezielles Folgeproblem entstanden. Da ihre Mediatheken und Onlinedienste aufgrund dieser Festlegung nicht als Rundfunk gelten, aber aus Pflichtbeiträgen finanziert werden, drohen sie gegen die Subventionsregeln der EU zu verstoßen. Daher können sie ihre Onlineangebot nur zeitlich begrenzt anbieten oder müssen nachweisen, dass diese einen besonderen publizistischen Mehrwert besitzen und damit dem Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entsprechen („Drei-Stufen-Test“, § 11 f RStV).

Auf diesen Funktionsauftrag stützt sich insb. das Online-Projekt funk, das 2016 als gemeinsames Jugendangebot von ARD und ZDF eingerichtet wurde. Es wird nicht über die herkömmlichen Rundfunkfrequenzen verbreitet, sondern online, insb. über Social Media und mobiles Internet (§ 11 g RStV). Der öffentlich-rechtliche Rundfunk möchte damit das Interesse der jüngeren Generation an seinen Medienangeboten erhalten. Das Projekt besitzt aber auch Modellcharakter dafür, wie das Prinzip des dualen Systems im Zeitalter der Cloud mit all seinen Vermachtungstendenzen publizistischen Wettbewerb und Meinungsvielfalt erhalten kann.

3. Finanzierung

F. ist ein nicht-exkludierbares Wirtschaftsgut. Alle, die ein Empfangsgerät besitzen, können es sehen. Das hat für seine Finanzierung weitreichende Folgen. Entweder muss es in irgendeiner Form von der Allgemeinheit bezahlt werden, oder man benutzt die Aufmerksamkeit, die seine Sendungen erzeugen, für die Verbreitung bezahlter Werbebotschaften. Seit durch die Digitalisierung F.-Sendungen verschlüsselt und damit kontrolliert übertragen werden können, können Sendungen auch durch ihren Empfang finanziert werden. So hat sich neben dem Free-TV inzwischen auch ein Pay-TV-Angebot entwickelt.

Die jeweilige Finanzierungsart hängt von der Rechtsform der Sender ab. Da eine staatliche Rundfunkfinanzierung aus Verfassungsgründen unzulässig ist, werden die öffentlich-rechtlichen Sender durch den Rundfunkbeitrag (früher Rundfunkgebühr) und in einem geringen Umfang durch Werbeeinnahmen finanziert. Die kommerziellen Sender finanzieren sich durch Werbung, Programmverkäufe und zunehmend auch durch Pay-TV. Eine weitere Finanzierungsform sind Teleshopping-Sendungen.

Wichtige Institutionen sind in diesem Zusammenhang die KEF und die KEK. Die KEF hat auf Grundlage des ermittelten Finanzbedarfs den Ländern einen Vorschlag über die Höhe des Rundfunkbeitrags zu unterbreiten. Die KEK beobachtet die wirtschaftliche Entwicklung der kommerziellen F.-Unternehmen und soll zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten (ALM) das Entstehen einer vorherrschenden Meinungsmacht verhindern. Die KEK legt dazu regelmäßig einen Bericht vor, der Firmenverflechtungen und Beteiligungsverhältnisse darstellt und die Zuschaueranteile der jeweiligen Senderfamilien erfasst.

Die Höhe des Rundfunkbeitrags wird auf Basis des KEF-Vorschlags von den Ländern im Rundfunkstaatsvertrag festgelegt. Zugleich enthält der Rundfunkstaatsvertrag die sehr detaillierten Vorschriften zur Regelung der Werbung. Dazu gehören Kennzeichnungspflicht, zulässige Werbezeiten und die Bestimmungen zum Sponsoring und Product Placement. Die Höhe der Werbeeinnahmen richtet sich nach der Zahl der Zuschauer der jeweiligen Sendung (Tausender-Kontakt-Preis). Um die Zuschauerquoten auf einheitliche Weise zu erfassen, haben sich hier die privaten und öffentlich-rechtlichen Sender mit den Mediaagenturen und Werbetreibenden zur Arbeitsgemeinschaft Videoforschung zusammengeschlossen.

2014 standen den öffentlich-rechtlichen Radio- und F.-Sendern 7 846 Mio. Euro Einnahmen durch Rundfunkbeiträge zur Verfügung, hinzu kamen noch 324 Mio. Euro durch Werbung und Sponsoring. Die Erträge des privaten F.s lagen im gleichen Jahr bei 8 801 Mio. Euro, davon entfielen 4 377 Mio. Euro auf Werbeeinnahmen, 1 870 Mio. Euro auf Pay-TV, 1 688 Mio. Euro auf Teleshopping-Kanäle. Der Rest waren Einnahmen aus Regionalprogrammen und Lizenzen.

4. Das Programm

4.1 Sendeformen und Inhalte

Das F. hat aufgrund seiner semiotischen und technischen Eigenschaften eine Vielfalt von Sendeformen und Programminhalten hervorgebracht. Mit seinen Filmen und Serien kann es gut Geschichten zu erzählen. Im Sprechfernsehen zeigt es Menschen, die über ihre Erfahrungen, über politische und ökonomische Themen sprechen. So kann es Sachverhalte behandeln, die mit Bildern nicht darstellbar sind. Als Live-Medium lässt es seine Zuschauer geradezu unmittelbar an besonderen Ereignissen teilhaben. Zugleich sind seine Programminhalte in unterschiedliche Kommunikationsgattungen eingebunden. Nachrichten und Magazine, Dokus und Diskussionen erfüllen journalistische Funktionen. Spielfilme und Serien bieten fiktionale, Shows und Spiele performative Unterhaltung. Daneben haben sich mit dem Infotainment und dem Reality-TV fernsehtypische Hybridgattungen entwickelt.

4.2 Programmgestaltung und Produktion

Bei der Programmgestaltung unterscheidet man zwischen Vollprogrammen, die alle Genres umfassen, und Spartenprogrammen, die ausschließlich Nachrichten, Sport, Serien usw. senden. Sie sind oft in Programmbouquets eingebunden und meist auf bestimmte Zielgruppen zugeschnitten. Die Organisation des zeitlich-linearen Programmablaufs orientiert sich am Zuschauerverhalten. Daher gibt es zwischen dem Tages- und Abend-, dem Alltags- und Wochenendprogramm deutliche Unterschiede. Zugleich haben sich durch den Einfluss der kommerziellen Sender Programmierungsstrategien wie Stripping oder Audience flow durchgesetzt, die darauf zielen, den Wiedererkennungswert der Sendungen zu steigern und die Zuschauer durch Habitualisierung an ein Programm zu binden. Aus diesem Grund gibt es im F. auch so viele formatierte Sendungen und Serien. Andererseits erzielen daher Unterbrechungen der Programmroutinen eine bes. Aufmerksamkeit. Exemplarisch sind Liveübertragungen wichtiger Ereignisse und Programmevents wie der Eurovision Song Contest.

Die Programminhalte werden von den Sendern z. T. als Eigen- oder Auftragsproduktionen hergestellt. Daneben werden Fremdproduktionen und Senderechte eingekauft. Hier hat sich ein harter Wettbewerb um Formate und Serien, insb. um die Rechte von Sportübertragungen, entwickelt. Bei den kommerziellen Sendern erfolgt dann die Ausstrahlung in einer wirtschaftlichen Verwertungskette. Nachgefragte Sendungen laufen zuerst im Pay-TV und danach im Free-TV. Aber auch bei den öffentlich-rechtlichen laufen wichtige Sendungen zunächst im Haupt-, dann im Spät- und schließlich in einem Spartenprogramm. Journalistische Sendungen sind meist Eigenproduktionen. Die Sender unterhalten dazu nationale und internationale Korrespondentennetze, beziehen aber auch Filmmaterial von Nachrichtenagenturen wie der Europäischen Rundfunkunion oder Reuters.

4.3 Strukturen und rechtliche Vorgaben

Die Anzahl der öffentlich-rechtlichen F.-Programme ist im Rundfunkstaatsvertrag festgelegt (2016: 20 Programme). Im gleichen Jahr waren bei den Landesmedienanstalten 403 private F.-Programme zugelassen. Im Einzelnen waren das 73 Free- und 86 Pay-TV-Programme, 22 Teleshopping-Sender und 222 regionale und lokale Anbieter.

Diesem großen Angebot steht eine äußerst selektive Nutzung durch die Zuschauer gegenüber. 2016 erreichten gerade sechs Programme einen Marktanteil über 5 % (ZDF 13 %, Das Erste 12,1 %, RTL 9,7 %, Sat1 7,3 %, ProSieben 5,5 %, VOX 5,2 %). Fasst man die Zuschaueranteile der Senderfamilien zusammen, so erreichten in diesem Jahr die ARD-Programme 24,8 %, die ZDF-Programme 16,3 % und ihre gemeinsamen Programme 5,1 %. Bei den privaten Anbietern entfielen auf die RTL-Gruppe 22,6 %, auf ProSiebenSat1 Media 20,1 %. Der Rest waren andere Anbieter.

Auch besteht ein klarer Zusammenhang zwischen den Profilen der einzelnen Programme und ihrer Finanzierung. Das Informationsangebot der öffentlich-rechtlichen Sender ist doppelt so umfangreich wie das der privaten, bei denen Unterhaltungsangebote dominieren. Bemerkenswert ist, dass sich hier eine Ausdifferenzierung von Free-TV und Pay-TV abzeichnet, wie das die Entwicklung der Quality-TV Serien durch Pay-TV Unternehmen zeigt. Den unterschiedlichen Programmprofilen entsprechen die Nutzungsmotive der Zuschauer. Sie bevorzugen zur Information die öffentlich-rechtlichen und zur Unterhaltung die privaten Programme.

Als rechtlichen Rahmen für die Programmgestaltung legt der Rundfunkstaatsvertrag fest, dass die Angebote der öffentlich-rechtlichen Sender der „Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung zu dienen“ haben (§ 11 RStV). Die Anforderungen an die privaten Programme sind dagegen, so wie es das vierte Rundfunkurteil ermöglicht, geringer. Sie müssen lediglich die verfassungsmäßige Ordnung und die allgemeinen Gesetze beachten (§ 41 RStV). Bes. wichtig ist der Jugendschutz, der seit 2016 in einem eigenen Rundfunk- und Telemedien-Staatsvertrag geregelt ist.

5. Wirkung

„Das Fernsehen ist Produkt der gesellschaftlichen Modernisierungen und zugleich Transmissionsriemen sozialer Veränderungen.“ (Hickethier 1998: 1). Seine bes. Wirkungsmacht ist offensichtlich. Exemplarisch ist die gesellschaftliche Neupositionierung nach Ausstrahlung der Serie „Holocaust“ 1979, aber auch die nationale Euphorie während der Fußballweltmeisterschaft 2006, woran das Public Viewing der live übertragenen WM-Spiele wesentlichen Anteil hatte. Da die Wirkungszusammenhänge im Einzelnen sehr komplex sind, sind sie jedoch nur in ersten Annäherungen erforscht. Selbst der Zusammenhang von F. und Gewalt blieb trotz intensiver Forschung kontrovers.

Nicht weniger wichtig wie die unmittelbaren Wirkungen sind die reziproken Effekte. Sie entstehen dadurch, dass die gesellschaftlichen Akteure die Wirkungen des F.s in ihr Vorgehen einkalkulieren. Pressekonferenzen orientieren sich an Sendeterminen, Politiker tragen ihre Diskussionsbeiträge nicht mehr im Parlament, sondern in Talkshows vor, Sportveranstaltungen werden so organisiert, dass ihre Übertragungen möglichst hohe Einschaltquoten und Einnahmen für die Senderechte haben. Spätestens seit dem 11. September 2001 hat auch der Terrorismus das F. für seine Zwecke entdeckt.

F. hat einen wesentlichen Anteil an der Mediatisierung unserer Gesellschaft mit all ihren Vorzügen und Problemen. Es wird auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Denn es hat immer wieder gezeigt, wie „lernfähig“ es aufgrund seiner komplexen Systemeigenschaften ist.