Kommunikation

Der Begriff leitet sich aus dem Lateinischen commūnicāre ab, in dem er den Sinn von „teilen“, „etwas gemeinsam machen“, in religiösen Bereichen auch „das Abendmahl reichen“ hat. Im Deutschen tritt das Wort erst seit den 1950er Jahren in zunehmender Häufigkeit auf. Sein Aufkommen verdankt sich vermutlich der damaligen rasanten Ausbreitung neuer Massenkommunikationsmittel (Rundfunk, Fernsehen; Massenmedien), bezeichnet jedoch auch hier zunehmend allgemein die Vermittlung, Übertragung oder den Austausch von Sinn, Informationen und Bedeutungen zwischen Individuen und Gruppen, vermittelt von Zeichen, materiell körperlichen Zeichenträgern und Medien.

Die im romanischen oder angelsächsischen Sprachgebrauch mit „Gemeinschaftsbildung“ (communio) verbundene Bedeutung wurde zuerst im Rahmen der amerikanischen Soziologie des frühen 20. Jh. herausgehoben, die „K.“ als Grundlage von Gesellschaft insgesamt ansieht. Auf der Grundlage von Verhaltensreizen, die tierische Sozialität auszeichnet, entwickelt sich die menschliche K. als Austausch bedeutungsvoller Gesten. Sie zeichnet sich durch die Verwendung konventionalisierter Zeichen und Symbole aus. Theoretische Vorstellungen über Zeichen reichen zwar weit in die frühe Philosophie zurück. Sieht man von der breiten Diskussion der Rhetorik ab, entwickeln sich aber Begriff und Forschung zur K. erst im Laufe des 20. Jh. Dabei tritt zunehmend ein technischer K.s-Begriff in den Vordergrund, der einem informationstheoretischen Modell folgt. Demnach ist K. als Übermittlung von Informationen von einem Sender an einen Empfänger zu verstehen. Im Zuge der weiteren Entwicklung der modernen elektronischen K.s-Technologien und der Ausdifferenzierung moderner Institutionen für Medien-K. kommt es zu einer Auffächerung der mit K. beschäftigten Wissenschaften, die von der Soziologie, Psychologie über die sich daraus ausbildendenden K.s- und Medienwissenschaft hinaus bis zu Technik- und Lebenswissenschaften reichen. Damit einhergehend haben sich auch die Bedeutungen des Begriffes so vervielfältigt, dass hier nur die wichtigsten Aspekte und ihre Relevanz für die jüngsten Entwicklungen skizziert werden können.

Grundlegend und zunächst ausschließlich auf menschliche K. beschränkt, bezeichnet der Begriff alle „Mechanismen, durch die menschliche Beziehungen bestehen und sich fortsetzen – alle geistigen Symbole wie auch die Medien, die sie durch den Raum tragen oder in der Zeit erhalten. Sie schließen Gesichtsausdrücke, Körperhaltungen und Gesten, Stimmlagen, Wörter, Schrift, Druck, Eisenbahnen, Telegraphen, Telefone“ (Cooley 1909: 61) etc. ein. K. bezieht damit die Verwendung von Zeichen mit ein, wie etwa Sprache oder Zahlen, wie sie von der Linguistik oder der Semiotik untersucht wird. Sie kann aber auch mithilfe körperlicher Ausdrücke, Gesten und gegenständlicher Objektivationen vollzogen werden. Bezieht sich K. in diesem Sinne auf menschliche Handlungen, weitet der Behaviorismus (Behaviorismus, Behavioralismus) den Begriff auf Tiere aus. Er versteht darunter das Verhalten eines Individuums, das das Verhalten anderer Individuen beeinflusst. K. bezeichnet Lernen, Sexualverhalten und Emotionen von Tieren, wird aber zunehmend auch auf alle Formen des Informationsaustauschs zwischen lebenden Organismen (von Zellsignalen über chemische Übertragungen zwischen Bakterien, in Pflanzen oder Pilskulturen bis zu intentionalen Verständigungsformen von Primaten) ausgeweitet.

Dieser weite Begriff der K. schließt an den kybernetischen K.s-Begriff an. K. ist demnach eine durch „Rückkoppelung“ (Feedback) geleitete Informationsübertragung, die technisch modellierbar und deswegen auch steuerbar sei. Diese Modellvorstellung bildet zum einen den Ausgangspunkt für eine seit den 1960er Jahren forcierte technische Entwicklung von digitalen K.s-Technologien, die im Computer ihren ersten Höhepunkt findet. Sie stellt zum anderen den Auslöser dar für die Bildung einer Unzahl von formalen „Modellen“, mit denen die unterschiedlichsten Aspekte von K. gefasst wurden. Dazu gehört die „Mutter aller Modelle“ von Claude Elwood Shannon und Warren Weaver. Es fasst K. als Übermittlung von Signalen einer Informationsquelle über einen Kanal an einen Empfänger, wobei zusätzlich u. a. noch „Rauschen“, also Störungen des Kanals, die Informationsrate und die Encodierung oder Decodierung von Botschaften in Signalen unterschieden werden können. Diese technischen Modelle wurden zunehmend auch auf das Verständnis der menschlichen K. übertragen. Sie waren aber auch durch ältere Vorstellungen geprägt, die nun ebenso zunehmend als Modelle gefasst wurden: Prägend für spätere Modelle wurde die berühmte, am Toposkanon der rhetorischen Rede („quis, quid, ubi“ etc.) anschließende „Lasswell-Formel“, die fünf zentrale Aspekte von K. unterscheidet: Wer (Kommunikator) sagt was (Botschaft) über welchen Kanal (Medium) zu wem (Empfänger) mit welcher Wirkung (Wirkung)? Formel und Modellbegriff sollten den Anlass bieten für die Entwicklung von mannigfaltigen Modellen der massenmedialen K., die in den verschiedensten Wissenschaften sehr komplexe Gestalten annahmen. Durch das sich rasch ausweitende Fernsehen gewannen diese Modelle eine große Bedeutung, so dass es zuweilen zur Gleichsetzung von Massen-K. mit jeder menschlichen K. kam. Mit der Fokussierung auf die Massen-K. einher ging eine zunehmende Spezialisierung ihrer unterschiedlichen Aspekte und der dazu gehörenden Forschung (z. B. „Medienwirkungsforschung“, „Inhaltsanalyse“, „Publikumsforschung“ oder, in kritischer Absicht, politische Ökonomie der Medienproduktion und ihrer Organisationen). Die Betrachtung der Massen-K. erleichterte auch die Unterscheidung verschiedener (technisch-materialer) Medien (Zeitung, Rundfunk, Fernsehen) und verschiedener Kanäle oder „Modalitäten“ der K., wie die mündlich-akustische, kinetische, haptische, olfaktorische, gustatorische etc. Das Zusammenspiel der verschiedenen Kanäle wird heute im Begriff der Multimodalität erfasst.

Während die an der technischen oder Massen-K. orientierten Modellbildungen weitgehend vom einseitigen Sender-Empfängermodell geprägt waren, in denen zuweilen auch Rückkopplungen berücksichtigt wurden, wird K. von Paul Watzlawick und anderen sehr viel breiter als grundlegendes Merkmal jedes menschlichen Tuns verstanden. Neben Information und Rückkopplung zeichnet sich dieses menschliche Handeln durch metakommunikative Hinweise aus, in denen angezeigt wird, wie die Informationen verstanden werden sollen. Die Aufteilung der K. durch P. Watzlawick u. a. in Inhalts- und Beziehungsaspekte wird von Jürgen Habermas ergänzt durch einen dritten Aspekt, die Selbstdarstellung des kommunikativ Handelnden. Weil K. grundlegend der Verständigung über diese drei Aspekte zwischen Subjekten dienen kann, bezeichnet er es als kommunikatives Handeln. Während es sich durch diese hermeneutische Dimension des Verstehens (Hermeneutik) vom lediglich zielgerichteten Handeln unterscheidet, spielt die Sprache für das kommunikative Handeln eine tragende Rolle. Sie erlaubt die Koordinierung der Handlungsabläufe und die Abstimmung der Handlungsmotive. Besonders dem semantischen Gehalt der Sprachverwendung wohnt für J. Habermas eine bes. „kommunikative Rationalität“ inne, weil sie die Orientierung an unterschiedlichen, mit dem jeweiligen Sprechakt verbundenen Geltungsansprüchen und damit auch ihre potentielle Einlösung (im Rahmen herrschaftsfreier Diskurse) ermöglicht. Allerdings könne ihre zunehmende Instrumentalisierung für politische oder ökonomische Zwecke zu Verzerrungen der K. und damit zur Verhinderung der Verständigung führen.

Während J. Habermas sich eine zunehmende Rationalisierung durch kommunikatives Handeln erhofft, folgt sie empirisch den Gesetzen der Gewohnheitsbildung und wird durch eingeschliffene Praktiken geregelt. In der Form kommunikativer Gattungen etwa nimmt sie institutionelle Formen an, an denen sich die Handelnden ausrichten und mit denen sie sich abstimmen können. „Kommunikative Gattungen“ (Luckmann 1986: 202) lösen wiederkehrende Probleme des kommunikativen Handelns: Wie wir Dinge kaufen, religiöse Erfahrungen wiedergeben oder – wie etwa im Lexikonartikel – Wissen vermitteln, wird durch diese verfestigten Formen geregelt. Diese verfestigten Formen bilden Teil einer K.s-Kultur, die sich Handelnde aneignen können. K.s-Kulturen verleihen Gesellschaften eine Ordnung, indem sie die Handelnden und ihre Erwartungen leiten und die sich innerhalb, aber auch zwischen Gesellschaften unterscheiden können.

Folgt man dem systemtheoretischen Modell (Systemtheorie), dann leitet K. nicht nur die Handelnden, sondern erzeugt die gesamte Struktur der Gesellschaft. K. ist eine basale soziale Operation, die sich durch Sinn auszeichnet. Handelnde sind mit der K. nur insofern verbunden, als sie K. verstehen müssen. Doch vollzieht sich das, was verstanden werden muss („Information“) und der Akt des Kommunizieren („Mitteilung“) in der K. selbst. K. kommuniziert auf eine Weise, die Gesellschaft zu einem K.s-System macht. Entspr. werden die unterschiedlichen Teilsysteme der modernen „differenzierten“ Gesellschaft durch ihre jeweiligen Codes erzeugt: Wissenschaftliche K. etwa ist am Code „wahr/unwahr“ orientiert, rechtliche K. folgt der Unterscheidung zwischen „recht/unrecht“. Weil gesellschaftliche Systeme von der Fortsetzung der K. abhängen, spielen Medien eine große Rolle.

Neben den „symbolisch generalisierten Medien“ (wie etwa Geld), die es ermöglichen, dass K. und damit Gesellschaft fortgesetzt wird (Geld für Dinge, Dinge für Geld), hebt Harold Adams Innis die bes. Bedeutung der „Verbreitungsmedien“ für die gesellschaftliche Entwicklung hervor. Schon Kulturen, die ausschließlich mündlich kommunizieren, neigen zu einer anderen Form des („synthetischen“) Denkens als die schriftlichen Kulturen, die zum „analytischen“ Denken tendieren. Entspr. haben mediale Veränderungen große Folgen für die kulturelle Entwicklung. Wie der Fall des alten Ägypten zeigt, „bindet“ Stein als Medium der K. die Zeit, so dass lange währende Reiche möglich sind, während Papyrus Räume „binden“ kann und damit ein großflächiges Imperium wie das römische Reich ermöglicht. Der Buchdruck schließlich ist nicht nur eine Voraussetzung für die massenhafte Individualisierung des Lesens, sondern damit auch für die Reformation oder die Volksbildung des Volkes. V. a. im Zuge der jüngeren digitalen Technologien (Digitale Revolution) wird zunehmend auf deren gesellschaftliche Folgen hingewiesen, die zur Mediatisierung als „Metaprozess“ (Krotz 2001: 15) beiträgt. So verlagern neue digitale K.s-Technologien die mediale K. zwischen Menschen immer häufiger schriftsprachlichen auf audiovisuelle „multimodale“ Dimensionen und ermöglichen überdies dauerhafte zeitgleiche Interaktionen und damit Beziehungen über die Situation von Angesicht zu Angesicht hinaus. Zudem schafft die „Interaktivität“ verstärkt die K. zwischen Menschen und Geräten, aber auch – als Intraaktivität – zwischen Geräten untereinander, so dass nicht nur die Sozialbeziehungen zunehmend digital mediatisiert werden, sondern auch die Wissensproduktion und die Wissensvermittlung. Weil zunehmend nicht nur immer mehr Dienstleistungen mithilfe von K.s-Technologien erfolgen, wird auch von einer nahenden „Kommunikationsgesellschaft“ (Knoblauch 2017: 329) gesprochen.