Hochschulseelsorge

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1. Geschichte und Struktur

Die Aufmerksamkeit für die Lebensbedingungen der Studierenden sorgte in der zweiten Hälfte des 19. Jh. für erste Ansätze einer systematisierten H. Der sozialen Lage begegnete man mit der Einrichtung von Studentenheimen und ersten Beihilfeangeboten. Die Herausforderungen der jungen Menschen in einer Situation, die nicht mehr milieugeschützt war, führte zur Förderung von Gesprächskreisen um Priester und studentische Verbände und Verbindungen (Studentenverbindungen). Noch war die Arbeit nur auf die kleine Zahl der fast noch ausschließlich männlichen Studierenden ausgerichtet.

2. Grundlagen und Entwicklung

Die Konzilserklärung GE (10) hebt die Verantwortung der katholischen Kirche für das geistliche Leben, die Bildung und sozialen Bedürfnisse hervor. Der CIC/1983 betont im can. 813 die Seelsorge der Studenten durch die Errichtung einer Personalpfarrei (can. 518) oder wenigstens der Bestellung eines Priesters und die Errichtung von katholischen Universitätszentren auch an nicht kirchlichen Hochschulen. Bes. das personelle Angebot wird hervorgehoben. In dieser Verordnung kommt die Hochschule als ganze in ihrer Bedeutung für Bildung, interkulturelle und weltanschauliche Diskussion nicht in den Blick; dies wird erst durch Ex Corde Ecclesiae 1990 Nr. 38–42 deutlich.

Im deutschsprachigen Raum werden zunächst an den Universitätsstädten, später auch den Orten mit Fachhochschulen (heute: Universities of Applied Sciences), Katholische Studentengemeinden – später in der Aufgabe für die gesamte Hochschule Katholische Hochschulgemeinden – eingerichtet. Nur im Ausnahmefall (z. B. Innsbruck) werden sie als Personalpfarrei errichtet, ansonsten als Einrichtung der „Kategorialseelsorge“ mit meist eigenen Satzungen, die die Beteiligung in synodalen Gremien ordnen. Mancherorts gibt es auch Studierendenheime, Mensa, Kinderkrippen, psychologische Beratungsstellen. Z. T. sind die Mentorate für Pastorale Berufe und Religionslehrer-Ausbildung in die Gemeinden integriert oder adaptiert. Mit der zurückgehenden Zahl der Priester ist deren Einsatz mehr und mehr reduziert. Organisatorisch arbeiten die Einrichtungen in Deutschland im „Forum Hochschule und Kirche“ zusammen mit der „Arbeitsgemeinschaft Katholischer Hochschulgemeinden“ und der „Konferenz für Katholische Hochschulpastoral“, die die hauptamtlichen Seelsorger zusammenführt.

Darüber hinaus haben sich seit der Mitte des 19. Jh. katholische Vereinigungen (i. S. v. cann. 215 f. CIC/1983) entwickelt, unter denen den katholischen Verbindungen ein besonderes Gewicht zukommt. H. changiert somit zwischen den Formen von Pfarrei und Arbeitsstelle, einer subjekthaften Selbstorganisation und einer eher vom Betreuungsgedanken geprägten Arbeit.

Die evangelische H. entwickelt sich ähnlich, jedoch mit einem stärkeren Gewicht auf dem Gemeindeverständnis und der politischen Arbeit. Sie ist zusammengeschlossen in der Bundes-ESG.

3. Pastoraltheologische Herausforderungen

Pastoraltheologisch bilden sich in der Arbeit der H. etliche Probleme ab. Das Selbstverständnis dieses Feldes müsste vom gemeinsamen Priestertum (Priester) her entwickelt werden, damit die Handelnden in diesem spezifischen Lebens- und Arbeitsfeld – also Studierende, Lehrende, Mitarbeiter – als Träger des Kirche-seins und nicht als „Zielgruppe“ einer hauptberuflichen Dienstleistung verstanden werden. Dabei umfasst „Seelsorge“ die ganze Lebensaufgabe der Kirche und damit der Menschen, nicht nur der Getauften. In den vier Dimensionen der Pastoral sind unterschiedliche Entwicklungen auszumachen: Diakonisch ist die Arbeit in der ausdrücklichen Sorge um die sozialen und psychischen Bedürfnisse bes. der ausländischen Studierenden. Diese Sorge zeigt sich in konkreter Hilfe und politischer Aktion. Missionarisch und der Martyria verpflichtet ist die Arbeit im Evangelisierungsauftrag, der gerade in einem entkirchlichten Raum die Botschaft Jesu Christi wachhält und zugleich für eine stetige Vertiefung des Glaubens sorgt. Darüber hinaus bringt sie dessen intellektuelle Kraft in das gesamte Feld universitären Denkens ein. Liturgisch versteht die H. ihre Arbeit in der verdichteten Form der Eucharistie als Kraftquelle, praktiziert aber auch vielfältig neue Formen, die den besonderen Kommunikationsformen der suchenden und der anspruchsvoll reflektierenden Akademikerschaft gerecht werden. Die Gemeinschaftsbindung (koinonia) dient der Beheimatung der Universitätsglieder an ihrem Lebens- und Arbeitsort und in ihrer kirchlichen Verortung.