Priester
P. (griechisch πρεσβύτεροϚ, der Ältere) finden sich in vielen Religionsgemeinschaften als Personen, die einen mittlerischen Dienst zwischen den Gläubigen und Gott bzw. den Gottheiten, v. a. im (Opfer-)Kult, ausüben, der mit weiteren religiösen Leitungsfunktionen verbunden sein kann. Die Erwählung zum P.-Amt kann auf verschiedene Weise, etwa durch Herkunft oder charismatische Berufung (Charisma), geregelt sein und durch einen Einsetzungsritus bestätigt werden. Mit dem Amt sind meist bes. ethische Erwartungen an die Lebensführung, aber auch Standesprivilegien gegenüber den übrigen Mitgliedern der Religionsgemeinschaft verknüpft. Im Folgenden wird nur der Begriff des P.s in der christlichen Religion auf dem Hintergrund der biblischen Vorgaben behandelt.
1. Heilige Schrift
1.1 Altes Testament
Ein institutionalisiertes Priestertum begegnet im AT erstmals in der frühen Königszeit sowohl als Begleitung des Königs (1 Sam 4,36 f. und öfter) wie auch in seiner kultischen Funktion (Kult) an verschiedenen Heiligtümern (1 Sam 1 ff. und öfter). Der König selbst scheint gelegentlich ebenfalls priesterliche Vollzüge auszuüben. Erst das Dtn bindet die priesterlichen Ämter an den Stamm Levi, innerhalb dessen später die niederen Kultdiener (Leviten) und die eigentlichen Altar-P. unterschieden werden, deren Herkunft in verschiedenen Stufen genealogischer Konstruktion der P.-Schrift auf Aaron, den Bruder des Moses, noch vor Zadok, dem ersten priesterlichen Vorsteher des salomonischen Tempels, zurückgeführt wird (vgl. die Stammbäume in 1 Chr 5–6). Nachexilisch stellen bis in die hellenistische Zeit (Onias III., 192–174 v. Chr.) die Zadokiden den Hohe-P.; in der anschließenden Epoche wird das Amt durch wechselnde P.-Geschlechter besetzt, bis mit der Zerstörung des Jerusalemer Tempels (70 n. Chr.) das System der P.-Aristokratie in der bisherigen Form ein Ende findet. Hauptaufgabe der in verschiedene Klassen aufgeteilten alttestamentlichen P. sind Opferdienst und Tempelverwaltung, wobei nach Lev 16 allein der Hohe-P. am Großen Versöhnungstag das Allerheiligste des Tempels betreten darf. Weitere priesterliche Aufgaben betreffen die Orakeldeutung, lehrhafte Unterweisung, Segenserteilung und Rechtspflege. Das AT kennt ausführliche Kleidungs- und Reinheitsvorschriften für die P. (vgl. Ex 28.30.39 f. und öfter). In die Zeit nach dem Exil datieren die priesterlichen Initiationsriten (Salbung). Der Unterhalt der P. ist durch verschiedene Abgaben des Volkes gesichert (u. a. „Zehnter“).
1.2 Neues Testament
Weder Jesus noch seine Apostel sind P. im alttestamentlichen Sinn. In Jesu Verkündigung finden sich kultkritische Äußerungen in prophetischer Tradition (vgl. Mk 12,33; Mt 9,13; 12,12) und mit der Tempelreinigung eine Zeichenhandlung, die das gängige Kultsystem in Frage zu stellen scheint. Die Evangelien sehen prominente Vertreter der priesterlichen Aristokratie am Prozess Jesu beteiligt, der zu seiner Hinrichtung durch die römische Besatzungsmacht führt. Nachösterlich bedient sich bereits Paulus bei seiner Deutung des Todes Jesu als „Sühnopfer“ (Röm 4,25) einer zentralen Kategorie alttestamentlicher Kulttheologie. Andere neutestamentliche Verfasser setzen diese Interpretationslinie fort (z. B. Eph 5,2; 1 Joh 2,2; 3,10). Der Hebräerbrief steht mit seiner expliziten Theologie des Hohe-P.s Christi einzig im NT dar. In einer historischen Situation, da der Jerusalemer Tempel bereits zerstört ist, beschreibt er Jesus als P. „in Ewigkeit nach der Ordnung des Melchisedek“ (6,20), der durch Gottes Einsetzung und seine Sündenlosigkeit dem aaronitischen Kultpriestertum mit seinem Opferdienst überlegen ist und an dessen Stelle tritt. In Christus sind P. und Opfergabe eins, weil er „sich selbst kraft ewigen Geistes Gott als makelloses Opfer dargebracht“ (9,14) und ein für allemal „mit seinem eigenen Blut“ (9,12) die Erlösung bewirkt hat. Er vermittelt zwischen Gott und Volk nicht nur in seinem durch mitfühlende Solidarität mit den Sündern bestimmten irdischen Leben und Sterben, sondern dauerhaft, sofern er durch seinen Tod in das himmlische Heiligtum eingetreten ist. Dort tritt er vor Gott für die Seinen ein und wird „Bürge eines besseren Bundes“ (7,22–25) mit endzeitlichem Charakter. Wenn sich im NT Ansätze für ein priesterlich-kultisches Verständnis des apostolischen Amtes bzw. der Gemeinde finden, dann stets mit Bezug auf die durch Christus erwirkte Erlösung und ohne Übernahme heidnischer Amtsterminologie. Paulus verwendet kultische Begriffe bei der Beschreibung seines eigenen Auftrags (Röm 15,15 f.; Phil 2,17), sofern es in all seinen Vollzügen an der Selbsthingabe Jesu Maß nimmt, und in der Charakterisierung des vollzogenen Gottesverhältnisses der Gemeinde (Röm 12,1 ff.; 15,16; Phil 4,18). Aufgrund der Erlösung durch Christi Blut sind die Christen nach Offb 1,5 zu „Priestern für Gott, seinen Vater“, gemacht worden und dürfen sich in 1 Petr 2,9 (anknüpfend an Ex 19,6) als „königliche Priesterschaft“ bezeichnen lassen. Ihre Hingabe an Gott besteht nicht nur im Gotteslob, sondern auch in tätiger Nächstenliebe (Hebr 13,15 f.) und in der Bereitschaft zum Martyrium.
„Presbyter“ begegnet im NT als Name für eines von verschiedenen frühchristlichen Gemeindeämtern (Apg 11,30; 20,17 ff.; Jak 5,14; 1 Petr, 5,1–5 und öfter). Es scheint seinen Ursprung in der Gemeinde von Jerusalem zu haben und weist auf Vorbilder im Judentum zurück, wo kollegiale Ältestenverfassungen sowohl auf kommunaler wie synagogaler Ebene existieren. Dort findet sich auch schon eine Ordination durch Handauflegung. In den Pastoralbriefen deutet sich die Trias Episkopen – Presbyter – Diakone an (z. B. 1 Tim 3 f.), wobei die ersten beiden Ämter kaum klar unterscheidbar sind und innerhalb des NT nicht mit dem Eucharistievorsitz verbunden werden. In den paulinischen Gemeinden begegnen Episkopen und Diakone, aber keine Presbyter.
2. Christliche Dogmatik
2.1 Geschichtliche Entfaltung des sakramentalen Amtspriestertums in der Kirche
Auch wenn es die erwähnten Ansätze für ein „priesterliches“ Verständnis des apostolischen Amtes im NT gibt, wird es dort nirgendwo umfassend durch den Begriff des Priestertums charakterisiert. Dies gilt auch für die nachösterliche Ausdifferenzierung der kirchlichen Ämterstruktur, deren Abschluss im NT selbst noch nicht dokumentiert ist. In den unterschiedlichen Verbreitungsgebieten des frühen Christentums stehen zunächst offenbar verschiedene ekklesiale Leitungsformen nebeneinander. Die Trias von Bischöfen, Presbytern und Diakonen wird ab dem 2. Jh. n. Chr. zunehmend als gestufter, aus apostolischer Sukzession begründeter, durch Handauflegung weitergegebener sakraler Ordo verstanden (vgl. 1 Clem 42.44, noch ohne klare Unterscheidung von Bischöfen und Presbytern). Die v. a. bei Ignatius von Antiochien betonte oberste Autorität des Bischofs zeigt sich u. a. darin, dass nur die „unter“ ihm gefeierte Eucharistie als „recht“ gilt (Ign. Smyrn. 8,1). Die Presbyter sind dem Bischof subordiniert und werden als ihn umgebendes Kollegium erwähnt (Ign. Magn. 13,3); ihre Aufgaben bleiben unscharf. Auch nach der bei Irenäus von Lyon bezeugten Durchsetzung des Monepiskopats definiert sich das Leitungsamt zunächst nicht exklusiv von liturgisch-kultischen Vollzügen, sondern von den umfassenden Funktionen her, die zur Auferbauung der Gemeinde notwendig sind. Nachdrücklich benennt Irenäus die P. als Bewahrer der apostolischen Tradition (Iren. haer. 3,2,2).
Je klarer in der Folgezeit die Ämter des Bischofs, Presbyters und Diakons als voneinander abgegrenzte Weihestufen in Erscheinung treten (vgl. Traditio Apostolica, Wende 2./3. Jh.), desto deutlicher wird ihre Ordnung auch mit Bezug auf unterschiedliche Funktionen in der Liturgie und im Hirtendienst expliziert. Tertullian (gest. nach 220) spricht in seinen Schriften der vor-montanistischen Phase vom Bischof als „oberstem Priester“ und kennt spezifische „priesterliche Ämter“ im Sakramentenvollzug (Tert. bapt. 17). Gemeinsam mit dem Bischof leiten die P. die Kirche. Dass sie auch in seiner Vertretung der Eucharistie vorstehen, erwähnt Cyprian von Karthago (Cypr. epist. 5,2 und öfter), der gleichfalls vom Bischof als sacerdos spricht. Aufgrund der seit dem 3. Jh. stark ansteigenden Zahl der Gläubigen übernehmen die mittlerweile professionalisierten Presbyter im Auftrag des Bischofs die Leitung eigener Gemeinden und vollziehen dort selbständig die liturgisch-sakramentalen Handlungen inkl. der Eucharistie. Stellenwechsel zum Aufstieg in höhere Ämter konterkarieren zunehmend das Verbot der „absoluten Ordination“ von P.n. Die um 400 verfassten „Apostolischen Konstitutionen“ grenzen das Amt des P.s deutlich von demjenigen des Diakons ab und sprechen ein Verbot gegenüber Laien aus, sich priesterliche Funktionen anzumaßen (3,10.20 und öfter). Mit der Konzentration des presbyteralen Amtes auf die Feier der als Opfer des Neuen Bundes verstandenen Eucharistie, seiner typologischen Rückbeziehung auf das alttestamentliche Priestertum (nach der historischen Loslösung der Kirche aus dem Judentum) und der schärferen Trennung zwischen Klerus und Laien findet seit der Spätantike ein zunehmender Prozess der „Sazerdotalisierung“ statt, der in Definitionen priesterlicher Vollmacht in der mittelalterlichen Theologie mündet, die auf die potestas consecrandi et absolvendi (eucharistische Konsekration und Lossprechung im Bußsakrament) konzentriert sind. Sie sehen im P. vor allem den Teilhaber am Mittleramt Christi, der durch den Vollzug der kirchlichen Sakramente den Gläubigen Zugang zu den von Christus erwirkten Heilsgütern ermöglicht. Die Aufgaben der Wortverkündigung und der Gemeindeleitung treten demgegenüber in den Hintergrund, obwohl sie in offiziellen Beschreibungen des P.-Dienstes Erwähnung finden (vgl. die Texte der Weiheliturgie); auch das Handeln des P.s in persona Ecclesiae neben dem Handeln in persona Christi hat die mittelalterliche Theologie nicht übersehen (vgl. STh III, 82,7 ad 3). In der scholastischen Ordokonzeption gilt die P.-Weihe als Zentrum. Ihr gegenüber erscheint der Diakonat nur als Sakrament im analogen Sinn, die Bischofsweihe wird vorwiegend als jurisdiktionell begründete Ausfaltung der in der P.-Weihe angelegten Vollmachten angesehen. Gegen die Kritik der Reformatoren, die zwar ein ordiniertes geistliches Amt als göttliche Einsetzung anerkennen (vgl. CA 7), ein eigenes Ordo-Sakrament als Begründung eines Opferpriestertums im Neuen Bund aber aufgrund fehlender Schriftbegründung neben dem allgemeinen Priestertum aller Gläubigen ablehnen, verteidigt das Konzil von Trient die Existenz eines „neuen sichtbaren und äußeren Priestertums“ in der Kirche, „in welches das alte überführt wurde“, v. a. mit Verweis auf „das heilige Opfer der Eucharistie“ (Denzinger/Hünermann 1991: 1764). Die sakramentale P.-Weihe ist von Christus eingesetzt und verleiht neben besonderen Amtsgnaden dem Empfänger ähnlich wie Taufe und Firmung eine bleibende innerliche Prägung (character indelebilis: Denzinger/Hünermann 1991: 1767, 1774), so dass sie nicht auf eine vorübergehende Beauftragung zum Predigtdienst oder ähnliches reduzierbar ist. Die Vermischung des amtlichen Priestertums mit dem gemeinsamen wird zurückgewiesen. Alleiniger Spender der P.-Weihe ist der Bischof. Erst im 20. Jh. findet sich mit der durch Pius XII. getroffenen Festlegung, dass als Materie der P.-Weihe die Handauflegung, nicht die Übergabe der liturgischen Geräte zu gelten hat, wieder eine dogmatisch wichtige Aussage zum Priestertum (Konstitution „Sacramentum Ordinis“ von 1947).
2.2 Das Priesteramt in der Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils
Das Zweite Vatikanische Konzil hat mit der mittelalterlichen Ordo-Theologie insofern gebrochen, als es das Weiheamt konsequent im Ausgang vom Episkopat konzipiert. Die Bischöfe, deren Weihe eindeutig als sakramental verstanden wird, besitzen die „Ganzheit des heiligen Dienstamtes“ (LG 21), P. und Diakone werden als ihre untergeordneten Mitarbeiter bzw. Helfer definiert (LG 20), die durch ihre sakramentale Weihe an der Fülle des bischöflichen Amtes teilnehmen. Dennoch verdankt sich das P.-Amt nicht dem Bischofsamt, sondern der unmittelbaren Einsetzung Christi. Die P. werden bestellt „zum Dienst für Christus, den Lehrer, Priester und König“ (PO 1; vgl. auch LG 28); dieses Modell hat seinen Hintergrund in der auch von katholischen Theologen seit dem 19. Jh. verwendeten christologischen Drei-Ämter-Lehre, greift aber zugleich das in der katholischen Theologie traditionsreiche Lehrstück vom Hohepriestertum Christi auf (vgl. Thomas von Aquin, STh III, 32). Analog zum Bischofsamt wird das sakramentale Priestertum vom Zweiten Vatikanischen Konzil kollegial verstanden: Die P. bilden gemeinsam unter dem Bischof das „Presbyterium“ einer Teilkirche (PO 7–8). Zwar werden die dem P. vorbehaltenen sakramentalen Vollmachten (Eucharistievorsitz, Spendung des Bußsakramentes und der Krankensalbung) bestätigt, aber stärker in den Verbund aller für den Aufbau der Gemeinde relevanten Dimensionen der Christusrepräsentanz integriert. Das Sakrament der Weihe „zeichnet die Priester durch die Salbung des Heiligen Geistes mit einem besonderen Prägemal und macht sie auf diese Weise dem Priester Christus gleichförmig, so dass sie in der Person des Hauptes Christus handeln können“ (PO 2). Mit der Betonung der allen Gliedern des Gottesvolkes gemeinsamen Berufung und Würde (LG 9, 18, 32) und der Anteilnahme aller an der integralen Sendung der Kirche (LG 33; AA 2) unterstreicht das Zweite Vatikanische Konzil zugleich die durch die Geistsalbung in Taufe und Firmung begründete Anteilnahme aller Christen am dreifachen Amt Christi, darunter seinem Priestertum (LG 10, 31). Den Vollzug dieses gemeinsamen Priestertums erkennt das Konzil v. a. in Gotteslob, Glaubenszeugnis und tätiger Liebe der Christen. Eine Konkurrenz zum „Priestertum des Dienstes“ wird mit der Formulierung ausgeschlossen, dass die beiden Formen der Anteilnahme am Priestertum Christi „dem Wesen, nicht bloß dem Grade nach“ (LG 10) verschieden seien. Häufig unterstrichen wird in den Texten des Konzils der Dienstcharakter aller geweihten Ämter für das Gottesvolk. P. und Laien sollen in der Anerkennung ihrer unterschiedlichen Berufungen und in vertrauensvoller Zusammenarbeit der einen kirchlichen Sendung dienen (LG 32 und öfter).
2.3 Aktuelle Fragen
a) In der nachkonziliaren Debatte ist der Vorwurf erhoben worden, dass die Amtstheologie des Zweiten Vatikanischen Konzils, v. a. das erst in der letzten Sitzung verabschiedete Dekret über die P. (PO), nicht über eine brüchige Synthese zwischen Reformimpulsen (funktionale, gemeindetheologische, pneumatologische Amtsbegründung) und traditionellen Anliegen (Fokussierung auf hierarchische Struktur, Christusrepräsentanz und exklusive Vollmachten des Amtes) hinausgekommen sei. Je nach theologischem Standpunkt forderten Theologen daher vereindeutigende Korrekturen in die eine oder andere Richtung, ohne den Kompromisscharakter konziliarer Dokumente immer hinreichend zu beachten. Die Frage nach dem Vorrang des Leitungs-, Heiligungs- oder Verkündigungsauftrags im priesterlichen Dienst fand unterschiedliche Beantwortung, teils mit integrativer Tendenz. Angemerkt wurde auch, dass zwischen den vom Konzil aufgewerteten Instanzen der Bischöfe und der Laien die Position des P.s unsicher geworden sei.
b) Letzteres scheint seine empirische Bestätigung durch die hohe Zahl der Amtsniederlegungen von P.n in den Jahren nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil und die in vielen Teilen der Weltkirche stark zurückgegangenen Weihezahlen zu finden (2016 lebten in Deutschland 13 856 Welt- und Ordens-P. gegenüber 26 089 im Jahr 1970). In der deutschen Kirche ist auf den dadurch resultierenden P.-Mangel vorrangig durch den verstärkten Einsatz ausländischer P. (derzeit ca. 2 500), die Reform bisheriger Pfarrstrukturen und die stärkere Einbeziehung von Laien in den pastoralen Dienst reagiert worden. Ungelöste Probleme in den nun zunehmend entstehenden pastoralen Großräumen betreffen u. a. den Verlust wichtiger Dimensionen priesterlicher Tätigkeit und die Gefährdung des Bandes zwischen Gemeindeleitung und sakramentaler Ordination, das für die katholische Ekklesiologie normativ ist.
c) Auch deswegen halten theologische Diskussionen über die Zulassungsbedingungen zum katholischen Priestertum an. Die im zweiten Jahrtausend der Kirche durchgesetzte Verpflichtung zum lebenslangen zölibatären Leben der P. „um des Himmelreiches willen“, die Wurzeln in kanonischen Bestimmungen zur Klerikerenthaltsamkeit seit dem 4. Jh. hat, möchte dieses eschatologische Zeichen der Ganzhingabe nach dem Beispiel Jesu in der Kirche strukturell lebendig erhalten. In seiner geistlichen Bedeutung, die über funktional-pragmatische Begründungen hinausweist, wurde der P.-Zölibat von den nachkonziliaren Päpsten bestätigt (vgl. bes. Paul VI., Enzyklika „Sacerdotalis caelibatus“ vom 24.6.1967). Die Debatte der letzten Jahrzehnte hat deutlich gemacht, dass die Zölibatsfrage nur einen Teilaspekt in der Suche nach umfassender Erneuerung priesterlicher Lebensformen unter den Bedingungen der gesellschaftlichen Moderne darstellt, die schon das Zweite Vatikanische Konzil im Blick hatte (PO 12–21). Sie hat angesichts der in den vergangenen zwei Jahrzehnten unter starkem Öffentlichkeitsdruck erfolgten weltweiten Aufarbeitung von Missbrauchsfällen innerhalb der katholischen Kirche, für die in vielen Fällen P. verantwortlich waren, zusätzliche Dringlichkeit erlangt. Von unmittelbar dogmatischer Relevanz ist die Frage, ob die Einschränkung des Empfängerkreises der P.-Weihe auf getaufte Männer (vgl. can. 1024 CIC/1983) revidierbar sein könnte. Papst Johannes Paul II. hat darauf im Apostolischen Schreiben OS vom 22.5.1994 unter feierlicher Inanspruchnahme seiner päpstlichen Vollmacht (Papst), wenn auch nicht in Gestalt einer förmlichen Ex cathedra-Entscheidung, geantwortet, „dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben“ (Denzinger/Hünermann 1991: 4983). Die Kongregation für die Glaubenslehre hat dieser Aussage in einem Reskript vom 11.12.1995 den Status einer „vom ordentlichen und universalen Lehramt unfehlbar vorgelegten“ (Denzinger/Hünermann 1991: 5041) Kirchenlehre zuerkannt. Die für sie beigebrachten Schrift-, Traditions- und Konvenienzargumente (vgl. auch Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung „Inter insigniores“ vom 15.10.1976) werden von Theologen weiterhin unterschiedlich bewertet.
d) Thema gegenwärtiger ökumenischer Verständigung mit den aus der Reformation erwachsenen kirchlichen Gemeinschaften ist weniger das Priestertum als vielmehr generell die Existenz eines ordinierten Amtes in episkopaler apostolischer Sukzession und seine Bedeutung für die ekklesiale Identität. Erst wenn katholischerseits der protestantischen Tradition kein „Mangel im Weiheamt“ (UR 22) mehr vorgeworfen werden könnte, wäre Eucharistie- und Kirchengemeinschaft im umfassenden Sinn erreichbar.
Literatur
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Empfohlene Zitierweise
T. Marschler: Priester, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Priester (abgerufen: 21.11.2024)