Laizismus

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Der Begriff L. lässt sich vom griechischen Wort laïkós (= „zum Volk gehörig“; „Laie“) ableiten und wurde im 19. Jh. in Frankreich als Gegenbegriff zu Klerikalismus gebildet. Der französische L. (laïcisme) bezeichnete ein Programm der aktiven Zurückdrängung der Kirche aus dem staatlichen und gesellschaftlichen Leben, insb. aus dem öffentlichen Bildungssystem, das sich schließlich im Jahr 1905 im „Gesetz über die Trennung von Staat und Kirche“ niederschlug. Religion wurde damit zur reinen Privatangelegenheit erklärt, religiöse Gemeinschaften (Religionsgemeinschaften) wurden auf den Status zivilrechtlicher Vereine (associations cultuelles) zurückgestuft, die staatliche Förderung von religiösen Aktivitäten untersagt. Vergleichbare, wenn auch weniger weitreichende Prozesse der Zurückdrängung des kirchlichen Einflusses in Staat, Gesellschaft und Schule lassen sich in der zweiten Hälfte des 19. Jh. auch in anderen Ländern, etwa Italien und Deutschland (Kulturkampf), beobachten, so dass der L. als eine radikale Spielart im gesamteuropäischen Prozess der zunehmenden Differenzierung von Religion und Politik im 19. Jh. gesehen werden muss.

Nach dem Ersten Weltkrieg entspannte sich das Verhältnis zwischen Staat und (katholischer) Kirche in Frankreich, am Prinzip der grundsätzlichen Trennung zwischen beiden Sphären wurde jedoch weiterhin festgehalten. Der radikale L. schwächte sich jedoch zunehmend ab zum Modell einer „positiven Laizität“ (laïcité positive, Nicolas Sarkozy), welche zwar das staatliche Neutralitätsgebot betont, ansonsten aber die Religionsfreiheit anerkennt und die Religionsausübung nicht behindert. In diesem Sinne ist der Grundsatz der Laizität seit 1946 in der französischen Verfassung festgeschrieben, wobei bis heute immer wieder gesellschaftliche Kontroversen darüber ausgetragen werden, inwiefern religiöse Symbole (v. a. die muslimische Kopfbedeckung) in öffentlichen Einrichtungen, die dem Prinzip der Laizität unterworfen sind, sichtbar sein dürfen.

Strenge, am ursprünglichen L. orientierte Trennungsmodelle von Staat und Kirche (Kirche und Staat) wurden in der Zwischenkriegszeit zudem in Mexiko und Spanien eingeführt, wo es z. T. zu gewalthaften Auseinandersetzungen hinsichtlich der Rolle der Religion in Staat und Gesellschaft kam, sowie in der Türkei, wo der Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk den Islam aus dem öffentlichen Leben zu verdrängen versuchte und das Prinzip der staatlichen Laizität in der türkischen Verfassung festgeschrieben wurde. Vom L. im eigentlichen Sinne zu unterscheiden sind staatskirchenrechtliche Trennungsmodelle, wie sie in den USA gerade zum Schutze religiöser Gemeinschaften eingeführt wurden, sowie vom staatskirchenrechtlichen Kooperationsmodell in der BRD (Staatskirchenrecht), in der Staat und Kirche ebenfalls voneinander getrennt sind, in vielen Bereichen, den sogenannten res mixtae, aber zusammenarbeiten (Religionsunterricht an öffentlichen Schulen, Militär- und Anstaltsseelsorge etc.).

Von katholischer Seite wurde der Begriff L. als negativer Kampfbegriff aufgenommen und von der Kirche aufs Schärfste verurteilt. Pius X. verwarf das laizistische Trennungsmodell der französischen Republik als „vollständig falsch und im höchsten Maße verderblich“ (Vehementer Nos). Pius XI. bezeichnete den L. gar als die „Pest unserer Zeit“ (Quas primas), ein Wort, das auch von Clemens August Graf von Galen aufgegriffen wurde: Demnach ziele der L. darauf, „das ganze menschliche Leben nach rein diesseitigen, von der geoffenbarten Religion unabhängigen Gesetzen zu regeln“ (von Galen 1932: 10). Der Begriff des L. wurde so über seinen ursprünglichen Entstehungskontext auf sämtliche Versuche der Staats-Kirchen-Trennung sowie der Akzeptanz säkularer Eigenlogiken in Recht, Politik, Wissenschaft etc. ausgedehnt. Zudem fand der Begriff innerkirchlich Verwendung, um die Stärkung der Rolle von Laien im hierarchischen Aufbau der Kirche als illegitim abzuwehren. In der zweiten Hälfte des 20. Jh., als sich die radikalen Tendenzen des L. der ersten Jh.-Hälfte abgeschwächt hatten, kam es allerdings innerkirchlich zu Bestrebungen, die alten Fronstellungen zu überwinden. Bereits 1945 zeigten sich die französischen Bischöfe bereit, den Verfassungsgrundsatz der Laizität zu akzeptieren. Ähnlich sprach auch Pius XII. am Ende seines Pontifikats von einer „berechtigte[n], gesunde[n] Laizität des Staates“ (Pius XII. 1961: 2621), die für ihn allerdings keine strikte Trennung, sondern ein friedliches, kooperatives Miteinander von Staat und Kirche, jedoch ohne „Vermengung“ (Pius XII. 1961: 2621) beider Gewalten, bedeutete. Diese Linie wurde schließlich durch das Zweite Vatikanische Konzil fortgeschrieben, das betonte, dass „die politische Gemeinschaft und die Kirche […] auf je ihrem Gebiet voneinander unabhängig und autonom“ sind, auch wenn beide Gewalten ihren Dienst zum Wohl der Menschen wirksamer leisten könnten, wenn sie ein „rechtes Zusammenwirken miteinander pflegen“ (GS 76).

Sind die alten Konflikte um die Staats-Kirchen-Trennung in Bezug auf die christlichen Kirchen heute weitestgehend beigelegt, erfährt der Begriff L. im Hinblick auf die öffentliche Präsenz des Islams in Westeuropa aktuell wieder erneute Verwendung. Als politische Leitvokabel wird L. dabei häufig synonym zum Begriff des weltanschaulich neutralen, säkularen Staates gebraucht, was allerdings weder dem historischen Begriffsgehalt noch dem staatlichen Neutralitätsgebot gerecht wird, da sich dieses auch jenseits des strengen L. behaupten kann.