Absolutismus

1. Definition

Unter A. versteht man zum einen eine monarchische Herrschaftsform (Monarchie), die in bisher nicht gekannter Weise auf die Zentralisierung und Verdichtung des Staates (Staat) und die Letztzuständigkeit des panegyrisch überhöhten Fürsten abzielt und sich (vermeintlich) über zentrale Parameter des politischen Systems Alteuropas (Politisches System) – also in der westlichen Christenheit – hinwegsetzt, den Konsens zwischen Herrschern und Beherrschten. Zum anderen findet der Begriff Verwendung als Epochenbezeichnung für die von dieser Herrschaftsform (angeblich) geprägten frühneuzeitlichen Jahrhunderte vom ausgehenden 16. bis zum 18. Jh. In beiderlei Hinsicht ist der Begriff nicht zeitgenössisch. Formeln wie potestas absoluta oder princeps legibus solutus waren dem zeitgenössischen Staatsdenken aber durchaus vertraut.

Man hat solche absolutistischen Tendenzen schon bei manchen Fürsten des ausgehenden 16. Jh., etwa Philipp  II. von Spanien, nachzuweisen gesucht, glaubte, sie aber dann v. a. bei Ludwig XIV. von Frankreich zu finden, der für eine ganze Generation europäischer Fürsten zum Vorbild und Taktgeber geworden sei. Insb. jene Fürsten – wie die hohenzollernschen Herrscher –, die ihr primäres Ziel in der Staatsverdichtung und der Effizienzsteigerung des Staates gesehen hätten, wurden als Repräsentanten des A. interpretiert.

Kaum Verwendung fand der Begriff für die weitgehend ohne ständische Kontrollinstanzen regierenden russischen Kaiser – ihre Herrschaftsform wird i. d. R. mit dem Begriff „autokratisch“ bedacht –, für die englischen bzw. britischen Monarchen und für den osmanischen Sultan. Nicht zum Tragen kam das Phänomen A. zudem in allen Staaten, in denen die Fürsten durch die Wahl einer Körperschaft ins Amt gelangten (Römisch-Deutsches Reich, Kurie) und in denen sie königsgleiche Stellungen zu erreichen suchten (Niederlande, Venedig usw.). Ausdrücklich als Staatsform proklamiert wurde der A. lediglich in Dänemark in den 1660er Jahren.

2. Forschungsgeschichte

Der Begriff A. fand im Gefolge der Französischen Revolution und im frühen 19. Jh. mit einer dezidiert negativen Konnotierung in die politische und Wissenschaftssprache Eingang, die sich zunächst primär auf Frankreich und Deutschland sowie (materiell) auf die als Willkürherrschaft angeprangerte „absolute“, also unumschränkte, Monarchie des Ancien Régime und die (als bedenklichen Rückschritt eingeschätzten) Verhältnisse im Vormärz bezog. Insofern war der Begriff zunächst ein Kampfbegriff: gegen die erst durch die Revolution überwundenen alten Systeme und gegen die antikonstitutionellen und als restaurativ empfundenen Tendenzen der Metternich-Ära. Dem ganz entsprechend, fand der Begriff A. in der ersten Auflage des „Staatslexikons“ (Karl von Rotteck, Carl Theodor Welcker) mit der klaren Tendenz Aufnahme, aus einer liberalen Perspektive „die Abwesenheit oder Negation konstitutioneller Freiheiten sowie die übertriebene Zentralisation“ (Blänkner 2011: 69) auszustellen (Liberalismus). Erst im weiteren Verlauf des 19. Jh. gewann er einen zunehmend positiven Gehalt – im Sinn einer Herrschaftsform, die sich über alte, politisch und konfessionell zerklüftete Strukturen des „dualistischen Ständestaats“ hinwegsetzte, also „modern“ war und insofern – geradezu teleologisch – den „modernen“ Macht- und Anstalts-Staat des mittleren 19. Jh. grundlegte. Während in Leopold von Rankes „Epochen der neueren Geschichte“ der Begriff noch gar nicht auftaucht, ist er von der borussischen Geschichtsschreibung der Heinrich von Treitschke, Heinrich von Sybel und Bernhard Erdmannsdörffer begierig aufgegriffen und zugleich prominent auf den brandenburgischen Staat seit der Mitte des 17. Jh. appliziert worden. A. wurde uneingeschränkt mit Modernität bzw. Modernisierungsbereitschaft gleichgesetzt.

Zu diesem Interpretament ist die Forschung seit geraumer Zeit deutlich auf Distanz gegangen. Nachdem schon in der Zwischenkriegs- und Nachkriegszeit die Stimmen, die das „Nichtabsolutistische im A.“ (Oestreich 1969: 183) gewürdigt sehen wollten, nie ganz verstummt waren und durch die lebhafte Ständeforschung in den 1950er und 1960er Jahren sogar einen leichten Auftrieb erlebten, gehen neuere Untersuchungen so weit, geradezu von einem „Mythos A.“ zu sprechen. Diese Debatte hat namentlich eine Fülle neuer Arbeiten hervorgerufen, die nach den ständischen Schranken und Abhängigkeiten der Fürsten fragen, aber auch seine prinzipielle Bindung an das (göttliche und gesetzte) Recht und die sogenannten Fundamentalgesetze von Gemeinwesen thematisieren. Die „absolute“ Gewalt des Fürsten war eher programmatischer und propagandistischer Natur denn Abbild der historischen Realität. Die rezente Forschung und Revision ging v. a. von England und Deutschland aus, während in anderen Staaten kaum eine Bereitschaft besteht, sich von den hergebrachten Interpretationsmustern zu lösen.

3. Theoretische Annäherungen

Die Ursprünge jener Verdichtung, die man dann im 19. Jh. mit dem Begriff A. belegte, waren sicher die aus der Konfessionsproblematik erwachsenen inneren Krisen in etlichen europäischen Ländern, vornehmlich in Frankreich und im spanischen Imperium, und der damit einhergehende drohende Zusammenbruch aller öffentlichen Ordnung. Dies veranlasste Staatstheoretiker, sich nicht nur über die Zuordnungen der Staaten zu bestimmten (in der Antike geprägten) Kategorien Gedanken zu machen, sondern über die bestmögliche Organisation des menschlichen Zusammenlebens und der Festigung und Stärkung der Staatsgewalt zu reflektieren. Hier übernahmen französische Autoren eine Vorreiterrolle, von denen Jean Bodin mit der „Erfindung“ des Schlüsselbegriffs der „Souveränität“, Jean Loyseau mit seiner Akzentuierung der monarchischen Souveränität und Cardin Le Bret mit der Betonung der alleinigen Gesetzgebungs- und Gesetzesinterpretationskompetenz des Königs und – bei grundsätzlicher Hochschätzung des ständischen Elements – des Widerstandsverbots der Untertanen am nachhaltigsten rezipiert wurden. Den publikumswirksamsten Beitrag zu einer Theoretisierung des A. lieferte freilich dann – vor dem Hintergrund des englischen Bürgerkriegs und der vielen Gesellschaftsexperimente – ein Brite, nämlich Thomas Hobbes. Sein „Leviathan“, unmittelbar nach dem Königsmord von 1649 während des Cromwell-Regimes erschienen (1651) und rasch, meist allerdings distanzierend, zu einem Referenzwerk der zeitgenössischen Staatstheorie avancierend, ist indes weniger eine Herrschafts- denn vielmehr eine Gesellschaftstheorie. Sie ging von einem bedingungslos abgeschlossenen Vertrag zwischen Untertanen und Fürsten aus (Vertragstheorien), der die plenitudo potestatis – mit Rechtsetzung, Entscheidung über Krieg und Frieden und selbst Verfügung über individuelles Eigentum – besitzt und gegen den ein Widerstandsrecht (Widerstand) nur dann erlaubt ist, wenn er seiner herrscherlichen Fürsorge- und Schutzfunktion nicht gerecht wird. Diesen Fall schloss Hobbes freilich so gut wie aus, weil der „absolute“ Monarch die von ihm geschaffene Ordnung in aller Regel bewahren und schützen würde.

Dieses rational durchkalkulierte Gesellschaftsmodell war völlig auf die Person des Fürsten zugeschnitten, dem selbstredend – der Verfasser war Engländer! – dann auch ohne Einschränkung die Verfügung über die Kirche zustand. Es war freilich von der politischen Realität weit entfernt und ermangelte letztlich auch der Erfahrung, was in einem „absoluten“ Staat möglich war. Diese Erfahrung brachte der Hofprediger Ludwigs XIV., Jacques Bénigne Bossuet, zwar mit, aber er begründete in einer erst postum (1709) publizierten Schrift absolute Herrschaft nun völlig anders, nämlich aus der Heiligen Schrift. Das göttliche Recht begründe den umfassenden Machtanspruch des Fürsten, der dadurch selbst geradezu göttlich überhöht wurde.

Der kurze Überblick über das zeitgenössische Schrifttum mag verdeutlichen, dass es selbst in der vermeintlichen Hoch-Zeit des A. nie zu einer auf Erfahrung aufbauenden Theorie des A. gekommen ist, für die Autoren, die in ganz anderen politischen Systemen (Politisches System) lebten, auch nicht gerade prädestiniert waren. Die deutschen und niederländischen Staatsdenker bspw. diskutierten über ganz andere Phänomene als über das Volumen der herrscherlichen Omnipotenz. Die theoretische Auseinandersetzung mit der Durchsetzung von A. und dem Übergang zur Erbmonarchie war für sie eher zweitrangig. Und hinzu kam, dass sogar im ludovizianischen Frankreich die Stimmen – etwa des Herzogs von Saint-Simon –, die sich gegen das Ideal der absoluten Monarchie wandten, durchaus Gehör fanden und nicht weit entfernt waren von jenen Publizisten, die, oft mit dem Refuge in Verbindung stehend, Ludwigs XIV. Amtsverständnis und Regierungsstil als Despotismus brandmarkten und in die Nähe des politischen Systems des Osmanischen Reiches rückten.

4. Modell Frankreich?

Gängige Meinung war lange, die Herrscher v. a. des 17. und frühen 18. Jh. hätten mit Macht die intermediären Instanzen (Stände) samt ihren Kontroll- und Budgetrechten an den Rand gedrängt und ausgeschaltet, um ohne Behinderungen den Ausbau des Staates hin zu einem Militär- und Finanzstaat vorantreiben zu können (Staat). Versuche, Ständevertretungen zu bloßen Ausschüssen mit wenigen Köpfen zusammenzuschmelzen, hat es sicher häufig gegeben, aber das war nirgendwo ein Ansatz, um den stillschweigenden oder ausdrücklichen Konsens der Untertanen radikal zu beenden. Das gilt noch nicht einmal für den vermeintlichen „Modellstaat“ des A., das Frankreich Ludwigs XIV., der zwar ohne die (1614 zuletzt einberufenen) Generalstände auskam, aber mit den Ständen etlicher Provinzen – vornehmlich der erst spät integrierten – nach wie vor rechnen musste. Und dort, wo – schon in der Richelieu-Ära – die Stände wirklich zurückgedrängt worden waren, in den sogenannten pays d’élection, gab es Gegengewichte gegen die königliche Machtvollkommenheit in Gestalt der regionalen Parlamente und des Pariser Parlaments. Aber schon im Bereich des für die Krone essentiellen Fiskalbereichs bedeutete die Ausschaltung der ständischen Mitsprache nur wenig, denn die fehlende Sanktionierung königlicher Entscheidungen hatte in der Praxis gravierende Konsequenzen, etwa was die Einschätzung der Legitimität und damit die Steuerehrlichkeit betrifft. Und auch in diesem fiskalischen Bereich – von anderen Ebenen ganz zu schweigen – konnte die Krone den Durchgriff bis auf die lokale Ebene allenfalls mit Hilfe der gemeindlichen Funktionsträger verwirklichen.

Die großen Leistungen des ludovizianischen Systems liegen dagegen im Bereich der Staatsverdichtung: einer nachhaltigen Bürokratisierung (Bürokratie), die im Zeitraum von eineinhalb Jahrhunderten den Umfang des Beamtenapparats um mehr als das Zehnfache wachsen ließ, der Ersetzung der adligen Repräsentanten der Krongewalt in den Provinzen durch weisungsgebundene Kommissare (Intendanten), den Rechtskodifikationen, auch um die vielen Sonderrechte von sozialen Gruppen zurückzudrängen. Die Kirche war schon vor Ludwig weitgehend „verstaatet“ worden, des Problems der konfessionellen Minderheit der Hugenotten wurde der König in radikaler Form 1685 Herr.

Dass Preußen neben Frankreich zum Modellstaat des A. aufgewertet wurde, verdankt sich der borussischen Geschichtsschreibung des mittleren 19. und frühen 20. Jh. und rangiert in der Nähe eines Mythos. Bürokratisierung, die Ausbildung von Zentralbehörden und die Ausrichtung des Staates auf das Militärische können nicht in Abrede gestellt werden, aber das Ständewesen konnte in dieser composite monarchy noch weit weniger als in Frankreich ausgeschaltet werden, und von einer Divinisierung der Fürsten und einer vorbildhaften Hofkultur kann schon gar nicht die Rede sein.

5. Absolutismus als Epochenbegriff?

Ist schon das Gebäude des A. als Forschungskonzept erheblich ins Wanken geraten, so gilt das umso mehr für die Übernahme des Begriffs A. als Epochenbegriff (Epoche). Seit Nicholas Henshalls „Myth of Absolutism“ hat eine breite Diskussion über die Sinnhaftigkeit eingesetzt, eine ganze Epoche – die zwischen dem Zeitalter der Konfessionalisierung und letztlich der Revolution in Frankreich (Französische Revolution) – mit einem Begriff zu bedenken, der schon nur höchst bedingt der politischen Realität entsprach und für weite Teile Alteuropas von Polen-Litauen und Schweden über das Römisch-Deutsche Reich, die Niederlande und Großbritannien, die Eidgenossenschaft und die italienische Staatenwelt unpassend ist und sich auch für autokratische Regime wie Russland oder das Osmanische Reich ausschließt. Selbst (deutsche) Historiker, die bis dahin ohne Zögern den A. als Epochenbegriff benutzt hatten, haben sich davon nun distanziert, Autoren von Handbüchern wie etwa dem neuen „Gebhardt“ (Bd. 11, 2006) vermeiden den Begriff. Bis wann dieser Prozess jedoch die Schulbücher erreicht, ist nicht absehbar, umso mehr als rundum überzeugende alternative Begrifflichkeiten sich bisher nicht auf breiter Front durchgesetzt haben. Vor dem Hintergrund der Verschiebung der Forschungsansätze weg von etatistischen Fragestellungen (Etatismus) hin zu kulturgeschichtlichen – etwa im Sinn von „Barock und Aufklärung“ – ist eine Neuorientierung freilich in hohem Maß angesagt.