Emissionshandel

1. Grundlagen

E. bezeichnet den Handel mit handelbaren Emissionsrechten, die den Ausstoß einer festgelegten Menge an Schadstoffen erlauben (auch Umweltzertifikate oder Umweltlizenzen genannt). Der E. stellt – ähnlich wie Umweltabgaben – ein marktbasiertes Instrument der Umweltpolitik dar. Bei Umweltabgaben wird ein (Abgaben-)Preis für die Nutzung der Umweltressource (die Umweltverschmutzung) festgelegt, so dass sich die Gesamtmenge der Schadstoffemissionen aus der Reaktion der Emittenten auf diesen Preis ergibt. Im Gegensatz dazu handelt es sich beim E. um ein Mengeninstrument. Entsprechend wird durch staatliche Festlegung nicht der Preis, sondern die Schadstoffmenge vorgegeben. Folglich bildet sich der Preis erst aus Angebot und Nachfrage auf dem Markt für Emissionsrechte heraus. Beim E. werden dazu Verfügungsrechte (property rights) definiert, die zur Nutzung umweltrelevanter Güter berechtigen und an Emittenten ausgegeben werden. Diese erlauben dem Emittenten, eine bestimmte Emissionsmenge auszustoßen und damit seine Verfügungsrechte auszuschöpfen oder diese, falls sie nicht benötigt werden, auf dem Markt für Emissionszertifikate zu handeln.

Der Grundgedanke des E.s geht auf Ronald Coase (1960) zurück, der eine Verhandlungslösung als Instrument zur Internalisierung externer Effekte (als Wirkungen von Wirtschaftsaktivitäten auf unbeteiligte Dritte, die nicht über Märkte vermittelt sind) entwickelt hat. Die Weiterentwicklung dieses Gedankens zu einem Handel von Verschmutzungsrechten erfolgte durch Thomas Crocker (1966) und Herman Dales (1968). Während der E. lange Zeit lediglich als theoretisches Instrument der Umweltpolitik gesehen wurden, hat er mit dem Handel von Schwefeldioxid-Zertifikaten in der U.S.-amerikanischen Luftreinhaltepolitik seit 1990 sowie dem Handel mit Kohlendioxid-Zertifikaten in der europäischen Klimapolitik seit 2003 Eingang in die praktische Umweltpolitik gefunden. Seitdem werden E.s-Märkte auch für andere Umweltbereiche wie den Gewässerschutz oder den Biodiversitätsschutz diskutiert.

Grundsätzlich erfolgt die Einführung eines E.s-Systems in vier Schritten:

a) In einem ersten Schritt ist die Gesamtmenge der zulässigen Umweltnutzungen (Umweltverschmutzung) festzulegen und in handelbare Emissionsrechte aufzuteilen, wobei jedes Emissionsrecht einer bestimmten Menge an Umweltverschmutzung (z. B. einem Kilogramm SO2 oder einer Tonne CO2) entspricht.

b) In einem zweiten Schritt werden die Umweltzertifikate an die Emittenten (Unternehmen oder private Haushalte) verteilt. Hierfür kommen verschiedene Vergabeverfahren in Frage: eine anfängliche Versteigerung (Auktionierung), ein Verkauf der Emissionsrechte zu einem Festpreis oder eine kostenlose Vergabe (sogenanntes Grandfathering). Ebenfalls ist es denkbar, die Vergabe der Emissionsrechte an bestimmte Durchschnittswerte einer Branche (Benchmarks) zu koppeln, wie dies etwa beim CO2-Handel in der EU teilweise der Fall ist.

c) Im daran anschließenden dritten Schritt findet der eigentliche Handel mit Emissionsrechten zwischen den Emittenten statt. Hierbei ergibt sich über Angebot und Nachfrage der Zertifikatepreis (Knappheitspreis). Bei der Auktionierung der Emissionsrechte erfolgt die Preisbildung unmittelbar über den sogenannten Primärmarkt. Ansonsten ergibt sich der Preis für Emissionsrechte auf dem sogenannten Sekundärmarkt, d. h. er ist Resultat des Handels zwischen den Marktteilnehmern. Eine Marktnachfrage entsteht, wenn die Zertifikatmenge aus dem Erstvergabeverfahren nicht ausreichend ist und Emittenten für ihre Emissionsmenge zusätzlich Zertifikate benötigen. Ein Marktangebot an Zertifikaten entwickelt sich, wenn Emittenten selbst nicht alle zu Beginn vergebenen Zertifikate benötigen, und diese demnach auf dem Markt anbieten können.

d) Im vierten Schritt werden exakte Monitoringsysteme zur Überwachung der Schadstoffemissionen und deren Abgleich mit den auf den Zertifikatekonten gehaltenen Emissionsrechten eingerichtet und umgesetzt. Es muss geprüft und sichergestellt werden, dass die handelbaren Emissionsrechte, die die Emittenten halten, mit ihren Schadstoffemissionen in der jeweiligen Handelsperiode übereinstimmen. Ebenfalls müssen für den Fall von Verstößen geeignete Sanktionsmechanismen etabliert werden, um eine glaubwürdige Funktionsfähigkeit des E.s sicherzustellen.

Der Staat nimmt bei einem solchen Emissionsrechtesystem eine Rahmen setzende Rolle ein: Er ist für die Festlegung der Gesamtemissionsmengen, die Wahl und Ausgestaltung des Allokationsverfahrens, die Abwicklung des Handels sowie die Kontrollen und Sanktionen verantwortlich. Es handelt sich insofern um ein marktbasiertes System, welches die Marktkräfte (Markt) nutzt. Es stellt jedoch kein rein marktwirtschaftliches System dar, bei dem sich Mengen und Preise aufgrund dezentraler Allokationsentscheidungen der Marktteilnehmer frei herausbilden.

Dem ökonomischen Kalkül der Gewinnmaximierung folgend wird jeder einzelne Emittent seine jeweiligen Kosten der Vermeidung eines zusätzlichen Schadstoffs (Grenzvermeidungskosten) mit dem Preis der Emissionsrechte auf dem Markt vergleichen. Sind die Vermeidungskosten geringer als der Zertifikatepreis, wird der Emittent zusätzliche Emissionen vermeiden und die überschüssigen Emissionsrechte am Markt verkaufen, um hierdurch Erlöse zu erzielen. Sind die Vermeidungskosten höher als der Zertifikatepreis, wird er es vorziehen, die erforderlichen Emissionsrechte auf dem Markt zu erwerben. Demzufolge führt die Einführung eines E.s-Systems dazu, dass eine Schadstoffvermeidung in einer Volkswirtschaft von denjenigen vorgenommen wird, bei denen die geringsten Vermeidungskosten anfallen.

Damit ist auch das ökonomische Ziel eines Handels mit Umweltzertifikaten umschrieben: Es geht darum, Umweltschutz zu minimalen volkswirtschaftlichen Kosten zu betreiben (Kosteneffizienz). Das vorgegebene Umweltziel (die ökologische Effektivität) wird dennoch eingehalten, weil die Gesamtmenge an handelbaren Emissionsrechten vorweg festgelegt ist. Folglich existiert eine Obergrenze (ein „Deckel“), weshalb der Handel mit Emissionsrechten auch als „cap-and-trade-System“ bezeichnet wird.

2. Europäischer Emissionshandel für CO2

Das bedeutendste E.s-System ist der CO2-E. in der EU (EU ETS). Ihm sind alle größeren energieerzeugenden Unternehmen sowie Industriebetriebe angeschlossen, die bei ihren Verbrennungsprozessen Kohlendioxid emittieren. Der EU-E. begann mit einer Testphase von 2003 bis 2007, der sich eine zweite Handelsperiode von 2008 bis 2012 anschloss. Von 2013 bis 20120 läuft die dritte Handelsperiode. In Deutschland erfolgen die Abwicklung und die Überprüfung des E.s bei der Deutschen E.s-Stelle, die zum Umweltbundesamt gehört.

Insgesamt werden aufgrund großzügiger Ausstattungen der Unternehmen mit CO2-Emissionsrechten durch die EU-Staaten sehr viele Emissionsrechte auf dem Markt angeboten und nur wenige nachgefragt; der Preis für die Emissionsrechte (Allowances) ist entsprechend niedrig. Hieraus ein Versagen des Instruments abzuleiten, erscheint aber nicht gerechtfertigt. Zum einen hat der EU ETS zahlreiche positive Effekte bei den Unternehmen bewirkt. So hat das Thema Umweltschutz in den Unternehmen eine höhere Priorität gewonnen, es kommt zu Reduktionen an Treibhausgasen, und es treten keine Vollzugsdefizite auf. Zum anderen ist der niedrige Zertifikatepreis eher auf ein Versagen der Politik der europäischen Mitgliedsstaaten zurückzuführen, die jeweils bestrebt sind, „ihre“ Unternehmen reichlich mit Emissionsrechten auszugestalten.