Frauenfrage

1. „Ganz dicht“ neben der sozialen Frage

„In der politischen Windstille, in der wir gegenwärtig leben, ist die Frauenfrage in den Vordergrund getreten und dominiert in einer Weise, wie man das früher kaum für glaublich hielt […]. Keine Zeitung nimmt man in die Hand, kein Verein, keine Volksversammlung findet statt, in der nicht diese Frage diskutiert würde […]“ (Otto, zit. n. Bussemer 1985: 16). Solchermaßen kommentierte Louise Otto, eine der Begründerinnen der Frauenbewegung, 1866 das zeitgenössische Modethema. Neu war das Thema eigentlich nicht. Die Stellung der Frau in Ehe, Familie und Gesellschaft beschäftigte schon die Aufklärung. In den revolutionären Zeiten um 1848 partizipierten unterbürgerliche Frauen an den Volksunruhen. Eine kleine Gruppe bürgerlicher Damen forderte darüber hinaus, wenn auch wenig gehört, die Partizipation des weiblichen Geschlechts an den Menschen– und Bürgerrechten. Um die politisch aktiven Frauen war es in der Restaurationsphase still geworden. Im Zuge des industrialisierungsbedingten gesellschaftlichen Wandels (Industrialisierung, Industrielle Revolution) und begünstigt durch das politische Tauwetter der 1860er Jahre meldeten sich die Akteurinnen einer frühen Frauenbewegung allerdings auf der politischen Bühne zurück. Es war v. a. die Erwerbsfrage des weiblichen Geschlechts, die nun öffentliche Aufmerksamkeit erregte. Debattiert wurde über eine ganze Reihe von Versorgungsproblemen: Wie sollten Frauen der Unterschichten ein Einkommen erwerben, das ihren Lebensunterhalt absicherte, wenn sie über keine entsprechenden Ausbildungen verfügten? Waren Arbeiterinnen staatlicherseits bes. zu schützen oder besser noch aus den Fabriken fernzuhalten? „Und wohin nun mit diesen Allen, die sonst das Haus beschäftigte: den erwachsenen Töchtern, den Unverheirateten – deren Zahl um so mehr wächst, als die Männer sehen, wie kostspielig es ist, verheiratet zu sein – den Witwen? Diese Frage ist als sogenannte ‚Frauenfrage‘ mit in das Programm der Gegenwart gesetzt worden, ganz dicht neben die soziale Frage.“ (Otto 1876: 154) (Soziale Frage). Doch die F. erschöpfte sich nicht in den ökonomischen Problemen des weiblichen Geschlechts. Implizit, mitunter auch explizit standen erstmals in breiter öffentlicher Debatte das männliche und weibliche Rollenverständnis, die Organisation der Familie und die Geschlechterhierarchie zur Disposition. Aus den verschiedenen politischen Lagern meldeten sich prominente Autoren mit kritischen Anmerkungen und Lösungsvorschlägen zu Wort. Die junge Frauenbewegung übte v. a. Kritik an der Bildungssituation des weiblichen Geschlechts.

2. Die Frauenfrage als Bildungsfrage

Das „Jahrhundert der Bildung und der Gebildeten“ (Jeismann 1987: 1) stellte sich aus der Perspektive der Bürgerinnen als Jh. der weiblichen Bildungsmisere dar. Für breite ländliche Bevölkerungskreise hatte sich der mit der Schulpflicht erzwungene Volksschulbesuch ohnehin den Arbeitserfordernissen der Familienökonomie unterzuordnen. Galt für Bauern- und Handwerkersöhne auf dem Lande eine Grundbildung als ausreichend, die für das Erlernen des familiären Gewerbes befähigte, so schien das notwendige Schulwissen der Mädchen für das Berufsziel Hausfrau nahezu unbedeutend und entspr. vernachlässigbar. Deutlicher noch als in den bildungsfernen Schichten fielen die geschlechtsspezifischen Unterschiede im Bürgertum (Bürger, Bürgertum) aus. Gehörte zu einem gelingenden männlichen Bildungsgang die Vorbereitung auf das Gymnasium, wenn möglich durch einen Hauslehrer oder zumindest Privatschulunterricht und nicht selten der anschließende Besuch der Universität, so durfte Bildung „bei Mädchen niemals in Wissenschaft ausarten, sonst hört sie auf, zarte weibliche Bildung zu sein“ (von Raumer 1853: 82). Entspr. gingen seit Beginn des 19. Jh. der Ausbau und die Professionalisierung des öffentlichen Volksschulsystems, die Entwicklung eines mittleren weiterführenden, an Naturwissenschaften und modernen Sprachen orientierten Realschulsystems und die staatlicherseits vorangetriebene Vereinheitlichung der gymnasialen Lehrpläne bzw. des Zugangs zum Studium an den Bürgerinnen vorbei. Mädchen war der Zugang zu Realschule, Gymnasium und Studium grundsätzlich verwehrt. Für bürgerliche Mädchen war als Berufsziel die Führung eines geselligen standesgemäßen Haushalts, idealerweise als Hausherrin an der Seite des Ehepartners, geplant. Die zukünftige Dame des Hauses sollte sich in Französisch unterhalten können, musisches Talent und Konversation pflegen. Für eine solche Bildung reichte ein wenig Privatschulunterricht aus. Die Grundlagen für eine passende Berufstätigkeit wurden damit jedoch nicht gelegt. Folgerichtig sollte die in den 1860er Jahren entstehende Frauenbewegung ein Hauptaugenmerk auf den Zugang der Mädchen zum Abitur und Studium richten. Der Gegenwind war allerdings stark.

3. Weibliche Erwerbsarbeit und Frauenfrage

In den Debatten der jungen Arbeiterbewegung, der bürgerlichen Sozialreformer, aber auch der sich entfaltenden Frauenbewegung nahmen die sozialen Bedingungen weiblicher Berufsarbeit einen bes. Stellenwert ein. Traditionell hatten Frauen immer schon ihren Teil zum Erwerb des Familieneinkommens beigetragen. In der Landwirtschaft (Land- und Forstwirtschaft) waren sie tätig als Angehörige des hart arbeitenden und schlecht verdienenden Gesindes. Als mithelfende Familienmitglieder auf dem Bauernhof oder im Handwerksbetrieb (Handwerk) verbanden auch die meisten verheirateten Frauen Familien- und Erwerbsarbeit. Für eine Angehörige gehobener gesellschaftlicher Schichten war bezahlte Berufsarbeit dagegen kaum vorstellbar. Aber auch unterbürgerliche Schichten begriffen außerhäusliche Erwerbsarbeit lediglich als Lebensabschnittsphase junger Frauen vor der Heirat, die – der „schwachen Natur“ der Frau geschuldet – entspr. gering entlohnt werden musste.

Doch das weibliche Rollenmodell (Soziale Rolle) mit bestenfalls vorübergehender bezahlter außerhäuslicher Berufsarbeit entsprach im 19. Jh. nicht mehr der Realität. Bei wachsender Bevölkerung stieg die Zahl der berufstätigen Frauen zwischen 1882 und 1939 von 5 auf 12,7 Mio. an. Ihr Anteil an den Erwerbspersonen stieg bis 1939 auf 37 %. Im Schnitt weniger ausgebildet als männliche Erwerbstätige, selbst für gleiche Arbeit schlechter als diese entlohnt, gelang es Frauen i. d. R. nicht, ein Einkommen zu erwirtschaften, das eine selbständige Lebensführung ermöglicht hätte.

3.1. Frauenfrage und Arbeiter(innen)bewegung

Die junge Arbeiterbewegung tat sich schwer mit der beruflichen Variante der F. Zwar hatte der Pforzheimer Fabrikant und linksliberale Politiker Moritz Müller auf dem Vereinstag der Arbeiterbildungsvereine 1865 in Stuttgart eigens ein Referat über die F. gehalten. Mit Verweis auf L. Otto forderte er die Einbeziehung von Arbeiterinnen und Arbeiterinnenvereinen in zukünftig zu gründende Arbeiterorganisationen. Doch der Vereinstag verständigte sich darauf, das Thema zu vertagen. Die Mehrheit der gewerkschaftlichen Neugründungen und die politisch organisierte Arbeiterschaft lehnten weibliche Fabrikarbeit entschieden ab. Bis in die 1870er Jahre hinein votierten die Delegierten auf Gewerkschaftskongressen (Gewerkschaften) oder den Versammlungen der Arbeiterparteien regelmäßig gegen Frauenarbeit in den Fabriken. August Bebel war es mit seiner 1879 unter den Bedingungen des Sozialistengesetzes illegal veröffentlichten Kampfschrift „Die Frau und der Sozialismus“ vorbehalten, einen ersten Stein aus der Abwehrmauer zu brechen. Das Buch lieferte vor dem Hintergrund einer historischen Herleitung patriarchaler Strukturen und der Minderberechtigung von Frauen in Familie, Wirtschaft und Gesellschaft eine Begründung, warum Frauen eine gleichberechtigte Stellung zustünde. Nur die Frau, die selbst bezahlter Lohnarbeit nachging, konnte A. Bebel zufolge zur gleichberechtigten Partnerin ihres Ehemannes werden, nur diese mit ihm zusammen den Kampf für den Sozialismus und die Emanzipation beider Geschlechter aufnehmen und schließlich Gleichberechtigung im Sozialismus erreichen. A. Bebels Werk provozierte weit über das sozialistische Lager hinaus eine Diskussion der F., der gesellschaftlichen Rolle der Frau im Allgemeinen und der arbeiterbewegten Frau im Besonderen. 1901 legte die aus dem Adel stammende, ins reformorientierte Bildungsbürgertum „abgestiegene“ Sozialdemokratin Lily Braun mit einer umfassenden Schrift „Die F. Ihre geschichtliche Entwicklung und wirtschaftliche Seite“ nach und lieferte einen Überblick über die Entwicklung der sozialen Stellung von Frauen bis ins 19. Jh., bevor sie sich intensiv mit der wirtschaftlichen Seite der F., getrennt für Arbeiterinnen und Bürgerinnen, auseinandersetzte. Braun ging in ihren Lösungskonzepten weit über das Übliche hinaus. Sie forderte neben der Besserstellung weiblicher Berufsarbeit auch die Übernahme von Reproduktions- und Kindererziehungsaufgaben durch die öffentliche Hand, um Frauen den zeitlichen Freiraum zu schaffen, sich öffentlich engagieren zu können. Doch solche Forderungen gingen der Arbeiterbewegung wie der inzwischen entstandenen Arbeiterinnenbewegung viel zu weit.

3.2. Sozialreformerische Initiativen zur Lösung der Frauenfrage

In den 1860er Jahren entdeckten auch die bürgerlichen Sozialreformer die F. Adolf Lette, Vorsitzender des 1844 gegründeten Centralvereins für das Wohl der arbeitenden Klassen in Preußen, erarbeitete 1865 eine Denkschrift „über die Eröffnung neuer und die Verbesserung der bisherigen Erwerbsquellen für das weibliche Geschlecht“. Die Denkschrift befasste sich v. a. mit dem Los der unverheirateten Frauen mittlerer und höherer Stände, denen dringend Ausbildung und Gelegenheit zur Erwirtschaftung eines eigenen Einkommens geboten werden müsse. Zwar sei eine Lehrerin „in Bezug auf alle höheren wissenschaftlichen Doktrinen […] nicht geeignet, den Mann zu ersetzen“. Doch für Arbeiten, die „praktische Fertigkeiten und Geschick“ sowie „kunstsinnige, sorgfältige, und zuverlässige Ausführung“ erforderten, seien Frauen bes. geeignet (Lette 1865: 10 f.). A. Lette empfahl die Gründung eines Frauenvereins unter beratendem männlichen Beistand, der sich der Förderung weiblicher Berufstätigkeit widmen sollte und der Centralverein schloss sich A. Lettes Idee an. Der 1866 begründete Verein zur Förderung der Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geschlechts, nach dem Tod seines Gründers 1869 umbenannt in Lette-Verein zur Förderung höherer Bildung und Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geschlechts, versammelte eine Reihe bekannter Sozialreformer in seinem Vorstand und erfreute sich der Protektion durch die kaiserliche Familie. Ergänzt durch die Schriftführerin setzten sich die männlichen Vorstandsmitglieder das Ziel, mit Hilfe der Vereinstätigkeit die Berufschancen von Mädchen und Frauen aus den „mittleren und höheren Ständen“ zu befördern. Der Verein begründete und unterstützte eine Reihe von Handels- und Gewerbeschulen für Mädchen, veranstaltete Wohltätigkeitsbasare und Vortragsreihen und betrieb Wohnheime für ledige ortsfremde berufstätige Frauen. V. a. aber schaffte er es, eine Bresche in die Abwehrhaltung konservativer Kreise zu schlagen. Der Lette-Verein stand für eine Interpretation der F. als wirtschaftliche und soziale Aufgabe. Aspekte politischer und gesellschaftlicher Gleichberechtigung waren nicht Gegenstand des Vereinsprogramms. „Was wir nicht wollen und niemals, auch nicht in noch so fernen Jahrhunderten wünschen und bezwecken“, hatte A. Lette in seiner Denkschrift 1865 erläutert, „das ist die politische Emanzipation und Gleichberechtigung der Frauen“ (Lette 1865: 10).

4. Debatten um den Frauenüberschuss

Auf der Suche nach den Gründen für die schlechte wirtschaftliche Lage vieler Frauen nahmen Thesen zum Frauenüberschuss eine bes. Rolle ein. Die Protagonistinnen der jungen Frauenbewegung veröffentlichten in beachtlicher Vielfalt Darstellungen, in denen sie statistisch zu belegen suchten, dass die Heiratschancen des weiblichen Geschlechts sanken. „Das erste Argument, um den Kampf der Frauen um den Erwerb zu erklären, pflegt darin zu bestehen, dass in der Mehrzahl der Kulturländer das weibliche Geschlecht das männliche an Zahl überragt“, schrieb bspw. Lily Braun (Braun 1901: 157). Auf der Grundlage von reichlich vagem statistischem Material mutmaßte sie, dass mit steigender sozialer Schicht mehr Töchter als Söhne geboren werden. Große Bekanntheit erreichte auch Elisabeth Gnauck-Kühnes umfassende Schrift über „Die deutsche Frau um die Jahrhundertwende“, publiziert 1904. Basierend auf der Bevölkerungsstatistik des Deutschen Reiches von 1895 zeigte sie auf, dass 100 männlichen Einwohnern des Kaiserreiches 103,7 Frauen gegenüberstanden. Nach Altersgruppen aufgeschlüsselt, belegte sie überdies, dass der Frauenüberschuss im Wesentlichen auf die höhere weibliche Lebenserwartung zurückzuführen war. In der Altersgruppe von 16 bis 30 – dem typischen Heiratsalter junger Frauen – belief sich die Relation auf 101,8 zu 100. Es handelte sich mithin insgesamt um keine aufsehenerregende Schieflage. Doch der statistisch mehr oder weniger nachweisbare Überschuss an weiblichen im Vergleich zu männlichen Erwachsenen schien auf eine sinkende Heiratsbereitschaft und auf das steigende Heiratsalter des männlichen Bevölkerungsteils zu treffen und damit die Heiratschancen der Frauen zu bedrohen. Jenseits aller Überlegungen zum Frauenüberschuss war statistisch nachweisbar, dass in der Altersgruppe der 30- bis 50-jährigen Frauen tatsächlich nur 77 % verheiratet waren. Da sich bei den über 50-Jährigen die Witwen zu häufen begannen, stand auch für diese die Frage einer adäquaten Berufstätigkeit zur Debatte. „Zwischen Eheberuf und Erwerbstätigkeit, zwischen Abhängigkeit und Selbstständigkeit wird das weibliche Geschlecht hin und her geworfen. Sein Leben ist dualistisch gespalten. Weil dieser Dualismus im Dienste der menschlichen Gesellschaft das Leben des Weibes erschwert und seine Kraft zersplittert, hat die Gesellschaft die Pflicht, ihm Hausmutterberuf und Erwerbstätigkeit zum Wohle der Gesamtheit zu erleichtern“, so das Fazit E. Gnauck-Kühnes (Gnauck-Kühne 1904: 162). Die These vom Frauenüberschuss hielt sich zäh und lieferte Sozialreformern wie Frauenorganisationen eine Argumentationshilfe in ihrem Kampf für bessere weibliche Berufsbedingungen. Sie begleitete die Debatten um den Gestaltwandel des familiären Haushalts, denn die Industrialisierung zog zunehmend auch in die privaten Haushalte ein. Technische Innovationen führten zur Freisetzung der Arbeitskraft weiblicher Familienangehöriger und stellten mehr und mehr die Mitfinanzierung unverheirateter weiblicher Verwandter durch die Familienökonomie in Frage. Der postulierte Frauenüberschuss und die Veränderungen der familiären Arbeitsorganisation lieferten den argumentativen Hintergrund für fast alle politischen Lager, um erweiterte Arbeitsmöglichkeiten für das weibliche Geschlecht zur fordern.

5. Die Frauenfrage in kirchlicher Perspektive

Mit dem Anwachsen der Frauenbewegung in den 1880er und 1890er Jahren zu einer nicht mehr zu ignorierenden gesellschaftlichen Kraft, begannen sich auch kirchliche Kreise verstärkt mit der sozialen Lage von Frauen auseinanderzusetzen. Aber in der Perspektive breiter kirchlicher Kreise hingen die drei Begriffe Frauenarbeit, F. und Frauenbewegung allzu „eng zusammen“ (Müller 1908: 3). Dezidiert gegen die berühmte Schrift von A. Bebel zog 1893 der Redemptorist und bekannte katholische Publizist Augustin Rösler mit seinem Werk „Die F. vom Standpunkte der Natur, der Geschichte und der Offenbarung“ (1893) ins Feld. Er stellte die traditionelle Geschlechterhierarchie und die Rolle der Ehefrau und Mutter als gottgewolltes Ordnungsprinzip dar und verdammte das Vordringen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt und die Gleichstellungsforderungen der Sozialdemokratie. „Die angestrebte Emancipation der Frau bringt mit sich die Zerstörung der Familie im Princip“, letztlich „die Zertrümmerung und Vernichtung der historischen Gesellschaft und ihrer Gliederungen“ (Rösler 1893: 290). Auf Dauer jedoch war die abweisende Haltung der katholischen Kirche nicht haltbar. Rösler selbst schloss seinen Frieden mit den katholischen Frauenvereinen, etwa mit dem 1885 gegründeten Verein katholischer deutscher Lehrerinnen und förderte die Gründung des KDFB 1903, der sich durchaus auch für die Verbesserung weiblicher Berufsmöglichkeiten einsetze (Christliche Frauenverbände). Im gleichen Jahr legte der katholische Moraltheologe und Zentrumspolitiker Joseph Mausbach eine Schrift zur „Stellung der Frau im Menschheitsleben“ vor, in der er sich dezidiert für bessere Bildungsmöglichkeiten für Mädchen, das Frauenstudium und die qualifizierte Berufstätigkeit der (unverheirateten) Frau aussprach.

Auch die protestantischen Kirchen begannen in den 1890er Jahren die F. zu debattieren. Der engagierten frauenbewegten, erst protestantischen, seit 1900 katholischen Lehrerin E. Gnauck-Kühne gelang es, auf dem VI. Evangelisch-Socialen Kongress in Erfurt 1895 die protestantische Abwehrhaltung aufzubrechen. In ihrem Vortrag zur sozialen Lage der Frau beleuchtete sie die abnehmenden Haushaltspflichten der bürgerlichen Frau angesichts des industriellen Wandels und die Mehrbelastung der Arbeiterfrau durch eigene Fabrikarbeit. Für die Bürgerinnen forderte sie bessere Bildungs- und Berufsmöglichkeiten, nicht zuletzt, um ihre erweiterten Fähigkeiten im Dienste der Nächstenliebe für die Arbeiterinnen einsetzen zu können. 1899 gründete sich der Deutsch-Evangelische Frauenbund, der „im Sinne des in Gottes Wort offenbarten Evangeliums an der Lösung der F., der religiös-sittlichen Erneuerung, der sozialen und wirtschaftlichen Hebung des Volkslebens arbeiten“ wollte (Müller 1908: 198). Der Bund verstand sich als Teil der Frauenbewegung und trat 1908 dem BDF bei. Dagegen bewahrten die katholischen Frauenvereine zumindest organisatorische Distanz zur bürgerlichen Frauenbewegung.