Arbeitsmarkt

1. Der Arbeitsmarkt als besonderer Markt: ökonomische und sozialethische Bewertung

1.1 Allgemeines

Der A. ist jener Markt, auf dem menschliche Arbeitsleistungen gegen ein vorab vertraglich vereinbartes Entgelt angeboten und nachgefragt werden. Anbieter von Arbeitsleistungen sind die Haushalte, die einen bestimmten Umfang an Erwerbsarbeit zur Verfügung stellen. Nachfrager nach Arbeit sind die Unternehmen, die gemäß der technologischen Gegebenheiten und entspr. den Bedingungen auf den Absatz- und Faktormärkten den Produktionsfaktor Arbeit zur Erstellung von Gütern oder Dienstleistungen einsetzen.

1.2 Besonderheiten des Arbeitsmarktes

Kennzeichnend für den Faktor Arbeit ist, dass er kein homogener, sondern ein äußerst heterogener Faktor ist. Er unterscheidet sich hinsichtlich der fachlichen und beruflichen Qualifikation, der regionalen Verfügbarkeit und des zeitlichen Umfangs, zu dem er angeboten wird. Die jeweiligen Teilmärkte stehen dabei mehr oder weniger unverbunden nebeneinander, je nachdem, wie hoch die Mobilität der Arbeitskräfte in qualifikatorischer, räumlicher und zeitlicher Hinsicht ist. Hinzu kommt, dass die beschäftigungsrelevanten Informationen unvollständig und ungleich zwischen den Marktparteien verteilt sind. Der A. ist somit ein typischer „matching-Markt“. Die primäre Aufgabe des A.es besteht darin, Informationen über die angebotene und nachgefragte Arbeitsqualität zu sammeln und das Arbeitsangebot optimal der vorhandenen Arbeitsnachfrage zuzuordnen (Allokationsfunktion des Marktes). Des Weiteren ist die Arbeitsleistung untrennbar mit ihrem Träger, dem einzelnen Menschen, verbunden. Der Lohnsatz ist damit nicht nur ein Marktpreis für den Produktionsfaktor Arbeit, sondern zugleich eine wichtige Einkommensquelle (Einkommen) für den Erwerbstätigen. Die Bedingungen auf dem A. haben somit einen unmittelbaren Einfluss auf die Wohlfahrt der Beschäftigten. Deshalb kommt dem A. nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine eminent sozialethische Bedeutung zu. Die Frage, in welchem Umfang die wirtschaftliche Situation einer Person den sich wandelnden Bedingungen des A.es unterworfen ist, ist ein Gradmesser für den sozialen Gehalt einer Wirtschaftsordnung. Denn es ist ein wesentlicher Unterschied, ob die Arbeitnehmer gezwungen sind, unabhängig von den konkreten Arbeitsbedingungen jede sich bietende Arbeitsgelegenheit wahrnehmen müssen, oder ob sie hinreichende Freiräume besitzen, um eine Beschäftigung zu suchen, die ihren Fähigkeiten und Interessen entspr. Den Prozess der Vermarktlichung der menschlichen Arbeitskraft bezeichnet man auch als „Kommodifizierung“. Demgegenüber gibt der Grad der „Dekommodifizierung“ an, inwieweit die materielle Existenz eines Menschen unabhängig von der Vermarktung seiner Arbeitskraft gesichert ist. Die enge Bindung der Lebenslage einer Person an die Bedingungen zur Verwertung der Arbeitskraft führt häufig zu der Forderung, die menschliche Arbeit vollständig von den Zwängen des Marktes zu befreien. Diese Ansicht übersieht jedoch, dass funktionsfähige A.e neben ihren Verteilungseffekten auch eine wichtige gesellschaftliche Informations- und Allokationsfunktion wahrnehmen. Löhne (Lohn) und Arbeitsbedingungen signalisieren relative Knappheiten auf den A.en und lenken die verfügbaren Arbeitskräfte an die Stelle des größten gesellschaftlichen Bedarfs. Eine marktwirtschaftliche Ordnung wird deshalb nicht auf die Informations- und Lenkungsfunktion des A.es verzichten können.

In entwickelten Gesellschaften sind die A.e jedoch nicht den gleichen Regeln unterworfen, wie sie für Warenmärkte gelten. So greift der Gesetzgeber zum Schutz der Arbeitnehmer und zur Verbesserung des Marktergebnisses massiv in die Vertragsfreiheit der Marktparteien ein. Daneben beeinflusst der Sozialstaat den A. auch auf indirekte Weise. So wirkt sich bspw. die Vergabe von staatlichen Transferleistungen auf die Bereitschaft der Arbeitnehmer aus, ihre Arbeitskraft am Markt anzubieten.

Wenn man den A. aus ökonomischer Perspektive analysiert, ist weiterhin zu berücksichtigen, dass die für den A. relevanten Verhaltensweisen der Personen nicht ausschließlich ökonomisch motiviert sind. Welchen Bildungsabschluss eine Person anstrebt, ob bzw. in welchem Umfang sie erwerbstätig ist und ob die Erwerbstätigkeit für einen bestimmten Zeitraum unterbrochen wird, sind Entscheidungen, die nicht ausschließlich auf der Grundlage einer Kosten-Nutzen-Kalkulation getroffen werden. Vielmehr spielen hier auch kulturelle Faktoren, gesellschaftliche Rollenvorstellungen, soziale Milieus und außerökonomische Präferenzen eine entscheidende Rolle. Daraus folgt aber nicht, dass der A. nicht ökonomisch analysiert werden könnte. Denn sowohl das Arbeitsangebot wie die Arbeitsnachfrage unterliegen bestimmten ökonomischen Gesetzmäßigkeiten, die sich mit den Instrumenten der ökonomischen Theorie abbilden lassen. Damit trägt die ökonomische Analyse zu einem besseren Verständnis der Funktionsweise von A.en bei. Gleichzeitig lassen sich die Effekte von regulatorischen Eingriffen auf das Marktergebnis ableiten. Dies ist notwendig, um die wirtschaftlichen und sozialen Kosten einer Regulierung umfassend bewerten zu können. Die ökonomische Theorie kann das Geschehen auf den A.en zwar nicht vollständig erklären, sie liefert jedoch einen wesentlichen Beitrag zur Analyse dieser Märkte. Es ist die Aufgabe der empirischen Forschung, den Erklärungsbeitrag der ökonomischen Theorie im Vergleich zu anderen A.-Theorien zu quantifizieren.

2. Angebot und Nachfrage nach Arbeit

2.1 Das Arbeitsangebot

Die Ausstattung eines Landes mit dem Faktor Arbeit hängt von der Bevölkerungsgröße, der Altersstruktur, der Erwerbsneigung bestimmter Bevölkerungsgruppen und der durchschnittlich geleisteten Arbeitszeit ab. Das maximal verfügbare gesamtwirtschaftliche Arbeitsangebot lässt sich als potentielles Arbeitsvolumen, ausgedrückt in Arbeitsstunden, angeben. Das potentielle Arbeitsvolumen ist das Erwerbspersonenpotential, multipliziert mit der durchschnittlichen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten. Das Erwerbspersonenpotential setzt sich zusammen aus den Erwerbstätigen, den Arbeitslosen und der sogenannten „stillen Reserve“. Als erwerbstätig gelten Personen, die einer auf wirtschaftlichen Erwerb gerichteten Tätigkeit nachgehen, unabhängig von der Dauer der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit. Als arbeitslos gelten gemäß § 16 SGB III Personen, die bei einer Agentur für Arbeit oder einer Arbeitsgemeinschaft als arbeitslos gemeldet sind, eine Beschäftigung von mindestens 15 Stunden pro Woche suchen und der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen. Zur „stillen Reserve“ zählen Personen, die zwar grundsätzlich bereit sind, Arbeit anzubieten, die sich aber aufgrund der A.-Lage nicht als arbeitslos registrieren lassen (sogenannte „entmutigte“ Arbeitskräfte). Zu dieser stillen Reserve zählen auch Rentner, die aus A.-Gründen vorzeitig in den Ruhestand treten oder Studierende, die aufgrund der A.-Lage ihren Abschluss hinauszögern.

Bei gegebener Bevölkerungsgröße und -struktur hängt der Umfang der von den Erwerbsfähigen zur Verfügung gestellten Arbeit von zwei Faktoren ab. Zum einen von der Frage, wie viele Personen grundsätzlich bereit sind, ihre Arbeitskraft am Markt anzubieten, und zum anderen von der Frage, wie viele Stunden die erwerbswilligen Personen am A. tätig sein möchte. Der Lohnsatz, zu dem eine Person gerade bereit ist, seine Arbeitskraft anzubieten, bezeichnet man als den „Reservationslohn“. Die Höhe des Reservationslohns ist insb. davon abhängig, ob zusätzlich zum Arbeitseinkommen noch weitere Einkommensquellen zur Verfügung stehen. Sofern weitere Einkünfte vorhanden sind, wird der Reservationslohn höher ausfallen als bei Haushalten, für die das Arbeitseinkommen die einzige Einkommensquelle ist. Gleiches gilt für staatliche Transferleistungen, sofern diese nicht an die Bedingung der Arbeitsbereitschaft geknüpft sind.

Neben der grundsätzlichen Bereitschaft, Arbeit anzubieten, beeinflusst der Lohnsatz auch den Erwerbsumfang, also die Anzahl der angebotenen Arbeitsstunden. Dabei steht die Erwerbsarbeit in Konkurrenz zu anderen Möglichkeiten der Zeitverwendung, wie unbezahlter Tätigkeiten (Haushaltsproduktion, ehrenamtliche und freiwillige Beschäftigungen) oder der Freizeit. Die Entscheidung über die angebotene Arbeitszeit ist also eine Entscheidung über die optimale Zeitverwendung. Eine Lohnsatzänderung hat aus Sicht des Arbeitnehmers zwei Effekte. Auf der einen Seite verteuert eine Lohnerhöhung alle Aktivitäten, die nicht erwerbswirtschaftlich ausgerichtet sind. Dieser Anstieg der Opportunitätskosten der Nichterwerbstätigkeit führt unter sonst gleichen Umständen dazu, dass die Nichterwerbstätigkeit eingeschränkt und die Erwerbstätigkeit ausgeweitet wird (Substitutionseffekt). Gleichzeitig erhöht sich das verfügbare Einkommen des Haushalts (Einkommenseffekt). Damit ist der Haushalt in der Lage, ein gegebenes Konsumniveau mit einem geringeren Arbeitsangebot zu realisieren. Dieser Einkommenseffekt führt für sich genommen dazu, dass die Erwerbstätigkeit eingeschränkt wird. Da beide Effekte gleichzeitig wirksam werden, lässt sich theoretisch nicht eindeutig klären, ob das individuelle Arbeitsangebot bei steigendem Lohnsatz zu- oder abnimmt. Sofern das Arbeitsangebot bei steigenden Löhnen (Lohn) ausgeweitet wird, spricht man von einem „normalen“ Verlauf des Arbeitsangebots, wenn es bei steigenden Löhnen fällt, von einem „anomalen“ Verlauf.

Neben der Lohnhöhe und der Höhe der sonstigen Einkünfte ist der Haushaltskontext eine entscheidende Determinante für den Umfang der angebotenen Arbeitszeit. So sinkt Arbeitsangebot von Eltern, insb. von Müttern, in der Phase der frühkindlichen Erziehung. Ausmaß und Umfang einer erziehungsbedingten Erwerbseinschränkung hängen vom Familienstand, vom Haushaltseinkommen, von der Qualifikation der Mutter und von ihrer Berufserfahrung ab.

2.2 Die Nachfrage nach Arbeit

Die Nachfrage eines Unternehmens nach Arbeitsleistungen leitet sich zunächst aus der erwarteten Nachfrage nach den produzierbaren Gütern ab. Wenn die Erlöse der Unternehmen durch reale Preissteigerungen oder durch eine Erhöhung der Absatzmenge steigen, werden die Unternehmen ihre Nachfrage nach Arbeitskräften ausweiten. Umgekehrt werden die Unternehmen ihre Beschäftigungsmenge einschränken, wenn die realen Güterpreise oder die abgesetzte Produktionsmenge sinken. Bei gegebenen Bedingungen auf den Gütermärkten ist die Arbeitsnachfrage hingegen eine Funktion des Lohnsatzes. Die Unternehmen werden ihre Beschäftigungsmenge ausdehnen, so lange die Ausgaben für eine zusätzlich eingesetzte Arbeitseinheit niedriger sind als die zusätzlichen Erlöse, welche die Unternehmen durch die Produktionsausweitung erzielen können. Denn sofern der erwartete zusätzliche Erlös für eine Produkteinheit höher ist als die zusätzlichen Kosten, steigt der erwartete Gewinn mit jeder neu eingesetzten Arbeitskraft. Auf A.en, die dem Ideal der vollständigen Konkurrenz entsprechen, können die Unternehmen jede beliebige Arbeitsmenge zum gegebenen Marktlohnsatz nachfragen. In diesem Fall wird die Beschäftigungsmenge von den Unternehmen ausgeweitet, bis der Lohnsatz den zusätzlichen Erlösen, dem sogenannten Grenzwertprodukt des Faktors Arbeit, entspr. Dieses Grenzwertprodukt lässt sich auch als der ökonomische Wert des Faktors Arbeit interpretieren. Eine Veränderung des Lohnsatzes ist im Gleichgewicht immer mit einer gleichlaufenden Veränderung des Grenzwertprodukts des Faktors Arbeit verbunden. Ein Anstieg des Lohnsatzes führt kurzfristig, also bei gegebenen Produktionskapazitäten, zu einer Einschränkung der Arbeitsnachfrage und damit zu einem Produktionsrückgang. Langfristig werden die Unternehmen versuchen, den Faktor Arbeit durch den Faktor Kapital zu ersetzen. Durch diesen Substitutionseffekt sinkt die Arbeitsnachfrage erneut, während die Nachfrage nach Kapitalgütern unter sonst gleichen Umständen steigt. Bei gegebener Güternachfrage besteht sowohl kurz- wie langfristig eine inverse Beziehung zwischen Lohnsatz und Arbeitsnachfrage: bei steigenden Löhnen sinkt die Nachfrage nach Arbeitskräften, und bei sinkenden Löhnen stiegt die Arbeitsnachfrage.

2.3 Das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt

Der A. koordiniert das Arbeitsangebot der Haushalte und die Nachfrage nach Arbeit der Unternehmen. Abb. 1 gibt das Marktgleichgewicht für den Fall vollständiger Konkurrenz wieder. Unter der Annahme, dass das Arbeitsangebot mit steigendem Lohnsatz zunimmt, ergibt sich ein A.-Gleichgewicht beim Lohnsatz w*. Bei diesem Lohnsatz ist der A. „geräumt“. Das bedeutet, dass alle Arbeitnehmer, die zu diesem Lohnsatz bereit sind, ihre Arbeitskraft anzubieten, auch eine Beschäftigung finden und gleichzeitig alle Unternehmen, die bereit sind, den Marktlohn zu bezahlen, ihre Arbeitsplätze besetzen können. Es herrscht somit Vollbeschäftigung (A*). Dieses Gleichgewicht ist darüber hinaus stabil. D. h., dass bei einer kurzfristigen Abweichung des Lohnsatzes vom markträumenden Niveau Mengenanpassungen stattfinden, die den Reallohn und die Beschäftigungsmenge wieder auf das Gleichgewichtsniveau bringen.

Sofern jedoch der Lohnsatz durch politische Eingriffe wie eine staatliche Lohnfestsetzung oder eine überhöhte Lohnpolitik der Gewerkschaften dauerhaft über als das markträumende Niveau (z. B. auf w’) gesetzt wird, entsteht ein Ungleichgewicht auf dem A. Zum Lohn w’ wird die Arbeitsmenge A’’ angeboten und die Menge A’ nachgefragt. Die Differenz zwischen angebotener und nachgefragter Arbeitsmenge stellt die lohnniveaubedingte, unfreiwillige Arbeitslosigkeit dar. Unter den hier geschilderten Bedingungen ist die Arbeitslosigkeit das Ergebnis eines staatlichen Eingriffs in den A. Die Lösung des Problems der Arbeitslosigkeit wäre in diesem Fall eine Deregulierung des A.es.

Abb. 1
Abb. 1

Abb. 2
Abb. 2

Das Vollbeschäftigungsgleichgewicht stellt sich auf freien Märkten jedoch nur ein, sofern der A. den restriktiven Annahmen der vollständigen Konkurrenz genügt. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Annahme, dass das einzelne Unternehmen eine beliebige Menge von Arbeitskräften nachfragen kann, ohne dass sich dadurch der Marktlohnsatz ändert. Diese Annahme ist zumindest auf bestimmten A.-Segmenten nicht erfüllt. Auf diesen „notorisch unvollkommenen Märkten“ reagiert der Marktlohn auf Änderungen der Arbeitsnachfrage eines Unternehmens. Bei einer Ausweitung der Arbeitsnachfrage wird der Marktlohn steigen, bei einer Verringerung sinken. Die zusätzlichen Kosten einer nachgefragten Arbeitseinheit sind in diesem Fall höher als der zu zahlende Marktlohnsatz. Dieser Fall wird in der Abb. 2 dargestellt. Die Höhe des Lohnsatzes, die vom Unternehmen für die Beschäftigung einer bestimmten Arbeitsmenge gezahlt werden muss, ist durch die Preis-Beschaffungsfunktion (PBF) gegeben. Die Grenzausgaben für den Faktor Arbeit (GA) ergeben sich hingegen aus der Summe des Lohnsatzes, der für den neu einzustellenden Arbeitnehmer zu bezahlen ist, und der Erhöhung der Arbeitsentgelte für alle bereits beschäftigten Arbeitnehmer. Die marginalen Kosten für einen Arbeitnehmer sind in der Abb. 2 durch die Grenzausgabenfunktion gegeben. Das Unternehmen wird nun die Arbeitsnachfrage solange ausweiten, bis die marginalen Ausgaben für den Faktor Arbeit (GA) dem Grenzwertprodukt des Faktors (GWP) entsprechen. Dies ist bei der Beschäftigungsmenge Am der Fall (Punkt C in der Abb. 2). Bei dieser Beschäftigungsmenge muss das Unternehmen einen Lohn in Höhe von wm entrichten. Auch in diesem Fall ist der A. geräumt, d. h. dass jeder Arbeitnehmer, der bereit ist, seine Arbeitskraft zum Marktlohnsatz anzubieten, auch beschäftigt wird. Im Vergleich zur kompetitiven Lösung (A*, w*) werden jedoch weniger Arbeitnehmer beschäftigt und ein geringerer Lohn gezahlt. Insb. entspr. der Marktlohn (wm) nicht der Grenzproduktivität des Faktors Arbeit (w’). Die Differenz zwischen Grenzprodukt der Arbeit und Marktlohnsatz bezeichnet man als „monopsonistische Ausbeutung“. In diesem Fall führt ein staatlich oder tarifvertraglich festgelegter Mindestlohn nicht zu einer Einschränkung, sondern zu einer Ausweitung der Arbeitsnachfrage. Ein Mindestlohn in Höhe von wmin setzt die Grenzkosten des Faktors Arbeit bis zur Beschäftigungsmenge Amin konstant in Höhe des Mindestlohns. Da dieser Lohnsatz geringer ist als die Grenzproduktivität des Faktors Arbeit, werden die Unternehmen ihre Arbeitsnachfrage bis Amin ausdehnen. Hier sind Beschäftigungsmenge und Lohnsatz höher und die monopsonistische Ausbeutung geringer als im Fall des unregulierten A.es. Bei unvollkommenen Märkten kann somit ein staatlicher Eingriff in den Markt zur Verbesserung der Allokation und zu einem Wohlfahrtsgewinn führen.

3. Arbeitsmarktpolitik

Eine weitere Annahme des friktionsfreien neoklassischen A.-Modells ist, dass sich die Haushalte und die Unternehmen mit ihrem Arbeitsangebot und ihrer Arbeitsnachfrage ohne zeitliche Verzögerungen an geänderte Rahmenbedingungen anpassen. Auch diese Annahme ist in der Realität nicht gegeben. Vielmehr sind die Akteure auf dem A. vielfach nicht oder nur nach einer längeren Übergangsphase in der Lage, ihre Produktionsprozesse neu auszurichten oder die Quantität und die Qualität des Arbeitsangebots geänderten Nachfragebedingungen anzupassen. Dies kann dazu führen, dass auf einzelnen A.en Ungleichgewichte entstehen, die zu Arbeitslosigkeit oder zu einem Nachfrageüberschuss nach Arbeitskräften führen können. Im Fall der Arbeitslosigkeit sind dabei zwei Fälle zu unterscheiden. Von aggregierter bzw. gesamtwirtschaftlicher Arbeitslosigkeit spricht man, wenn die Arbeitsnachfrage insgesamt unzureichend ist, um das vorhandene gesamtwirtschaftliche Arbeitsangebot zu beschäftigen. Demgegenüber ist von „mismatch-Arbeitslosigkeit“ die Rede, wenn zwar die gesamtwirtschaftliche Arbeitsnachfrage hinreichend hoch ist, aber die Struktur des Arbeitskräfteangebots nicht mit der Struktur der Nachfrage nach Arbeit übereinstimmt. Der A. ist dann zwar im Aggregat ausgeglichen, aber auf verschiedenen Teilarbeitsmärkten existieren Arbeitslosigkeit und unbesetzte Stellen.

Aufgrund der eingeschränkten Anpassungsfähigkeit des A.es ist es die Aufgabe der Politik, vorhandene Ungleichgewichte abzubauen und die sozialen Folgen der Arbeitslosigkeit abzumildern. Eine Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der Arbeitslosigkeit erfolgt im Rahmen der passiven A.-Politik durch die Zahlung von Versicherungsleistungen (Arbeitslosengeld) oder staatlichen Transfers (Arbeitslosengeld II, Sozialgeld). Diese Zahlungen erhöhen nicht nur das Einkommen der betroffenen Haushalte im Fall von längerer Arbeitslosigkeit, sondern sie stabilisieren zugleich die Kaufkraft der Arbeitnehmer und damit den gesamtwirtschaftlichen Konsum. Die staatlichen Leistungen wirken somit als automatische Konjunkturstabilisatoren, da sie die aggregierte Nachfrage während eines konjunkturellen Abschwungs stützen. Ziel der aktiven A.-Politik ist es, die Struktur des Arbeitsangebots an die gegebene Struktur der Arbeitsnachfrage anzupassen und den Beschäftigungsgrad zu erhöhen. Grundsätzlich sind vier Typen der aktiven A.-Politik (AAMP) zu unterscheiden. Die Arbeitsvermittlung und die Berufsberatung sollen Informationsdefizite am A. abbauen und die vorhandenen Erwerbspersonen bestmöglich auf die verfügbaren Arbeitsplätze verteilen. Die Maßnahmen zur Unterstützung bei der Arbeitssuche und der beruflichen Mobilität zielen darauf ab, regionale Disparitäten auf den A.en abmildern und die Zeitspanne zwischen dem Verlust des Arbeitsplatzes und der Aufnahme einer neuen Beschäftigung zu verkürzen. Durch Fortbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen soll die Qualifikationsstruktur der Erwerbssuchenden an die qualitativen Anforderungen der Privatwirtschaft angepasst werden. Qualifizierungsmaßnahmen zielen somit auf den Abbau qualifikatorischer mismatch-Arbeitslosigkeit. Mit den Instrumenten zur Förderung der Beschäftigung im privaten und öffentlichen Sektor wird hingegen versucht, durch staatliche Subventionen (Subvention) zusätzliche Arbeitsnachfrage zu generieren und dadurch den gesamtwirtschaftlichen Beschäftigungsgrad zu erhöhen. Im Rahmen der Beschäftigungsförderung im privaten Sektor können Unternehmen für einen bestimmten Zeitraum Lohnkostenzuschüsse erhalten, sofern sie Langzeitarbeitslose einstellen. Die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen im öffentlichen Sektor dient dazu, Erwerbspersonen, die am regulären A. als nicht vermittelbar gelten, eine Beschäftigungsmöglichkeit anzubieten.

Die beschäftigungspolitischen Instrumente der aktiven A.-Politik sind in der Literatur sehr umstritten. Denn neben den direkten Beschäftigungseffekten einer Fördermaßnahme können Mitnahme-, Substitutions- und Verdrängungseffekte auftreten. Ein Mitnahmeeffekt liegt vor, wenn ein Unternehmen Lohnsubventionen für Beschäftigungsverhältnisse erhält, die auch ohne diese Subventionierung entstanden wären. In diesem Fall entstehen dem Staat Kosten, ohne dass sich die Beschäftigung verändert. Substitutionseffekt bedeutet, dass reguläre Arbeitsverhältnisse durch subventionierte Beschäftigungsverhältnisse im Unternehmen ersetzt werden. Ein Verdrängungseffekt liegt schließlich vor, wenn Unternehmen aufgrund der staatlichen Subvention ihre Güter und Dienstleistungen kostengünstiger am Markt anbieten können und dadurch Marktanteile von nicht-subventionierten Anbietern übernehmen. Um den effektiven Nettoeffekt einer Fördermaßnahme zu bestimmen, müssen der reinen Anzahl der geförderten Personen (Bruttoeffekt) die Mitnahme-, Substitutions- und Verdrängungseffekte gegenübergestellt werden.

Die Effizienz der Maßnahmen zur aktiven A.-Politik wurden im Zuge der arbeitsmarktpolitischen Reformen in den Jahren 2003–05 (sogenannte „Hartz-Reformen“) umfassend evaluiert. Dabei hat sich gezeigt, dass die Nettoeffekte der beschäftigungspolitischen Maßnahmen deutlich geringer sind, als es die reinen Bruttoeffekte suggerieren. Denn neben den bereits angesprochenen Verdrängungseffekten hat sich herausgestellt, dass die von den Maßnahmen erfassten Arbeitnehmer davon abgehalten wurden, sich eigeninitiativ um eine Beschäftigung zu bemühen. In vielen Fällen hat sich dadurch die Verweildauer der Arbeitnehmer in den subventionierten Maßnahmen sogar erhöht. Demgegenüber haben sich die beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen als äußerst effektiv erwiesen.

4. Entwicklung und Struktur des Arbeitsmarktes

4.1 Arbeitsmarktlage

Die A.-Lage hat sich in der zweiten Hälfte des 20. Jh. in allen entwickelten Volkswirtschaften verschlechtert. Nach einer kurzen Periode der Vollbeschäftigung in den 1960er und Anfang der 1970er Jahre stieg die Arbeitslosigkeit in den meisten OECD-Staaten in den folgenden Jahrzehnten spürbar an. Seit Ende des 20. und Anfang des 21. Jh. sehen sich die meisten kontinentaleuropäischen Staaten mit vergleichsweise hohen Arbeitslosenquoten konfrontiert. So lag die standardisierte Arbeitslosenquote in der EU seit dem Jahr 2000 fast durchgängig über 8 %. Allerdings bestehen zwischen den Ländern sowohl im Verlauf als auch im Niveau der Arbeitslosigkeit signifikante Unterschiede.

1990 2000 2005 2010
Deutschland 4,8 7,9 11,2 7,0
Österreich 4,2* 3,9 5,6 4,8
Euro-Raum 8,9 9,1 10,2
EU 8,9 9,0 9,6
USA 5,6 4,0 5,1 9,6
Japan 2,1 4,7 4,4 5,0
Schweiz 0,5 2,5 4,2 4,2

*Wert für 1995

Quelle: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 2015/16, Internationale Zeitreihen

Tabelle: Standardisierte Arbeitslosenquoten in wichtigen OECD-Staaten

In Deutschland hat sich die Arbeitslosenquote in den 1970er und den 1980er Jahren im Zuge der beiden Ölpreiskrisen und in den 1990er Jahren infolge der deutschen Wiedervereinigung deutlich erhöht. Bemerkenswert für die deutsche Situation ist, dass der Rückgang der Arbeitslosigkeit in den Aufschwungphasen nicht ausreichte, um den Anstieg der Arbeitslosenquote in der Abschwungphase auszugleichen. Damit nahm die Sockelarbeitslosigkeit im Zeitablauf stetig zu. Diesen Effekt bezeichnet man als „Hysterese“. In Deutschland erreichte die Arbeitslosenquote mit über 11 % im Jahr 2005 ihren bisherigen Höhepunkt. Seitdem ist die Arbeitslosenquote dauerhaft rückläufig und lag im Jahr 2015 bei unter 5 %. In Österreich stieg die Arbeitslosenquote im Zeitraum von 1980 bis Mitte der 1990er Jahre von 2 % auf über 4 % an und verharrt seither auf diesem Niveau. In der Schweiz herrschte demgegenüber lange Zeit Vollbeschäftigung. Bis Anfang der 1990er Jahre lag die Arbeitslosenquote unter 1 %. Diese positive Beschäftigungslage ist u. a. dadurch zu erklären, dass die Schweiz ihren Arbeitskräftebedarf lange Zeit durch ausländische Arbeitnehmer ohne dauerhaftes Bleiberecht abdeckte. Obwohl auch die Schweiz in den 1970er Jahren deutliche Beschäftigungsrückgänge zu verzeichnen hatte, blieb die nationale Arbeitslosenquote weitgehend konstant, da der Beschäftigungsabbau weitgehend von ausländischen Arbeitskräften getragen wurde. Im Zuge der Immobilienkrise, der Krise der „New Economy“ und der Finanzmarktkrise stieg jedoch auch in der Schweiz die Arbeitslosenquote auf über 4 %.

4.2 Strukturwandel am Arbeitsmarkt

Wie in allen entwickelten Volkswirtschaften ist in Deutschland, Österreich und der Schweiz ein sektoraler Strukturwandel vom primären und sekundären Sektor zum tertiären Sektor zu beobachten. Dieser Strukturwandel zeigt sich sowohl in der Wertschöpfungs- wie in der Beschäftigtenstruktur. So arbeiteten in Deutschland im Jahr 1960 noch ca. 14 % aller Beschäftigten im primären Sektor, seit 1990 liegt dieser Anteil bei etwa 2 %. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil der Beschäftigten im Dienstleistungssektor von etwa einem Drittel auf über 70 %. Die Tertiarisierung der Wirtschaft wird nochmals deutlicher, wenn man nicht die Erwerbstätigenstruktur, sondern die Tätigkeitsstruktur betrachtet. Denn auch im sekundären Sektor nehmen jene Tätigkeiten zu, die vom Tätigkeitsfeld den Dienstleistungen zuzurechnen sind. Allerdings ist die Tertiarisierung der Wirtschaft in Deutschland nicht mit einer Deindustrialisierung verbunden. Aktuell sind etwa 25 % der Beschäftigten im produzierenden Gewerbe tätig, der Anteil an der Wertschöpfung beträgt ca. 30 %. Hinzu kommt, dass ein Großteil der Dienstleistungen direkt oder indirekt mit dem produzierenden Gewerbe verbunden ist. Dies gilt nicht nur für die sogenannten „unternehmensbezogenen Dienstleistungen“ wie unternehmensbezogene Serviceleistungen und Transport- und Kommunikationsdienstleistungen. Dies gilt auch für zahlreiche primäre Dienstleistungen wie Handels- und Bürotätigkeiten sowie für sekundäre Dienstleistungen wie die Forschung und Entwicklung.

Der sektorale Strukturwandel geht mit einer Veränderung der Qualifikationsstruktur der Beschäftigten einher. So ist in Deutschland der Anteil der Beschäftigten ohne Abschluss deutlich rückläufig. Dieser Rückgang ist stärker als der Rückgang des Anteils der erwerbsfähigen Bevölkerung ohne beruflichen Abschluss. Eine fehlende berufliche Qualifikation ist ein damit wesentlicher Grund für Arbeitslosigkeit. Die zunehmende Tertiarisierung der Wirtschaft stellt somit auch steigende Anforderungen an die Qualifikation der Bevölkerung. Die fortschreitende Digitalisierung und der technische Fortschritt erfordern neben einer entsprechenden beruflichen Qualifizierung auch eine permanente Weiterqualifikation in der Erwerbsphase im Sinne des life-long learning.

4.3 Erwerbsbeteiligung der Frau

Eine der signifikantesten strukturellen Änderungen am A. der vergangenen Jahrzehnte ist die zunehmende Erwerbsbeteiligung der Frau. Bedingt durch die Bildungsexpansion in den 1960er und 1970er Jahren und die damit verbundene stärkere Bildungsbeteiligung von Frauen hat sich die Qualifikation von Frauen spürbar erhöht. Mittlerweile liegt der Anteil der Frauen bei den Studierenden im Tertiärbereich bei fast 50 % in Deutschland und bei 53 % in Österreich. Lediglich in der Schweiz liegt dieser Frauenanteil unterhalb des OECD-Durchschnitts; dies ist jedoch v. a. auf die deutlich überdurchschnittliche Bildungsneigung der Männer in der Schweiz zurückzuführen. Infolge der gestiegenen Bildungsbeteiligung hat sich auch das geschlechtsspezifische Rollenverständnis in der Gesellschaft nachhaltig verändert. Das traditionelle Modell des männlichen Alleinverdieners bzw. der „Hausfrauenehe“ wurde durch das sogenannte Zweitverdienermodell („Hinzuverdienermodell“) abgelöst. Beim Alleinverdienermodell ist ausschließlich der Mann erwerbstätig, während die Frau die Aufgaben im Haushalt und für die Kindererziehung übernimmt. Die wirtschaftliche und soziale Sicherung der Frau leitet sich dabei aus dem Einkommen des Mannes ab. Dieses Modell wird durch steuer- und sozialversicherungsrechtliche Maßnahmen wie das Ehegattensplitting, die Hinterbliebenenversicherung oder die beitragsfreie Mitversicherung des nicht-erwerbstätigen Ehegatten in der gesetzlichen Krankenversicherung und Pflegeversicherung abgesichert. Das Zweitverdienermodell ist dadurch gekennzeichnet, dass die Frau einen gewissen Hinzuverdienst zum Familieneinkommen leistet. Das intertemporale Arbeitsangebot der Frau ist in diesem Fall durch ein Drei-Phasen-Modell gekennzeichnet. Nach einer ersten Phase der Berufstätigkeit schließt sich eine Phase der erziehungsbedingten Erwerbsunterbrechung an. Diese wird wiederum gefolgt von einer erneuten Phase der Berufstätigkeit, wobei der Wiedereinstieg in das Erwerbsleben zunächst auf Basis einer Teilzeitbeschäftigung erfolgen kann. Dieses veränderte Rollenbild schlägt sich in einer deutlich gestiegenen Erwerbsbeteiligung der Frau und einem signifikanten Anstieg der Teilzeitbeschäftigung nieder. Ein drittes Modell ist das der partnerschaftlichen Aufteilung von Berufs- und Erziehungstätigkeit zwischen Mann und Frau. Dieses Modell ist durch eine gleichmäßige Verteilung der Tätigkeiten auf beide Geschlechter gekennzeichnet. Die in Deutschland, Österreich und in der Schweiz praktizierten Familienleitbilder sind noch überwiegend dem „Hinzuverdienermodell“ zuzurechnen. Dies zeigt sich in einer erkennbar rückläufigen Erwerbsquote der Frauen in den Altersgruppen zwischen 25 und 45 Jahren. Demgegenüber weisen Länder, in denen das partnerschaftliche Modell praktiziert wird, keine bzw. nur geringe geschlechtsspezifische Unterschiede in den Erwerbsquoten auf. Dies trifft bspw. auf Dänemark, Norwegen, Finnland und Schweden zu.

4.4 Technischer Fortschritt und Digitalisierung

Der technische Fortschritt unterwirft dem A. einen dauerhaften Wandel. Neue Produkte und verbesserte Produktionstechnologien treten an die Stelle bisheriger Güter und Produktionsverfahren. Dadurch entstehen neue Beschäftigungsfelder in den innovativen Bereichen, während Arbeitsplätze in den traditionellen Sektoren verloren gehen. Auch bei einem insgesamt ausgeglichenen A. kann dies zu mismatch-Arbeitslosigkeit führen. Allerdings vollzieht sich der technische Fortschritt nicht immer graduell. Phasen grundlegender technologischer Umwälzungen sind typischerweise mit massiven Freisetzungsprozessen am A. verbunden. Für diesen Beschäftigungsabbau sind zwei Faktoren ausschlaggebend. Zum einen werden im Zuge des technischen Fortschritts bestehende Produktionsprozesse durch neue Verfahren ersetzt. Damit entfallen die Beschäftigungsmöglichkeiten in den bestehenden Sektoren. Zum anderen nimmt die Arbeitsproduktivität im Zuge der technischen Innovation deutlich zu, so dass die verbleibenden Tätigkeiten mit weniger Arbeitskräften geleistet werden können. So wurden im Zuge der industriellen Revolution (Industrialisierung, Industrielle Revolution) Ende des 18./Anfang des 19. Jh. handwerkliche Tätigkeiten durch die maschinelle Fertigung ersetzt. Dadurch entfielen in großem Umfang Beschäftigungsmöglichkeiten in der Heimarbeit. Durch die zunehmende Automatisierung der Produktion zu Beginn der zweiten Hälfte des 20. Jh. sind insb. Tätigkeiten mit hohem Routinegrad und einer mittleren Qualifikation entfallen. Ob der Prozess der Automatisierung zu einer Polarisierung der Beschäftigung dergestalt beigetragen hat, dass hoch- und geringqualifizierter Beschäftigung relativ zugenommen und mittlerer Qualifikationen relativ abgenommen haben, ist in der Literatur umstritten. Zumindest in den USA lässt sich jedoch eine Polarisierung in den Einkommen feststellen. Ein weiterer grundlegender Strukturwandel steht dem A. durch die Digitalisierung bevor. Die Vernetzung komplexer Produktionsabläufe lässt zum einen den bereits hohen Automatisierungsgrad der Wirtschaft noch weiter ansteigen. So wird Automatisierung durch digitalisierte Prozesse auch für kleinere Produktionsserien und just-in-time Produktion möglich. Des Weiteren können durch die Digitalisierung nun auch anspruchsvolle Tätigkeiten im Dienstleistungsbereich substituiert werden, so insb. in den beratungsintensiven Branchen wie den Finanzdienstleistungen.

Für die Beschäftigten bietet die Digitalisierung sowohl Chancen wie Herausforderungen. So lassen sich durch die Informations- und Kommunikationstechnologien Erwerbstätigkeit und Heimarbeit wesentlich flexibler als bisher kombinieren. Die Tertiarisierung der Wirtschaft ermöglicht es somit insb. Frauen, ihren beruflichen Wünschen nachzukommen, ohne den Wunsch nach Gründung einer Familie aufgeben zu müssen. Gleichzeitig sind nun auch primäre und sekundäre Dienstleistungen vom arbeitssparenden technischen Fortschritt betroffen. Wie sich der technische Fortschritt langfristig auf die Gesamtbilanz der Beschäftigung auswirkt, lässt sich nur schwer prognostizieren. In den aufstrebenden Bereichen der IT und Kommunikationstechnologie werden zusätzliche, überwiegend hochqualifizierte Arbeitsplätze entstehen. Auf der anderen Seite entfällt die Beschäftigung im Produktions- und im Dienstleistungssektor. Es ist jedoch absehbar, dass dieser Wandel eine wesentliche Stärkung des beruflichen Bildungssystems (Berufliche Bildung) erfordern wird.