Comunidad Andina de Naciones (CAN): Unterschied zwischen den Versionen
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− | S. Haring: Comunidad Andina de Naciones (CAN), Version | + | S. Haring: Comunidad Andina de Naciones (CAN), Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon<sup>8</sup> online, URL: {{fullurl:Comunidad Andina de Naciones (CAN)}} (abgerufen: {{CURRENTDAY2}}.{{CURRENTMONTH}}.{{CURRENTYEAR}}) |
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Aktuelle Version vom 16. Dezember 2022, 06:07 Uhr
CAN ist ein 1996 durch das Protocolo de Trujillo begründetes subregionales Integrationsprojekt, das Bolivien, Ecuador, Peru und Kolumbien als Vollmitglieder vereint. Argentinien, Brasilien, Chile, Paraguay und Uruguay sind assoziierte Mitglieder, Spanien genießt Beobachterstatus. Die Andengemeinschaft umfasst eine Fläche von 3 789 000 km2 und 103 Mio. Einwohner. Im Jahr 2014 betrug das BIP der CAN 679 744 Mio. US-Dollar, der intraregionale Handel hatte ein Volumen von 9 724 Mio. US-Dollar. Sie sieht als ihre Hauptaufgaben die Verbesserung wirtschaftlicher Integration und Kooperation mit dem Ziel, eine ganzheitliche, ausgewogene und unabhängige Entwicklung ihrer Mitglieder zu ermöglichen. Aufgrund ihrer an der EU orientierten Institutionen gilt CAN als eines der ambitioniertesten Integrationsprojekte Lateinamerikas (Lateinamerika und Karibik), das aber weit hinter den Erwartungen zurückbleibt.
1. Entwicklung
Zunächst 1969 als Grupo oder Pacto Andino durch das Übereinkommen von Cartagena begründet, ist CAN eines der ältesten Projekte in der Integrationslandschaft Lateinamerikas. Die Andengruppe wurde durch Bolivien, Chile, Ecuador, Kolumbien und Peru als subregionales Bündnis im Rahmen der seit 1960 bestehenden Lateinamerikanischen Freihandelsassoziation (ALALC, 1980 Neugründung als ALADI) gegründet. Wie diese verfolgte sie das Ziel der importsubstituierenden Industrialisierung (ISI). Erstrebt war außerdem die schrittweise Entstehung eines gemeinsamen lateinamerikanischen Marktes. Zudem sollten die am wenigsten entwickelten Wirtschaften besondere Unterstützung erfahren; entsprechende Programme für Bolivien und Ecuador waren vorgesehen.
Trotz der Einrichtung eines umfassenden Institutionengefüges war die weitere Entwicklung problembehaftet. Reibungen entstanden durch das Scheitern des staatsinterventionistischen Industrialisierungsprojekts, die Ölkrise der 1970er und die Schuldenkrise (Staatsschuldenkrise) der 1980er Jahre, v. a. aber aufgrund deutlicher Meinungsverschiedenheiten der Mitgliedsländer und einer fehlenden regionalen Führungsmacht. Venezuela trat dem Andenpakt 1974 bei, Chile zwei Jahre später aus. Diese Veränderung in der Mitgliedschaft führte zur Neuverhandlung zentraler Mechanismen und schließlich zur Aufgabe des ursprünglichen Integrationsplans. Stattdessen übernahm die Andengruppe die Ideen des von der CEPAL propagierten „offenen Regionalismus“ und bemühte sich ab Ende der 1980er Jahre um Liberalisierung des Projekts, die mit einer Limitierung der Rolle des Staates einherging. Man einigte sich auf die Kreation einer Freihandelszone bis 1993 und einer Zollunion bis 2005 (Wirtschaftsgemeinschaften). Auch diese Politiken führten zu Konflikten. Mit dem Protocolo de Trujillo wurde das andine Integrationsprojekt durch die Gründung der heute bestehenden CAN neu belebt. Allerdings blieben auch in der Folge Probleme nicht aus: 2006 kündigte Venezuela den Austritt aus der CAN an (der 2011 formalisiert wurde).
2. Institutionen
1996 wurde mit der CAN auch das bis heute bestehende Andine Integrationssystem (Sistema Andino de Integración, SAI) begründet, das am Beispiel der zum Gründungszeitpunkt bestehenden Struktur der EU ausgerichtet ist. Die beiden zentralen intergouvernementalen Entscheidungsorgane sind zum einen der Consejo Presidencial, die einmal jährlich tagende Versammlung der Staats- und Regierungschefs, die als höchstes und wichtigstes Organ die Leitlinien der CAN festlegt und deren Implementation überwacht. Zusammen mit dem Rat der Außenminister ist er verantwortlich für das Sekundärrecht der Gemeinschaft. Als drittes zentrales Organ entwickelt die aus je einem Bevollmächtigten der Länder gebildete Comisión gemeinsame Positionen zu den Themen Wirtschaft, Handel und Investitionen (Investition). Sie überwacht auch die Implementation der entsprechenden Entscheidungen. Alle drei Gremien müssen einstimmig entscheiden. Das Generalsekretariat ist vornehmlich mit administrativen und exekutiven Aufgaben betraut, kann aber auch Entscheidungen durch entsprechende Vorlagen vorbereiten und teils sogar durch eigene bindende Resolutionen Recht setzen. Das Parlamento Andino versammelt je fünf Abgeordnete aus den Mitgliedsstaaten sowie Chile. Diese Körperschaft hat deliberative Funktion und soll politische Kontrolle gewährleisten. Das vierte supranationale Organ (Supranationalität) ist der Gerichtshof, der aus je einem Richter pro Mitgliedsland besteht. Neben der Prüfung von Entscheidungen und Verhalten der Nationalstaaten und der Gemeinschaftsorgane auf Übereinstimmung mit Gemeinschaftsrecht obliegen dem Gericht auch arbeitsrechtliche (Arbeitsrecht) Fälle der Mitarbeiter der CAN. Das Tribunal ist der drittaktivste internationale Gerichtshof und hat sich „als einziges supranationales Organ der Andengemeinschaft zu einem wesentlichen Element der regionalen Integration“ (Muno 2015: 406) entwickelt. Hinzu kommen eigene Institutionen (Institution) der Gemeinschaft, so die Corporación Andina de Fomento (CAF), eine „multilaterale Finanzinstitution zur Förderung nachhaltiger Entwicklung der Aktionärsstaaten und der regionalen Integration“ (Zilla 2012: 46), sowie der lateinamerikanische Reservefonds. Vier Consejos beraten Ministerrat, Kommission und Generalsekretariat in den Bereichen Unternehmen, Arbeitnehmer, indigene Bevölkerung und Kommunalpolitik. Zum SAI gehören zusätzlich die Andine Universität Simon Bolívar, eine Gesundheitsorganisation sowie mit dem Convenio Simón Rodríguez ein „Forum zur Debatte, Partizipation und Koordinierung sozialer und arbeitsrechtlicher Themen“ (Zilla 2012: 47).
3. Außenbeziehungen
CAN versucht, eine gemeinsame Außenpolitik zu verfolgen, so z. B. in einer eigenen EU-Politik. Sie begann 1993 mit einem ersten Rahmenabkommen, das 2003 durch ein Abkommen über politischen Dialog ersetzt wurde. Ab 2006 verhandelte CAN über ein Abkommen mit der EU, das die Pfeiler „politischer Dialog“, „Kooperation“ und „Freihandel“ umfassen sollte. Aufgrund unterschiedlicher Interessen der CAN-Mitglieder wurden diese Verhandlungen aber stark flexibilisiert. An ihrem Ende stand zunächst ein Freihandelsabkommen zwischen Kolumbien, Peru und der EU; Ecuador trat 2014 bei. Die bilateralen Verhandlungen einzelner Mitglieder mit den USA waren Auslöser für einen Disput innerhalb der Gemeinschaft; Hugo Chávez begründete den Austritt Venezuelas mit den negativen Folgen, die entsprechende Freihandelsabkommen für sein Land hätten. Anderen lateinamerikanischen Integrationsprojekten steht CAN positiv gegenüber. 2010 wurden z. B. den Mitgliedern von MERCOSUR weitgehende Rechte als assoziierte Mitglieder der CAN gewährt, nachdem schon 2003 beide Blöcke ein Abkommen zur Schaffung einer südamerikanischen Freihandelszone geschlossen hatten. 2004 wurde der Vorgänger der UNASUR (damals als Südamerikanische Gemeinschaft der Nationen) durch die Staats- und Regierungschefs, die in MERCOSUR und CAN versammelt sind, gegründet.
4. Bewertung und Ausblick
Als eines der ältesten Integrationsprojekte in Lateinamerika kann CAN als typisch betrachtet werden: In ihrer Entwicklung werden die Leitlinien lateinamerikanischer Integrationspolitik und deren Wechsel (von ISI zum marktorientierten „offenen Regionalismus“ und schließlich zu einem stärker an sozialpolitischen Themen orientierten Politikprofil) verdeutlicht. Obgleich die Andengemeinschaft in ihrer institutionellen Tiefe und im Grundsatz des Vorrangs von Gemeinschaftsrecht als besonders ambitioniert und weitreichend verstanden werden muss, hat sie ihre grundlegenden Ziele nicht erreicht. So wurde weder ein gemeinsamer Markt noch eine Zollunion umfassend umgesetzt. Das Institutionengefüge ist weitgehend bedeutungslos geblieben, da hier Form vor Funktion stand. Gründe dafür sind nicht nur unterschiedliche handels- und wirtschaftspolitische Vorstellungen, sondern auch sicherheitspolitische Differenzen, Grenzkonflikte und ideologische Auseinandersetzungen. Die Bemühungen der einzelnen Mitglieder um individuelle bilaterale Handelsabkommen mit dritten Staaten zeigen entsprechend zentrifugale Tendenzen, die die Andengemeinschaft auch in Zukunft vor wichtige Herausforderungen stellen werden.
Literatur
W. Muno: Andengemeinschaft (CAN), in: A. Grimmel/C. Jakobeit (Hg.), Regionale Integration, 2015, 401–411 • C. Zilla: Andengemeinschaft, in: K. Freistein/J. Leininger (Hg.), Handbuch Internationale Organisationen, 2012, 44–50 • John Harper Publishing: Treaties and Alliances of the World, 82007 • A. Ruiz-Dana u. a.: Regional Integration, Trade and Conflict in Latin America, 2007 • A. Malamud: Venezuela’s Withdrawal from the Andean Community of Nations and the Consequences for Regional Integration, Real Instituto Elcano, Working Paper 28/2006 • K. Bodemer/S. Gratius (Hg.): Lateinamerika im internationalen System, 2003.
Empfohlene Zitierweise
S. Haring: Comunidad Andina de Naciones (CAN), Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Comunidad_Andina_de_Naciones_(CAN) (abgerufen: 24.11.2024)