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Aktuelle Version vom 14. November 2022, 05:56 Uhr
1. Geschichtliche Hinweise
Der Begriff K. leitet sich vom lateinischen cordialis (wichtig, vorzüglich; cardo als Türangel sowie Dreh- und Angelpunkt) ab und bezeichnete seit Silvester I. einen an einer römischen Hauptkirche als Hebdomadar tätigen Priester (incardinatus cardinalis), dem eine römische Kirche oder eine Diakonie als Titelkirche anvertraut war. Mit dem 8. Jh. wurden unter demselben Titel die Bischöfe der sieben benachbarten Diözesen Roms zum wöchentlichen Liturgiedienst an der Lateranbasilika herangezogen. Durch die universalkirchliche Bedeutung Roms kamen umfangreiche Aufgaben in der Verwaltung hinzu, die ab dem 12. Jh. auch die Aufnahme auswärtiger Bischöfe in jenes K.s-Kollegium beförderte, dem durch Nikolaus II. und Alexander III. das ausschließliche Papstwahlrecht übertragen wurde. Zunächst gewann das Kollegium durch die Kapitulationen vor den Papstwahlen und in den Konsistorien großen Einfluss, nach Errichtung der kurialen K.-Kongregationen durch Sixtus V. vermehrt die einzelnen Kardinäle (K.e) als päpstliche Mitarbeiter. Die Internationalisierung des K.s-Kollegiums wurde durch das Reformkonzil von Basel 1436 gewünscht und vom Tridentinum 1563 bestätigt, konnte aber erst seit Pius XII. in bis heute zunehmenden Maße verwirklicht werden. Die K.e der lateinischen Kirche tragen den Titel Sanctae Romanae Ecclesiae Cardinalis, die der katholischen Ostkirchen Sanctae Ecclesiae Cardinalis, da sie dem römischen Klerus nicht inkardiniert sind.
2. Rechtliche Bestimmungen
Die päpstliche Gesetzgebung hat seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil Ansehen und Bedeutung des K.s-Kollegiums gefördert und Eingang in das geltende Recht des CIC (cann. 349–359) gefunden. Das Kardinalat gilt als höchste vom Papst verliehene kirchliche Würde, gleichwohl neuere Studien seinen Amtscharakter nachzuweisen versuchen. Nach Papst Franziskus ist das Kardinalat eine „Berufung“ zum vertieften Dienst gegenüber der Kirche. Seit 1962 werden i. d. R. nur Bischöfe, in Ausnahmefällen verdienstvolle Priester zu K.en ernannt. Vom Erfordernis der Bischofsweihe (can. 351 § 2 CIC) kann der Papst dispensieren. Den K.en kommt eine dreifache Aufgabe zu: die Beratung des Papstes im Konsistorium, das Recht der Papstwahl im Konklave und als Einzelnen die Hilfeleistung in der Leitung der Gesamtkirche durch verschiedene Ämter (can. 349 CIC). Der Wahlkörper (höchstens 120 K.e) ist nicht mit dem K.s-Kollegium identisch, da K.e, die zu Konklavebeginn das 80. Lebensjahr vollendet haben, das aktive Wahlrecht verlieren, nicht jedoch das Recht zur Teilnahme an K.s-Kongregationen sowie den ordentlichen und außerordentlichen Konsistorien. Diese stellen neben der Bischofssynode (Synode) ein herausragendes Instrument des bischöflichen affectus collegialis zur Unterstützung des Papstes in der gesamtkirchlichen Leitung dar.
Die historisch bedingte Struktur der drei Rangklassen ist beibehalten worden. Zu den K.s-Bischöfen zählen die Titularbischöfe der suburbikarischen Diözesen sowie die K.s-Patriarchen der katholischen Ostkirchen. Einige Kurien-K.e sowie K.e aus der Weltkirche bilden i. d. R. die Klasse der K.s-Priester, denen eine römische Titelkirche anvertraut ist. Als K.s-Diakone gelten die übrigen Kurien-Ke., denen römische Diakonien zugeteilt werden. Als öffentlicher juristischer Person steht dem K.s-Kollegium der Dekan ohne Leitungsgewalt gegenüber den übrigen Mitgliedern als primus inter pares vor.
Literatur
M. Graulich: Die Kardinäle, in: HdbkathKR, 2015, 486–493 • C. Ohly: Universi Dominici Gregis. Das geltende Papstwahlrecht im Licht der Folgenormen von Papst Benedikt XVI., in: M. Hastetter/ders. (Hg.): Dienst und Einheit. Annäherungen an das Primatsverständnis in ökumenischer Perspektive, 2014, 214–233 • P. Reisinger: Sanctae Ecclesiae Cardinales – Peculiaris Episcoporum Coetus. Neue kirchliche Perspektiven für die Kardinäle und das Kardinalskollegium, 2012 • M. Graulich: Kardinalat. Altehrwürdig und funktionsfähig, in: I. Riedel-Spangenberger (Hg.): Leitungsstrukturen der katholischen Kirche. Kirchenrechtliche Grundlagen und Reformbedarf, 2002, 76–100 • W. Aymans/K. Mörsdorf: Kanonisches Recht, Bd. 2, 131997, 233–241 • K. Ganzer: Der ekklesiologische Standort des Kardinalskollegiums in seinem Wandel. Aufstieg und Niedergang einer kirchlichen Institution, in: RQ 88/1–2 (1993), 114–133 • C. G. Fürst: Cardinalis. Prologomena zu einer Rechtsgeschichte des römischen Kardinalskollegiums, 1967 • S. Kuttner: Cardinalis. The History of an Canonical Concept, in: Traditio 3 (1945) 129–214 • K. H. Klewitz: Die Entstehung des Kardinalskollegiums, in: ZRG KA 25/1 (1936), 115–221.
Empfohlene Zitierweise
C. Ohly: Kardinal, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Kardinal (abgerufen: 24.11.2024)