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Aktuelle Version vom 16. Dezember 2022, 06:09 Uhr
1. Ursprung und Entwicklung
Der K.-Geber stellt dem K.-Nehmer Geld oder Sachen für eine bestimmte Zeit zur Verfügung, wobei eine Verpflichtung zur Rückleistung des Wertes besteht und in aller Regel auch zur Zahlung eines Zinses als Entgelt. Kennzeichen des K.s sind also die Überlassung zum Wertgebrauch und das Vertrauen auf die K.-Würdigkeit des Empfängers, d. h. auf seine Fähigkeit zur späteren Rückgewähr des Geleisteten. Dass der K. auf Vertrauen basiert, kommt schon in dem lateinischen Ursprungswort creditum zum Ausdruck, das das Anvertraute bezeichnet. Im römischen Recht galt K. als der Oberbegriff (genus), Darlehen als eine Art (species) des K.-Geschäfts.
Die Entwicklungen vom Natural- zum Geld-K. und vom altruistischen zum gewerbsmäßigen K. vollzogen sich schon in der Antike. Die Ursprünge des K.s liegen nach Max Weber in der Nachbarschaftshilfe in Notzeiten: Man half einem anderen mit Naturalien in dem Vertrauen, dass einem selbst in einer ähnlichen Lage in gleicher Weise durch den Empfänger geholfen würde. Naturaldarlehen, die v. a. Getreide, Öl oder Wein betrafen, gab es in den frühen Hochkulturen des Vorderen Orients und in Ägypten, in Griechenland und im antiken Rom. Grundlage dieser Darlehen war das allgemeine Grundprinzip „wie du mir, so ich dir“. Dies klingt auch noch in der Bezeichnung des römischen Darlehensvertrags als mutuum an: Die römischen Juristen leiteten diesen Begriff aus einer Verbindung der Personalpronomen me und tuum ab. Neben dem unentgeltlichen Gefälligkeitsdarlehen entstand schon in der Antike das Geschäftsdarlehen. Mit der Einführung des Münzgeldes am Ende des 4. Jh. v. Chr. trat das Gelddarlehen immer mehr an die Stelle des Naturaldarlehens. Damit rückten verstärkt die Zulässigkeit und die Höhe von Zinsen in den Blickpunkt. Das kanonische Recht sah ein Zinsverbot vor, das v. a. auf Dtn 23,20 f. und Lk 6,34 f. gestützt wurde. Erst mit dessen Lockerung ab dem 16. Jh. bzw. dessen Aufhebung zunächst in den evangelischen und mit dem Ende des Ancien Régime auch in den katholischen Ländern konnte sich das K.-Wesen dynamisch entwickeln. Geld-K.e wurden von nun an weniger von Privatpersonen, sondern in erster Linie von Banken gewährt, die sich nicht allein auf das bloße Vertrauen verlassen, sondern die ihren Rückzahlungsanspruch durch Personalsicherheiten (z. B. Bürgschaften oder Garantieverträge) oder Realsicherheiten (wie Hypotheken, Grundschulden oder Pfandrechte [ Grundpfandrechte ]) absichern.
2. Der rechtliche Kreditbegriff
In der Rechtsterminologie hat sich kein einheitlicher K.-Begriff durchgesetzt. Das BGB spricht nicht von K.-, sondern von Darlehensvertrag. In der ursprünglichen Fassung des BGB von 1900 fanden sich lediglich vier Normen zum Darlehensvertrag. Seit 2002 unterscheidet das BGB zwischen Geld- und Sachdarlehen, obwohl das Sachdarlehen seit langem keine nennenswerte praktische Relevanz mehr hat. Nach § 607 Abs. 1 BGB wird der Darlehensgeber durch den Sachdarlehensvertrag verpflichtet, dem Darlehensnehmer eine vereinbarte vertretbare Sache zu überlassen, während der Darlehensnehmer ein Darlehensentgelt zahlen und Sachen gleicher Art, Güte und Menge zurückerstatten muss. Bei den viel häufigeren Gelddarlehen verpflichtet sich der Darlehensgeber, dem Darlehensnehmer einen bestimmten Geldbetrag zur Verfügung zu stellen, während der Darlehensnehmer den geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das Darlehen zurückzuzahlen hat (§ 488 Abs. 1 BGB). Darlehen und Leihe weisen zwar eine begriffliche Nähe auf, unterscheiden sich aber insofern, als sich bei letzterer die Rückgabeverpflichtung auf dieselbe Sache bezieht. Das BGB enthält zudem Vorschriften zum Schutz des Verbrauchers bei Darlehensverträgen zwischen einem Unternehmer als Darlehensgeber und einem Verbraucher als Darlehensnehmer (§§ 491 ff. BGB). Das Darlehensrecht ist zunehmend zu einer außerhalb des BGB normierten bankrechtlichen Spezialmaterie geworden. Ausführlichere Regelungen enthält das KWG. In § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 KWG wird das K.-Geschäft als „die Gewährung von Gelddarlehen und Akzeptkrediten“ bezeichnet.
3. Volkswirtschaftliche Bedeutung
Der wirtschaftliche K.-Begriff ist weiter als der rechtliche. Er umfasst jede Überlassung von Geld oder Gegenwartsgütern im Austausch gegen Zukunftsgüter. Damit wird auch die K.-Leihe erfasst, bei der der K.-Geber dem K.-Nehmer seine eigene K.-Würdigkeit zur Verfügung stellt, so v. a. bei Akzept-K.en. Der wirtschaftliche K.-Begriff umfasst auch Vorleistungen jeder Art, etwa bei einer Warenlieferung, wenn die Zahlung gestundet wird, oder umgekehrt bei einer Anzahlung, wenn die Ware erst später geliefert wird. K.e haben eine erhebliche volkswirtschaftliche Bedeutung: Werden sie Produzenten gewährt, erhöhen sie die Nachfrage nach Leistungen anderer und so die Wertschöpfung der Volkswirtschaft. Konsumenten-K.e stärken die Nachfrage nach Verbrauchsgütern, was mittelbar zu einer Steigerung des BSP beiträgt, da der höhere Warenabsatz wiederum zu vermehrter Produktion führt. K.e ermöglichen eine effektivere Nutzung der vorhandenen Mittel, indem sie demjenigen zur Verfügung gestellt werden, der sie gewinnbringender einsetzen kann als der K.-Geber. Auf der anderen Seite stehen Missbrauchsgefahren und Risiken, die das Vertrauen zwischen den Akteuren in einer Volkswirtschaft erschüttern und so Wirtschaftskrisen heraufbeschwören können. Der weite Anwendungsbereich und die große praktische Bedeutung der K.e zeigt sich in der Vielfalt der K.-Arten. Nach der Art des K.s lassen sich Geld- und Akzept-K.e, nach dem K.-Nehmer gewerbliche und Verbraucher-K.e, nach der Form der Gegenleistung verzinsliche und unverzinsliche K.e, nach der Art der Sicherheit Personal- und Real-K.e sowie nach der Laufzeit kurz-, mittel- und langfristige K.e unterscheiden.
Literatur
H. Schimansky/H.-J. Bunte/H.-J. Lwowski (Hg.): Bankrechts-Hdb., 52017 • R. Meyer-Pritzl: §§ 607–609. Sachdarlehensvertrag, in: M. Schmoeckel/J. Rückert/R. Zimmermann (Hg.): Historisch-kritischer Komm. zum BGB, Bd. 3, 2013, 672–699 • M. Falter: Die Praxis des Kreditgeschäfts, 202012 • H.-P. Schwintowski/F. A. Schäfer: Bankrecht, 22004 • P. W. Heermann: Geld und Geldgeschäfte, 2003 • M. Borchert: Geld und Kredit, 61990 • C.-W. Canaris: Bankvertagsrecht, 31988 • M. Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, 1922.
Empfohlene Zitierweise
R. Meyer-Pritzl: Kredit, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Kredit (abgerufen: 25.11.2024)