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Aktuelle Version vom 16. Dezember 2022, 06:13 Uhr
1. Begriff
Das w. P. stellt eine Definition wirtschaftlicher Rationalität dar, bei der das Verhältnis der eingesetzten Mittel zur angestrebten Zielgröße relevant ist. Im Allgemeinen geht es darum, dass Akteure ihre Bedürfnisse unter der Restriktion von Knappheit effizient befriedigen, weshalb das w. P. in der Wirtschaftswissenschaft – in Volks- wie Betriebswirtschaftslehre – Anwendung findet. Der Ausdruck des w.n P.s wird synonym verwendet mit dem ökonomischen Prinzip, dem Vernunftprinzip oder dem Rationalprinzip.
2. Wirtschaftliche Akteure und ihre Bedürfnisse
In der Wirtschaftswissenschaft werden als Anwender des w.n P.s typischerweise Individuen oder Unternehmen angesehen, die nach der ökonomischen Rational Choice Theory bei gegebener Mittelausstattung unter Verhaltensbeschränkungen (Budget, Zeit etc.) ihren Nutzen bzw. Gewinn maximieren. Dabei wird eine stabile Zielfunktion (Präferenzen) unterstellt und versucht vorherzusagen, wie sich verschiedene Restriktionen auf das Verhalten von Menschen auswirken. Die Ausprägung der Präferenzen ist dabei rein subjektiv. Wenn sich z. B. ein Unternehmen Gewinne aus der Produktion von Luxusgütern verspricht, kann es auch rational sein, in sehr kostenintensive Produktionsfaktoren zu investieren.
Die Knappheit der Güter und der zu ihrer Produktion aufgewendeten Ressourcen ist die Rahmenbedingung des w.n P.s. Als Güter werden materielle und immaterielle Mittel der Bedürfnisbefriedigung verstanden. Angesichts unbegrenzter Bedürfnisse und zugleich knapper Güter stehen Akteure vor der Entscheidung, zwischen Handlungsalternativen wählen zu müssen, um ihren Nutzen bzw. Gewinn unter Restriktionen zu maximieren. Hierbei erwägen sie, wie sie ihre begrenzten Ressourcen (Einkommen und Zeit) einsetzen. Wenn ein Haushalt sich dazu entscheidet, einen Laptop zu kaufen, sind die finanziellen Mittel möglicherweise erschöpft, wenn eine neue Waschmaschine benötigt wird. Daher sind bei Entscheidungen nach dem w.n P. auch die nicht gewählten Handlungsalternativen und die hieraus resultierenden Nutzenverluste zu betrachten (Opportunitätskosten), welche die relative Knappheit eines Gutes indizieren und im Preis ausgedrückt werden.
3. Maximum- und Minimumversion des wirtschaftlichen Prinzips
In der Maximumversion des w.n P.s geht es darum, bei einer gegebenen Mittelausstattung den größtmöglichen Zielerreichungsgrad zu erzielen. Nach der mikroökonomischen Haushaltstheorie ist die zu maximierende Zielfunktion die Nutzenfunktion eines Individuums, wobei sich der Nutzen aus dem Verbrauch der Güter in den jeweiligen Mengen ergibt. Die Nebenbedingung wird durch das fixe Einkommen dargestellt, das nutzenmaximal auf das in Preisen ausgedrückte Güterbündel zu verteilen ist. Maximal ist der Nutzen des Haushalts, wenn sein Grenznutzen einer Geldeinheit für jede dieser Gütereinheiten gleich groß ist.
Unternehmen werden in der mikroökonomischen Standardtheorie als Orte der Transformation von Produktionsfaktoren (Inputs), z. B. Arbeit und Kapital, zu realen Erträgen (Outputs) verstanden. An die Stelle der Nutzenfunktion tritt hier die Produktionsfunktion, welche die funktionale Beziehung zwischen dem Einsatz nichtnegativer Mengen der Faktoren und der daraus resultierenden Produktionsmenge wiedergibt, die es zu maximieren gilt. Das Maximierungsanliegen wird hier beschränkt durch ein fixes Kostenbudget, also den mit Preisen bewerteten Verzehr von Produktionsfaktoren. Im Beispiel würde eine Imbissbude versuchen, ihr verfügbares Budget so auf die Produktionsfaktoren für die Herstellung der Produkte Pommes Frites und Bratwurst zu verteilen, dass der Grenzertrag jeder eingesetzten Geldeinheit für alle Faktoren gleich groß ist.
In der Minimumversion des w.n P.s soll eine vorgegebene Zielgröße erreicht werden, wobei der Mittelaufwand möglichst gering zu halten ist. So können die ersparten Ressourcen noch anderweitig eingesetzt werden. Im Haushaltsfall gilt es somit, den Budgeteinsatz zu minimieren, um ein festgesetztes Nutzenniveau zu erreichen. Der Haushalt würde somit versuchen, die preisgünstigste Kombination des Pommes-Bratwurst-Güterbündels zu finden, um so möglichst wenig Geldeinheiten einsetzen zu müssen. Bei Unternehmen verlangt das Minimumprinzip, dass möglichst wenig Kosten aufgewendet werden, um einen angestrebten Ertrag zu erzielen. Wenn die Imbissbude im Beispiel die Herstellung von Pommes Frites und Bratwurst auf eine Stückzahl pro Tag fixiert hat, würde sie versuchen, die beiden Faktoren möglichst preisgünstig zu beschaffen. Maximal- und Minimalprinzip führen unter gleichen Umständen zum gleichen Ergebnis.
4. Anwendungen
Als Regel klugen Handelns (Klugheit) ist die Anwendung des w.n P.s nicht allein auf einzelwirtschaftliche Fragen beschränkt, sondern auch bei makroökonomischen Optimierungsproblemen möglich, etwa bei der Ermittlung der gesamtwirtschaftlichen Wachstumsrate des Konsums durch intertemporale Nutzenmaximierung (sogenannte Keynes-Ramsey-Regel). Obwohl das w. P. der Wirtschaftswissenschaft entstammt, lässt es sich zudem nicht nur auf ökonomische Probleme anwenden, sondern als ein Prinzip allen zweckgerichteten Handelns im Alltag: Menschen können es verwenden, um ihre Tagesabläufe zu optimieren, die Größe ihrer Familie zu planen, den Spritverbrauch beim Autofahren zu kontrollieren oder schlicht, um ihre Zähne zu putzen.
Ein Kalkül nach dem w.n P. ist auch nicht nur für Entscheidungen unter sicheren Erwartungen möglich. In der ökonomischen Entscheidungstheorie findet es sich v. a. bei Entscheidungen unter Risiko, die i. S. d. Spieltheorie als „Spiele gegen die Natur“ aufgefasst werden können, in der Form der Maximierung des Erwartungsnutzens. Die Principal-Agent-Theorie löst auf dieser Basis z. B. das Problem des Moralischen Risikos (moral hazard) in Versicherungs- oder Arbeitsverträgen.
Aus wissenschaftstheoretischer Sicht dient das w. P. als Klugheitsregel dem pragmatischen Wissenschaftsziel, nach dem die Formulierung von Ziel-Mittel-Aussagen i. S. sozialwissenschaftlicher Technologien angestrebt wird. Insofern Technologien lediglich anwendungsbezogene Umformungen von (expliziten oder impliziten) Theorien (Ursache-Wirkungs-Aussagen) sind, ist die Anwendung des w.n P.s grundsätzlich wertfrei, auch wenn der amerikanische Sprachgebrauch hierfür ebenfalls den Begriff der „normativen Theorie“ (Jensen 1983: 319) kennt. Ob ein Mittel geeignet ist, um ein Ziel zu erreichen, ist in wahrheitsfähiger Weise ohne subjektive Wertung diskutierbar. Das w. P. formuliert daher auch kein „Menschenbild“, das vorschreibt, wie sich Individuen in ihrem Leben verhalten sollen. In technologischer Ziel-Mittel-Formulierung äußert es lediglich eine Gestaltungsempfehlung zur Bewältigung von Knappheit unter der Bedingung, dass der Entscheider das zugrundeliegende Ziel teilt. In Form einer Theorie bringt das w. P. zum Ausdruck, wie Menschen i. d. R. tatsächlich die Mittel in Bezug auf die von ihnen angestrebten Ziele wählen. Da diese, wie v. a. die Verhaltensökonomik zeigt, in der Realität manchmal anders entscheiden, können wirtschaftswissenschaftliche Argumente, die auf dem w.n P. basieren, immer nur „Erklärungen im Prinzip“ (Hayek 1967: 11) sein, nicht aber adäquate Erklärungen jedweden menschlichen Handelns.
In moralischer Hinsicht ist das w. P. grundsätzlich neutral. Seine Anwendung kann jedoch moralisch problematische Konsequenzen haben, wenn das vom Entscheider angestrebte Ziel in sich schlecht ist (z. B. Habgier) oder – wie in sozialen Dilemmasituationen – Dritte einen Teil der Kosten für die angestrebte Handlung zu tragen haben (externe Effekte), sei es in Form negativer sozialer Folgen (z. B. schlechte Entlohnung) oder von Umweltschäden (z. B. durch Verschmutzung von Meeren). Daher sollte das w. P. im Unternehmenskontext nicht isoliert, sondern i. S. eines integrativen Nachhaltigkeitskonzepts Verwendung finden. Nur wechselseitiges Ausbalancieren und Integrieren von wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Folgen stellt die Grundlage nachhaltigen Handelns dar (Nachhaltigkeit). Das Gewinnparadox in der Unternehmensethik behauptet, dass Unternehmen, die eine Gemeinwohlzielsetzung (Gemeinwohl) verfolgen, ebenso erfolgreich sein können wie gewinnmaximierende Unternehmen.
Die moralische Vertretbarkeit einer isolierten Anwendung des w.n P.s hängt auch vom Entscheidungsumfeld ab. Die wirtschaftspolitische Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft sieht eine institutionenethische Lösung (Institutionenethik) moralischer Dilemmaprobleme über den Regelrahmen der Wirtschaft vor. Zumindest in dem Maße, in dem die Wettbewerbsordnung die Wahl moralisch vertretbarer Handlungen erzwingt, kann daher für die Anwendung des w.n P.s durch ein gewinnmaximierendes Unternehmen grundsätzlich eine allgemeine „Richtigkeitsvermutung“ (Steinmann/Löhr 1994: 107) gelten.
Literatur
H. Laux/R. M. Gillenkirch/H. Y. Schenk-Matthes: Entscheidungstheorie, 102019 • C. Müller: Die Soziale Marktwirtschaft als wirtschaftsethische Konzeption, in: A. N. Krylov (Hg.): Corporate Social Responsibility: Wirtschaftsmodelle – Moral – Erfolg – Nachhaltigkeit, 2013, 41–64 • K. Chmielewicz: Forschungskonzeptionen der Wirtschaftswissenschaften, 32004 • G. S. Becker/G. N. Becker: Die Ökonomik des Alltags, 1998 • N. E. Bowie: The Paradox of Profit, in: N. D. Wright (Hg.): Papers on the Ethics of Administration, 1998, 97–118 • H. Steinmann/A. Löhr: Grundlagen der Unternehmensethik, 21994 • B.-T. Ramb/M. Tietzel: Ökonomische Verhaltenstheorie, 1993 • G. Stigler: Economics: The Imperial Science?, in: SJE 86/3 (1984), 301–313 • M. C. Jensen: Organization Theory and Methodology, in: AR 58/2 (1983), 319–339 • A. Blinder: The Economics of Brushing Teeth, in: JPE 82/4 (1974), 887–891 • F. A. von Hayek: Degrees of Explanation, in: ders. (Hg.): Studies in Philosophy, Politics, and Economics, 1967, 3–21.
Empfohlene Zitierweise
M. Sendker, C. Müller: Wirtschaftliches Prinzip, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Wirtschaftliches_Prinzip (abgerufen: 24.11.2024)