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Version vom 11. September 2018, 15:07 Uhr
1. Aufgaben, Geschichte und Herausforderungen
1.1 Aufgaben
Zur Pflege der deutschen auswärtigen Beziehungen, die gemäß Art. 32 Abs. 1 GG Sache des Bundes ist, bedient sich dieser seines Auswärtigen Dienstes (A.n D.es). Dessen wesentliche Aufgaben sind, neben der Gestaltung der Außenpolitik, Hilfe für deutsche Staatsangehörige im Ausland, Förderung der Wirtschaftsinteressen und Public Diplomacy, die in der öffentlichen Meinung des Auslands ein attraktives Deutschlandbild vermitteln soll. Die Privilegien des Berufsstandes sind im WÜD von 1961 und im WÜK von 1963 völkerrechtlich bindend geregelt.
Deutschland unterhält 153 Botschaften, 61 Generalkonsulate und 12 Vertretungen bei zwischen- und überstaatlichen Organisationen. Trotz gelegentlich hinterfragter Relevanz eines nationalen A.n D.es angesichts vielfältiger bi- und multilateraler Verflechtungen und der nachlassenden Bedeutung von Staatsgrenzen (Grenze) im EU-Raum sind Pflege und aktive Gestaltung der auswärtigen Beziehungen durch den A.en D. zur glaubwürdigen Darstellung und Durchsetzung deutscher Interessen eine unverzichtbare Aufgabe staatlicher Souveränität.
1.2 Der Auswärtige Dienst in Vergangenheit und Gegenwart
Von einem professionellen deutschen A.n D. kann erst seit der Reichsgründung von 1871 gesprochen werden. Bismarck verlieh der neu geschaffenen Behörde unter Bezugnahme auf die Vorgängerin im Norddeutschen Bund und möglicherweise inspiriert durch das britische Vorbild den Namen „Auswärtiges Amt“ (A.A.). Diese Bezeichnung hat sich bis heute erhalten. Bis zum Ende des Kaiserreiches stand das A.A. unter der Leitung beamteter Staatssekretäre. Völlig umgestaltet wurde es nach dem Ersten Weltkrieg durch die Schülersche Reform, durch die diplomatische und konsularische Aktivitäten zusammengeführt wurden. In der Weimarer Republik erfreute sich der A.D. unter starken Außenministern beträchtlicher Selbständigkeit bei der Gestaltung der Beziehungen mit Deutschlands ehemaligen Kriegsgegnern.
In eine Krise geriet die deutsche Diplomatie während der NS-Zeit. Ihre Rolle war und ist Gegenstand von Kontroversen. Nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland und der Wiedereinrichtung eines A.n D.es bestand dessen vornehmste Aufgabe darin, Vertrauen in der internationalen Politik zurückzugewinnen, den Weg für die Deutsche Einheit offen zu halten und die internationale Aufwertung der DDR zu verhindern. Sein schlagkräftigstes Instrument war die Hallstein-Doktrin, die die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der DDR durch ein Drittland als unfreundlichen Akt mit der Folge des Abbruchs der diplomatischen Beziehungen betrachtete. Eine zunächst behutsame, aber nach Lösung interner Konflikte umso nachdrücklicher betriebene Neuorientierung fand statt, nachdem Willy Brandt 1966 das Amt des Außenministers und 1969 das des Bundeskanzlers eingenommen hatte. Diese Neuorientierung, an welcher der A.D. einen hohen Anteil hatte und die weltweit unter dem Schlagwort Ostpolitik zu Prominenz gelangte, führte zur Normalisierung der Beziehungen zu den Staaten des Warschauer Paktes darunter der DDR, zur völkerrechtlichen Anerkennung der polnischen Westgrenze und zum Einzug beider deutscher Staaten in die Vereinten Nationen. Nach den Ereignissen des Jahres 1989 bestand die Hauptaufgabe des A.n D.es in der Vorbereitung einer Friedensregelung als Voraussetzung für die internationale Akzeptanz der deutschen Vereinigung. Dies wurde mit dem vom A.A. vorbereiteten Zwei-Plus-Vier-Vertragswerk schließlich erreicht, in welchem die vier Siegermächte der deutschen Vereinigung unter Verzicht auf ihre Viermächteverantwortung zustimmten.
Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts erfolgte mit Hilfe einer Historikerkommission eine Aufarbeitung der nicht zu haltenden historischen Legende, der A.D. sei von 1933 bis 1945 ein Hort des politischen Widerstands gegen das NS-Regime gewesen.
1.3 Probleme und Herausforderungen
Unübersehbar ist ein gewisser Bedeutungsverlust, den der A.D. in der zweiten Hälfte des 20. Jh. erfahren hat. Er ist verursacht durch die vielfältigen persönlichen und direkten Kontakte der politisch handelnden Führungspersönlichkeiten, durch die vergleichsweise bescheidene personelle und finanzielle Ausstattung, durch die überragende Stellung des Bundeskanzleramtes, das die operative Behandlung zentraler Außendossiers an sich gezogen hat, und nicht zuletzt durch die Übertragung von Zuständigkeiten an den A.n D. der EU. Im Gefolge dieser Verschiebungen haben sich Kernkompetenzen für den A.n D. auf den Feldern Protokoll, Rechts- und Konsulardienste (Gesandtschaftsrecht), Pflege des Ansehens Deutschlands als Wirtschafts- und Friedensmacht und die immens wichtige auswärtige Kulturpolitik im Bereich der deutschen Auslandsschulen, Universitäten und Stipendienprogrammen herausgebildet und gefestigt. Zusätzlich konnte der A.D. dank seiner internationalen Vernetzung seine Rolle als ehrlicher Makler bei Konfliktlösungen und humanitären Missionen im Rahmen der weltweit stark nachgefragten multilateralen Diplomatie aufwerten.
2. Aufbau des Dienstes
Der heutige A.D. besteht wie derjenige in vergleichbaren Staaten aus den Angehörigen der mit den auswärtigen Angelegenheiten betrauten Zentrale und dem Personal der Auslandsvertretungen. Die Angehörigen des A.n D.es sind i. d. R. Bundesbeamte (Beamte). Das A.A. am Werderschen Markt in Berlin besteht aus der Leitungsebene und verschiedenen Abteilungen, die sich u. a. mit Politik, Rechts- und Konsularfragen, Außenwirtschaft (Außenwirtschaftspolitik), Völkerrecht, kultureller Außenpolitik, Protokollfragen und mit der hauseigenen Personalpolitik befassen. An seiner Spitze stehen der Bundesminister des Auswärtigen, beamtete Staatssekretäre (Staatssekretär) sowie parlamentarische Staatsminister, die dem Bundestag angehören.
Die Angehörigen des Dienstes gehören vier Laufbahngruppen an, dem höheren, dem gehobenen, dem mittleren und dem einfachen Dienst. Der Dienst verwendet Rangbezeichnungen aus der Glanzzeit europäischer Diplomatie, wie Vortragender Legationsrat, Gesandter und Botschafter. Alle Bediensteten wechseln im Turnus zwischen Aufenthalten in der Zentrale und Verwendungen an den Auslandsvertretungen, was eine erhebliche Belastung von Gesundheit und Familienleben zur Folge haben kann. Die Gesamtzahl der Amtsangehörigen beläuft sich auf ca. 11 000. Davon sind ca. 45 % Frauen, die 17 % der Führungspositionen besetzen (Stand: 2015). Während der A.D. vor dem Zweiten Weltkrieg eine Domäne des Adels und des Großbürgertums (Bürger, Bürgertum) war, steht er heute im höheren Dienst Kandidaten mit abgeschlossener Hochschulbildung und im gehobenen Dienst allen Abiturienten offen. Normative Grundlage ist seit 1990 das GAD. Zur Erfüllung seiner Aufgaben und für seine Personalkosten stehen dem A.n D. zwischen 1 % und 1,5 % des Bundeshaushalts zur Verfügung. Der Eintritt in das A.A. zählt unter Jungakademikern zu den attraktivsten Berufsoptionen. Die Zahl der Bewerber, die sich einem anspruchsvollen Eignungstest unterziehen müssen, geht jährlich in die Tausende.
Literatur
M. Brechtken: Mehr als Historikergeplänkel. Die Debatte um „Das Amt und die Vergangenheit“, in: VfZ 63/1 (2015), 59–91 • J. Hürter/M. Mayer (Hg.): Das Auswärtige Amt und die NS-Verbrechen, 2014 • J. E. Schulte/M. Wala (Hg.): Widerstand und Auswärtiges Amt, 2013 • E. Conze u. a.: Das Amt und die Vergangenheit, 2010 • M. K. D. Cross: The European Diplomatic Corps, 2007 • L. Biewer/R. Blasius (Hg.): In den Akten, in der Welt, 2007 • C. von Kameke: Einblicke. Das Auswärtige Amt zwischen 1871 und 2001, 2003 • K. Hamilton/R. Langhorne: The Practice of Diplomacy, 1995 • W. Haas: Beitrag zur Geschichte der Entstehung des Auswärtigen Dienstes der Bundesrepublik Deutschland, 1969 • W. Zechlin: Die Welt der Diplomatie, 1960.
Empfohlene Zitierweise
A. Herkes: Auswärtiger Dienst, Version 09.05.2018, 17:32 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Ausw%C3%A4rtiger_Dienst (abgerufen: 25.11.2024)