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Version vom 15. August 2021, 11:52 Uhr
1. Begriff
S. als zivilrechtlicher Fachbegriff umfasst die Regeln über die Zuordnung von Sachen. Einige dieser Regeln betreffen aber auch andere Objekte (Rechte; Gesamtheit des Vermögens; Nachlass). Die im S. geregelten Rechte heißen, da die Beziehung einer Person zu einer Sache bestimmend, auch dingliche Rechte. Daneben gibt es S. als öffentlich-rechtlichen Begriff. Er hat die Regeln über die Benutzung öffentlicher Sachen (z. B. Straße, Park, Bibliothek, Theater, Friedhof) zum Inhalt. Nachfolgend ist der zivilrechtliche Begriff erläutert.
2. Rechtsquellen
S. findet sich in deutschem Bundes- und Landesrecht. Hauptsächlich enthält das ebenso bezeichnete dritte Buch des BGB S. Aber auch die übrigen Bücher des BGB regeln verstreut S. Ferner gibt es sachenrechtliche Sondergesetze, z. B. über Wohnungseigentum (WEG), Erbbaurechte (ErbbauRG), Verkehr mit land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken (GrdstVG). Landesrechtlich sind etwa die Gesetze über Nachbarrecht, Bergbau, Deiche, Jagd, Fischerei anzuführen. Ähnlich mehrschichtig ist die Rechtslage in Österreich (Bundes- und Landesrecht) und in der Schweiz (Bundesrecht und kantonales Recht).
3. Regelungsobjekte
S. definiert die im Mittelpunkt stehende (wenngleich nicht ausschließlich berührte) Sache als körperlichen Gegenstand (§ 90 BGB; in Österreich sind gemäß § 292 ABGB auch unkörperliche Gegenstände „Sache“) und bezeichnet dazu Bestandteile (insb. Gebäude als Grundstücksteile), Zubehör, Erträge und Lasten (§§ 93 bis 103 BGB; Erträge und Lasten auch betreffend Rechte behandelt). Geregelt werden sodann Innehaben, dessen Schutz und Übertragung oder Teilung der Inhaberschaft zu gleichen Befugnissen oder mit unterschiedlichen Berechtigungsumfängen (v. a. im Dritten Buch des BGB). Hierbei ist Abgrenzung zu den im Zweiten Buch des BGB geregelten Schuldbeziehungen nötig: Der Mietvertrag (§ 535 BGB) verpflichtet zur Gebrauchsüberlassung; vollzogen wird er mit Besitzverschaffung nach S. Kaufvertrag (§ 433 BGB), Gesellschaftsvertrag (§ 705 BGB), Sicherungsvertrag (Kreditsicherung), Schenkungsvertrag (§ 516 BGB), Vermächtnis (§ 1939 BGB) erzeugen eine Verpflichtung zur Eigentumsübertragung; vollzogen wird sie indessen mit Übereignung nach S. Die Zweiteilung zwischen Verpflichtungsgeschäft und Vollzugsgeschäft heißt Trennungsgrundsatz. Sie geht so weit, dass der Vollzug (sachenrechtliche Neuzuordnung; auch dingliches Geschäft genannt) selbst dann gelten kann, wenn die Verpflichtung unwirksam war (Abstraktionsprinzip). Die sachenrechtlichen Geschäfte, d. h. die vom Inhaber nach seiner Willkür (Privatautonomie) ergriffenen Maßnahmen zur Änderung der Zuordnung, werden Verfügungen genannt, wobei offene Stellvertretung (§ 164 BGB) oder verdecktes Handeln durch einen Ermächtigten (§ 185 Abs. 1 BGB) möglich sind.
4. Eigentum und Besitz: Rechtliche und tatsächliche Herrschaft
Die wichtigsten Zuordnungen sind Eigentum und Besitz. Mit Besitz ist die tatsächliche Sachgewalt gemeint (§ 854 BGB). Diese Sachherrschaft kann berechtigt sein (Leihnehmer, Mieter) oder unberechtigt (Dieb). Eigentum ist die umfassende Rechtsherrschaft über eine Sache (§ 903 BGB). Die Eigentumsfreiheit wird indessen bereits innerhalb des BGB v. a. in Bezug auf unbebaute und bebaute Grundstücke durch Vorschriften über Immissionen (§ 906) und andere Einwirkungen im Boden oder im Luftraum (§ 905), durch Haftpflicht (§ 833 BGB) und durch Mietpreisregulierung und Kündigungsschutz für Wohnraum (§§ 556 ff., 568 ff. BGB) beschnitten. Kaum zu überschauen sind die unter dem Gedanken des Gemeinwohls (Art. 14 Abs. 2 GG) vom öffentlichen Recht in Bund, Land und Kommune gebildeten Nutzungsbeschränkungen, welche je für sich plausibel erscheinen, aber in der Summe alles Immobilieneigentum entschädigungslos aushöhlen (z. B. in Bau-, Wasser-, Naturschutz-, Berg-, Luftfahrt-, Energie-, Abfall-, Straßenreinigungs-, Denkmal-, Abgabenrecht), und zu Mobilien zumindest die Idee der Eigentumsfreiheit mit Zulassungs- und Kontrollregelungen in Frage stellen, wenn auch nicht jedes einzelne bewegliche Objekt betroffen ist.
5. Mehrere Inhaber
Eine Sache kann mehreren Eignern gemeinsam gehören. Jeder Beteiligte hat einen ideellen Anteil (§ 1009 BGB: Bruchteilseigentum). Nicht etwa beziehen die Anteile sich auf körperlich abgegrenzte Teile der Sache. Eine Ausnahme macht Wohnungseigentum oder (im Falle eines nicht zum Wohnen bestimmten Anwesens) Teileigentum nach § 1 WEG; hier ist Bruchteilseigentum am Grundstück samt Gebäude mit Sondereigentum an bestimmten Räumen verknüpft. Vereinzelt hat sich auch noch Stockwerkseigentum aus der Zeit vor dem BGB (vor 1900) erhalten. Das Erbbaurecht trennt das Eigentum am Bauwerk insgesamt vom Bodeneigentum (§§ 1, 12 ErbbauRG). Alte Rangbildungen von Ober- und Untereigentum, ebenso Lehensbeziehungen und Familienfideikommisse wurden im Laufe des 19. Jh. oder mit Einführung des BGB abgewickelt. Beendet wurde ab dem Jahr 1990 auch die Stufung von sozialistischem Eigentum am Boden und persönlichem Eigentum am Gebäude nach §§ 17 ff., 22 ff., 295 f. ZGB DDR.
Besitz kann ebenfalls in mehreren Händen zugl. liegen. Hat jeder vollen Zugriff, handelt es sich um Mitbesitz (§ 866 BGB); wer nur auf einen körperlich abgegrenzten Teil Zugriff hat, ist Teilbesitzer (§ 865 BGB). Übt jemand unselbständig für einen anderen die Sachgewalt aus (z. B. Arbeitnehmer), ist er nur Besitzdiener (§ 855 BGB); als Besitzer gilt allein der Weisungsbefugte (z. B. Arbeitgeber). Wer hingegen eigenständig (eigennützig als Pächter, Leihnehmer; treuhänderisch als Beauftragter, Kommissionär, Sicherungsnehmer) mit Beziehung zu einem anderen die Sache innehat, ist unmittelbarer Besitzer, der dem anderen den Besitz vermittelt, weshalb auch der andere Besitzer ist (§ 868 BGB: mittelbarer Besitzer).
6. Erwerb und Schutz von Eigentum und Besitz
Eigentum kann neu entstehen (§ 958 BGB: Aneignung; § 950 BGB: Verarbeitung; § 973 BGB: Funderwerb), oder man übernimmt es in Gesamt- (§ 1922 Abs. 1 BGB: Erbfall) oder Einzelnachfolge (Übereignung). Die Übereignung (Veräußerung) beweglicher Sachen geschieht mit Übergabe bei Einigsein über den Eigentumswechsel (§ 929 S. 1 BGB); Immobilien übereignet man durch Einigung (Auflassung) und Eintrag in das beim Amtsgericht geführte Grundbuch (§§ 873, 925 Abs. 1 BGB). Die Immobilienübereignung ist bedingungsfeindlich (§ 925 Abs. 2 BGB). Hingegen können die Beteiligten die Übereignung einer beweglichen Sache unter Bedingung (§ 158 BGB) stellen, sodass bspw. dem Käufer die gelieferte Sache erst dann gehört, wenn er den Kaufpreis bezahlt (§ 449 Abs. 1 BGB: Eigentumsvorbehalt). Wer sich eine Sache von einem Nichtberechtigten übereignen lässt, genießt unter Umständen Schutz seines guten Glaubens und erwirbt das Eigentum bei Enteignung des wahren Berechtigten (§§ 892, 932 ff. BGB, 366 HGB).
Eigentümer und Besitzer sind gegen Vorenthalten und Störung mit Ansprüchen auf Herausgabe (§§ 985, 1007, 861 BGB), Beseitigung und Unterlassung (§§ 1004, 862 BGB), Schadensersatz (§§ 990 ff., 1007 Abs. 3, 823 Abs. 1 BGB) geschützt. Eigentum und Besitz sind von jedem anderen zu respektierende, „absolute“ Stellungen.
7. Beschränkte dingliche Rechte
Neben der rechtlichen Vollherrschaft Eigentum bietet S. ausschnitthafte Rechte an, sog.e beschränkte dingliche Rechte. Diese Rechte geben einzelne Befugnisse an der Sache, wie sie der Eigentümer innerhalb seiner Vollherrschaft hat. Man kann sie als Ausgliederungen aus dem Eigentum verstehen. Einmal zugunsten eines anderen eingerichtet, hemmen sie mehr oder minder stark die Dispositionsfreiheit des Eigners. Sie heißen deswegen auch Belastungen (des Eigentums).
Beschränkte dingliche Rechte ähneln mitunter in der praktischen Ausübung vertraglichen Schuldverhältnissen, wie sie im Zweiten Buch des BGB beschrieben sind. Doch muss man einen schuldrechtlichen Vertrag streng von einem dinglichen Recht unterscheiden. Der schuldrechtliche Vertrag erzeugt eine Verpflichtungsbeziehung von Person zu Person (Obligation), welche für dritte Personen prinzipiell unbeachtlich ist. Hingegen erzeugt die Belastung ebenso wie das umfassende dingliche Recht Eigentum eine Rechtsbeziehung zwischen Person und Sache, welche von jeder anderen Person zu achten ist; es ist „absolutes“ Recht. Die Belastung kann von einer vertraglichen Obligation zwischen Eigner und Inhaber des dinglichen Rechts eingerahmt sein; doch ist das für den Bestand des dinglichen Rechts nicht nötig (auch hier gelten also Trennungs- und Abstraktionsprinzip). Stets gibt es indessen eine zusätzliche schuldrechtliche Beziehung zwischen Eigner und beschränkt dinglich Berechtigtem, welche aus dem Bestand des beschränkten dinglichen Rechts selbst hervorgeht.
Belastungen erlauben dem Berechtigten Verwertung, Benutzung, Genuss von Erträgen oder bestehen allein darin, Handlungsfreiheiten des Eigners einzuschränken:
8. Pfandrechte
Die geläufigsten Belastungen sind die auf Verwertung zielenden Pfandrechte. Sie gewähren dem Begünstigten das Recht, aus dem Pfandobjekt zwangsweise einen Geldbetrag zu erlösen und werden meistens zwecks Kreditsicherung bestellt. Grundpfandrechte sind für Immobilien (unbebaute und bebaute Grundstücke; Wohnungseigentum, Teileigentum; Erbbaurecht) und eingetragene Seeschiffe vorgesehen. Es gibt sie als notwendig mit einer zu sichernden Forderung verbundene Hypothek (§ 1113 BGB) und als forderungslos konstruierbare, tatsächlich i. d. R. aber ebenfalls wegen einer zu sichernden Forderung eingerichtete Grundschuld (§ 1191 BGB). Sie entstehen durch Einigung und Registereintrag (§ 873 BGB) oder im Wege der Zwangsvollstreckung (§ 866 ZPO). Mobiliarpfandrechte (meistens ungenau nur mit dem Oberbegriff Pfandrecht bezeichnet) können zur Sicherung einer Forderung sowohl an einer beweglichen Sache (§ 1204 BGB) als auch an einem Recht (§ 1273 BGB) durch Rechtsgeschäft zwischen Inhaber und Gläubiger begründet werden. Pfandrechte entstehen ferner durch Pfändung in der Zwangsvollstreckung (§ 804 ZPO) oder kraft Gesetzes bei bestimmten Geschäften (z. B. § 647 BGB: Werkunternehmerpfandrecht; § 440 HGB: Frachtführerpfandrecht).
9. Nutzungs- und Leistungsrechte
Nutzungsrechte erscheinen als Dienstbarkeiten und als Erbbaurecht. Eine Grunddienstbarkeit belastet eine Immobilie zugunsten des Eigners einer anderen, herrschenden Immobilie mit einem Benutzungsrecht (§ 1018 BGB), bspw. als Wegerecht, das die Zufahrt zum Nachbargrundstück erleichtert. Die beschränkte persönliche Dienstbarkeit belastet eine Immobilie zugunsten einer Person ohne Bezug zu einem herrschenden Grundstück (§ 1090 BGB), bspw. als Wohnungsrecht (§ 1093 BGB). Diese gemäß § 873 BGB im Grundbuch sichtbaren Dienstbarkeiten sind nicht mit den Schuldverträgen Leihe (§ 598 BGB) und Miete (§ 535 BGB) zu verwechseln. Ferner sind Immobilien, bewegliche Sachen, Rechte, auch das Vermögen insgesamt und ein Nachlass mit Nießbrauch belastbar, d. h. mit dem Recht, Nutzungen zu erwirtschaften (§§ 1030, 1068, 1085, 1089; nicht zu verwechseln mit Pacht: § 581 BGB). Das Erbbaurecht erlaubt dem Inhaber, das belastete Grundstück mit einem Gebäude zu versehen (§ 1 ErbbauRG). All diese Rechte sind letztlich Gebote an den Eigner, den Berechtigten in seinem Tun gewähren zu lassen; sie zielen somit auf Unterlassen von Widerstand. Hingegen verpflichtet eine Reallast den Eigner eines Grundstücks, dem Berechtigten (mit oder ohne Bindung an Innehaben eines herrschenden Grundstücks) aktiv Leistungen aus dem Grundstück zuzuwenden (§ 1105 BGB), z. B. ihm dort Wohnung zu geben und zu erhalten.
Von den zivilrechtlichen Nutzungs- und Leistungsrechten sind die heute als öffentlich-rechtlich angesehenen und nicht im Grundbuch erfassten Rechte Ortsansässiger auf Nutzung früherer Allmende und heutigen Kommunallandes (Holz-, Weide-, Heu-, Acker-, Krautgarten-, Mühl-, Fischrechte; Rechte zum Sammeln von Reisig, Laub, Eicheln) zu unterscheiden.
10. Reine Handlungsbeschränkungen
Grunddienstbarkeiten und beschränkte persönliche Dienstbarkeiten können sich darin erschöpfen, dass der Eigner (z. B. der Inhaber eines Einfamilienhauses; ein Gewerbetreibender, der in ein Vertriebssystem eintritt) etwas unterlässt (auf dem Grundstück zu bauen oder einen Baum zu pflanzen; Einzelhandel zu betreiben), ohne dass der Berechtigte (der Nachbar; der Systembetreiber) selbst etwas auf dem belasteten Grundstück tun darf (§§ 1030, 1090 BGB). Baulasten zählen nicht hierzu. Sie entspringen dem öffentlichen Landesbaurecht (Baurecht). Die dort geforderten Abstands- und Kraftfahrzeugstellflächen dürfen Nachbargrundstücke gewähren (was nicht im Grundbuch erscheint).
Ein dingliches Vorkaufsrecht an einer Immobilie (§ 1094 BGB; zu unterscheiden vom schuldrechtlichen Vorkaufsrecht: § 463 BGB) erlaubt dem Berechtigten, den Käufer zu verdrängen, wenn der Eigner die Immobilie verkauft; das verringert die Verkäuflichkeit.
Literatur
H. Prütting: Sachenrecht, 362017 • J. F. Baur/R. Stürner: Sachenrecht, 182009 • H. J. Wieling: Sachenrecht, 52007.
Empfohlene Zitierweise
C. Becker: Sachenrecht, Version 14.08.2021, 13:00 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Sachenrecht (abgerufen: 24.11.2024)