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[[Category:Politikwissenschaft]]

Version vom 14. November 2022, 05:57 Uhr

L. bezeichnet in der Moderne zunächst die rechtmäßige Begründung von Herrschaft und sodann, soweit rechtlich geregelte Bereiche betroffen sind, die Bindung allen staatlichen und privaten Handelns an Gesetz und Verfassung. Vordergründig handelt es sich um ein formelles, für den Rechtsstaat konstitutives Prinzip. Immanuel Kant stellt der L. die Moralität gegenüber und spricht damit die historische Kontinuität besitzende Tatsache an, dass es Staaten geben kann, in denen L. als bloßes Formalprinzip ohne normative Rückbindung, ohne „Moral“ also, für sich bestehen und gelten kann. Grundsätzlich trifft diese Interpretation für die Entstehung dieses Begriffs im 18. Jh. faktisch zu, als sich v. a. die monarchische Obrigkeit zur Rechtfertigung ihrer Position und ihres herrschaftlichen Handelns auf ihn berief, wie übrigens auch wieder zur Restaurationszeit im 19. Jh.

Mit dem Aufstieg von Liberalismus und Bürgertum (Bürger, Bürgertum) richtet sich die gesellschaftliche Einforderung von L. gegen willkürliches und opportunistisches, in Freiheit und Eigentum eingreifendes Handeln der Monarchie. Dessen Bindung an eine rechtliche Grundlage bedeutete zugl. die Respektierung des vom bürgerlichen Parlament mitbeschlossenen generellen abstrakten Gesetzes, das erst zum Handeln ermächtigt. Dieses L.s-Prinzip schränkte monarchische Souveränität und überhaupt die Herrschaft von Menschen über Menschen zugunsten der Herrschaft des Gesetzes ein. Also gestaltete das L.s-Prinzip trotz seiner prioritären Formalität die Staatsqualität sukzessive konstitutionalistisch um.

In der zweiten Hälfte des 19. Jh. setzte sich, auf den Grundsatz der L. gestützt, der formale Rechtsstaat durch. Ihn kennzeichnen verfassungs- und gesetzmäßiges Handeln der politischen, administrativen und juristischen Institutionen sowie der Privaten, also ihre generelle Bindung an die Rechtsordnung. Im demokratischen Verfassungsstaat der Neuzeit steht das L.s-Prinzip für die Realisierung legislatorischer parlamentarischer Entscheidungen. Es ist eine Voraussetzung für die Legitimität hoheitlicher Akte, wie es auch im GG der BRD zum Ausdruck kommt, wobei dieses durch seine Wertbindung zusätzlich materiell darüber hinausweist. L. ist demnach an das Demokratieprinzip (Demokratie) gebunden. Überdies unterliegt staatliches Handeln der L.s-Kontrolle durch übergeordnete Gerichte bis hin zum BVerfG.

L. schließt Rechtswillkür aus. Sie stiftet Orientierungssicherheit auch zwischen den Bürgern und für deren gesellschaftliches Verhalten vom Rechtsschutz bis zum Strafrecht. L. ist und bleibt eine wichtige Funktionsgrundlage gerade des demokratischen Verfassungsstaats und seiner Organe. Sie schützt auch dessen Verwaltung vor politischem Druck. Ihre zwingende Geltungskraft gegenüber Staat und Gesellschaft ist zudem eine Voraussetzung für Rechtssicherheit und Rechtsfrieden als Grundlagen einer zuträglichen politischen Ordnung, welche individuelle Entfaltungsfreiheit gewährleistet. Damit hat das urspr. formale Prinzip im Laufe der Geschichte erhebliche Bedeutung für die Verwirklichung normativer Prinzipien staatlicher Ordnung gewonnen.

Letzte Autorität kommt der L. und ihrer Achtung nach den historischen Erfahrungen mit Unrechtsregimen erst dann zu, wenn sie nicht jedwede, sondern eine Staatsordnung menschenwürdiger Ausrichtung schützt, wie hier durch die Hinweise auf den demokratischen Rechtsstaat implizit bereits angedeutet. L. ist dann eine konstitutive Voraussetzung für die Anerkennung einer solchen Ordnung im Sinne Kant’scher Moralität, also für Legitimität.

Verfassungspolitisch ergibt sich daraus die Folgerung, dass L. und Legitimität nicht mehr gegeneinander ausgespielt werden können, wie es im Alltag des öfteren von individuell-opportunistischen politischen Positionen aus geschieht, und wie es Carl Schmitt in der Endphase der Weimarer Republik wirkungsvoll unternahm, indem er den individuelle Selbstentfaltung erst ermöglichenden Pluralismus als gesellschaftliche Heterogenität verwarf und Legitimität ausschließlich an die Voraussetzung „substantieller Gleichartigkeit“ (Schmitt 1968: 31), also an Homogenität, band; ihr sei der L.s-Begriff des (pluralistischen) parlamentarischen Gesetzgebungsstaates notfalls preiszugeben. Mit dieser Preisgabe zugunsten einer widerspruchsfreien „substanzhaften Ordnung“ (Schmitt 1968: 98) sinkt die freiheitliche Ordnung dahin. Verwandt damit waren in der BRD der 1970er und 1980er Jahre Positionen, die sie als lediglich „formale Demokratie“ kritisierten und statt von der Begründungsfähigkeit praktischer Normen von ihrer Wahrheitsfähigkeit und dem „Ideal“ einer moralischen Gemeinschaft ausgingen. Diese wäre nach Seyla Benhabib „freed from conflict, but also freed from politics and the experience of human plurality“ (Benhabib 1982: 74).

Auch hier wird eine substanzhafte Ordnung vorgegeben, die zu ihrer Verwirklichung keiner vom L.s-Prinzip gesteuerten Verfahren mehr bedarf, die des GG dagegen sehr wohl, weil sie den Prinzipien der offenen Gesellschaft dient. Ebensowenig rechtfertigen auf einzelnen Politikfeldern individuell für unwidersprechbar und Natur und Menschheit rettend empfundene Positionen, das L.s-Prinzip u. U. sogar unter Berufung auf das Widerstandsrecht außer Kraft zu setzen (beispielhaft zu finden bei Guggenberger/Offe 1984, dagegen Oberreuter 1986). In der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gehen L. und Legitimität ineinander auf.