Arbeitskampf: Unterschied zwischen den Versionen

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<h3>2. Streikentwicklung in Deutschland</h3>
 
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Traditionell gehört die {{ #staatslexikon_articlemissing: BRD | Bundesrepublik Deutschland, BRD }} zu den Staaten mit der niedrigsten Streik- bzw., A.-Häufigkeit in der OECD. Beide Begriffe werden im Folgenden synonym verwendet. Unterscheidet man wegen der Beschränkung der A.-Statistik nicht zwischen ausgefallenen Arbeitstagen aufgrund von Streiks oder Aussperrungen, so gilt: Durchschnittlich gingen in den siebziger Jahren gut 50&nbsp;Arbeitstage pro 1000 zivile, abhängige Beschäftigte jährlich durch A.e verloren. Diese Zahl sank in den 1980er Jahren auf unter 30 Arbeitstage und weiter in den 1990er Jahren auf gut 10 Tage. Zwischen 2005 und 2014 lag der Arbeitsausfall pro 1000 Arbeitnehmer durch Streiks bei nur durchschnittlich 4 Tagen in Deutschland. Deutschland liegt folglich bei diesem Indikator (A.-Volumen) deutlich hinter anderen Ländern wie etwa dem Vereinigten Königreich mit 26 Tagen oder Frankreich mit mehr als 100 Tagen in diesem Zeitraum. Ein ähnliches Bild zeichnet sich ab bei anderen Messkonzepten, wie etwa der Streikhäufigkeit, dem Streikumfang (durchschnittliche Teilnehmerzahl pro Streik), der Streikdauer (im Durchschnitt verlorene Arbeitstage pro Streikteilnehmer) und der Konflikthäufigkeit, also der Anzahl der Streiks und der Aussperrungen. Es ergeben sich sowohl auf nationaler Ebene aufgrund verschiedener Quellen als auch auf internationaler Ebene wegen unvollständiger Informationen jedoch Mess- und Vergleichsprobleme. Viele Unterschiede im Ländervergleich ergeben sich, weil im Ausland auch politische Massenstreiks gerade im Gefolge der Finanz- und Wirtschaftskrise seit 2008 ({{ #staatslexikon_articlemissing: Finanzmarktkrise | Finanzmarktkrise }}) stattgefunden haben. Dies wäre in der BRD aufgrund des Verbots politischer Streiks unzulässig. Typischerweise verzerren Großkonflikte in einzelnen Jahren die längerfristigen Durchschnittszahlen. Aber eindeutige empirische Tendenzen lassen sich sehr wohl für Deutschland ausmachen. Auch mit der hohen Zahl von 2015 lag Deutschland international noch im Mittelfeld der Streikstatistik, während 2016 wieder ein erheblicher Rückgang der Ausfalltage zu verzeichnen war.
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Traditionell gehört die [[Bundesrepublik Deutschland|BRD]] zu den Staaten mit der niedrigsten Streik- bzw., A.-Häufigkeit in der OECD. Beide Begriffe werden im Folgenden synonym verwendet. Unterscheidet man wegen der Beschränkung der A.-Statistik nicht zwischen ausgefallenen Arbeitstagen aufgrund von Streiks oder Aussperrungen, so gilt: Durchschnittlich gingen in den siebziger Jahren gut 50&nbsp;Arbeitstage pro 1000 zivile, abhängige Beschäftigte jährlich durch A.e verloren. Diese Zahl sank in den 1980er Jahren auf unter 30 Arbeitstage und weiter in den 1990er Jahren auf gut 10 Tage. Zwischen 2005 und 2014 lag der Arbeitsausfall pro 1000 Arbeitnehmer durch Streiks bei nur durchschnittlich 4 Tagen in Deutschland. Deutschland liegt folglich bei diesem Indikator (A.-Volumen) deutlich hinter anderen Ländern wie etwa dem Vereinigten Königreich mit 26 Tagen oder Frankreich mit mehr als 100 Tagen in diesem Zeitraum. Ein ähnliches Bild zeichnet sich ab bei anderen Messkonzepten, wie etwa der Streikhäufigkeit, dem Streikumfang (durchschnittliche Teilnehmerzahl pro Streik), der Streikdauer (im Durchschnitt verlorene Arbeitstage pro Streikteilnehmer) und der Konflikthäufigkeit, also der Anzahl der Streiks und der Aussperrungen. Es ergeben sich sowohl auf nationaler Ebene aufgrund verschiedener Quellen als auch auf internationaler Ebene wegen unvollständiger Informationen jedoch Mess- und Vergleichsprobleme. Viele Unterschiede im Ländervergleich ergeben sich, weil im Ausland auch politische Massenstreiks gerade im Gefolge der Finanz- und Wirtschaftskrise seit 2008 ({{ #staatslexikon_articlemissing: Finanzmarktkrise | Finanzmarktkrise }}) stattgefunden haben. Dies wäre in der BRD aufgrund des Verbots politischer Streiks unzulässig. Typischerweise verzerren Großkonflikte in einzelnen Jahren die längerfristigen Durchschnittszahlen. Aber eindeutige empirische Tendenzen lassen sich sehr wohl für Deutschland ausmachen. Auch mit der hohen Zahl von 2015 lag Deutschland international noch im Mittelfeld der Streikstatistik, während 2016 wieder ein erheblicher Rückgang der Ausfalltage zu verzeichnen war.
 
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Das gesamte deutsche A.-Recht beruht alleine auf einer aus Art.&nbsp;9 Abs.&nbsp;3 GG abgeleiteten richterlichen Rechtsfortbildung durch das BAG. Danach schützt Art.&nbsp;9 Abs.&nbsp;3 GG als koalitionsmäßige Betätigung u.&nbsp;a. die Durchführung von A.-Maßnahmen, die auf den Abschluss von Tarifverträgen gerichtet sind. Vom {{ #staatslexikon_articlemissing: BVerfG | Bundesverfassungsgericht, BVerfG }} sind als verfassungsrechtlich geschützt anerkannt worden der Streik und die Abwehraussperrung. Wichtigste Schritte bei der Entwicklung des A.-Rechts sind die beiden Entscheidungen des GS des BAG von 1955 (Herleitung des Streikrechts aus Art.&nbsp;9 Abs.&nbsp;3 GG, BAG GS 28.1.1955-GS 1/54) sowie 1971 (Entwicklung des Gebots der {{ #staatslexikon_articlemissing: Verhältnismäßigkeit | Verhältnismäßigkeit }}, BAG GS 21.4.1971-GS 1/68) sowie die Urteile des BAG von 1980 (Entwicklung von Grenzen für die Aussperrung, u.&nbsp;a. BAG 10.6.1980-1 AZR 822/79) und des BVerfG von 1991 (verfassungsrechtliche Anerkennung der Abwehraussperrung, BVerfG 26.6.1991-1 BvR 779/85). In zwei Entscheidungen von 2007 (Unterstützungsstreik, BAG 19.6.2007-1 AZR 396/06) und 2009 („Flashmob“, BAG 22.9.2009-1 AZR 972/08) hat das BAG die Dogmatik des A.-Rechts neu ausgerichtet. Es betont seither die Kampfmittelfreiheit und akzentuiert bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer A.-Maßnahme den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
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Das gesamte deutsche A.-Recht beruht alleine auf einer aus Art.&nbsp;9 Abs.&nbsp;3 GG abgeleiteten richterlichen Rechtsfortbildung durch das BAG. Danach schützt Art.&nbsp;9 Abs.&nbsp;3 GG als koalitionsmäßige Betätigung u.&nbsp;a. die Durchführung von A.-Maßnahmen, die auf den Abschluss von Tarifverträgen gerichtet sind. Vom [[Bundesverfassungsgericht (BVerfG)|BVerfG]] sind als verfassungsrechtlich geschützt anerkannt worden der Streik und die Abwehraussperrung. Wichtigste Schritte bei der Entwicklung des A.-Rechts sind die beiden Entscheidungen des GS des BAG von 1955 (Herleitung des Streikrechts aus Art.&nbsp;9 Abs.&nbsp;3 GG, BAG GS 28.1.1955-GS 1/54) sowie 1971 (Entwicklung des Gebots der {{ #staatslexikon_articlemissing: Verhältnismäßigkeit | Verhältnismäßigkeit }}, BAG GS 21.4.1971-GS 1/68) sowie die Urteile des BAG von 1980 (Entwicklung von Grenzen für die Aussperrung, u.&nbsp;a. BAG 10.6.1980-1 AZR 822/79) und des BVerfG von 1991 (verfassungsrechtliche Anerkennung der Abwehraussperrung, BVerfG 26.6.1991-1 BvR 779/85). In zwei Entscheidungen von 2007 (Unterstützungsstreik, BAG 19.6.2007-1 AZR 396/06) und 2009 („Flashmob“, BAG 22.9.2009-1 AZR 972/08) hat das BAG die Dogmatik des A.-Rechts neu ausgerichtet. Es betont seither die Kampfmittelfreiheit und akzentuiert bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer A.-Maßnahme den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
 
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Version vom 11. September 2018, 15:06 Uhr

  1. I. Wirtschaftlich
  2. II. Rechtlich

I. Wirtschaftlich

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Charakteristisch für die bundesdeutsche Arbeitsmarktordnung ist, dass Gewerkschaften (nicht jedoch Betriebsräte, die nur auf Betriebsebene Arbeitnehmerinteressen vertreten) und Arbeitgeberverbände – oder einzelne Arbeitgeber – als Tarifpartner weitgehend autonom über die Gestaltung der allg.en Arbeits- und Entlohnungsbedingungen verhandeln können. Ausnahmen bei dieser verfassungsrechtlich garantierten Tarifautonomie bilden die Ausdehnung von Tarifnormen auch auf zuvor Tarifungebundene (Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen) mit aber nur begrenzter Bedeutung in den meisten Branchen in der Praxis und seit Januar 2015 der seitdem geltende, gesetzlich bestimmte flächendeckende Mindestlohn (mit nur wenigen Ausnahmen). Ansonsten hat sich der Staat außerhalb des Bereichs, in dem er selbst Arbeitgeber ist, auf diesem Gebiet auf allg.e Richtlinien für die Tariflohnpolitik zu beschränken. Aus Art. 9 Abs. 3 GG ergeben sich grundsätzlich das Recht der Arbeitnehmer, sich in Gewerkschaften zu organisieren sowie das Recht, Tarifverhandlungen mit den Arbeitgebern zu führen, woraus Tarifverträge mit bes.m gesetzlichem Schutz resultieren. Tarifautonomie beinhaltet das Recht der Durchsetzung der Tarifforderungen gegebenenfalls mit Maßnahmen des A. Die Fähigkeit zum Abschluss von Tarifverträgen knüpft dabei an die prinzipielle Bereitschaft zum Führen von A.en an. Beamte haben wegen ihrer Treuepflicht kein Streikrecht. Politische Streiks, die allg.e politische Ziele anstreben, sind in Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern – etwa Frankreich, Italien oder Griechenland – verboten. Unerlaubt sind in Deutschland ebenfalls „wilde Streiks“, die ohne gewerkschaftliche Führung unorganisiert stattfinden. Das deutsche A.-Recht ist gesetzlich kaum geregelt. Stattdessen fungierte das BAG „gleichsam als Ersatzgesetzgeber“ (Funk/Waas/Sesselmeier 2010: 176).

1. Tarifautonomie als Basis

Die Tarifautonomie soll eine historisch bei Individualarbeitsverträgen nachweisliche und heute auch noch mögliche strukturelle Unterlegenheit einzelner Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber durch kollektiv vereinbarte Tarifverträge ausgleichen. Das damit verknüpfte Recht auf eine geplant eingesetzte kollektive Arbeitsniederlegung eines Teils oder aller beschäftigten Arbeitnehmer soll Arbeitgeber dazu bewegen, gewerkschaftlichen Tarifforderungen nachzugeben. Kommt es zu einer Kampfmaßnahme, so können der oder die betroffenen Arbeitgeber hierauf mit einer Aussperrung reagieren, indem sie den Betrieb schließen und die Zahlung von Löhnen (Lohn) oder Gehältern vorübergehend einstellen. Diese unter bestimmten Bedingungen einsetzbaren Instrumente sollen „Waffen- bzw. Chancengleichheit“ herstellen, wenn ein von beiden Seiten angenommener Kompromiss nicht zustande kommt. Der Streik soll grundsätzlich nur letztes Mittel („ultima ratio“) sein, wenn auf dem Verhandlungsweg keine Einigung möglich scheint. Zentral ist das mit Streik und Aussperrung verbundene Drohpotential in Form des Entzugs der Arbeitsleistung durch die Gewerkschaften einerseits, keine Lohnzahlung durch die Arbeitgeber andererseits. Nur während des A.es es ruht das Beschäftigungsverhältnis.

2. Streikentwicklung in Deutschland

Traditionell gehört die BRD zu den Staaten mit der niedrigsten Streik- bzw., A.-Häufigkeit in der OECD. Beide Begriffe werden im Folgenden synonym verwendet. Unterscheidet man wegen der Beschränkung der A.-Statistik nicht zwischen ausgefallenen Arbeitstagen aufgrund von Streiks oder Aussperrungen, so gilt: Durchschnittlich gingen in den siebziger Jahren gut 50 Arbeitstage pro 1000 zivile, abhängige Beschäftigte jährlich durch A.e verloren. Diese Zahl sank in den 1980er Jahren auf unter 30 Arbeitstage und weiter in den 1990er Jahren auf gut 10 Tage. Zwischen 2005 und 2014 lag der Arbeitsausfall pro 1000 Arbeitnehmer durch Streiks bei nur durchschnittlich 4 Tagen in Deutschland. Deutschland liegt folglich bei diesem Indikator (A.-Volumen) deutlich hinter anderen Ländern wie etwa dem Vereinigten Königreich mit 26 Tagen oder Frankreich mit mehr als 100 Tagen in diesem Zeitraum. Ein ähnliches Bild zeichnet sich ab bei anderen Messkonzepten, wie etwa der Streikhäufigkeit, dem Streikumfang (durchschnittliche Teilnehmerzahl pro Streik), der Streikdauer (im Durchschnitt verlorene Arbeitstage pro Streikteilnehmer) und der Konflikthäufigkeit, also der Anzahl der Streiks und der Aussperrungen. Es ergeben sich sowohl auf nationaler Ebene aufgrund verschiedener Quellen als auch auf internationaler Ebene wegen unvollständiger Informationen jedoch Mess- und Vergleichsprobleme. Viele Unterschiede im Ländervergleich ergeben sich, weil im Ausland auch politische Massenstreiks gerade im Gefolge der Finanz- und Wirtschaftskrise seit 2008 (Finanzmarktkrise) stattgefunden haben. Dies wäre in der BRD aufgrund des Verbots politischer Streiks unzulässig. Typischerweise verzerren Großkonflikte in einzelnen Jahren die längerfristigen Durchschnittszahlen. Aber eindeutige empirische Tendenzen lassen sich sehr wohl für Deutschland ausmachen. Auch mit der hohen Zahl von 2015 lag Deutschland international noch im Mittelfeld der Streikstatistik, während 2016 wieder ein erheblicher Rückgang der Ausfalltage zu verzeichnen war.

Trendmäßig nimmt jedoch das A.-Volumen seit den 1990er Jahren zu; eine deutliche Verlagerung in den Dienstleistungssektor ist auszumachen und Streiks dauern in der Gegenwart tendenziell länger und werden kleinteiliger. Die zunehmende Streikdauer bei abnehmendem Streikumfang sind v. a. auf die Bedeutungszunahme des Dienstleistungsbereichs und geänderter arbeitgerichtlicher Rechtsprechung, die auch Spartengewerkschaften mehr Spielraum gibt, zurückzuführen sowie der daraus resultierenden Tertiarisierung des Streikgeschehens.

3. Wirtschaftshistorischer Hintergrund

Historisch schlossen sich Teile der Arbeitnehmer seit etwa 1860 zu Gewerkschaften zusammen. Dies diente zum Ausgleich der gefühlten Macht der Unternehmen, Löhne (Lohn) unterhalb der zusätzlichen Wertschöpfung des zuletzt eingestellten Arbeitnehmers zu zahlen, wie die Arbeitnehmer sie bei funktionierender Konkurrenz erhalten würden. Gewerkschaftsbildung diente als kollektives Gegengewicht gegen eine Vormachtstellung der Unternehmer, die u. a. auf regionalen Arbeitsmarktmonopolen der Arbeitgeber und informellen Absprachen zwischen ihnen beruhte. Als organisatorische Reaktion etablierten sich Arbeitgeberverbände, um zu verhindern, dass Gewerkschaften ihre gesamte Macht bei einzelnen Unternehmen einsetzen können, die dann Folgewirkungen auch für andere Unternehmen hat.

4. Wirtschaftstheoretische Grundlagen der Tarifautonomie

Insb. der US-Ökonom John Kenneth Galbraith vertrat die These, dass von Gegenmachtbildung (countervailing powers) „eine ähnliche – nämlich Ordnung stiftende – Funktion ausgehe, wie sie allg. dem Wettbewerb im Rahmen der liberalen Theorie zugedacht werde“ (Külp 2012: 376). Eine gewerkschaftliche Gegenmacht der Arbeitnehmer durch ein Monopol auf der Angebotsseite des Arbeitsmarktes könne allokations- und verteilungspolitisch Lohnverzerrungen durch Nachfragemonopole auf Arbeitgeberseite, die u. a. auf Informationsvorsprüngen beruhen, abbauen helfen, welche ansonsten zu Lasten der Beschäftigten gehen. Nach der Idee des Gegenmachtprinzips kann die auf Koalitionsfreiheit beruhende Tarifautonomie nur dann zu effizienten Ergebnissen führen, wenn zwischen Arbeitgeberseite und Gewerkschaften als Tarifvertragsparteien tendenziell ein Machtgleichgewicht besteht. Hiernach sollen die Durchsetzungschancen so verteilt sein, dass nicht eine Seite ihre Bedingungen gegenüber der anderen einseitig durchsetzen kann, was ein Streikrecht für Gewerkschaften erforderlich mache.

Ökonomen nutzten zur Begründung für eine Korrekturfunktion von Gegenmacht die Theorie des bilateralen Monopols. Der Ansatz dient auch in jüngerer Zeit noch zur Begründung von Tarifautonomie und Streikordnung: „Wenn Tarifverbände in der Marktform des ‚bilateralen Monopols‘ Mindestbedingungen für Einzelverträge aushandeln, kann dies gegenüber einer realistischen Referenzsituation noch nicht Wohlfahrtsverluste, Mindestlohnarbeitslosigkeit und Verfestigung von Arbeitslosigkeit begründen“ (Kleinhenz 2002: 49 f.). Denn die Gewerkschaften könnten „nur im Arbeitskampf beim Streik das Arbeitsangebot als Kartell verweigern“ (Kleinhenz 2002: 49). Erwartet wird aus dieser Sicht, dass Kollektivverhandlungen tarifliche Pakete ermöglichen, die zumindest nahe bei Marktlösungen liegen. Kritiker bezweifeln dies und befürchten die Aushandlung von Tarifergebnissen, die Vollbeschäftigung verhindern. Optimismus sei angesichts der weiten Bandbreite möglicher Lösungen im bilateralen Monopol allenfalls dann gerechtfertigt, soweit Spielregeln existieren, die absichern, dass in der Praxis mögliche Fehlfunktionen eines bilateralen Monopols verhindert werden. Denn das schon vom Begründer des Ordoliberalismus, Walter Eucken, grundsätzlich für den Arbeitsmarkt anerkannte Gegenmachtprinzip hat ohne flankierende Maßnahmen des Gesetzgeber (oder bei spezifischen Regelungslücken des „Richterrechts“) i. d. R. problematische Folgen. So ist es keineswegs sicher, dass sich die erforderliche Gegenmacht zu mächtigen Arbeitgebern mit der Folge einer nicht ihrem Produktivitätsbeitrag entspr.en Vergütung der Arbeitnehmer ohne entspr.e staatliche Vorgaben dauerhaft bilden können. Umgekehrt ist es möglich, dass diese Lage im Zeitablauf in eine Übermacht der Gewerkschaftsseite und daraus resultierender kostenbedingter Arbeitslosigkeit umschlägt. Bereits der schon 1950 verstorbene W. Eucken hatte in seine posthum veröffentlichtem Werk „Grundsätze der Wirtschaftspolitik“ davor gewarnt, dass durch Verschiebung der relativen Macht aufgrund gewerkschaftlicher Aktivität das zunächst während der industriellen Revolution (Industrialisierung, Industrielle Revolution) verbreitete einseitige Nachfragemonopol der Arbeitgeber zu Lasten der Arbeitnehmerentlohnung durch ein beschäftigungs- und verteilungspolitisch problematisches einseitiges Angebotsmonopol der Gewerkschaften auf Kosten der Arbeitslosen wandeln könne.

Zumindest in Bezug auf die relativ moderaten A.-Zahlen im internationalen Vergleich und lange Zeit auch bei der Höhe der Beschäftigung entwickelte sich die BRD vergleichsweise erfolgreich. Dies wird nicht zuletzt auf die Schaffung verbindlicher Grundsätze des A.-Rechts durch den Großen Senat des BAG zurückgeführt, deren Bemühen aus Sicht nicht weniger Beobachter auf „ein gerechtes Austarieren der Rechte beider Seiten“ (Külp 2000: 173) ausgerichtet war. Diese Grundsätze umfassten die Prinzipien der Verhandlungs- und Kampfparität zwischen den Tarifparteien (über Streik und Aussperrungsrechte von Arbeitgeber- bzw. Arbeitnehmerseite), Verhältnismäßigkeit der Kampfmittel (konfligierende, jedoch gleichrangige Grundrechte Dritter sind zu achten; A. erst nach Ausschöpfung aller sonst verfügbaren Verständigungsmöglichkeiten – Ultima-Ratio-Prinzip), Neutralität des Staates (in laufenden A.en) und das der Friedenspflicht (während der Laufzeit von Tarifverträgen). Solche Vorgaben werden auch heute noch prinzipiell als notwendig für eine funktionsfähige Tarifautonomie angesehen. Denn das Verhandlungsergebnis hängt außer vom jeweiligen taktischen Geschick vorrangig von der relativen Machtposition der Arbeitsmarktparteien ab, die sich etwa durch technologischen Wandel oder durch leichtere Verlagerung der Produktion ins Ausland (z. B. Globalisierung) verändern kann. Die relative Machtposition zwischen den Marktseiten kann daher auch im Rahmen der Tarifautonomie durch staatliche Eingriffe in gewissen Grenzen verschoben werden. Dies geschah etwa durch die Neufassung des AFG im Jahr 1986. Sie erfolgte als Reaktion auf eine neue A.-Taktik der Gewerkschaften im Tarifkonflikt 1984, bei der es der IG Metall durch Bestreiken kleiner Zuliefererbetriebe gelang, die Produktion großer Unternehmen auszusetzen, ohne dafür mit ihrer Streikkasse aufzukommen (Minimaxtaktik). Seitdem gilt: „Durch die Gewährung von Arbeitslosengeld darf nicht in A.e eingegriffen werden. Deshalb ruht für streikende oder ausgesperrte Arbeitnehmer der Anspruch auf Arbeitslosengeld“ (Althammer/Lampert 2014: 308).

Ein geringes Ausmaß an A.en ist aus Sicht der Kritiker aber noch kein hinreichender Erfolgsausweis. Denn es ist zu berücksichtigen, dass Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite A.e möglichst vermeiden wollen, wenn sie mit hohen Kosten für beide Seiten einhergehen. Die Durchsetzung gewerkschaftlicher Partikularinteressen sei aber dennoch möglich, indem sie genau die Lohnsteigerungen durchzusetzen versuchen, „die von den Arbeitgebern gerade noch zugestanden werden, ohne dass es zum Streik kommt“ (Beirat des BMWA 2004: 119). Diese Vorgehensweise führt zur Verfestigung einer aus anderen Gründen – z. B. eine zu wenig flexible Reaktion der Arbeitskosten an Verschlechterungen der Terms-of-Trade wie in den 1970er Jahren – entstandenen Arbeitslosigkeit infolge überhöhter Reallöhne. Die Ausgestaltung des A.-Rechts kann folglich gesamtwirtschaftlich unerwünschte Nebenwirkungen haben, die sich nicht direkt in hohen Streikzahlen zeigen müssen. Die beteiligten Parteien haben trotz bilateraler Gegenmachtbildung oft Spielräume, sich zu Lasten der Allgemeinheit besser zu stellen, indem sie die Möglichkeiten nutzen „einen Teil der Kosten ihrer Vereinbarungen auf Dritte abzuwälzen“ (Eekhoff 2008: 83). Dieses Problem hat sich jedoch zusätzlich v. a. in den vergangen zehn Jahren verschärft durch eine erhebliche Aufweichung der urspr.en A.-Grenzen zu Gunsten der Gewerkschaften.

5. Gewichtsverschiebung im Arbeitskampfrecht

Die jüngere arbeitsgerichtliche Tendenz ist eindeutig und begründet die unter Ökonomen verbreitete Kritik am Vorgehen des BAG, nämlich dass das Gericht die A.e prägenden wirtschaftlichen Realitäten verkannte und nach und nach die Gewichte zwischen den Beteiligten per Saldo zugunsten der Arbeitnehmerseite verschoben habe. Zeitlich und personell begrenzte Warnstreiks können heute z. B. konträr zum Ultima-Ratio-Prinzip während laufender Verhandlungen, also schon in der Friedenspflicht, eingesetzt werden. Hierdurch wurde der schnellere Abschluss eines neuen Tarifvertrages intendiert. Von Kritikern als bedenklich angesehen wird jedoch, dass in der Folge in Tarifverträgen häufig vorgesehene freiwillige Schlichtungsverfahren zwischen den Vertragsparteien „als letzter friedlicher Ausweg vor einem Arbeitskampf“ (Franz 2013: 290) in der BRD an Bedeutung verloren haben. Eine verpflichtende freiwillige Schlichtung oder staatlicher Zwang hierzu bestehen auch aufgrund negativer Erfahrungen in der Weimarer Republik bisher nicht. Das BAG hat neben Beschränkungen der Abwehraussperrung, welche dieses Instrument in bestimmten Branchen faktisch untauglich werden ließen, weitere zuvor geltende Schranken des Streikrechts aufgehoben. So ließ es Sympathiestreiks zu, obwohl der bestreikte Arbeitgeber dann nicht Tarifpartner ist und für ihn selbst folglich die Kampfforderung unerfüllbar ist. Nicht als unzulässig gelten nun auch die erstmals 2008 eingesetzten „Flashmobs“ als Mittel des A.es, also blockadeähnliche Aktionen, die den Betriebsablauf etwa in Supermärkten (z. B. Füllung vieler Einkaufswagen, ohne die Ware dann zu zahlen) erheblich stören. Zudem hat das BAG 2010 mit der Zulassung von Tarifpluralität eine Abkehr vom vorher angewendeten Grundsatz der Tarifeinheit – „Ein Betrieb, ein Tarifvertrag“ – vorgenommen. Hierfür wurde die Gefahr eines höheren Potenzials an Tarifkonflikten vorhergesagt, da nun betroffene Arbeitgeber tendenziell mit mehreren Gewerkschaften über Tarifverträge zu verhandeln haben und dabei Gefahr laufen, immer wieder in A.e mit diesen Gewerkschaften mit jeweils erheblichen Schäden bei der Produktion aufgrund der Schlüsselstellung jeder dieser Gewerkschaften hierfür zu geraten. Außer Acht blieb bei der geänderten Rechtsprechung zudem, dass das klassische Kampfinstrument der Arbeitgeberseite, die in bestimmten vom BAG festgelegten Grenzen erlaubte Abwehraussperrung, infolge einer zunehmend vernetzten Produktion fast nicht mehr einsetzbar ist. Dies verschob die relativen Machtpositionen zusätzlich.

6. Gesetzlicher Handlungsbedarf zur Vermeidung von Drittwirkungen?

Aktuell stehen bes. unerwünschte Drittwirkungen von Streiks im Mittelpunkt auch der akademischen Debatte. Beeinträchtigungen der Konsumenten etwa bei Reisen mit Bahn oder Flugzeug haben seit der arbeitsrechtlichen Aufwertung von Spartengewerkschaften, die eine höhere Streikneigung als Branchengewerkschaften haben, v. a. bei früheren staatlichen Monopolen (etwa Deutsche Bahn, Lufthansa) erheblich zugenommen. Denn hier können wenig Beschäftigte einzelner Berufsgruppen – ohne erhebliche Kosten bei der gewerkschaftlichen Streikkasse – ganze Wirtschaftszweige „stilllegen“, weil zu ihnen komplementäre Arbeitskräfte dann nicht einsetzbar sind.

Ein möglicher Ausweg zur Internalisierung unerwünschter externer Effekte im Rahmen der verfassungsmäßig garantierten Tarifautonomie ist lange bekannt. Der Staat hat demnach den Tarifparteien neben den formal-rechtlichen Rahmenbedingungen „die inhaltlich-ökonomischen Bedingungen so zwingend zu setzen, daß die autonomen tarifvertraglichen Entscheidungen mit den wirtschaftspolitischen Zielen vereinbar werden.“ (Teichmann 2001: 24). Dies bedeutet nicht zuletzt, dass die Wettbewerbsintensität an Gütermärkten in den betroffenen Wirtschaftszweigen zu erhöhen ist, um hierdurch die Streikneigung zu mindern. Zudem ist der verbleibende Wettbewerb am Arbeitsmarkt durch Tarife unterschreitende Außenseiter nicht durch eine manchmal geforderte Ausweitung der Allgemeinverbindlichkeitserklärung zu beseitigen. Denn dies könnte bei einer Verschlechterung der Wirtschaftslage die Arbeitslosigkeit nachhaltig erhöhen. Reformnotwendigkeiten gibt es aber auch beim A.-Recht, „um zu verhindern, dass das A.-Recht weiterhin ausschließlich Richterrecht bleibt und dass die A.-Bedingungen weiterhin durch die normative Kraft des Faktischen und durch die Arbeitsrechtsprechung zu ungunsten der Arbeitgeberseite verschoben werden“ (Althammer/Lampert 2014: 467). Bisherige Maßnahmen des Gesetzgebers, etwa das Gesetz zur Regelung der Tarifeinheit von 2015, sind aus dieser Perspektive unzureichend, da es sich auf den nur selten zu findenden Spezialfall bezieht, dass mehrere Gewerkschaften Tarifverträge für die gleichen Beschäftigtengruppen vereinbaren wollen, und womöglich die Koalitionsfreiheit zu stark beeinträchtigt. Forderungen beinhalten zumindest „die Verpflichtung der Arbeitsmarktparteien, in ihre Tarifverträge Schlichtungsvereinbarungen aufzunehmen“ (Althammer/Lampert 2014: 467). Angesichts gestiegener Drittwirkungen etwa auf Kunden von Beförderungsdienstleistungen wird die Einordnung von Streiks als „höhere Gewalt“ für unangemessen gehalten, da dies rechtlich „einen bedeutenden Teil der Streikkosten auf die Kunden“ verschiebt (Wissenschaftlicher Beirat beim BMVI 2016: 121). Nach einer noch weitergehenden ökonomischen Kritik sollen Spartengewerkschaften aufgrund ihrer erheblichen Missbrauchsmöglichkeiten in ihren Schlüsselstellungen, die auch unbeteiligte Dritte empfindlich treffen können, sogar generell unterbunden werden. Denn dies könne durch mehr Wettbewerb allein nicht gelingen, weil ihre sichtbaren Erfolge eher zu weiteren Gründungen solcher Spezialistengewerkschaften führen würde.

II. Rechtlich

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1. Begriff des Arbeitskampfs

Es gibt keine allgemeingültige Definition des A.s. Eine allg.e „phänomenologische“ Beschreibung enthält aber bestimmte Elemente, aus denen ein A.-Begriff gebildet werden kann. Danach ist A. die zielgerichtete Ausübung von kollektivem Druck durch die Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberseite durch Zufügung von Nachteilen oder deren Abwehr. Aus der Einordnung einer Maßnahme als A. auf Grundlage dieses weiten A.-Begriffs können jedoch keine Rechtsfolgen abgeleitet werden.

2. Typische Arbeitskampfmittel

Im Laufe der Zeit haben sich verschiedene A.-Mittel herausgebildet. Es gibt allerdings keinen numerus clausus von (zulässigen) Kampfmitteln. Das typische A.-Mittel der Arbeitnehmerseite ist der Streik. Von einem Streik spricht man bei einer Einstellung der Arbeit, die von einer Mehrzahl von Arbeitnehmern planmäßig gemeinsam und ohne Einverständnis des Arbeitgebers durchgeführt wird. Praktisch weniger bedeutsam sind etwa die Verringerung der Arbeitsleistung („Bummelstreik“), die Betriebsblockade oder -besetzung, der Boykott oder streikbegleitende „Flash-Mob“-Aktionen. Das typische (aber seltene) A.-Mittel der Arbeitgeberseite ist die Aussperrung. Eine Aussperrung liegt bei einer Ausschließung von Arbeitnehmern von der Arbeit vor, die von einem Arbeitgeber oder mehreren Arbeitgebern planmäßig und ohne Einverständnis der Arbeitnehmer erklärt wird und mit der Verweigerung der Lohnzahlung einhergeht. Weitere (praktisch ebenfalls unwichtige) A.-Mittel auf Arbeitgeberseite sind das Versprechen oder die Zahlung sog.er Streikbruchprämien.

3. Geschichte, Funktion und Bedeutung

A.e gibt es in der Sozialgeschichte aller Industrienationen. Sie galten lange Zeit als unerlaubte und sogar strafbare Handlungen, bis die Rechtsprechung ihre legitime Funktion als kollektive Selbsthilfe anerkannte. Einer der ersten großen A.e fand 1889 im Ruhrgebiet statt, als etwa 90 000 Bergarbeiter streikten und durchgreifende Reformen des Arbeitsschutzrechts durchsetzten. Größere A.e in der BRD gab es etwa im öffentlichen Dienst z. B. 1974 und immer wieder in der Metallindustrie, z. B. 1984 zur Erzwingung der 35-Stunden-Woche oder 1993 in den neuen Bundesländern. Seit Anfang des 21. Jh. treten A.e zunehmend im Dienstleistungssektor auf und werden in Bereichen der Daseinsvorsorge (Krankenhäusern, Bahn- und Luftverkehr, Kindertagesstätten) z. T. als problematisch empfunden, insb. wenn sie von kampfstarken Berufsgewerkschaften geführt werden. Deutschland gehört allerdings seit jeher zu den A.-ärmsten Nationen der Welt. Die Bedeutung des A.s ist sehr groß. Führen Tarifvertragsverhandlungen zu keiner Einigung, erfordert der Schutz der Tarifautonomie durch Art. 9 Abs. 3 GG einen Streitlösungsmechanismus, damit das gewerkschaftliche Begehren nicht lediglich als „kollektives Betteln“ empfunden wird. Das klassische Mittel dafür ist der A.: Der gegnerische Wille darf durch Druckausübung gebeugt werden. A.e garantieren damit das Zustandekommen und die inhaltliche Ausgewogenheit von Tarifverträgen und sind für eine funktionierende Tarifautonomie unverzichtbar.

4. Rechtsgrundlagen

Eine rechtliche Regelung des A.s ist bes. wichtig, weil ihm schwerwiegende Interessenkonflikte zugrunde liegen und durch einen einzigen A. tausende Arbeitsverhältnisse sowie zahlreiche andere Rechtsverhältnisse mit oder zwischen Dritten betroffen sein können. Eine gesetzliche Regelung des A.-Rechts (z. B. ein A.-Gesetzbuch) gibt es bislang aber nicht. Sie ist auch in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Es gibt nur ganz wenige Normen, die sich mit Randfragen des A.s befassen oder den Begriff erwähnen (z. B. auf verfassungsrechtlicher Ebene Art. 9 Abs. 3 S. 3 GG, auf einfachgesetzlicher Ebene etwa § 74 Abs. 2 S. 1 BetrVG, § 2 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG oder § 160 SGB III).

Das gesamte deutsche A.-Recht beruht alleine auf einer aus Art. 9 Abs. 3 GG abgeleiteten richterlichen Rechtsfortbildung durch das BAG. Danach schützt Art. 9 Abs. 3 GG als koalitionsmäßige Betätigung u. a. die Durchführung von A.-Maßnahmen, die auf den Abschluss von Tarifverträgen gerichtet sind. Vom BVerfG sind als verfassungsrechtlich geschützt anerkannt worden der Streik und die Abwehraussperrung. Wichtigste Schritte bei der Entwicklung des A.-Rechts sind die beiden Entscheidungen des GS des BAG von 1955 (Herleitung des Streikrechts aus Art. 9 Abs. 3 GG, BAG GS 28.1.1955-GS 1/54) sowie 1971 (Entwicklung des Gebots der Verhältnismäßigkeit, BAG GS 21.4.1971-GS 1/68) sowie die Urteile des BAG von 1980 (Entwicklung von Grenzen für die Aussperrung, u. a. BAG 10.6.1980-1 AZR 822/79) und des BVerfG von 1991 (verfassungsrechtliche Anerkennung der Abwehraussperrung, BVerfG 26.6.1991-1 BvR 779/85). In zwei Entscheidungen von 2007 (Unterstützungsstreik, BAG 19.6.2007-1 AZR 396/06) und 2009 („Flashmob“, BAG 22.9.2009-1 AZR 972/08) hat das BAG die Dogmatik des A.-Rechts neu ausgerichtet. Es betont seither die Kampfmittelfreiheit und akzentuiert bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer A.-Maßnahme den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Der A. ist anerkannt auch in Art. 6 Nr. 4 ESC (Streik und Aussperrung), die nach herrschender Meinung aber kein innerstaatlich verbindliches Recht, sondern nur eine völkerrechtliche Verpflichtung der BRD ist, außerdem in Art. 28 EuGRC (Streik), der über Art. 6 Abs. 1 EUV verbindlich ist. Der EGMR leitet aus Art. 11 Abs. 1 EMRK, zu dessen Konkretisierung er auf die Grundsätze zu Art. 6 Nr. 4 ESC zurückgreift, ebenfalls ein Recht auf Kollektivverhandlungen und ein Streikrecht ab. Ob und gegebenenfalls welche Folgen daraus in Zukunft wegen der Verpflichtung der nationalen Gerichte zur völkerrechtsfreundlichen Auslegung des Art. 9 Abs. 3 GG für das deutsche A.-Recht zu ziehen sind, ist umstritten und noch nicht abschließend geklärt. Insb. das Streikrecht wird völkerrechtlich weiter als in Deutschland verstanden. Es schützt anders als nach deutschem Verständnis etwa auch den „wilden“ Streik, den nicht tarifbezogenen Streik oder den Beamtenstreik. Für diesen hat das BVerwG (BVerwG 27.2.2014–2 C 1.13) den Gesetzgeber nach zwei entspr.en Entscheidungen des EGMR (EGMR 21.4.2009–68959/01; 12.11.2008–34503/97) für Beamte, die außerhalb der genuinen Hoheitsverwaltung eingesetzt sind, zum Handeln aufgefordert.

5. Rechtmäßigkeit von Arbeitskämpfen

Ein A. ist rechtmäßig, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind. Jedenfalls bei Streik und Aussperrung muss der A.-Beschluss ordnungsgemäß bekannt gegeben werden. Der A. darf nur von tarifzuständigen und tariffähigen Tarifvertragsparteien geführt werden. Ein „wilder Streik“ ist rechtswidrig, kann aber von der Gewerkschaft durch Erklärung rückwirkend „übernommen“ werden. Der A. muss außerdem auf ein tariflich regelbares Ziel – typischerweise Regelungen über Vergütung, Arbeitszeit oder Urlaub – gerichtet sein (vgl. § 1 I TVG). Nach der Rechtsprechung des BAG muss der Streik nicht zwangsläufig auf die Durchsetzung einer eigenen Tarifforderung gerichtet sein, auch der Unterstützungsstreik ist grundsätzlich zulässig und wird nur am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gemessen. Unzulässig sind politische Streiks oder solche, die darauf gerichtet sind, eine unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers wie z. B. eine Betriebsschließung zu verhindern. Der A. darf nicht gegen die Friedenspflicht verstoßen. Sie verbietet den Tarifvertragsparteien, Bestand und Inhalt des bestehenden Tarifvertrags während seiner Laufzeit durch einen A. in Frage zu stellen. Die A.-Parteien haben außerdem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Er ist die tragende Säule des A.-Rechts. Nach dem BAG ist eine A.-Maßnahme rechtswidrig, wenn sie bezogen auf das Kampfziel offensichtlich ungeeignet, offensichtlich nicht erforderlich oder nicht angemessen ist. Hinsichtlich der Geeignetheit und der Erforderlichkeit hat die streikführende Gewerkschaft nach Auffassung des BAG eine Einschätzungsprärogative. Die Angemessenheit bedeutet im Ergebnis nur eine Exzesskontrolle. Streitig ist, ob aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgt, dass der A. das Gemeinwohl nicht verletzen darf. Aus dem Gebot fairer Kampfführung folgt, dass die kampfführende Gewerkschaft an erforderlichen Notstands- und Erhaltungsmaßnahmen mitwirken muss. Bes. Kampfverbote folgen aus Art. 33 Abs. 5 GG (Beamtenstreikverbot) sowie § 74 II 1 BetrVG (betriebsverfassungsrechtliches A.-Verbot). Daneben zieht auch die allg.e Rechtsordnung dem A. Grenzen (z. B. Verbot der Sachbeschädigung, § 303 StGB). Für kirchliche Einrichtungen gilt ebenfalls ein Streikverbot (gestützt auf Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 WRV). Das wird für gerechtfertigt gehalten, weil der sog.e Dritte Weg, den das BAG grundsätzlich billigt (BAG 20.11.2012–1 AZR 179/11), das Streikrecht ersetzt.

6. Rechtsfolgen von Arbeitskämpfen

Die Rechtsfolgen von A. sind vielfältig.

6.1 Rechtmäßige Arbeitskämpfe

Für die Kampfparteien folgen aus rechtmäßigen A.en gegenseitige Organisations- und Einwirkungspflichten. Sie müssen an der Organisation von Notstands- und Erhaltungsarbeiten mitwirken und sind verpflichtet, auf Mitglieder einzuwirken, die sich nicht an die Kampfgrenzen halten. Bei den individualrechtlichen Folgen rechtmäßiger A.e ist zwischen Streik und Aussperrung zu differenzieren: Ist ein Streik rechtmäßig, suspendiert er die gegenseitigen Hauptleistungspflichten (Arbeitspflicht und Vergütungspflicht) aus den Arbeitsverträgen der an dem A. beteiligten Arbeitsvertragsparteien. Dabei kommt es nicht auf die Mitgliedschaft der Arbeitnehmer in der streikführenden Gewerkschaft an. Auch Außenseiter dürfen streiken. Ein rechtmäßig streikender Arbeitnehmer verletzt damit seine Arbeitspflicht nicht. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber wegen der Teilnahme an einem rechtmäßigen Streik weder eine Abmahnung noch eine Kündigung (wegen des A.s) aussprechen darf. Der Arbeitnehmer erhält für die Zeit der Streikteilnahme zwar keine Vergütung, die kampfführende Gewerkschaft zahlt ihren streikenden (oder ausgesperrten) Mitgliedern aber i. d. R. Streikgeld. Diese Grundsätze gelten auch für die rechtmäßige Aussperrung. Arbeitnehmern, die als Folge eines A.s nicht beschäftigt werden können, obgleich sie sich am Streik nicht beteiligen, erhalten nach den Grundsätzen der sog.en A.-Risikolehre wegen der ansonsten drohenden Paritätsverschiebung zulasten des Arbeitgebers keine Vergütung, wenn ihre Beschäftigung dem Arbeitgeber infolge des Streiks technisch unmöglich oder wirtschaftlich unzumutbar ist. Sind sie in nur mittelbar kampfbetroffenen Unternehmen beschäftigt, entfällt der Vergütungsanspruch, wenn sie vom A. im bestreikten Unternehmen wenigstens indirekt partizipieren (vgl. zum Anspruch auf Arbeitslosen- oder Kurzarbeitergeld in diesem Zusammenhang §§ 160 Abs. 3 SGB III i. V. m. 100 SGB III).

6.2 Rechtwidrige Arbeitskämpfe

Bei rechtswidrigen A.en können zwischen den Kampfparteien Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche bestehen. Praktisch relevant sind Unterlassungsansprüche, die regelmäßig im Wege einstweiligen Rechtsschutzes geltend gemacht werden. Die gegenseitigen Hauptleistungspflichten der Arbeitsvertragsparteien sind nicht suspendiert. Ein rechtswidrig streikender Arbeitnehmer verletzt damit seine Arbeitspflicht. Der Arbeitgeber hat einen einklagbaren Anspruch auf die Arbeitsleistung, der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Vergütung. Der Arbeitgeber kann außerdem wegen Pflichtverletzung abmahnen oder kündigen. Der rechtswidrig aussperrende Arbeitgeber verletzt ebenfalls seine Hauptleistungspflicht. Er gerät damit in Annahmeverzug, so dass der Arbeitnehmer den Anspruch auf die Arbeitsleistung behält.