Finanzplanung: Unterschied zwischen den Versionen

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Die <I>Koordination der mitgliedstaatlichen Haushaltswirtschaft</I> und die Steuerung der makroökonomischen Entwicklung sind Aufgabe des sog.en <I>Europäischen Semesters</I>, das auf dem [[Stabilitäts- und Wachstumspakt]] einerseits und der MIP-VO andererseits beruht. Es beginnt im Herbst mit der Vorlage der mitgliedstaatlichen Haushaltsentwürfe für das übernächste Jahr. Daran schließt sich deren eine makroökonomische Analyse durch [[Europäische Kommission]] und die anderen Mitgliedstaaten an. Sie mündet im Frühjahr in maßgeschneiderte präventive Empfehlungen an jeden Mitgliedstaat für seine Haushalts-, Steuer- und Wirtschaftspolitik. Das Europäische Semester verfolgt im Wesentlichen fünf Ziele: die Konvergenz und Stabilität in der EU, die Solidität der öffentlichen Finanzen, das Wirtschaftswachstum, die Verhinderung eines übermäßigen makroökonomischen Ungleichgewichts in der EU und die Umsetzung der Strategie Europa 2020.
 
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Die F. im Bund und in den Ländern bezeichnet einerseits die mehrjährige vorbereitende und kontrollierende Haushaltsplanung. Sie war von 1969 bis 2009 Aufgabe des alten <I>F.s-Rats</I>, der aus den Finanzministern des Bundes und der Länder, dem Bundeswirtschaftsminister, Vertretern der Gemeinden und Gemeindeverbände und – nicht stimmberechtigt – einem Vertreter der Bundesbank bestand. Die F. zielt seit 1968 auf das „magische Viereck“ aus Stabilität des Preisniveaus, einem hohen Beschäftigungsstand und außenwirtschaftlichem Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem [[Wirtschaftswachstum]] (§&nbsp;1 StabG) und stand urspr. ganz im Dienst der keynesianischen sog.en <I>Globalsteuerung</I> der Volkswirtschaft durch den Gesamtstaat. Mit der Föderalismusreform 2009 hat die F. einen Paradigmenwechsel erfahren. Materiell ist die Stabilität der öffentlichen Haushalte in den Vordergrund getreten (Art.&nbsp;109 Abs.&nbsp;3, 115 Abs.&nbsp;2 GG), das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht zum Sekundärziel geworden.
 
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E. Reimer: Finanzplanung, Version 22.10.2019, 17:30 Uhr, in: Staatslexikon<sup>8</sup> online, URL: {{fullurl:Finanzplanung}} (abgerufen: {{CURRENTDAY2}}.{{CURRENTMONTH}}.{{CURRENTYEAR}})
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E. Reimer: Finanzplanung, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon<sup>8</sup> online, URL: {{fullurl:Finanzplanung}} (abgerufen: {{CURRENTDAY2}}.{{CURRENTMONTH}}.{{CURRENTYEAR}})
 
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Version vom 8. Juni 2022, 08:14 Uhr

1. Öffentliche Haushalte

Als Rechtsbegriff des öffentlichen Finanzrechts bezeichnet F. die der Haushaltsgesetzgebung und dem Haushaltsvollzug vorlaufende Projektion von Einnahmen und Ausgaben, Vermögen und Schulden in einem – i. d. R. über den einzelnen Haushalt hinausreichenden – Zeitraum. Im Unternehmensrecht und der Betriebswirtschaft zielt die unternehmerische F. auf Liquiditätssteuerung und auf die Erkennung drohender Insolvenz. Kein direkter Bezug besteht zwischen der klassischen F. und dem haushaltsrechtlichen Begriff „Finanzplan“, soweit dieser als Teil der Regelungen über das sog.e doppische Rechnungswesen (Doppik) das Gegenstück zu „Erfolgsplan“ ist und in den Einzelplänen und dem Gesamtplan den prospektiven Zahlungsmittelbestand abbildet (§ 10 Abs. 4 S. 2 HGrG; Abgrenzung zur Finanzrechnung: § 37 Abs. 3 HGrG).

1.1 Europäische Union

Auf EU-Ebene betrifft die F. einerseits die künftigen Unionshaushalte, andererseits die Finanzwirtschaft der Mitgliedstaaten. Für die Unionshaushalte bot bis 2009 die sog.e finanzielle Vorausschau die Projektion der Ausgaben der EU. Heute hat der sog.e mehrjährige Finanzrahmen diese Funktion übernommen (Art. 312 AEUV). Bei der Ausgabenfixierung ist es geblieben; die Einnahmen (auch die Eigenmittel) stehen ohnehin unter weitgehender Kontrolle der Mitgliedstaaten. In dem mehrjährigen Finanzrahmen werden der Höchstbetrag und die Zusammensetzung der Ausgaben der einzelnen Politikbereiche für eine Planungsperiode von mindestens fünf, i. d. R. aber sieben Jahren festgelegt, zuletzt 2013 für die Jahre 2014 bis 2020. Der mehrjährige Finanzrahmen ergeht in der Rechtsform einer VO des Rates und bedarf der Zustimmung des &pfv;Europäischen Parlaments. Er entfaltet Bindungswirkung für die Aufstellung des Unionshaushalts.

Die Koordination der mitgliedstaatlichen Haushaltswirtschaft und die Steuerung der makroökonomischen Entwicklung sind Aufgabe des sog.en Europäischen Semesters, das auf dem Stabilitäts- und Wachstumspakt einerseits und der MIP-VO andererseits beruht. Es beginnt im Herbst mit der Vorlage der mitgliedstaatlichen Haushaltsentwürfe für das übernächste Jahr. Daran schließt sich deren eine makroökonomische Analyse durch Europäische Kommission und die anderen Mitgliedstaaten an. Sie mündet im Frühjahr in maßgeschneiderte präventive Empfehlungen an jeden Mitgliedstaat für seine Haushalts-, Steuer- und Wirtschaftspolitik. Das Europäische Semester verfolgt im Wesentlichen fünf Ziele: die Konvergenz und Stabilität in der EU, die Solidität der öffentlichen Finanzen, das Wirtschaftswachstum, die Verhinderung eines übermäßigen makroökonomischen Ungleichgewichts in der EU und die Umsetzung der Strategie Europa 2020.

1.2 Bund und Länder

Die F. im Bund und in den Ländern bezeichnet einerseits die mehrjährige vorbereitende und kontrollierende Haushaltsplanung. Sie war von 1969 bis 2009 Aufgabe des alten F.s-Rats, der aus den Finanzministern des Bundes und der Länder, dem Bundeswirtschaftsminister, Vertretern der Gemeinden und Gemeindeverbände und – nicht stimmberechtigt – einem Vertreter der Bundesbank bestand. Die F. zielt seit 1968 auf das „magische Viereck“ aus Stabilität des Preisniveaus, einem hohen Beschäftigungsstand und außenwirtschaftlichem Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum (§ 1 StabG) und stand urspr. ganz im Dienst der keynesianischen sog.en Globalsteuerung der Volkswirtschaft durch den Gesamtstaat. Mit der Föderalismusreform 2009 hat die F. einen Paradigmenwechsel erfahren. Materiell ist die Stabilität der öffentlichen Haushalte in den Vordergrund getreten (Art. 109 Abs. 3, 115 Abs. 2 GG), das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht zum Sekundärziel geworden.

Zugl. ist institutionell an die Stelle des F.s-Rats ein Stabilitätsrat getreten (Art. 109a GG, §§ 1 ff. StabiRatG). Er ist ein gemeinsames Organ von Bund und Ländern und wird von beiden Ebenen mit einheitlich strukturierten F.s-Daten versorgt (§ 3 Abs. 2 StabiRatG); die Länder tragen dabei informationell und materiell zugl. die Verantwortung für die – insoweit mediatisierten, nicht mehr mit einem Mitgliedschaftsrecht ausgestatteten – Kommunen (§ 52 Abs. 2 HGrG). Im Rahmen der Haushaltsüberwachung und der stabilitätsbezogenen F. hat der Stabilitätsrat Befugnisse, die über diejenigen des F.s-Rats hinausgehen. Im Fall einer drohenden Haushaltsnotlage des Bundes oder eines Landes (§ 4 StabiRatG) vereinbart er mit der betroffenen Gebietskörperschaft ein bindendes grundsätzliches fünfjähriges Sanierungsprogramm, dessen Umsetzung er adhortativ prüft (§ 5 StabiRatG).

Dagegen ist die umfassende, über die Haushaltsstabilität hinausgehende F. auf Bundesebene seit Abschaffung des F.s-Rats primär Aufgabe des Bundesfinanzministers und der Bundesregierung (§ 9 Abs. 2 StabG), auf Landesebene Aufgabe der Landesfinanzminister und der Landesregierungen. Diese volkswirtschaftliche F. zielt auf die Information der Parlamente, denen der Finanzplan spätestens in den jährlichen Haushaltsberatungen vorzulegen ist (§ 50 Abs. 3 HGrG). Der Finanzplan bezieht sich ebenfalls auf einen Fünf-Jahres-Zeitraum (mittelfristige F.) und stellt Umfang und Zusammensetzung der voraussichtlichen Ausgaben und die Deckungsmöglichkeiten in ihren Wechselbeziehungen zu der mutmaßlichen Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Leistungsvermögens dar (§ 9 StabG, § 50 HGrG). Gegenstand der F. sind auf Bundesebene auch die vorgesehenen Investitionsschwerpunkte. Wegen der zentralen Bedeutung von Investitionen für die Haushaltswirtschaft einerseits und die Globalsteuerung andererseits kommt der Abbildung von Investitionen in der F. eine Doppelfunktion zu: Einerseits sind aus dem Finanzplan die nach § 10 StabG von den Ressorts aufzustellenden mehrjährigen Investitionsprogramme abzuleiten (§ 50 Abs. 5 HGrG), andererseits sind die Investitionsprogramme der Ressorts ihrerseits Zubringer für den (nächsten) Finanzplan (§ 10 StabG). Diese Wechselwirkung macht die Investitionsprogramme im materiellen Sinne zu einem Ausschnitt der F. Sie erfassen – nach Dringlichkeit und Jahresabschnitten gegliedert – die in den nächsten Jahren durchzuführenden Investitionsvorhaben (§ 10 Abs. 2 StabG). Jeder Jahresabschnitt soll die fortzuführenden und neuen Investitionsvorhaben mit den auf das betreffende Jahr entfallenden Teilbeträgen wiedergeben. Der Finanzplan (§ 9 Abs. 3 StabG) und ebenso die Investitionsprogramme sind jährlich der Entwicklung anzupassen und fortzuführen (§ 10 Abs. 3 StabG).

1.3 Kommunen

Zentrale Funktion der gesetzlich vorgeschriebenen F. auf kommunaler Ebene ist neben der Information der eigenen Amtsträger der betroffenen Kommune (Haushalts- und Investitionsplanung) die qualitative (regelbasierte) und quantitative (betragsmäßige) überörtliche Steuerung des kommunalen Finanzausgleichs. Sie beruht auf Verbundgrundlagen und Verbundquoten, den Regelungen über Schlüsselzuweisungen (Regelbedarfe) und Sonderbedarfen. In der F. bildet sich die Leistungsfähigkeit jeder einzelnen Gemeinde ab, so dass einerseits sog.e abundante Gemeinden, andererseits dauerhaft strukturell unterfinanzierte Gemeinden und Gemeindeverbände (Landkreise) früh identifiziert werden können. Damit können haushaltsrechtliche und -wirtschaftliche Besonderheiten (einerseits Wegfall oder Kürzung der Schlüsselzuweisungen, andererseits volle oder partielle Verschonung von Umlagen, Gewährung von Bedarfszuweisungen, Aufstellung eines Haushaltssicherungskonzepts und/ oder eines Nothaushalts) rechtzeitig erkannt und vorbereitet werden.

2. Unternehmensrecht und Betriebswirtschaft

Im privatrechtlichen und betriebswirtschaftlichen Kontext ist F. die Ermittlung und Steuerung liquider Mittel im Unternehmen für laufende und künftige Rechnungsjahre. Sie basiert regelmäßig auf einer Fortschreibung der letzten Jahresabschlüsse, auf den bisherigen Buchungen des laufenden Rechnungsjahres und auf Umsatzprognosen. Bes. Bedeutung erlangen Finanzplan und F. als Instrumente zur Früherkennung einer drohenden Insolvenz wegen Zahlungsunfähigkeit nach § 18 InsO. Besteht ein Finanzplan, kann ein Gesellschafter der Gesellschaft mit dem sog.en Finanzplankredit liquide Mittel zur Verfügung stellen, die gesellschaftsrechtlich und insolvenzrechtlich nicht dem Fremd-, sondern dem Eigenkapital zugerechnet werden.