Gewerblicher Rechtsschutz: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 14. November 2022, 05:55 Uhr
1. Begriff
Der g. R. im objektiven Sinn umfasst alle Regelungen, die absolute Rechte an immateriellen Gegenständen des gewerblichen Bereichs konstituieren oder ausgestalten. Dem entsprechen im subjektiven Sinn gewerbliche Schutzrechte, insb. technische Schutzrechte (Patent, Gebrauchsmuster, Sortenschutzrecht), Kennzeichenrechte (Marke, Unternehmenskennzeichen, Werktitel, geographische Herkunftsangaben) und das Design (Art. 1 Abs. 2 PVÜ).
Gemeinsam mit dem Urheberrecht bildet der g. R. das Recht des geistigen Eigentums oder Immaterialgüterrecht. Beide Begriffe setzen sich im Anschluss an die internationale Terminologie immer mehr durch und verdrängen allmählich das früher in Deutschland und Kontinentaleuropa übliche Begriffspaar g. R. und Urheberrecht.
Während das Urheberrecht vermögens- und persönlichkeitsrechtliche Elemente vereint und durch private Handlungen sowohl entstehen als auch verletzt werden kann, ist der g. R. reines Wirtschaftsrecht. Die gewerblichen Schutzrechte sind Vermögensrechte, sie dienen dem Schutz der gewerblichen Tätigkeit und können nur durch Handeln im geschäftlichen Verkehr verletzt werden. Allerdings weisen im Urheberrecht die verwandten Schutzrechte, sofern sie in erster Linie Investitionen in die Werkvermittlung schützen, Wesensmerkmale des g. R. auf.
Urspr. wurde auch das Recht gegen den unlauteren Wettbewerb zum g. R. gezählt (Art. 1 Abs. 2 und Art. 10bis</sub> PVÜ). Da das Lauterkeitsrecht aber neben dem Schutz unternehmerischer Leistungen gleichwertig auch dem Verbraucherschutz dient (§ 1 UWG) und zudem keine absoluten Rechte zuweist, sondern lediglich das Marktverhalten regelt, sprechen mittlerweile die besseren Gründe dagegen, das Lauterkeitsrecht als Teil des g. R. anzusehen. Allerdings entziehen sich einige Materien, bspw. der Schutz von Geschäftsgeheimnissen oder der Schutz gegen das unlautere Angebot nachgeahmter Produkte (§ 4 Nr. 3 UWG), einer klaren Zuordnung, weil sie trotz ihrer systematischen Zuordnung zum Lauterkeitsrecht immaterialgüterrechtliche Charakterzüge aufweisen.
2. Gemeinsame Wesensmerkmale
Gewerbliche Schutzrechte sind absolute Rechte. Ihr Objekt, das Immaterialgut, ist unkörperlicher Natur. Die Rechte sind übertragbar und können durch Erteilung ausschließlicher oder einfacher Lizenzen verwertet werden. Sowohl wettbewerbsbeschränkende Abreden in Lizenzverträgen als auch eine missbräuchliche Ausübung der Schutzrechte im Fall einer marktbeherrschenden Stellung unterliegen der kartellrechtlichen Kontrolle. Die Ansprüche bei Verletzung entsprechen sich weitgehend, weil sie querschnittartig für das gesamte Immaterialgüterrecht unionsrechtlich geregelt sind.
Gewerbliche Schutzrechte schränken die wirtschaftliche Freiheit potentieller Nachahmer ein und bedürfen daher der Rechtfertigung. Im Vordergrund stehen heutzutage nicht deontologische, sondern utilitaristisch-ökonomische Begründungen. Könnten Erfindungen oder Designs unbeschränkt nachgeahmt werden, so bestünde keine Knappheit und es entstünde kein Markt. Zugleich würde sich die Investition in Forschung und Entwicklung nicht lohnen, weil Nachahmer diese Kosten vermeiden und die Preise des Originalherstellers unterbieten könnten. Technische Schutzrechte und Designs verknappen Immaterialgüter künstlich und setzen so einen Anreiz für geistiges Schaffen mit Mitteln des Marktes. Hingegen steht bei Kennzeichenrechten nicht die Kreativität des Entwerfers im Mittelpunkt: Marken schaffen Markttransparenz. Indem sie Abnehmern die Unterscheidung zwischen konkurrierenden Produkten ermöglichen, garantieren sie eine Funktionsbedingung des Wettbewerbs, senken Informationskosten der Abnehmer und schaffen für Anbieter einen Anreiz dazu, in Qualität zu investieren.
Der g. R. unterliegt dem Territorialitätsprinzip: Die Wirkung der Schutzrechte erstreckt sich nur auf das Territorium des Erteilungsstaats oder, im Fall nicht registrierter Rechte, des Anerkennungsstaats.
3. Rechtsquellen
Auf internationaler Ebene findet die Unterscheidung zwischen dem g. R. und dem Urheberrecht in zwei grundlegenden internationalen Übereinkommen ihren Niederschlag. Während die RBÜ dem Schutz des Urheberrechts dient, setzt die PVÜ Mindeststandards des g. R. Ergänzt wird die PVÜ durch das TRIPS, das als Unterabkommen des WTO-Übereinkommens die Mitgliedstaaten nicht nur zur Befolgung der Standards von PVÜ und RBÜ verpflichtet, sondern strengere Mindeststandards aufstellt und bestimmte Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung vorschreibt. Daneben bestehen mehrere weitere Übereinkommen.
Auf EU-Ebene genießt der g. R. als Teil des geistigen Eigentums verfassungsrechtlichen Schutz durch Art. 17 Abs. 2 EuGRC. Durch zahlreiche Richtlinien wurde das Recht der Mitgliedstaaten aneinander angeglichen, bspw. durch die Markenrechtsrichtlinie von 1988 (neu verkündet als RL 2015/2436), die Geschmacksmusterrechtsrichtlinie von 1998 (RL 98/71/EG) und die Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen von 2016 (RL 2016/943). Die Vorschriften über die Rechtsdurchsetzung wurden durch die Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums harmonisiert. Neben die Rechtsangleichung durch Richtlinien tritt die Schaffung einheitlicher, autonomer EU-Schutzrechte durch Verordnungen. Insb. erteilt das EUIPO mit Sitz in Alicante EU-Marken und EU-Designs (Gemeinschaftsgeschmacksmuster).
Gemäß Art. 73 Nr. 9 GG hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für den g. R. Der verfassungsrechtliche Schutz des geistigen Eigentums wird im GG nicht eigens erwähnt, doch nach gefestigter Rechtsprechung des BVerfG fallen gewerbliche Schutzrechte in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG. Die wichtigsten einfachen Gesetze sind im Bereich der technischen Schutzrechte das PatG, das GebrMG und das SortSchG, für das Kennzeichenrecht das MarkenG sowie für das Designrecht das DesignG.
4. Die zentralen gewerblichen Schutzrechte
Das Patent ist ein ausschließliches Recht an einer Erfindung, also einer technischen Lehre zur Lösung eines technischen Problems. Patente werden durch das DPMA erteilt, wenn die angemeldete Erfindung neu, erfinderisch und gewerblich anwendbar ist und wenn keine Ausschlussgründe vorliegen. Patente schützen nicht nur gegen Nachahmer, sondern auch gegen unabhängige Entwickler und unterliegen nur wenigen Schranken. Kehrseite des starken Schutzes ist die kurze Schutzdauer von 20 Jahren. Patente haben für viele Wirtschaftsbereiche, bspw. für die pharmazeutische Industrie, erhebliche Bedeutung. In den vergangenen Jahrzehnten wurde das Patentrecht auf neue Gebiete, insb. auf biotechnologische Erfindungen und computer-implementierte Erfindungen erweitert. Diese Erweiterung hat eine kontroverse Diskussion über die ethischen Grenzen des Patentschutzes im Bereich der Gentechnik, über mögliche nachteilige Effekte von Schutzrechten auf die Entwicklung freier Software und über das Spannungsverhältnis zwischen geschützten Patenten und der Zugänglichkeit von Standards ausgelöst. Auf europäischer Ebene erteilt das EPA mit Sitz in München Schutzrechte. Dabei handelt es sich allerdings nicht um einheitliche EU-Rechte: Das EPÜ ist ein völkerrechtlicher Vertrag mit Mitgliedstaaten außerhalb der EU, der Anmelder kann Patentschutz in nur einigen dieser Staaten beantragen, und nach der Erteilung wird das europäische Patent weitgehend wie ein nationales Schutzrecht behandelt. Auf EU-Ebene stehen die Einrichtung eines einheitlichen, supranationalen Patentgerichts auf der Grundlage eines völkerrechtlichen Vertrags und die Schaffung eines EU-Patents mit einheitlicher Wirkung kurz bevor.
Die Marke ist ein Kennzeichen, das dazu dient, die Waren oder Dienstleistungen verschiedener Anbieter voneinander zu unterscheiden. Marken können nach Anmeldung beim EUIPO oder beim DPMA durch Registereintragung entstehen. Daneben schützt das deutsche Recht Marken aber auch ohne Registrierung, wenn sie benutzt werden und Verkehrsgeltung erlangen. Da Marken nicht das Ergebnis kreativen Schaffens oder technischer Invention betreffen, setzt ihr Schutz keine Neuheit oder Erfindungshöhe, sondern in erster Linie Unterscheidungskraft voraus. Neben Wort- und Bildmarken sind mittlerweile auch weitere Markenformen anerkannt, bspw. Hörmarken, Warenformmarken oder abstrakte Farbmarken. Da der Markenschutz unbegrenzt verlängert werden kann, verhindern v. a. bei Warenformmarken spezielle Ausschlussgründe, dass sich Anmelder durch die Hintertür des Markenrechts unbefristeten Schutz für Erfindungen oder Designs verschaffen.
Das Design schützt die zwei- oder dreidimensionale Erscheinungsform von Produkten, sofern sie neu ist und Eigenart aufweist. Ähnlich wie die Marke können Designrechte durch Anmeldung beim EUIPO bzw. beim DPMA und Eintragung entstehen. Die Schutzdauer beträgt bis zu 25 Jahren. Daneben schützt die EU-Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung auch nicht eingetragene Designs, die lediglich in der EU der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Dieser Schutz ist allerdings auf drei Jahre befristet.
Literatur
R. Kraßer/C. Ann: Patentrecht, 72016 • H.-P. Götting: Gewerblicher Rechtsschutz, 102014 • H.-J. Ahrens/M.-R. McGuire: Modellgesetz für Geistiges Eigentum, 2012 • L. Bently: What is „Intellectual Property“?, in: CLJ 71/3 (2012), 501–505 • M. Goldhammer: Geistiges Eigentum und Eigentumstheorie, 2012 • R. Merges: Justifying Intellectual Property, 2011 • W. M. Landes/R. A. Posner: The Economic Structure of Intellectual Property Law, 2003 • A. Ohly: Geistiges Eigentum?, in: JZ 58/11 (2003), 545–554 • V. Jänich: Geistiges Eigentum – eine Komplementärerscheinung zum Sacheigentum?, 2002.
Empfohlene Zitierweise
A. Ohly: Gewerblicher Rechtsschutz, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Gewerblicher_Rechtsschutz (abgerufen: 21.11.2024)