Handelsverträge: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Category:Rechtswissenschaft]]

Version vom 14. November 2022, 05:56 Uhr

1. Begrifflichkeiten und Arten

H. sind völkerrechtliche Abkommen zwischen mehreren Staaten, Staatengemeinschaften oder Wirtschaftszonen zur Regelung der außenwirtschaftlichen Beziehungen. Im Vergleich zu Zoll- oder Wirtschaftsunionen begründen H. eine geringere Form der Integration, da sie die außenwirtschaftlichen Beziehungen der Vertragsstaaten nur punktuell betreffen und deren generelle wirtschaftliche Selbständigkeit nicht beeinträchtigen. H. können zwischen zwei (bilaterale H.) oder mehreren (multilaterale H.) Staaten abgeschlossen werden, wobei erstere aufgrund der zunehmenden Komplexität der Vertragsverhandlungen heute dominieren.

2. Historische Entwicklung

H. lassen sich bereits bis ins Mittelalter zurückverfolgen. So wurden durch H. ausländischen Fürsten, Städten oder Kaufmannsvereinigungen (z. B. Hanse) Handelsprivilegien eingeräumt. Zur Zeit des Merkantilismus wurden H. in großem Umfang eingesetzt und waren auch Teil der sog.en Wirtschaftskriegsführung, in dem meist generelle Wareneinfuhrverbote verhängt wurden, die nur gegen die Gewährung eines entsprechenden Marktzutritts beim Vertragspartner aufgehoben wurden. Dabei waren H. oftmals lediglich ein Teil größerer Allianzen etwa auf militärischem Gebiet. Ein typisches Beispiel ist der Methuen-Vertrag von 1703 zwischen England und Portugal, der diesen einen gegenseitigen Marktzugang zusicherte. Diese generelle Tendenz setzte sich im 18. und 19. Jh. fort, zumal H. zunehmend als ordnungspolitisches Steuerungsinstrument für die nationale Volkswirtschaft begriffen und entsprechend eingesetzt wurden. Eine entscheidende Wende erfolgte erst durch die Schaffung des GATT von 1947, mit dem Zölle, Abgaben und andere Hemmnisse des internationalen Handels abgebaut werden sollten. Das GATT wurde 1995 durch die WTO abgelöst, das in umfassender Weise eine Rahmenrechtsordnung für den Abschluss von H.n durch die Mitglieder der WTO vorgibt.

3. Wirtschaftliche Zielsetzung und Kritik

H. dienen der Schaffung von Freihandel und damit der ordnungspolitischen Steuerung der eigenen Volkswirtschaft in zweierlei Hinsicht. Denn zum einen kann über diese der Zugang der Unternehmen der eigenen Volkswirtschaft zu ausländischen Märkten ermöglicht werden. Zum anderen kann die eigene Volkswirtschaft durch H. aber auch gesteuert werden, indem ausländischen Konkurrenten der Zugang zum nationalen Markt verwehrt wird, was etwa zum Aufbau eines eigenen Wirtschaftsbereichs oder aber zum Schutz des nationalen Marktes dienen kann. Durch den Abschluss von H.n verlieren die Staaten zwar diese Steuerungsmöglichkeiten. Allerdings sind damit auch Wohlfahrtsgewinne aufgrund der von Adam Smith begründeten Theorie der komparativen Kostenvorteile verbunden, da durch die mit den H.n verbundene Marktöffnung der (internationale) Wettbewerb gefördert wird und damit i. d. R. ein Innovationsschub verbunden ist. Darüber hinaus wird dadurch Fehlentwicklungen vorgebeugt, indem sich rückständige und nicht innovative Unternehmen und Produkte auf Dauer am (internationalen) Markt nicht behaupten können. Diese volkswirtschaftlichen Vorteile von Handelsabkommen sind allerdings auch mit einem ordnungspolitischen Kontrollverlust verbunden, der v. a. in den letzten beiden Jahrzehnten in den Fokus der politischen Auseinandersetzung geraten ist. Denn mit dem Abschluss von H.n wird oftmals nicht nur der gegenseitige Marktzugang eingeräumt, sondern es werden meist konkrete Standards für Produkte und Dienstleistungen festgelegt, um ein Regelungsgefälle zwischen den Vertragsstaaten zu vermeiden. Damit regeln H. aber nicht mehr nur die Außenwirtschaftsbeziehungen der Vertragsstaaten, sondern nehmen aufgrund der dann bestehenden völkerrechtlichen Bindungen direkten Einfluss auf die nationale Ordnungs– und Wirtschaftspolitik. Dies wird v. a. im Bereich der Arbeitnehmer- und Verbraucherschutzrechte zunehmend kritisiert. Diese Aspekte haben etwa innerhalb der EU zu einer Diskussion über die Art und Weise der Verhandlung und der Ratifizierung derartiger Abkommen etwa im Rahmen des CETA geführt, die den Abschluss von H.n in Zukunft deutlich erschweren wird.

4. Bedeutung

Innerhalb des Europäischen Binnenmarktes sind H. für die einzelnen Mitgliedstaaten kaum noch von Bedeutung. Denn im Verhältnis zu Drittstaaten nimmt die EU diese Kompetenz im Rahmen der gemeinsamen Handelspolitik wahr (Art. 207, 218 AEUV). Soweit es sich bei dem Handelsvertrag um ein gemischtes Abkommen handelt, ist die Zustimmung der mitgliedstaatlichen Parlamente erforderlich. Ein gemischtes Abkommen liegt immer dann vor, wenn das Abkommen auch Bereiche im originären Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten betrifft, was aufgrund der heutigen Komplexität von H.n meist der Fall ist.

5. Zentrale Kennzeichen und Inhalte von Handelsverträgen

Der Inhalt von H.n kann sehr unterschiedlich ausgestaltet sein und sich etwa nur auf einzelne Wirtschaftsbereiche beziehen. Während bis Mitte des 20. Jh. H. meist für einzelne Wirtschaftsbereiche und Branchen geschlossen wurden, zeichnen sich diese in der heutigen Zeit durch eine wachsende Komplexität aus. So regeln H. nicht mehr nur den direkten gegenseitigen Marktzugang, sondern setzten für den Marktzugang konkrete Standards für einzelne Produkte und Dienstleistungen fest. Darüber hinaus enthalten H. typischerweise Reziprozitätsklauseln, wonach einem Vertragspartner nur solche Rechte eingeräumt werden, die dieser dem anderen Vertragspartner auch selbst einräumt. Zudem sind oftmals Paritätsklauseln vorzufinden, wonach Staatsangehörige des Vertragspartners nicht schlechter als eigene Staatsangehörige gestellt werden dürfen. Weiterhin sind oft Meistbegünstigungsklauseln anzutreffen, wonach dem anderen Vertragspartner die gleichen Rechte eingeräumt werden müssen, die der Vertragspartner einem Drittstaat zuerkennt. Ein vergleichsweise junges Phänomen sind schließlich Investitionsschutzklauseln, die Investoren aus dem Staat des Vertragspartners einen weitgehenden Schutz vor Enteignungen und Entschädigungen gewähren und diesem typischerweise direkte Schadenersatzansprüche gegen einen Vertragsstaat einräumen.