Alternative für Deutschland (AfD)

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Bei der AfD handelt es sich um die Neugründung in der bundesdeutschen Parteiengeschichte, die sich binnen nur weniger Jahre am schnellsten flächendeckend als Wahlpartei etablieren konnte. Öffentlich ist sie um das Image einer bürgerlich-konservativen Kraft (Konservatismus) bemüht, während nicht nur Aussteiger von dominierenden rechtsextremistischen Entwicklungen in der Partei sprechen. Gleichzeitig prägen Emotionalisierung und Polarisierung ihr öffentliches Wirken, soll doch breitere Aufmerksamkeit durch Provokationen ausgelöst werden. Der anfänglich dominante liberal-konservative Flügel ist durch den identitär-nationalistischen Flügel abgelöst worden, was für rigorose Brüche in der nur kurzen Parteigeschichte steht. Daher wird die AfD auch der Parteifamilie des Rechtspopulismus zugeordnet. Es lässt sich in der Gesamtschau sogar folgender Trend konstatieren: Aus einer ursprünglich rechtsdemokratischen Partei mit rechtsextremistischer Minderheit wird eine rechtsextremistische Partei mit einer rechtsdemokratischen Minderheit.

1. Entstehung und Entwicklung

Gegründet wurde die „Alternative für Deutschland“ (AfD) am 6.2.2013, wobei die handelnden Akteure insbesondere die von der Bundesregierung umgesetzte Europa-Politik kritisierten und ihr politisch-konservative und ökonomisch-liberale Positionen entgegensetzen wollten. So erklärt sich auch die selbst gewählte Bezeichnung für die neue Partei. Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte seinerzeit ein Rettungspaket, das Finanzhilfen für das verschuldete Griechenland vorsah (Eurokrise), als letztendlich „alternativloses“ Vorgehen bezeichnet. Demgegenüber sollte hier eine „Alternative für Deutschland“ mit der neuen Partei aufgezeigt werden. Sie führte dann am 14. 4. 2013 auch ihren ersten Parteitag durch, wo der Journalist Konrad Adam, der Ökonomie-Professor Bernd Lucke und die Unternehmerin Frauke Petry zu gleichrangigen Vorgesetzten gewählt wurden. Bedeutsam ist aus späterer Blickrichtung, dass alle drei Genannten der Partei nicht mehr angehören und diese mit Hinweisen auf ein dort erfolgenden „Rechtsruck“ verließen. Einerseits gelang fortan der Aufbau von handlungsfähigen Strukturen, andererseits kam es bei der internen Entwicklung zu heftigen Kontroversen. Diese erklärten sich durch ideologische und strategische Differenzen, aber auch durch machtpolitische und persönliche Interessen. Insb. die Aufnahme und der Einflussgewinn von politisch weit rechts stehenden Mitgliedern führten dazu, dass die als gemäßigt geltenden liberalkonservativen Akteure immer mehr an Bedeutung in der Partei verloren. Diese Entwicklung lässt sich gut anhand der Führungszusammensetzung aufzeigen: So unterlag 2015 bei einer Kampfabstimmung B. Lucke auf dem damaligen Parteitag der konkurrierenden F. Petry. Diese verließ die AfD selbst 2017 nach der Bundestagswahl. Der bereits seit 2015 amtierende zweite Bundessprecher Jörg Meuthen, ebenso wie B. Lucke ein Wirtschaftswissenschaftler, vollzog 2022 den gleichen Schritt. Allein die Entwicklung dieser drei Personalien deutet an, dass es innerhalb der AfD zu grundlegenden Änderungen auch der Positionen kam.

2. Positionen und Themen

Diese konzentrierten sich zunächst auf die seinerzeitige Europapolitik, die von der AfD bezüglich des Managements der Schuldenfrage abgelehnt wurde. Einen Austritt aus der EU forderte man anfänglich nicht, erst später wurde dieser als „Dexit“ offizielle Parteiposition. Die als „euroskeptisch“ wahrgenommenen Auffassungen kamen auch in der Bevölkerung relativ gut an, betrachtet man dazu sowohl Umfrage- wie Wahlergebnisse. Nachdem diese Begleiterscheinungen der Europapolitik aber medial und öffentlich an Relevanz verloren hatten, ging die der AfD auf den genannten Ebenen entgegengebrachte Zustimmung immer mehr zurück. Sie wurde nur noch unter 5% der potentiellen Stimmabgaben gehandelt, womit sie bei diversen Beobachtern voreilig als historisches Phänomen galt. Eine Änderung vollzog sich erst wieder durch die Flüchtlingsentwicklung ab 2015, die von hohen Funktionsträgern als „Geschenk“ (Alexander Gauland) für die Partei wahrgenommen wurde. Endlich hatte man wieder ein Agitationsthema. Da die Bundestagsparteien die Flüchtlingsaufnahme meist begrüßten, entstand für Befürchtungen in der Gesellschaft eine inhaltliche Leerstelle. Diese wurde von der AfD direkt oder indirekt mit emotionalen Botschaften bis hin zu hetzerischen Kommentaren gefüllt. Als Beispiel dafür kann die in einer Bundestagsrede gefallene Formulierung „Messermänner“ (Alice Weidel) gelten, welche das Land mit der gemeinten Migrationsentwicklung überschwemmen würden. Immer wenn diesbezügliche Fragen öffentlich nicht mehr so relevant waren, brach die messbare Zustimmung ein. Dies machte auch die starke Aufmerksamkeit für die Corona-Entwicklung deutlich, stürzte die Partei zu dieser Zeit doch in den Umfragen stark ab. Überhaupt konnte sich die AfD in anderen Politikfeldern häufig nicht genauer positionieren. So forderte sie zwar programmatisch mehr direkte Demokratie, ohne aber diese Positionen öffentlich stärker zu konkretisieren und zu verbreiten. Allgemein bekundete man wie etwa in der Familienpolitik eher konservative Positionen.

3. Mitgliederentwicklung und -zusammensetzung

Da die AfD bereits namentlich als Alternative zur etablierten Politik auftrat, strömten ihr nach der Gründung viele Interessierte zu, schien sie doch mit ihrem Profil im politischen Spektrum eine Vertretungslücke zu füllen. Bereits direkt nach ihrer Gründung schlossen sich der Partei 10 000 Personen an. Angesichts der öffentlichen Aufmerksamkeit für sie und ihren elektoralen Erfolge stiegen in den nächsten Jahren die Mitgliederzahlen immer weiter an. 2015 waren es knapp 20 000, 2016 23 000 und 2017 28 000 Personen. Die AfD erreichte ihren bisherigen Höchststand mit 39 000 Mitgliedern schließlich in 2019. Anschließend setzte aber wieder ein Rückgang ein, 2021 waren es nur noch 31 000 und 2022 29 000 Personen. Erkennbar hängt diese Entwicklung mit dem öffentlichen Image der Partei zusammen, wobei etwa die Einschätzung der Verfassungsschutzbehörden (Verfassungsschutz) oder die Entwicklung bei Wahlen relevant waren. Letztere hing stark von einem AfD-kompatiblen Agitationsthema wie z.B. der Flüchtlingsentwicklung ab. Fehlte ein solches, sank auch die Mitgliederzahl. Genauere Daten über die Herkünfte der Parteimitglieder liegen nicht vor. Blickt man auf bekanntere Führungskräfte, so kamen diese aus konservativen Kontexten. Dies gilt etwa für K. Adam als ehemaligen FAZ-Journalisten oder A. Gauland als früheren CDU-Politiker. Auch die Leiterin der parteinahen „Desiderius-Erasmus-Stiftung“ Erika Steinbach kam aus der Unionspartei. Gleichwohl lassen sich aus den Angaben zu Einzelpersonen keine Verallgemeinerungen ableiten. Die innere Ausrichtung auf eine provokative Strategie führte auch dazu, dass die AfD von verhaltensauffälligen Personen stärkeren Zulauf erhielt. Diese Besonderheit erklärt mit das dazu passendes Erscheinungsbild. Gegenüber Interessierten aus rechtsextremistischen Kreisen ergingen zwar Unvereinbarkeitsbeschlüsse. Sie wurden aber allenfalls in den ersten Jahren konsequenter umgesetzt, während man später mehr nach Gutdünken verfuhr. Eine Ausnahme war der 2020 erfolgte Ausschluss von Andreas Kalbitz, des brandenburgischen Landesvorsitzenden mit einer neonazistischen Vergangenheit.

4. Flügel und Organisationsstruktur

Bei den AfD-Funktionären wie -Mitgliedern handelte bzw. handelt es sich nicht um einen ideologisch homogenen Personenkreis. Idealtypisch lässt sich hier eine Dreiteilung vornehmen: Es gibt einen liberal-konservativen Flügel, einen national-konservativen Flügel und einen identitär-nationalistischen Flügel. Betrachtet man die Entwicklung, so lässt sich kontinuierlich weg von den erstgenannten Akteuren eine Machtverschiebung zu den letztgenannten Repräsentanten konstatieren. Damit einher geht zumindest ein verbalisierter Abschied von marktliberalen Auffassungen (Liberalismus), was sich aber nicht im Abstimmungsverhalten oder im Engagement niederschlägt. Der identitär-nationalistische Flügel bedient sich auch kapitalismuskritischer Schlagworte, um insb. die Arbeiter als Wählerbasis zu halten. Ansonsten vertreten deren Akteure, die sich in dem informellen Netzwerk „Der Flügel“ sammeln, angesichts von Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus häufig eine rechtsextremistische Position (Extremismus). Ansonsten unterscheidet sich die AfD bezüglich der formalen Organisationsstruktur kaum von anderen Parteien. Der Bundesparteitag gilt als oberstes Parteiorgan. Dort finden häufig emotionalisierte Auseinandersetzungen statt, welche bei nicht wenigen Delegierten auf ein ungewöhnliches Sozialverhalten schließen lassen. Die gewählten Bundessprecher erhalten meist keine herausragenden Ergebnisse. So votierten etwa bei dem Bundesparteitag 2022 lediglich 53% für Tino Chrupalla und 67% für A. Weidel. Ansonsten bestehen ein Bundesvorstand, eine Bundesprogrammkommission, Bundesfachausschüsse, ein Bundesschiedsgericht und ein Konvent. Ähnlich verhält es sich in den 16 Landesverbänden, die alle bereits 2013 gegründet wurden und mitunter unterschiedliche Orientierungen aufweisen. Die als gemäßigt geltenden Akteure finden sich eher in den westlichen Ländern, die nationalistisch orientierten Kräfte mehr in den östlichen Ländern. Auch die „Junge Alternative“ (JA) als Jugendorganisation lässt sich diesem Spektrum zuordnen.

5. Wahlergebnisse und Wählerzusammensetzung

Wie ausgeführt handelt es sich bei der AfD in der BRD um eine von drei Neugründungen von Parteien, die sich auf Bundes- und Landesebene dauerhaft als Wahlpartei etablieren konnten. Seit Beginn ihrer Existenz erzielte sie bis 2020 sowohl flächendeckend wie kontinuierlich steigende Wahlerfolge. Diesbezüglich unterscheidet sich die AfD von Bündnis 90/Die Grünen wie von Die LINKE. Erst nach 2020 konnte ein gelegentlicher Rückgang der Wählerzustimmung konstatiert werden, wobei diese Entwicklung nichts an dem erreichten Status als etablierter Wahlpartei änderte: Bei den Bundestagswahlen 2013 erhielt sie noch 4,7%, 2017 waren es bereits 12,6% und 2021 dann noch 10,3% der Stimmen. Auffällig sind neben diesem Entwicklungstrend auch die Ost-West-Unterschiede: Die AfD verbucht im Durchschnitt im Osten doppelt bis dreifach so viele Prozente wie im Westen. So bestand etwa bei den letzten Bundestagswahlen ein 19,8% zu 8,2%-Verhältnis mit entsprechender quantitativer Verteilung. Blickt man auf die Wählerschaft, so lassen sich auffällige Spezifika ausmachen. Dies sei anhand der Bundestagswahl 2021 veranschaulicht. Während nur 8% der Frauen für die AfD votierten, waren es 12% der Männer. Betrachtet man die Altersgruppen, so gab es in der jüngeren und älteren Gruppe unterdurchschnittliche und in den mittleren Gruppen überdurchschnittliche Zustimmungswerte. Bei hoher Bildung lagen die Ergebnisse nur bei 6%, bei mittlerer und niedriger Bildung bei 15 und 13% der Stimmen. Arbeiter votierten zu 21% für die Partei, Angestellte zu 11%. Demgegenüber gab es bei Beamten mit 6, Rentnern mit 7 und Selbständigen mit 9% nur unterdurchschnittliche Werte. Beachtenswert sind noch die Angaben zur subjektiven Bewertung der eigenen wirtschaftlichen Lage: 9 % schätzten sie als sehr gut/gut, 19 % als weniger gut/schlecht ein.

6. Einordnung als Parteityp

Angesichts der erwähnten Entwicklung kann die Partei je nach Phase auch unterschiedlichen Typen zugeordnet werden: Zu Beginn ihrer Existenz wirkte sie wie eine liberal-konservative Elitepartei, galt sie doch gar als „Professorenpartei“, da an der Spitze einige Wirtschaftsprofessoren wirkten. Sie machten die Partei durch ihre Präsenz in TV-Talkshows bekannt. Spätestens durch den Ausstieg von B. Lucke und seinem Umfeld änderte sich vieles, offenbarten sich doch immer mehr rechtspopulistische Spezifika (Populismus). Dazu gehörten etwa die dezidierte Anti-Establishment-Haltung, die Behauptung einer besonderen Volksnähe, die Beschwörung der nationalen Identität und die Frontstellung gegen die Migrationsentwicklung. Angebliche oder tatsächliche Probleme wurden öffentlich aufgegriffen, um sie mit monokausalen und stereotypen Deutungen, etwa mit Fremdenfeindlichkeit, zu verbinden. Damit entsprach die AfD der europäischen „Parteienfamilie“ des Rechtspopulismus. Eine andere Einordnung lässt sich noch angesichts des erwähnten inneren „Rechtsrucks“ vornehmen: Denn die relativ offen rechtsextremistisch ausgerichteten Angehörigen des „Flügel“, der nur offiziell aufgelöst wurde, de facto aber noch weiter besteht, erlangten in der Partei immer größere Relevanz. Deutlich zeigte sich dies bei den Erklärungen ausgetretener früherer Funktions- und Mandatsträger. Die häufigste Begründung für ihren Schritt wies jeweils auf die immer dominantere politische Rolle rechtsextremistischer Kräfte hin, womit B. Höcke und sein Umfeld gemeint sind. Auch als gemäßigt geltende Funktionsträger haben sich diesem angenähert, was die bereits länger auszumachende innerparteiliche Verschiebung offenbart. Aus einer rechtsdemokratischen Partei mit einer rechtsextremistischen Minderheit entwickelt sich offenbar eine rechtsextremistische Partei mit einer rechtsdemokratischen Minderheit.