Öffentlichkeitsarbeit
1. Definition und Entwicklung
Ö. bezeichnet Kommunikation, die strategisch, organisiert und im Hinblick auf die Öffentlichkeit erfolgt. Der synonyme englische Begriff PR und seine weit verbreitete Definition durch James E. Grunig und Todd Hunt als „management of communication between an organisation and its publics“ (1984: 6) verweist darauf, dass Ö. eine Praxis des Managements bzw. des Marketings von Unternehmen und nicht erwerbswirtschaftlichen Organisationen darstellt.
Das Ziel der Ö. besteht gemeinhin darin, die Reputation bzw. das Image einer Organisation oder Person in eine bestimmte Richtung zu prägen, d. h. die öffentliche Meinung insgesamt oder die Meinung in bestimmten Anspruchsgruppen zu beeinflussen. Als Anspruchsgruppen werden alle Teile der Öffentlichkeit verstanden, die durch das Handeln einer Organisation betroffen sind oder Ansprüche an diese haben – gleich ob dies der Gruppe bereits bewusst ist oder ob sie sich eventuell zur Durchsetzung dieser Ansprüche bereits organisiert hat. Die Tatsache, dass Ö. Einfluss ausüben will, schließt nicht aus, dass sie Interessen der verschiedenen Anspruchsgruppen, welche die relevante Öffentlichkeit für eine Organisation bilden, systematisch erhebt und berücksichtigt. Noch darüber hinausgehend können wechselseitige Verständigung und Interessenausgleich ins Zentrum der Ö. rücken. Die Entwicklung zu entspr.en, zunehmend symmetrischen Formen der Ö. gilt sogar als Trend.
Aus systemtheoretischer (Systemtheorie) Sicht ist Ö. ein Epiphänomen der Ausdifferenzierung von modernen Gesellschaften. Sie lässt sich funktional-strukturell gesehen als Subsystem begreifen, dass sich im Rahmen des gesellschaftlichen Funktionssystems der öffentlichen Kommunikation herausgebildet hat.
Historisch gesehen hat sich Ö. im Verlauf der Industrialisierung entwickelt und damit zunehmende Bedarfe nach Information, Kommunikation und Persuasion befriedigt, und zwar speziell von Organisationen. Vom 19. bis zum ausgehenden 20. Jh. hat die Ö. sich in einer Form herausgebildet, die stark auf die traditionellen Massenmedien und Journalisten als ihre „Gatekeeper“ ausgerichtet war. Mit dem jüngsten grundlegenden Strukturwandel der Öffentlichkeit seit den letzten Jahrzehnten des 20. Jh. hat die Bedeutung traditioneller Einwegkommunikation im massenmedialen Modus „one-to-many“ abgenommen, die Bedeutung der direkten, interaktiven Kommunikation „many-to-many“ hingegen zugenommen. Dies bedeutet zum ersten, dass die Instrumente der Ö. sich entspr. wandeln, etwa im Hinblick auf den gehäuften Einsatz von Eigenmedien, die sich ohne Einschaltung von Journalismus und publizistischen Medien direkt an die Anspruchsgruppen wenden. Zum zweiten wird Ö. durch den digitalen Strukturwandel der Öffentlichkeit und die damit verbundene Medialisierung insgesamt wichtiger.
2. Abgrenzung und Formen
Ö. kann mit Marketing und Werbung zusammenfallen, wird von beiden aber v. a. durch ihren Fokus auf das Image als Zielgröße abgegrenzt, und außerdem dadurch, dass sie üblicherweise nicht kurzfristigen Absatzzielen dient. Gleichwohl werden Instrumente, die typisch für die Ö. sind (etwa Pressemeldungen, Pressekonferenzen, Inszenierungen), in erheblichem Umfang auch für Zwecke der Absatzsteigerung eingesetzt (z. B. in der Automobilbranche).
Im Gegensatz zum Journalismus, der die öffentliche Aufgabe der Massenmedien zu erfüllen hat und insofern am Gemeinwohl orientiert sein sollte, ist es für Ö. legitim, Partialinteressen zu verfolgen. Typischerweise tut sie das auch. Journalismus und die publizistischen Massenmedien, in denen er organisiert ist, bilden dabei ein zentrales Bezugssystem der Ö.
Die wichtigsten Instrumente der Ö. bestehen einesteils in der Erzeugung und Streuung von Information zur eigenen Organisation und ihren Anliegen, andernteils in der Beziehungspflege mit einflussreichen Akteuren, die für die eigenen Ziele günstig gestimmt werden sollen. Presse- und Medienarbeit, die Ausgangsmaterial für Journalisten zur Verfügung stellt, bildet die häufigste und wichtigste Form aus der erstgenannten Gruppe von Instrumenten. Zur zweitgenannten Gruppe zählen etwa die sog.en Media Relations, also die Pflege der Beziehungen zu Journalisten und Medienmanagern, sowie die Public Affairs, also die entspr.e Kommunikation mit Entscheidern aus Politik, Behörden und Verwaltung.
Ö. kann sich als funktionale Abteilung in einer Organisation manifestieren. Überwiegend wird sie als Auftragskommunikation durchgeführt, die zu einem großen Teil an spezialisierte Agenturen und andere Dienstleister vergeben wird. Ihre Wirkung in den Medien erzielt sie dabei zum größten Teil nicht durch bezahlte Kommunikation wie in der Werbung, sondern durch die Effekte der oben genannten Instrumente.
3. Öffentlichkeitsarbeit in der Politik
Politische Ö. ist ein Handlungsfeld der strategischen politischen Kommunikation, das sich mit anderen Handlungsfeldern wie z. B. Lobbying, Public Affairs, Wahlkampf oder Public Diplomacy überschneidet. Der spezifische Kern politischer PR ist darin zu sehen, dass kollektiv bindende Entscheidungen durch Kommunikation über die öffentliche Meinung gezielt beeinflusst werden sollen. Insofern ist Ö. in pluralistischen Demokratien (Pluralismus) ein immanenter Bestandteil von Politik. Neben traditionellen Instrumenten wie der Medienarbeit von Regierungen, Parlamenten, Parteien und NGOs sowie dem Wahlkampf lässt sich unter der politischen Ö. auch symbolische Politik subsumieren. Der politische Einfluss, mitunter auch die Existenz bestimmter NGOs, die ab der zweiten Hälfte des 20. Jh. entstanden sind, verdankt sich allein ihrer Ö., die überwiegend in der Inszenierung von medienwirksamen Ereignissen besteht. Inzwischen werden zunehmend soziale Netzwerke im Internet für politische Ö. eingesetzt. Sie ermöglichen es Politikern, die Öffentlichkeit unter Umgehung von publizistischen Medien und Parteistrukturen zu erreichen und erlauben mithilfe von Algorithmen eine datengetriebene, zwar massenhafte, aber auf einzelne Zielpersonen ausgerichtete Kommunikation. Das hat die politische Ö. anfangs des 21. Jh. stark verändert. Insgesamt hat der Stellenwert von Ö. für Politik durch die Medialisierung der Gesellschaft zugenommen. Andere Faktoren der zunehmenden Wichtigkeit von Ö. sind die wachsende Komplexität, Pluralität und Beschleunigung kollektiv bindender Entscheidungsmechanismen, wobei diese Entwicklungen umgekehrt auch durch eine zunehmende und immer mehr professionalisierte Ö. angetrieben werden.
Literatur
L. Hagen/M. Wieland/A.-M. In der Au: Algorithmischer Strukturwandel der Öffentlichkeit, in: MedienJournal 41/2 (2017), 127–143 • R. Fröhlich/P. Szyszka/G. Bentele (Hg.): Hdb. der Public Relations, 32015 • G. Vowe/S. Opitz: Public Relations aus politikwissenschaftlicher Sicht, in: ebd., 85–95 • U. Röttger/J. Preusse/J. Schmitt: Grundlagen der Public Relations, 2011 • G. Bentele: Politische Öffentlichkeitsarbeit, in: U. Sarcinelli (Hg.): Politikvermittlung und Demokratie in der Mediengesellschaft, 1998, 124–145 • W. Donsbach (Hg.): Public Relations in Theorie und Praxis, 1997 • J. E. Grunig/T. Hunt: Managing public relations, 1984 • F. Ronneberger: Legitimation durch Information,1977 • A. Oeckl: Hdb. der Public Relations, 1964.
Empfohlene Zitierweise
L. Hagen: Öffentlichkeitsarbeit, Version 14.08.2021, 13:00 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/%C3%96ffentlichkeitsarbeit (abgerufen: 05.12.2024)