Finanzmarktkrise

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1. Begriff

Innerhalb der Medizin bezeichnet Krise im Allg.en eine plötzlich auftretende, unerwartete Veränderung des Krankheitsverlaufes. Zumeist wird der Begriff der Krise dabei negativ, d. h. zur Beschreibung einer plötzlich auftretenden Verschlechterung des Gesundheitszustandes, verwendet. In diesem Sinne wird der Begriff Krise auch auf andere Phänomene, bspw. die plötzlich auftretende Verschlechterung der Wirtschaftsentwicklung eines Landes (Wirtschaftskrise) oder die plötzliche Abwertung von auf Finanzmärkten gehandelten Vermögenswerten (F.) übertragen.

Dabei lässt sich eine F. mitunter nur schwer von anderen Krisen, wie Bankenkrise oder Währungskrise, abgrenzen und führt aufgrund von Zahlungsausfällen und Kaufkraftverlust oftmals in eine Wirtschaftskrise. Ob eine F. als Krise erfahren wird, hängt jedoch auch von psychologischen Faktoren ab.

2. Ursachen und Verlauf von Finanzmarktkrisen

Zumeist resultieren F.n aus Fehlspekulationen. Der Verlauf einer derartigen Spekulationskrise folgt dabei einem Muster, das von Charles Poor Kindleberger und Robert Zelwin Aliber wie folgt beschrieben wird: (1) Positive Gewinnerwartungen veranlassen Investoren, sich auf bestimmten Märkten zu engagieren, was zu einem Preisanstieg der dort gehandelten Vermögenswerte führt. (2) Die positive Entwicklung veranlasst auch bisher zögerliche Investoren dazu, ebenfalls auf diesen Märkten zu investieren. Es entsteht eine Aufwärtsspirale, die zum einen durch eine zunehmend schnellere Zirkulation der Vermögenswerte bei stetig steigenden Preisen, zum anderen durch einen vermehrten Einsatz liquider Mittel auf diesen Märkten genährt wird. Problematisch ist, dass die auf diesen Märkten zirkulierenden liquiden Mittel durch Geldschöpfung, d. h. Kreditvergabe der Geschäftsbanken, stets weiter erhöht werden können. Da Finanzintermediäre vom Boom profitieren, haben sie ein gesteigertes Interesse an der Kreditvergabe und den hierdurch finanzierten Investments, was dazu führen kann, dass staatliche Kontrollmechanismen zur Regulierung der derivativen Geldschöpfung seitens der Banken gezielt umgangen werden. (3) Platzt die Spekulationsblase, bspw. weil übertriebene Gewinnerwartungen enttäuscht werden, oder weil staatliche Organe in das Marktgeschehen eingreifen, beginnen sich erste Investoren aus den Spekulationsmärkten zurückzuziehen. Desinvestitionen, nachlassende Umlaufgeschwindigkeit und Nachfrageausfälle bei den entspr.en Vermögenswerten führen zu Verunsicherung auf den Märkten. Dies steigert die Liquiditätspräferenz der Akteure, die nun versuchen, Vermögenswerte erneut in liquide Mittel zu tauschen, um sich gegen Wertverluste abzusichern. Daraus resultieren weitere Verkäufe, die letztlich zu Preiseinbrüchen auf den Spekulationsmärkten führen. (4) Der sich nun beschleunigende Preisverfall der Spekulationswerte führt zu Zahlungsschwierigkeiten seitens der Investoren und im Falle kreditfinanzierter Investitionen zu Kreditausfällen und Überschuldung. Dies wiederum veranlasst die Finanzintermediäre zu vorsichtigerer Kreditvergabe, was zu einem „Austrocknen“ der Kreditmärkte führt, mit erheblichen Folgen auch für die nicht an der Spekulation beteiligten Wirtschaftsakteure. Die mangels Kreditfinanzierung ausbleibende Nachfrage nach realwirtschaftlichen Gütern mündet so in eine Wirtschaftskrise.

Dabei bleiben F.n kein endemisches Phänomen. Zum einen führen euphorische Gewinnerwartungen und antizipierte Spekulationsgewinne auch zu unvorsichtigen Investitionen in anderen Bereichen, so dass auch dort, bspw. auf dem Immobilienmarkt, ein Boom entstehen kann. Zudem bewirken Spekulationsgewinne eine erhöhte Güternachfrage und steigern damit die Warenproduktion und die Exporttätigkeit auch auf ausländischen Märkten. V. a. aber locken hohe Gewinnerwartungen ausländische Investoren an, die damit beginnen, Kapital auf Spekulationsmärkte zu exportieren, was die Wechselkursparität, d. h. das Tauschverhältnis inländischer zu ausländischer Währung, zugunsten des kapitalimportierenden Landes beeinflusst. Kommt es zum Platzen der Spekulationsblase führen die exportinduzierte Überproduktion und der spekulationsbedingte Kapitalabfluss auch in diesen Ländern zu einer Wirtschaftskrise.

3. Frühe Beispiele von Finanzmarktkrisen

Klassische Beispiele von Spekulationsblasen sind die „Tulpenmanie“ in Holland (1634–1638), der „Mississippi-Schwindel“ in Frankreich (1719/1720) und die „South-Sea-Bubble“ in England (1720). In allen Fällen wurden die Spekulationsblasen von überzogenen Gewinnerwartungen genährt und z. T. durch günstige Kredite der am Spekulationsgeschäft beteiligten Banken mitfinanziert.

Auch die durch Spekulation und kreditfinanzierte Handelsexpansion ausgelösten F. des 19. Jh. folgen diesem Krisenmuster. Hier hatte v. a. die von den USA ausgehende F. von 1857 auch Auswirkungen auf England und Kontinentaleuropa und gilt als erste „Weltwirtschaftskrise“. Ausgangspunkt bildet der US-amerikanische Eisenbahnboom. Dieser führte zu einem Anstieg englischer Exporte, insb. von Industrie- und Handelsgütern und eröffnete zahlreichen Spekulanten die Möglichkeit, durch kreditfinanzierte Warentermingeschäfte am erhofften Preisanstieg zu verdienen. Zahlreiche kleine US-amerikanische Banken hofften als Aktionäre und Kreditgeber vom Eisenbahnboom zu profitieren. Angelockt durch hohe Ertragserwartungen engagierten sich auch europäische Anleger in US-amerikanischen Aktiengesellschaften. Als die Aktienkurse der Eisenbahngesellschaften einbrachen und die USA aufgrund sinkender Weizenpreise ihre Industrieimporte nicht mehr durch Agrarexporte gegenfinanzieren konnten, brach das System zusammen. Der Kapitalabzug der europäischen Investoren brachte zahlreiche der kapitalschwachen und zudem durch nun wertlose Eisenbahnpapiere in ihrem Anlagevermögen geschwächten kleinen US-amerikanischen Banken in Zahlungsschwierigkeiten. Als am 24.8.1857 die Ohio Life Insurance Company aufgrund von Fehlspekulationen ihre Zahlungsunfähigkeit erklärte, kam es zum Bank-Run und mehr als 200 Banken und über 5 000 Unternehmen mussten Konkurs anmelden, da sie aufgrund mangelnder Refinanzierungsmöglichkeiten nicht mehr in der Lage waren, ihrem Schuldendienst nachzukommen. In England führte der krisenbedingte Anstieg der US-amerikanischen Kreditzinsen zu massiven Abflüssen an Goldreserven. Auch hier kam es trotz des Eingreifens der Bank of England zu einem Bank-Run und zum Zusammenbruch mehrerer Banken und Handelshäuser. Im stark am kreditfinanzierten USA-Handel beteiligten Hamburg führte der Einbruch des Exportgeschäfts zu zahlreichen Zahlungsausfällen und Liquiditätsengpässen, die letztlich nur mit Hilfe eines vom Senat der Stadt aufgenommenen österreichischen Staatskredits überbrückt werden konnten.

Nach gleichem Muster führte der Aktien- und Immobilienboom der 1870er Jahre zum so genannten „Gründerkrach“, der durch massive Kurseinbrüche an der Wiener Börse im April 1873 und den Zusammenbruch des New Yorker Bankhauses Jay Cook & Co. im September 1873 sowie der Quistorpschen Vereinsbank in Berlin im Oktober 1873 ausgelöst wurde. Erneut waren es die von der Euphorie der französischen Reparationszahlungen von 1871 ausgelösten, allzu optimistischen Ertragserwartungen, die zu Immobilienspekulationen und Spekulationen mit Eisenbahnpapieren führten, aus denen letztlich eine F. erwuchs.

4. Finanzmarkt- und Bankenkrise 1929–1932

Eine der in ihren Folgen bedeutsamsten Krisen ist die Weltwirtschaftskrise, die mit dem sog.en Black Thursday an der New Yorker Börse ihren Anfang nahm und in die langanhaltende Wirtschaftsdepression der 1930er Jahre mündete. Im Laufe der 1920er Jahre hatte das Handelsvolumen insb. an der New Yorker Börse stark zugenommen. Verantwortlich hierfür waren die neu entstandenen, v. a. an schneller Gewinnrealisation interessierten Investment-Trusts. Letztlich kam es aufgrund des stetig wachsenden Handelsvolumens an den Börsen und der zunehmenden Zahl von Kleinanlegern zu einer Überhitzung der Aktienmärkte, bis die Kurswerte ohne ersichtlichen Grund am 24.10.1929 nachgaben. Der Dow-Jones Index fiel von seinem Höchststand im Mai 1929 bis Mai 1932 von 381 auf 41 Punkte.

Der immense Kursverfall der Wertpapiere löste eine folgenschwere Bankenkrise in den USA aus. Da aufgrund restriktiver Gesetzgebung kaum landesweit agierende Banken existierten und das Zentralbanksystem der USA wenig entwickelt war, gerieten zahlreiche der kleinen, lediglich lokal agierenden Kleinbanken durch Fehlspekulationen in Zahlungsschwierigkeiten. Zudem hatten sich gerade in den ländlichen Gebieten zahlreiche Farmer im Boom der Nachkriegszeit in Erwartung einer zukünftigen positiven Wirtschaftsentwicklung mit Krediten übernommen. Als die Regierung als Maßnahme gegen die zunehmende Depression mit dem Smoot-Hawley-Tariff Act (1930) eine restriktive Schutzzollpolitik einleitete, hatte dies aufgrund der Exportausfälle einen massiven Preisverfall auf dem Agrarmarkt zur Folge. Es kam zu Kreditausfällen bei den ländlichen Banken, die aufgrund der wenig diversifizierten Geschäftsfelder nicht kompensiert werden konnten. Die Pleite zahlreicher kleiner Geschäftsbanken führte zu mehreren Bank-Runs, sodass auch solide Banken infolge mangelnder Liquidität zahlungsunfähig wurden. Aktienblase, Bankenkrise, politische Fehlentscheidungen und eine restriktive Geldpolitik führten so in die als „Große Depression“ bekannt gewordene und bis dahin größte Wirtschaftskrise der USA. Diese erreichte 1931 auch die europäischen Staaten und führte insb. in dem nach dem Ersten Weltkrieg durch Reparationsleistungen und die Reglementierungen des Versailler Vertrages in seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit geschwächten Deutschland zu massiven Wirtschaftseinbrüchen.

Diese zweite Phase der Weltwirtschaftskrise nahm ihren Anfang im Mai 1931 mit dem Zusammenbruch der Österreichischen Credit-Anstalt, des größten Österreichischen Bankhauses. Verunsichert durch die drohenden Verluste begannen v. a. ausländische Investoren ihre zumeist kurzfristigen Kredite aus Österreich und Deutschland abzuziehen. Während den Österreichischen Banken die Bank of England zu Hilfe kam, gestaltete sich die Situation im Deutschen Reich komplizierter. Im Unterschied zu den USA waren hier v. a. Großbanken von der Krise betroffen, da sie mit Hilfe kurzfristig angelegten ausländischen Kapitals langfristige inländische Industriekredite finanziert hatten. Auch hier hatten Unternehmen in Erwartung einer positiven Ertragslage im Exportgeschäft überinvestiert. Die massenhafte Kündigung ausländischer Kredite sowie die durch die restriktive Schutzzollpolitik der USA eingeleitete Stagnation des Welthandels führten zu massiven Umsatzeinbrüchen bei den deutschen Unternehmen. Durch Kreditausfälle bei ihren Unternehmenskunden und durch den Abzug ausländischen Kapitals gerieten die mit zu geringem Eigenkapital ausgestatteten Banken in eine massive Schieflage. So musste die Darmstädter und Nationalbank nach Kreditausfällen der Delmenhorster Firma Nordwolle und Kreditkündigungen in Höhe von 97 Mio. Reichsmark ihre Schalter im Juli 1931 schließen und wurde in der Folge im Februar 1932 mit der Deutschen Bank zwangsfusioniert. Zahlreiche Bank-Runs brachten nun auch andere deutsche Großbanken an den Rand der Zahlungsunfähigkeit, die nur mittels massiver staatlicher Unterstützung gerettet werden konnten. Der Devisenabfluss und die Stützungszahlungen an notleidende Großbanken führten zu massiven Schwierigkeiten der Deutschen Reichsbank, die von den Siegermächten im Dawes-Plan (1924) und Young-Plan (1930) zu einer Gold- und Devisendeckung der Währung von mindestens 40 % verpflichtet war. Um ihren Zahlungsverpflichtungen aus dem Versailler Vertrag nachkommen zu können, sah sich die deutsche Regierung zu Steuererhöhungen und zu einer rigiden Sparpolitik genötigt. Dies erschwerte es, die Wirtschaft durch sog.es „Deficit Spending“ erneut in Gang zu bringen. Erst ein Aussetzen der Reparationszahlungen sowie ein Stillhalteabkommen mit den überwiegend US-amerikanischen Gläubigern führten ab 1932 zu einem allmählichen Abklingen der Krise.

Am Ende der F. war der Welthandel de facto zum Erliegen gekommen, das Währungssystem zahlreicher Länder war stark angeschlagen und eine langanhaltende Massenarbeitslosigkeit führte zur Verarmung insb. der einkommensschwächeren Bevölkerungsschichten. Zudem führte die F. in Deutschland mit der Entlassung Reichskanzler Heinrich Brünings am 30.5.1932 in eine politische Krise, die die Machtergreifung durch den Nationalsozialismus begünstigte.

5. Finanzmarkt- und Hypothekenkrise 2007–2009

Den Auslöser der F. 2007–2009 bildete die sog.e Subprime-Hypotheken-Krise auf dem US-amerikanischen Immobilienmarkt im Sommer 2007. Der Begriff Subprime-Hypotheken bezeichnet Hypothekendarlehen, die an Schuldner mit geringer Bonität ausgegeben werden. Hintergrund der riskanten Kreditvergabe bildeten die Bemühungen der US-Regierung, auch niedrigen Einkommensschichten Eigenheimbesitz durch sog.e „Minority Loans“ zu ermöglichen. Befördert wurde das Hypothekengeschäft durch die Niedrigzinspolitik der US-amerikanischen Notenbank, die zu einer hohen Liquidität der Banken und einem allg. niedrigen Zinsniveau beitrug. Durch immer neue hypothekenfinanzierte Wohnungskäufe kam es zu einem stetigen Anstieg der Immobilienpreise. Dies genügte vielen Kreditinstituten als Sicherheit für ihre Hypothekendarlehen, da es dem Schuldner bei steigenden Immobilienpreisen jederzeit möglich war, seine Hypothek durch den Verkauf der Immobilie zu tilgen. Als problematisch erwies sich jedoch, dass die Beleihungshöhe der Immobilien (Loan-to-Value-Ratio) auf dem Subprime-Hypothekenmarkt im Durchschnitt über 80 % lag und bei nahezu der Hälfte aller Kreditnehmer im Subprime-Segment im Jahre 2006 über 90 % des Immobilienwertes erreichte.

Die stetig wachsende Nachfrage nach Hypothekendarlehen veranlasste zahlreiche Kreditinstitute, die von ihnen gewährten Hypothekendarlehen in handelbaren Wertpapieren (Mortgage-backed Securities) zu verbriefen, um so weitere liquide Mittel zur Kreditvergabe zu generieren. Damit wurden die Hypothekenforderungen der Banken nicht mehr als Aktiva geführt, sondern in Form von Finanzderivaten gehandelt, die oftmals über eigens gegründete Zweckgesellschaften vertrieben wurden, um die Eigenkapitalvorschriften der Banken zu umgehen. Da hinter den so geschaffenen neuen Finanzprodukten scheinbar der reale Wert einer stetig im Preis steigenden Immobilie stand, wurden die Papiere seitens der Rating-Agenturen hoch bewertet und waren daher auch international gut verkäuflich.

Mit Anstieg der Leitzinsen ab 2006 auf über 5 % begann die durch „billiges Geld“ genährte Immobilienblase zu platzen. Insb. Hypothekenschuldner mit variablen Zinssätzen konnten nun ihren Schuldendienst nicht mehr leisten, und es kam zu ersten Zahlungsausfällen. Da infolge einer allmählich erreichten Marktsättigung und der nun eintretenden Zwangsverkäufe die Immobilienpreise nachgaben, konnten die Zahlungsausfälle nicht mehr durch den Verkauf der Immobilien kompensiert werden. Nun erwiesen sich die von vielen Fonds weltweit gehaltenen und als scheinbar risikolos eingestuften Mortgage-backed Securities als ein von der Realwirtschaft völlig abgekoppeltes Finanzprodukt, dessen Markt über Nacht zusammenbrach. Als erstes großes Finanzinstitut geriet das Bankhaus Bear Stearns in Zahlungsschwierigkeiten und musste im Juni 2007 die Rücknahme von Kapitalanteilen zweier hypothekenlastiger Hedgefonds aussetzen. Bis Mai 2008 mussten Banken weltweit faule und wertlose Subprime-Hypothekenpapiere im Wert von 445 Mrd. US-Dollar abschreiben. Zu den ersten Opfern der Subprime-Hypothekenkrise in Deutschland zählten die IKB Deutsche Industrie Bank sowie die Sachsen LB, die sich auf den amerikanischen Hypothekenmärkten verspekuliert hatten. Ihren Höhepunkt erreichte die F. schließlich mit dem Zusammenbruch des Bankhauses Lehman Brothers im September 2008.

Das nun eintretende Misstrauen bezüglich der wahren Finanzlage der Kreditinstitute ließ den Kreditmarkt und den Interbankenmarkt über Nacht austrocknen. Damit begann sich die F. auch auf die Realwirtschaft, insb. den Automobilsektor auszuwirken. Weltweit sahen sich Regierungen dazu veranlasst, durch entspr.e „Konjunkturpakete“ die stagnierenden Märkte wiederzubeleben. Zahlreiche Finanzinstitute konnten nur mit Hilfe staatlicher Stützungszahlungen, und damit auf Kosten des Steuerzahlers, am Leben erhalten werden. Im weiteren Verlauf führte die F. zu der als Eurokrise bezeichneten Staatsschuldenkrise zahlreicher europäischer Länder.

6. Krisentheorien und Krisenprävention

Zahlreiche Wirtschaftstheoretiker haben versucht, ex post Lehren aus den bisherigen F.n zu ziehen und das Entstehen der Krisen zu erklären. Das Spektrum der Erklärungen reicht von monetaristischen (Monetarismus) Deutungsversuchen (Milton Friedman und Anna Schwartz) über keynesianische und post-keynesianische (Keynesianismus) Erklärungsmodelle (Hayman Minsky) bis hin zu quantitativen Analysen (Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff). Dennoch trugen diese Theorien bisher wenig zur Früherkennung von F.n bei. Entspr. kommen C. P. Kindleberger und R. Z. Aliber zu der ernüchternden Einsicht, dass alle bisherige Erfahrung zeige, dass die meisten F.n auch trotz ausdrücklicher Warnungen von Sachverständigen nicht hätten abgewendet werden können.

Wenngleich die exogenen Ursachen der einzelnen historischen F.n Unterschiede aufweisen, lassen sich doch einige wiederkehrende Elemente erkennen, die insb. das Entstehen der modernen F.n begünstigt zu haben scheinen: Zum einen werden Spekulationsbasen durch eine Niedrigzinspolitik und gute Liquiditätsversorgung begünstigt, da ausreichend Geld für vermeintlich aussichtsreiche Geschäfte zur Verfügung steht. Eine nur ungenügende Banken- und Börsenaufsicht (Finanzaufsicht) erlaubt es den Finanzintermediären zudem, Eigenkapitalvorschriften u. a. Sicherungsvorschriften zu umgehen und ihre Geschäftstätigkeit stetig auszuweiten und die Spekulationsblase mittels Geldschöpfung zu bedienen. Hinzu kommen neue Finanzprodukte, die scheinbar sichere, risikoarme Investitionen versprechen, für die jedoch zumeist keinerlei Erfahrungswerte aus früheren Krisen existieren. Nicht zu unterschätzen ist dabei das psychologische Moment, das letztlich auch risiko-averse Anleger dazu veranlasst, auf Spekulationsmärkten zu investieren, um im allg.en Spekulationsfieber nicht als Verlierer dazustehen. Anfällig hierfür ist insb. die von John Atkinson Hobson als „Finanzproletariat“ (Hobson 1906: 241 f.) bezeichnete Schicht von Kleinanlegern, die bei der Anlage ihrer Ersparnisse vollständig von den Finanzintermediären abhängig ist und das Geschehen auf den Finanzmärkten selbst kaum beurteilen oder beeinflussen kann. Umstritten ist jedoch, ob es sich bei F.n um ein endogenes, mithin stetig wiederkehrendes Problem von Finanzmärkten handelt oder ob F.n durch exogene Faktoren bewirkt werden, die mittels politischer Maßnahmen beeinflusst werden können.