Verbrauchsteuern
1. Begriffsbestimmung und -abgrenzung
Als V. bezeichnet man traditionell indirekte Steuern, welche auf den Verbrauch von vertretbaren Gütern des ständigen Bedarfs, die regelmäßig zum baldigen Verzehr oder kurzfristigen Verbrauch bestimmt sind, erhoben werden und die darin zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit von Konsumenten abschöpfen (statt einer fehlenden Legaldefinition BT-Drs. II/480, 107). Steuerschuldner ist der Unternehmer, der eine Ware herstellt und für die allg.e Nachfrage anbietet (ausnahmsweise auch der Händler). Steuerträger ist typischerweise der Konsument, auf den die Steuer über den Preis abgewälzt wird. Die Abwälzung muss nicht notwendigerweise gelingen, und Steuerträger kann auch ein anderer Unternehmer sein (wie bei der Stromsteuer, BVerfGE 110,274 [296]). Eine Steuer, die allein den Produktionsprozess belastet, ist dagegen keine V. (so BVerfGE 145,171 zur von 2011 bis 2016 erhobenen Kernbrennstoffsteuer). Innerhalb dieses weit und als Typusbegriff gefassten V.-Begriffs haben Bund, Länder und Städte/Gemeinden ein Steuerfindungsrecht. Der V.-Begriff selbst dient juristisch primär der Abgrenzung ihrer Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und Ertragshoheit.
Zwischen V. und Verkehrsteuern gibt es Überschneidungen. Beide belasten die Verwendung von Einkommen und Vermögen. Von der USt sagt das BVerfG, sie sei ihrer wirtschaftlichen Wirkung nach eine allg.e Verbrauchsabgabe, gesetzestechnisch jedoch als Verkehrsteuer ausgestaltet (BVerfGE 7,244 [260]). Mit Aufwandsteuern haben V. gemeinsam, dass sie privaten Konsum belasten; bei Aufwandsteuern geht es allerdings nicht um Verbrauchsgüter, sondern um Sachen, die nicht verbraucht werden, und um Dienstleistungen. Zölle können den Konsum von Verbrauchsgütern zusätzlich belasten, haben aber einen weiteren Anwendungsbereich und ein bes.s Regelungsziel; sie sind zu unterscheiden von Einfuhrumsatzsteuern und der Umsatzbesteuerung innergemeinschaftlicher Erwerbe.
2. Arten von Verbrauchsteuern
Zwischen der USt als allg.er V. und einer unbestimmten Vielzahl möglicher bes.r V. ist zu unterscheiden. Die bundesgesetzlich geregelten bes.n V. mit dem im Jahr 2019 höchsten Aufkommen waren die Energiesteuer (41 Mrd. Euro), die Tabaksteuer (14 Mrd. Euro), die Stromsteuer (7 Mrd. Euro), die Branntweinsteuer (2 Mrd. Euro) sowie die Kaffeesteuer (1 Mrd. Euro). Eine föderale Besonderheit ist die Biersteuer, die bundesgesetzlich geregelt ist und von Bundesfinanzbehörden vereinnahmt wird, deren Ertrag aber den Ländern zufließt. Einiges wie Salz-, Zucker- oder Teesteuer ist inzwischen Vergangenheit. Neben den bundesgesetzlichen V. haben die Städte/Gemeinden, auf der Grundlage von Art. 105 Abs. 2a GG und von Kommunalabgabengesetzen der Länder, die Befugnis, sog.e örtliche V. zu erheben, deren Aufkommen allein ihnen zusteht. Kommunale Finanznot führt hier zu einer Fülle von Bagatellsteuern.
3. Einordnung im Steuersystem
V. sind Steuern auf die Einkommensverwendung und gehören zu den ältesten Steuern; sie gehen zurück auf im Mittelalter erhobene Akzisen. Ein System, warum welche Güter mit einer V. belastet werden (Bier ja, Wein nein), ist nicht erkennbar. Ihre Legitimation erhalten V. in der Hauptsache durch Fiskalzwecke. Z. T. handelt es sich um Luxussteuern, die zur USt hinzukommen. V. können weiterhin Lenkungszwecken dienen, wie dem Umweltschutz oder der Gesundheitsvorsorge. Wegen der Gefahr von Überschneidungen begrenzt Art. 105 Abs. 2a GG die Befugnis von Ländern und Gemeinden zur Erhebung örtlicher Verbrauch- und Aufwandsteuern auf Steuern, die bundesgesetzlich geregelten Steuern nicht gleichartig sind.
4. Gesetzgebungskompetenz und Europarecht
Eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die V. steht dem Bund zu, wenn ihm das Aufkommen der Steuer ganz oder teilweise zusteht (was gemäß Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG grundsätzlich der Fall ist) oder wenn die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG vorliegen (so Art. 105 Abs. 2 GG). Erhoben und verwaltet werden diese V. durch die Bundeszollverwaltung (Art. 108 Abs. 1 GG). Landesgesetzliche V. gibt es derzeit, von den örtlichen V. abgesehen, nicht.
Überörtlich erhobene V. sind dazu geeignet, den Waren- und Dienstleistungsverkehr im Europäischen Binnenmarkt zu beeinträchtigen. Aus diesem Grund ermächtigt Art. 113 AEUV die EU, die V. zu harmonisieren. Dies geschah durch die „V.-Systemrichtlinie“ (RL 2008/118/EG, umgesetzt durch das V.-Binnenmarktgesetz vom 21.12.1992, BGBl. I, 2150), die Energiesteuerrichtlinie (RL 2003/96/EG), die Tabaksteuerrichtlinie (RL 2011/64/EU) sowie die Richtlinie für V. auf Alkohol und alkoholische Getränke (RL 92/83/EWG), mit Ausnahme von Alkopops. Für die hier genannten Steuergegenstände gelten verbindliche Regelungen und Mindeststeuersätze. Andere als von den Richtlinien erfasste V. dürfen nur noch erhoben werden, wenn sie eine bes. Zielsetzung aufweisen und nicht lediglich fiskalisch motiviert sind.
5. Umsatzsteuer
Die USt lässt sich weder eindeutig den V., noch den Verkehrsteuern zuordnen. Ihre wirtschaftliche Wirkung ist die einer allg.en V., während sie ihrer rechtlichen Ausgestaltung nach eher den Verkehrsteuern zuzuordnen ist. Hauptsteuerobjekt sind Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Belastet wird von der USt der private und öffentliche Verbrauch, also sowohl vom Endverbraucher erworbene Güter als auch in Anspruch genommene Dienstleistungen. Daher wird die USt materiell-rechtlich von der Mehrheit als allg.e V. eingeordnet. Erhoben wird sie kumulativ neben den bes.n V., die in ihre Bemessungsgrundlage einfließen. Mit einem Aufkommen von rund 183 Mrd. Euro in 2019 zählt die USt zu den wichtigsten Steuern in Deutschland. Zusammen mit der EUSt trägt sie rund ein Drittel der Gesamtsteuereinnahmen bei. Die USt ist eine Gemeinschaftsteuer, d. h. ihr Aufkommen steht dem Bund, den Ländern und den Gemeinden gemeinsam zu. Zudem fließt ein Teil ihres Aufkommens in den Haushalt der EU.
Erhoben wird die USt in Form einer Allphasennettoumsatzsteuer. Das bedeutet, dass nur der auf der jeweiligen Produktions- oder Handelsstufe geschaffene Mehrwert erfasst und besteuert werden soll. Technisch wird dies erreicht, indem die Unternehmer sich die von ihnen an einen anderen Unternehmer gezahlte USt vom Finanzamt im Rahmen eines sog.en Vorsteuerabzugs wiederholen. Letztendlich wird die USt somit vollständig vom Endverbraucher getragen. Da die USt von den Unternehmern erhoben und an das Finanzamt abgeführt wird, zählt sie ebenfalls zu den indirekten Steuern. Die USt ist durch die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (RL 2006/112/EG), ein mehr als 400 Artikel umfassendes Regelungswerk, europarechtlich harmonisiert. In ihr wird die USt explizit zu den V. gezählt. In allen EU-Mitgliedstaaten gilt somit ein einheitliches System der USt. Nicht vereinheitlicht ist allerdings der Steuersatz. Die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie sieht lediglich einen Mindeststeuersatz von 15 % bzw. 5 % vor, wobei davon wiederum eine Reihe von Ausnahmen zugelassen wird.
Literatur
K. Tipke/J. Lang u. a.: Steuerrecht, 232018 • J. Englisch: Umsatzsteuer, in: ebd., 976–1176 • Ders.: Spezielle Verkehr- und Verbrauchsteuern, in: ebd., 1219–1233 • R. Seer: Finanzverfassungsrechtliche Grundlagen der Steuerrechtsordnung, in: ebd., 52 • F. Kirchhof: Verbrauchsteuern im Lichte des Verfassungsrechts, in: BB 70/6 (2015), 278–282 • J. Englisch: Verbrauch- und Aufwandsteuern, in: H. Kube u. a. (Hg.): Leitgedanken des Rechts. Paul Kirchhof zum 70. Geburtstag, Bd. 2, 2013, 2081–2091 • H. Jatzke: Das System des deutschen Verbrauchsteuerrechts unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Verbrauchsteuerharmonisierung in der Europäischen Union, 1997 • J. Förster: Die Verbrauchsteuern, 1989.
Empfohlene Zitierweise
M. Heintzen: Verbrauchsteuern, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Verbrauchsteuern (abgerufen: 24.11.2024)