Unternehmer

  1. I. Wirtschaftswissenschaftlich
  2. II. Geschichtlich

I. Wirtschaftswissenschaftlich

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1. Entwicklung des Unternehmertums

Seitdem Menschen den Austausch von Gütern pflegen, gibt es unternehmerisches Handeln. Keilinschriften aus dem heutigen Irak belegen, dass bereits im dritten Jahrtausend v. Chr. Händler durch den Austausch von Waren zu Reichtum und gesellschaftlicher Anerkennung gelangten. Im antiken Griechenland und im Römischen Reich galten U. dagegen als gesellschaftliche Außenseiter. Im Zuge der Industriellen Revolution (Industrialisierung, Industrielle Revolution) wurden U. heroisiert. Soziale Aufsteiger aus dem Handwerk wie August Borsig, Nachkommen alteingesessener Kaufmannsfamilien wie Friedrich Harkort, Friedrich Krupp und August Thyssen sowie der Erfinder Werner von Siemens standen stellvertretend für den technischen Pionier und zugleich für den Patriarch, der auch außerhalb der Fabrik für die Arbeiter sorgte.

Im 20. Jh. wandelte sich das Unternehmertum: In Folge des weltweiten Strukturwandels zur Dienstleistungsökonomie und aufgrund der rasanten technologischen Entwicklung sank die mindestoptimale Betriebsgröße. Insb. im Dienstleistungssektor wächst seit den 1950er Jahren die Zahl der U., ebenso wie die Zahl der Ein-Personen-U. bzw. der Solo-Selbstständigen. Jüngere U. bezeichnen sich mit dem Aufkommen der New Economy seit Ende des 20. Jh. gerne selbst als Entrepreneure, als unangepasste Querdenker, die frischen Wind in die Wirtschaft bringen. Seit der weltweiten Wirtschaftskrise in den Jahren 2008/09 (Finanzmarktkrise) hat sich zudem der Begriff Startup-U. etabliert für die Inhaber von innovativen und schnell wachsenden Gründungen. Viele dieser Startup-U. entwickeln nicht nur eine Idee, mit der sie auf dem Markt aktiv werden, sondern verkaufen ihr Unternehmen nach einer gewissen Zeit wieder. Ein Teil von ihnen gründet anschließend ein neues Unternehmen (serielle U.), einige nehmen eine abhängige Beschäftigung auf. Hybrides Unternehmertum nimmt zu: U. sind gleichzeitig unternehmerisch tätig und abhängig beschäftigt oder sie wechseln häufiger zwischen abhängiger und unternehmerischer Betätigung. Insgesamt differenziert sich das Unternehmertum im 21. Jh. stark aus.

2. Begriffsabgrenzung und Forschungsansätze

Zu einem eigenständigen Begriff wurde der U. erst im 18. Jh. Der irische Banker Richard Cantillon definierte den U. als jemanden, der in seinen Geschäften ein Risiko, bedingt durch die Unsicherheit über zukünftige Preisentwicklungen, auf sich nimmt. Der Chicagoer Ökonom Frank Knight vertiefte die Unterscheidung zwischen Risiko und Unsicherheit: Während das erstere berechenbar sei, führe Unsicherheit dazu, dass mögliche Ergebnisse nicht vorhergesagt werden könnten. U. seien diejenigen wirtschaftlichen Akteure, die aus der Unsicherheit ihren Profit ziehen. Andere Ökonomen definierten den U. anhand seiner Funktionen. Diese Betrachtungsweise dominierte v. a. die Betriebswirtschaftslehre bis weit in das 20. Jh. Bereits Jean-Baptiste Say verwies auf die Managementfunktion (Management) und benannte die Koordination von Produktionsfaktoren als prägendes Merkmal der U. Als homo oeconomicus handelt der U. zweckrational: Er wägt die Mittel, den Zweck, den Wert und die Folge seiner unternehmerischen Tätigkeit gegeneinander ab. So verstand bspw. der Soziologe Max Weber U. als rechnerisch kalkulierend, bescheiden und leistungsbewusst. Joseph Alois Schumpeter betonte die dynamische Rolle des U.s, der neue Kombinationen (Innovationen) durchsetzt. Während der Schumpetersche U. das wirtschaftliche Gleichgewicht zerstört, stellt der Kirznersche U. dieses wieder her. Israel Kirzner sieht die individuell unterschiedliche Aufgeschlossenheit (alertness) gegenüber neuen Geschäftsmöglichkeiten als entscheidendes Merkmal des U.s.

Trotz dieser frühen Versuche, den U. zu definieren, spielte er in den ökonomischen Theorien der Neoklassik keine Rolle. Erst in jüngerer Zeit erweiterten Ökonomen wie z. B. Mark Casson oder Nicolai Foss und Peter Klein die ökonomische Sichtweise auf U. um psychologische und verhaltenswissenschaftliche Aspekte. P. Klein und N. Foss führten bspw. unternehmerisches Urteilsvermögen (entrepreneurial judgement) als Merkmal des U.s in die Theorien der Unternehmung ein. Auch I. Kirzners Überlegungen wurden mit dem Konzept der Chancenerkennung (opportunity recognition) wieder aufgegriffen.

Der Versuch, die Persönlichkeit des U.s zu fassen, ist bereits bei J. A. Schumpeter zu sehen. Er beschrieb den U. als jemanden, der den Traum und Willen hat, ein privates Königreich zu errichten, zu erobern und Erfolg um des Erfolgs willen zu suchen, sowie Freude an der schöpferischen Tätigkeit mitbringt. Die amerikanische Ökonomin Edith Penrose definierte in ihrer Theorie des Unternehmenswachstums sogar das gesamte Unternehmen als psychologische Prädisposition von Individuen, die Profit von ihren Aktivitäten erwarten und dafür spekulativ ihre Ressourcen einsetzen. In den 1960er Jahren untersuchte David McClelland die Leistungsorientierung als bestimmendes Persönlichkeitsmerkmal von U.n. Jedoch zeigten spätere Studien, dass diese ebenso bei Managern zu finden war. Ein Strang der jüngeren internationalen U.-Forschung knüpft hier an und untersucht mögliche genetische Marker, die U. von der restlichen Bevölkerung unterscheiden.

William Gartner kritisierte 1988 das dominierende personenorientierte Verständnis von Unternehmertum in der Forschung. Er forderte, den Prozess der Entstehung neuer Organisationen und nicht die Personen und deren Persönlichkeitsmerkmale in den Vordergrund zu stellen. Zwar bündele ein U. Ressourcen, bilde Organisationsstrukturen und besitze unverwechselbare Kompetenzen; dies müsse aber nicht notwendigerweise zu einem gewinnbringenden Unternehmen führen. Auch das Umfeld, in dem der U. wirtschaftet, ist zu berücksichtigen. Wegbereiter dieser Forschungsrichtung waren Gustav Schmoller, ein Vertreter der Historischen Schule der deutschen Nationalökonomie (Historismus in der Wirtschaftswissenschaft), und M. Weber. G. Schmoller gilt als Vorreiter der Institutionenökonomik und hat frühzeitig die Bedeutung rechtlicher, normativer und kultureller Institutionen für U. erkannt. M. Weber untersuchte mit seiner Studie zur Rolle der protestantischen Ethik den Einfluss religiöser Normen auf U. und deren Stellung in einer Gesellschaft. Die heutige ökonomische U.-Forschung ist interdisziplinär orientiert und verknüpft ökonomische mit psychologischen, soziologischen und historischen Sichtweisen. Sie richtet den Blick auf Personen und deren Verhalten, auf kognitive Prozesse, auf die Dynamik der Unternehmensentwicklung sowie auf die Kontexte und historischen Hintergründe von Unternehmertum.

3. Der Unternehmer in Wirtschaft und Gesellschaft

Der U. und sein wirtschaftliches Handeln können nicht unabhängig von seiner gesellschaftlichen Rolle und Stellung sowie den Ansprüchen der Gesellschaft an sein Verhalten betrachtet werden. Unternehmertum stand lange Zeit in direktem Bezug zu den Werten, die den sogenannten ehrbaren Kaufmann auszeichnen: Vorsicht, Solidität, Vertrauen, Verantwortung. Hierzu trugen nicht zuletzt die mittelalterlichen Zunftordnungen bei, die über Jahrhunderte hinweg konkrete Verhaltensweisen für das jeweilige Handwerk vorgaben. Die gesellschaftliche Verantwortung des U.s zeigt sich in seiner Verantwortung für die Menschen in seinem Unternehmen oder in der regionalen Verankerung. Die Forschung vermerkt hier deutliche Unterschiede je nach Unternehmensgröße. Im Konjunkturabschwung entlassen kleinere Unternehmen erst mit größerer Verzögerung ihre Belegschaft (und geraten darüber möglicherweise an den Rand der Insolvenz). Sie weisen auch eine höhere Ausbildungsbereitschaft als große Konzerne auf.

In Bezug auf den volkswirtschaftlichen Beitrag ging man zunächst davon aus, dass nur U., die unternehmerische Gelegenheiten ausnutzen und aus eigenem Antrieb gründen würden (pull- oder opportunity-U.), zu Innovation und Beschäftigung beitragen. U. hingegen, die in die unternehmerische Tätigkeit gezwungen würden, bspw. aufgrund von Arbeitslosigkeit (push- oder necessity-U.), wären dagegen nicht wachstumorientiert und nicht innovativ. Diese Zusammenhänge sind jedoch empirisch nicht eindeutig nachzuweisen. Verschiedene Studien zeigen vielmehr, dass die Gründungsmotivation und die individuellen Erwartungen für das spätere Unternehmenswachstum zusammenhängen, aber auch, dass die individuellen Gründungsmotivationen kein verlässlicher Indikator für das spätere Überleben oder die Unternehmensentwicklung sind.

Eine differenzierte Betrachtung führte William Baumol ein, der zwischen produktivem, unproduktivem und destruktivem Unternehmertum unterschied. Produktiv sind demnach unternehmerische Aktivitäten, die die volkswirtschaftliche Kapazität erhöhen. Darunter fallen bspw. Innovationen. Unproduktiv sind Tätigkeiten wie die Erzielung politischer Renten, da dadurch Mittel gebunden werden, die anderweitig investiert werden könnten. Destruktiv sind u. a. illegale und kriminelle unternehmerische Machenschaften und Korruption, welche das Wirtschaftssystem unterminieren. Per Davidsson und Johan Wiklund haben diese Klassifikation ergänzt und unterscheiden anhand der Auswirkungen des Unternehmertums auf der Mikro- und der Makroebene vier U.-Typen. Der Räuber-U. profitiert individuell und leistet keinen weiteren Beitrag. Der gescheiterte U. leistet weder individuell noch gesamtwirtschaftlich einen Beitrag. Der Held stiftet Nutzen sowohl auf der Mikro- wie auf der Makroebene. Der Katalysator erwirtschaftet zwar individuell kein Einkommen, trägt aber zur gesamtgesellschaftlichen und -wirtschaftlichen Entwicklung bei: Er bringt Ideen ein, die später von anderen aufgegriffen und verwirklicht werden.

Empirisch bestätigen Studien, die U. in den ehemals sozialistischen Staaten Osteuropas untersucht haben, dass produktives und unproduktives Unternehmertum Hand in Hand gehen. Gerade in Umfeldern, in denen der rechtliche Rahmen fehlt und die Einstellung zu Unternehmertum nicht durchweg positiv ist, sind neue und junge U. oftmals gezwungen, sich regelwidrig zu verhalten, um am Markt bestehen zu können.

4. Herausforderungen für das Unternehmertum

Die Grenzen zwischen unternehmerischer und abhängiger Beschäftigung sind fließend geworden. Gerade Solo-U. können mit relativ geringem Aufwand zwischen beruflicher Selbstständigkeit und abhängiger Beschäftigung wechseln. Konsumenten werden immer öfter selbst zu Produzenten und Anbietern auf Internetplattformen. Eine Ursache hierfür ist die Digitalisierung. Diese schafft zudem die technologischen Voraussetzungen dafür, dass die Sharing Economy an Bedeutung gewinnt. Mit der Möglichkeit, Güter zu teilen statt zu erwerben, werden jedoch diejenigen Geschäftsmodelle auf den Prüfstand gestellt, die auf den Besitz von Produkten setzen. Die Grenzen zwischen dem U. als Eigentümer eines Betriebs und Anbieter von Produkten und Dienstleistungen, und dem Individuum, das in seiner Freizeit – vorübergehend oder ständig – unternehmerisch tätig wird, verwischen zusehends. Diese Entwicklungen werfen die Frage danach auf, wer heutzutage noch als U. zu verstehen ist. Diesbezüglich werden in der Forschung als pragmatische Kriterien für die Identifizierung von U.n bspw. die Einheit von Eigentum und Unternehmensleitung (als Indikatoren für die Übernahme von Verantwortung und Risiko) genutzt.

In einer Gesellschaft, in der viele unternehmerisch tätig werden können ohne ein Unternehmen zu besitzen oder zu leiten, ist jedoch das Eigentum nicht mehr ausreichend, um U. von anderen Beschäftigten abzugrenzen. Es hat schon immer U. gegeben, die ohne Produktionsmittel auskommen, bspw. in den kreativen Berufen (Journalisten, Künstler) oder in vielen sozialen Berufen. Diese U. beziehen ihre Einkommen aus den Entgelten für persönliche Dienstleistungen und/oder geistiger bzw. kreativer Arbeit. Als Ein-Personen-U. stellen sie dem Markt i. d. R. lediglich ihre Arbeitskraft zur Verfügung. Auch wenn solche U. nur für einen Auftraggeber arbeiten, tragen sie das unternehmerische Risiko, u. U. (im Fall der Scheinselbstständigkeit) jedoch nicht die alleinige Verantwortung für ihr unternehmerisches Handeln. Unternehmertum hat seine Exklusivität verloren und ist alltäglicher geworden. So werden auch die Grenzen zwischen beruflichem und privatem Leben durchlässiger. Diese Entgrenzung von Arbeit und Privatem birgt Nachteile in sich, wie die angesprochene Ökonomisierung der eigenen Arbeitsfähigkeit sowie die Gefahr der Existenznot. Im Positiven verheißt dies die Entwicklung des von dem Schweizer Publizist Robert Nef sogenannten Lebensunternehmertums, weil in einer Gesellschaft, in der Unternehmertum jedem offensteht, auch jeder lernt, Verantwortung für sein eigenes Handeln und dessen Folgen zu übernehmen.

II. Geschichtlich

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1. Begriffsentstehung und Definition

Der U.-Begriff kristallisierte sich in einem längerfristigen Prozess im Zuge der „Doppelrevolution“ – der Französischen Revolution und der Industrialisierung (Industrialisierung, Industrielle Revolution) – sowie im Zuge der Entstehung des modernen Unternehmens heraus, wobei rechtliche Aspekte eine wichtige Rolle spielten. Der Begriff „U.“ geht zurück auf den französischen Begriff des Entrepreneur, der im frühen 16. Jh. einen Anführer militärischer Expeditionen bezeichnete und sich ab den 1730er Jahren in der französischen Wirtschaftsliteratur zunächst auf das Phänomen des agrarischen Pächters bezog, bevor er auch auf Kaufleute oder Produzenten des weiterverarbeitenden Gewerbes angewandt wurde. Zwar war schon im PrALR aus dem Jahr 1794 von „Fabrik-Unternehmern“ die Rede, und in Anlehnung an den Begriff „Entreprise“ im französischen Code de Commerce des Jahres 1808 wurde fortan auch in der deutschen Sprache von „Unternehmen“ gesprochen, doch waren diese Bezeichnungen noch recht uneindeutig. Als „Fabrikanten“ bezeichnete das PrALR die in den Fabriken beschäftigten Arbeiter, die wiederum vom „Fabrik-U.“ als Führungskraft unterschieden wurden. Daneben existierten in der frühindustriellen bzw. „proto-industriellen“ Welt auch Verleger, Reidemeister und Kaufleute als Führungskräfte, wobei Letztere alle Personen umfassten, die Handel mit Waren oder Wechseln betrieben – im Unterschied zu „Vollkaufleuten“, die darüber hinaus auch als Produzenten von Fabrik- und Manufakturwaren in einem umfassenderen Sinne sowie in entsprechenden Wirtschaftsorganisationen mit „kaufmännischen Rechten“ (u. a. Wechselfähigkeit, Recht auf kaufmännische Zinsen und Provision, Glaubwürdigkeit bei der Führung von Handlungsbüchern) fungierten. Im ADHGB des Jahres 1861, welches noch nicht vom „U.“ sprach, wurde der Vollkaufmann juristisch definiert als Träger aller Rechte und Pflichten einer „Firma“ bzw. „Gesellschaft“, etwa zur ordnungsgemäßen Buchführung und Bilanzierung. Dies umfasste auch Frauen, die gewerbsmäßig Handel betrieben (wobei die Ehefrau der Einwilligung des Ehemanns bedurfte). Gleichzeitig erloschen die kaufmännischen Sonderrechte, und es kam zu einer Institutionalisierung eines Handelsregisters, welches nicht mehr die Person, sondern die Unternehmung (Firma) erfasste. Damit verbunden war eine Trennung der Institution Unternehmung von der Person des U.s sowie die Kodifizierung unterschiedlicher Unternehmensrechtsformen (Einzelunternehmen, OHG, KG, AG, GmbH etc.). In der Folgezeit setzte sich der Begriff des „Unternehmens“ und des „U.s“ auf breiter Ebene durch, nicht zuletzt bedingt durch die ökonomische, soziologische und historische Forschung und Diskussion seit dem letzten Drittel des 19. Jh.

2. Funktion, Person, Individuum

Mit dem Wachstum und der Ausdifferenzierung von Unternehmen in der Phase der Hochindustrialisierung stellte sich die Frage nach den spezifischen U.-Funktionen im Rahmen der Institution Unternehmung. Diese betrafen die Finanzierung und Kapitalbeschaffung, die Geschäftsführung, die Übernahme von Risiken, die Organisation, Produktion und Technik, Vertrieb und Absatz etc. Während für die erste Hälfte des 19. Jh. U. aufgrund ihrer Herkunft und Ausbildung mit monokausalen Zuschreibungen als „Gründer-U.“, „Techniker-U.“, „Erfinder-U.“ oder „Besitzer-U.“ charakterisiert worden waren, führten das Wachstum der Unternehmen sowie deren zunehmende Komplexität auch zu einer stärkeren Ausdifferenzierung der Leitungsaufgaben. Im Zuge der Entwicklung von Großunternehmen zog dies in zahlreichen Fällen eine Trennung von Kapitalbesitz und U.-Funktionen nach sich. Dies war begleitet von der Herausbildung eines spezifischen Angestellten-U.s, des „Managers“ (Management), sowie von einer entsprechenden manageriellen Dezentralisation und Arbeitsteilung innerhalb der Unternehmen, die wiederum verbunden war mit einer Bürokratisierung und Professionalisierung derselben. Darüber hinaus kam es in Aktiengesellschaften zu einer Trennung zwischen Geschäftsführung und Geschäftskontrolle durch Vorstand und Aufsichtsrat. U. mit ihren entsprechenden Leitungs- und Führungsaufgaben waren damit zunehmend eingebunden in ausdifferenzierte Unternehmensstrukturen, wobei sie bestimmte Stellenrollen ausfüllten. Allein mit der personellen Ausfüllung dieser Rollen ist das Phänomen des U.s jedoch nicht ausreichend zu charakterisieren. Die soziologische Erklärung bedarf mithin einer historischen Erweiterung, die die Individualität des U.s in den jeweiligen spezifischen historischen Kontexten berücksichtigt.

Während die klassische Nationalökonomie (u. a. Adam Smith, David Ricardo, Karl Marx) die Funktion und Bedeutung des U.s für den Wirtschaftsprozess noch weitgehend unterbewertet hatte, waren es dann v. a. einzelne Vertreter der Historischen Schule der deutschen Nationalökonomie (u. a. Gustav Schmoller, Werner Sombart, Max Weber [ Historismus in der Wirtschaftswissenschaft ]), die dem U. eine wichtige Rolle für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und die Entwicklung des Kapitalismus zugestanden. Dies bezog sich etwa auf die Übernahme von Risiken bei der Unternehmensführung, bestimmte Charaktermerkmale und Kompetenzen, entsprechende psychische Dispositionen und mentale Stärken, die Durchsetzung neuer und kreativer technischer und betriebswirtschaftlicher Verfahren, die den U. zunehmend als Träger strategischer Entscheidungen definierten. Es war schließlich Joseph Alois Schumpeter, der die herausragende Leistung des „dynamischen Unternehmers“ als zentrale Voraussetzung für den makroökonomischen Wandel in den Mittelpunkt stellte und damit dessen schöpferische Arbeit und „Gestaltungswillen“ bzgl. technischer und organisatorischer Innovationen, die i. S. einer „schöpferischen Zerstörung“ (Schumpeter 2020: 103) grundlegend Neues schaffen. In diesem Zusammenhang gewinnt die Frage unternehmerischen Handelns und unternehmerischer Entscheidung und Entscheidungsfindung eine zentrale Bedeutung, die wiederum auf Wissen und Informationen, aber auch auf Erfahrung und Erwartungshaltungen beruht und nur als Teil eines komplexen, jeweils historisch-spezifischen Gesamtzusammenhangs zu erklären ist. Das schließt eine Reduktion auf den U. als ausschließlich rational handelnden homo oeconomicus weitgehend aus.

Neben eine juristische (Unternehmensrecht), eine soziologisch-funktionale (U.-Funktionen und -Rollen) sowie eine ökonomische Definition („schöpferischer Zerstörer“ als Durchbrechung von Gleichgewichtsbedingungen, Anpassung an Marktstrukturen) des U.s trat seit der zweiten Hälfte des 20. Jh. eine historische Begriffsbestimmung (Fritz Leonhard Redlich, Hans Jaeger, Jürgen Kocka, Hartmut Berghoff, Werner Plumpe). Sie verweist darauf, dass eine Historisierung und damit auch eine Individualisierung des U.s verallgemeinernd-theoretischen Konzeptionen und Modellen Grenzen setzt. Die historische Perspektive erhebt damit den Anspruch, „Unternehmensentwicklungen […] nur über das Handeln von Individuen unter konkreten Bedingungen“ (Plumpe 2014: 23) und damit v. a. unternehmenshistorisch begreifen zu können.