Militärseelsorge
Die M. beinhaltet alle Bemühungen der Religionsgemeinschaften um das geistige und geistliche Wohl der Soldaten, die ihnen jeweils angehören, und deren Familienangehörigen. Im weiteren Sinn umfasst sie auch soziale Aktivitäten wie Betreuung bei Traumatisierungen, Familienfreizeiten usw.
Von einer regelrechten M. ist erst vom 17. Jh. an zu sprechen, als die Landesfürsten auch im Frieden die Regimenter in Sold und Eid hielten. Die erste M. wurde von König Philipp IV. von Spanien 1645 angeordnet. In Bayern wurde die M. durch ein päpstliches Breve vom 20.4.1841 und in Preußen von 1848 bis 1868, endgültig am 22.5.1868, geschaffen.
1. Militärseelsorge in Deutschland
Die M. in der BRD ruht auf mehreren rechtlichen Fundamenten:
1.1 Staatliches Recht
Art. 4 GG garantiert die freie Religionsausübung als Individual- und Kollektivrecht (Religionsfreiheit). Dies gilt auch für den Soldaten, wobei nach § 6 SG seine Rechte „durch seine gesetzlich begründeten Pflichten beschränkt“ sind. Der Staat gewährleistet aber das Grundrecht, indem er gemäß Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV Gottesdienste und Seelsorge in der Bundeswehr zulässt. Die Staat besorgt die Organisation der M., die Religionsgemeinschaften bestimmen den Inhalt. Auf dieser Basis haben die christlichen Kirchen ihre M. aufgebaut; für die Angehörigen anderer Religionen werden individuelle Lösungen praktiziert.
1.2 Katholische Militärseelsorge
Die Kirche ist sich bewusst, dass „auf die geistliche Betreuung der Soldaten wegen ihrer besonderen Lebensbedingungnen eine außerordentliche Sorgfalt verwendet werden muß“ (CD 43). Darum ordnete das Zweite Vatikanische Konzil an, dass „nach Möglichkeit in jedem Land ein Militärvikariat errichtet“ (CD 43) werden solle. So erließ Papst Johannes Paul II. am 21.4.1986 die Apostolische Konstitution „Spirituali militum curae“ als Rahmengesetz für den gesamten Bereich der römisch-katholischen Kirche (Katholische Kirche).
Diese sieht die Errichtung von Militärordinariaten vor, die jeweils von einem Ordinarius geleitet werden. Dieser soll i. d. R. Bischof sein und besitzt sämtliche Rechte und Pflichten eines Diözesanbischofs, sofern nicht aus der Natur der Sache oder aufgrund der besonderen Statuten eine andere Regelung besteht (Art. II § 1). Er besitzt ordentliche, nur personale Jurisdiktion über den Personenkreis, der durch die Konstitution und die Statuten festgelegt wird. Zum Amt eines Militärseelsorgers sollen nur bes. qualifizierte Geistliche ausgewählt werden. Sie bedürfen der Zustimmung ihres Ordinarius. Die Anstellung bewirkt kein Ausscheiden aus dem bisherigen geistlichen Heimatverband. Die Militärgeistlichen sind keine kanonischen Pfarrer, sie haben aber die Amtsaufgaben und Pflichten eines Pfarrers.
In der BRD wurde mit dem Aufbau der Bundeswehr aufgrund Art. 27 Abs. 4 RK die M. durch Dekret der Konsistorialkongregation vom 4.2.1956 (AAS 48 [1956]: 484) mit der Ernennung des ersten Militärbischofs neu eingerichtet. Papst Johannes Paul II. erließ am 23.11.1989 die „Statuten für den Juristiktionsbereich des Kath. Militärbischofs für die Deutsche Bundeswehr“, die am 1.1.1990 in Kraft traten.
Das Amt des Militärbischofs wird von einem in der BRD residierenden Diözesanbischof ausgeübt, der vom Heiligen Stuhl für dieses Amt ernannt wird. Er steht in keinem Dienstverhältnis zum Staat. Der Amtsgewalt des Militärbischofs unterstehen alle katholischen Soldaten, jene katholischen Zivilisten, die nach den jeweils geltenden Gesetzen in die Streitkräfte integriert sind, und die Familienmitglieder der Berufssoldaten, der Soldaten auf Zeit und der oben genannten Zivilisten.
Die Kurie des Militärbischofs besteht aus dem Katholischen Militärbischofsamt, der Katholischen Soldatenseelsorge – Anstalt des öffentlichen Rechts – und dem Archiv des Katholischen Militärbischofs. Sie ist nach dem für die Diözesankurien maßgebenden Normen (cann. 469–474 CIC) am Sitz der Bundesregierung errichtet. Das Militärbischofsamt ist zugleich eine dem Bundesministerium der Verteidigung unmittelbar nachgeordnete Bundesoberbehörde. Es wird geleitet von dem Militärgeneralvikar, der vom Militärbischof ernannt und in dieser Funktion der staatlichen Seite zur Ernennung vorgeschlagen wird. Er ist mit allen Vollmachten ausgestattet, die das gemeine Recht für den Generalvikar vorsieht (cann. 475–481 CIC).
Dem Militärbischof steht ein Priesterrat als beratendes Gremium zur Seite. Der Katholikenrat beim Militärbischof ist der Zusammenschluss von Vertretern des Laienapostolates im Jurisdiktionsbereich. Bei der Bestellung der Militärgeistlichen prüft der Militärbischof gemäß Art. 27 Abs. 3 RK, ob die Einstellungsvoraussetzungen für die Militärgeistlichen gegeben sind und schlägt die betreffenden Geistlichen, wenn das Einverständnis der zuständigen Diözese bzw. Ordensgemeinschaft vorliegt, der zuständigen Bundesbehörde entspr. dem Gesetz über die M. vom 26.7.1957 i. V. m. dem Vertrag der BRD mit der EKD zur Regelung der evangelischen M. vom 22.2.1957 zur Einstellung in die M. vor.
Die hauptamtlichen Militärgeistlichen unterstehen während ihrer Amtszeit in vollem Umfang der Leitungsgewalt des Militärbischofs, die Militärgeistlichen im Nebenamt nur hinsichtlich ihrer Tätigkeit in der M. Sie alle sind bei der Ausübung ihrer seelsorglichen Tätigkeit an das kirchliche Recht gebunden und von staatlichen Weisungen unabhängig.
Die finanziellen Bedürfnisse der M. werden grundsätzlich durch Leistungen des Staates gedeckt. Was die Verwendung der Kirchensteuer betrifft, die von Gläubigen erhoben wird, welche dem Militärbischof unterstehen, so ist diese im Einvernehmen zwischen Militärbischof und den zuständigen Diözesen geregelt.
1.3 Evangelische Militärseelsorge
Die Evangelische M. wurde durch den Vertrag der BRD mit der EKD vom 22.2.1957 und durch das Kirchengesetz vom 7.3.1957 zu diesem Vertrag und durch das Kirchengesetz vom 8.3.1957 eingerichtet und geregelt. Sie weist die gleichen Strukturen wie die katholische M. auf.
2. Militärseelsorge in Österreich
In Österreich wurde die M. mit der Bestellung der ersten Militärkapläne am 15.10.1956 neu aufgebaut und mit Erlass des Bundesministers für Landesverteidigung vom 20.4.1970 staatlicherseits geordnet. Entspr. der Apostolischen Konstitution zur M. von 1986 wurde 1989 ein eigenes Militärordinariat errichtet, dem ein eigener Bischof vorsteht. Für dieses gelten die gesamtkirchlichen Normen und Art. VIII des Konkordates zwischen dem Hl. Stuhl und der Republik Österreich vom 5.6.1933.
3. Militärseelsorge in der Schweiz
Für die M. in der Schweiz gelten die gesamtkirchlichen Regelungen. Es gibt jedoch keinen Militärordinarius, sondern lediglich einen Militärbeauftragten der Bischofskonferenz. Die Feldprediger werden vom Bundesrat ernannt und üben ihren Dienst nur nebenamtlich aus.
Literatur
A. Hierold: Militärseelsorge, in: HdbkathKR, 32015, 788–795 (Lit.) • A. Hierold: Militärseelsorge im Spannungsfeld zwischen Kirche und Staat, in: AkathKR 175/1 (2006), 100–112 • T. Olsen: Die Natur des Militärordinariats, 1998 • R. Seiler: Seelsorge in Bundeswehr und Bundesgrenzschutz, in: HdbStKirchR, Bd. 2, 21995, 961–984 (Lit.) • H.-G. Jung/H. Wollschäger/S. Grundmann: Militärseelsorge, in: R. Herzog u. a. (Hg.): Evangelisches Staatslexikon, Bd. 1, 31987, 2136–2146 (Lit.) • U. Tammler: „Spirituali Militum Curae“, in: AkathKR 155 (1986), 49–71.
Empfohlene Zitierweise
A. Hierold: Militärseelsorge, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Milit%C3%A4rseelsorge (abgerufen: 03.12.2024)