Umweltpolitik

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1. Historische und ethische Einordnung

In allen Entwicklungsphasen ist die Geschichte der Menschheit gekennzeichnet durch die Nutzung der Natur in allen ihren Bereichen. Diese Eingriffe in den Naturhaushalt und die geologischen Strukturen der Erde haben die Lebenswelten der Menschen geprägt und wurden durch sie beeinflusst. Bleibende Veränderungen wurden dadurch in der Natur ausgelöst und in der Fristigkeit, in Tiefe und Breite des Eingriffs profiliert. Diese Dynamik ist durch die Zunahme der globalen Bevölkerung einerseits, der regionalen Konzentrationen und der damit verbundenen wirtschaftlichen Intensitäten der Menschen andererseits getrieben worden. Neben den anthropogen bedingten Änderungen ist die Dynamik des Planeten Erde selbst zu einem stets umgestaltenden und den Lebensraum der Menschen beeinflussenden Faktor geworden. In das kollektive Bewusstsein der Menschheit ist dies vornehmlich eingedrungen durch seismische Prozesse, gewaltige Vulkantätigkeiten und Tsunamikatastrophen in vorigen Jahrhunderten.

Bereits in der Antike und in der Entwicklung des Römischen Reiches haben diese bewusst oder unbewusst von menschlichem Verhalten verursachten Veränderungen der Natur das Leben der Menschen und ihre gesellschaftlichen Realitäten stark beeinflusst. Sie finden in der gesellschaftlichen Diskussion der damaligen Zeit markanten Niederschlag.

Ein prägendes Beispiel findet sich in der großflächigen Entwaldung des gesamten Mittelmeerraumes in römischer Zeit. Diese Roman Soil Errosion ist von der Wissenschaft umfassend analysiert worden. Die Ursachenkette: Der Holzbedarf stieg im römischen Imperium bedingt durch den Schiffsbau und durch den Bau von Häusern und Städten massiv. Gleiches galt für den Raubbau an Metallen im Bergbau, von Eisen über Blei bis zum Gold.

Diese tiefgreifenden und mit irreversiblen Folgen verbundenen Ausbeutungen der Natur hat Plinius der Jüngere in seinem Hauptwerk „Naturalis Historia“ in 37 (!) Bänden detailliert und höchst kritisch beschrieben. Unter dem Schock des Vesuvausbruchs schrieb Plinius im Jahre 79 n. Chr.: „Ständig wird die Erde gequält, ihrer Erze, ihres Holzes und der Gesteine, des Feuers und der Gebäude wegen“ (Plinius, zit. n. Schlott 2016). Ebenso drastisch werden Verschmutzungen und Vergiftungen der Flüsse dokumentiert, gesundheitsschädigende Luftbelastung beklagt und der Umgang mit Giftstoffen gegeißelt.

Übernutzung und Zerstörung der Natur durch den Menschen kennzeichnen auch das Mittelalter. Tiefe Eingriffe verbinden sich bes. mit der Verstädterung und den damit verbundenen Luftbelastungen, mit Wasser- und Abwasserproblemen, sowie mit der Behandlung von Abfällen aller Art. Eine leicht weiter steigende Bevölkerung verbunden mit tiefer greifenden technisch-wissenschaftlichen Eingriffsmöglichkeiten verstärkte diese Veränderungskraft menschlichen Handelns, erhöhte die Wahrscheinlichkeit, dass deren negative Konsequenzen im Zeitablauf nicht oder nicht hinreichend beachtet werden. Energiequellen wurden verstärkt erschlossen, vornehmlich in der Wasserkraft und damit mehr und mehr in der Veränderung natürlicher Flussläufe.

Markantes Beispiel dafür ist die nach 1817 durchgeführte Begradigung des Rheins durch den badischen Ingenieur Johann Gottfried Tulla. Vertiefung und Einengung im Oberlauf des zuvor stark mäandrierenden Flusses haben das natürliche Gleichgewicht dieses Naturraumes bleibend verändert, was dort bis in die heutige Zeit als Segnung empfunden wird. Siedlungs- und Ackerland wurden zusätzlich geschaffen, Überflutungsgefahren deutlich vermindert. Noch heute bezeugen die Altrheinarme diese in der regionalen Betrachtung heilsamen Wirkungen der Ingenieurskunst Tullas. An der Gebirgsstrecke des Rheins und am Unterlauf wird allerdings ein sehr hoher Preis für diese „Erfolge“ bezahlt: Die gesteigerte Fließgeschwindigkeit erhöht dort die Hochwassergefahr, zumal auch die Hochwasserspitzen von Rhein und Neckar kumulieren. Erforderlich wird daher der Bau von Poldern und die Ausweisung von Auen – Kosten, die nicht von den Nutznießern dieser Investition getragen werden.

Aus kurzfristigen Überlegungen verursachte Eingriffe in den Naturhaushalt lassen wesentliche negative Konsequenzen unbeachtet. Die mittel- und langfristigen Folgekosten übersteigen Verbesserungen oft deutlich. Eine „Vollkostenrechnung“ der Eingriffe wird somit bewusst oder unbewusst nicht vorgenommen, mit dem Ergebnis, dass sie von kommenden Generationen zu bezahlen sind. Dies erschien nicht verwunderlich, da über lange Zeit die Assimilationskräfte der Natur diese unbeachteten negativen Folgewirkungen aufnehmen und abpuffern konnten. Der technisch-wissenschaftliche Erkenntnisgewinn hat diese Wahrscheinlichkeit im Bewusstsein der Menschen bestätigt.

Dies änderte sich bedeutsam mit der Dynamik der Industrialisierung (Industrialisierung, Industrielle Revolution). Zunehmend wurden Erschöpfungserscheinungen der Natur mit ihren negativen Konsequenzen für das Leben einer exponentiell zunehmenden Weltbevölkerung deutlich, die Folgen vorangegangenen Handelns auf die Wohlfahrt kommender Generationen unübersehbar. Ihre Beseitigung wurde zwingend und verursachte kostenintensive Investitionen.

Die Abwälzung von Kosten wirtschaftlichen Handelns auf die Assimilationskraft der Natur und auf kommende Generationen sowie auf Menschen, die von den Vorteilen dieser Entscheidung nicht erreicht wurden, wurde lange kommentarlos und sogar bewusst hingenommen, weil sie den ökonomischen Verteilungsspielraum zur Befriedigung der sozialen Bedürfnisse und zur wettbewerblichen Sicherung (Wettbewerb) des wirtschaftlichen Handelns erhöhte. Diese Subventionierung des Wohlstands der Menschen wurde z. B. in Einklang gesehen mit dem biblischen Auftrag „Macht euch die Erde untertan“ (Gen 1,28). Die Verbindung mit der biblischen Feststellung „Der Herr setzte den Menschen in den Garten Eden, auf dass er ihn bebaue und bewahre“ (Gen 2,15), wurde nur am Rande des gesellschaftlichen Verantwortungsrahmens punktuell gesehen.

Mit der Enzyklika „Laudato si’ über die Sorge für das gemeinsame Haus“ hat Papst Franziskus 2015 dieser Betrachtung eine überzeugende Strategie entgegengesetzt. In zwingender Argumentationskraft ein überzeugendes, machtvolles und stringentes Plädoyer gegen die Externalisierung von Kosten auf Natur und Leben. Armut und Umwelt sind zwei Seiten einer Münze.

Die Verbindung zwischen ökonomischem Erfolg und den Leistungsgrenzen der Natur ist vergleichsweise früh erkannt, in ihren Auswirkungen analysiert und in einer für die damalige Zeit bemerkenswerten strategischen Klarheit beantwortet worden. Bereits 1713 veröffentlichte Carl von Carlowitz seine Schrift „Sylvicultura Oeconomica“. C. von Carlowitz war Oberberghauptmann im kursächsischen Dienst mit Sitz in Freiberg, der Stadt der ältesten Bergakademie der Welt (Akademien). Seine bergbauliche Tätigkeit zur Silbergewinnung erforderte den Einsatz von Holz zur Stabilisierung der Flöße und der Verhüttung des Erzes. Er sah sich selbst im waldreichen Erzgebirge einem „allenthalben und insgemein einreissenden Grossen Holz-Mangel“ gegenüber (Carlowitz 1713). Dagegen entwarf er die Strategie einer auf Effizienz, Substitution und technologischen Kenntnissen des Wachstumsprozesses von Bäumen aufbauenden „nachhaltigen“ Waldbewirtschaftung. Seine Strategie umfasste dreidimensional das Soziale, die ökologische Tragfähigkeit und die ökonomische Stabilität wirtschaftlichen Handelns.

2. Integrierte Umweltpolitik als Bestandteil nachhaltiger Entwicklung

Exponentielles Wachstum der Weltbevölkerung in der Industrialisierung und die durch Wissenschaft und Forschung erarbeiteten Möglichkeiten zur Nutzung der Natur für den Menschen bis hin zur Dekodierung der Genomstrukturen waren die Treiber dieser Erkenntnisse. Die strategischen Möglichkeiten zur Eindämmung oder Vermeidung von Folgekosten eroberten sich einen markanten Platz in der Beurteilungsskala wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Handelns.

Die erste Epoche auf dem Weg zu einer systematischen U. war dadurch gekennzeichnet. Sie bezog sich vornehmlich auf die Strategie zur nachhaltigen, gesundheits- und naturverträglichen Nutzung des Wassers und zur Behandlung der Abwässer, ebenso auf die mit der Industrialisierung massiv ansteigenden Luftbelastungen.

Markantes Bespiel ist erneut der Rhein. Bereits 1948 beschlossen die sechs Anliegerstaaten die Internationale Kommission zum Schutz des Rheins. Die Konzentration der chemischen Industrie hatte die Belastung mit kontaminierten Abwässern deutlich ansteigen lassen. Der Ausbau von Kläranlagen war höchst unzureichend in Quantität und Qualität. Bereits 1969 ereignete sich ein bis dahin im Ausmaß unbekanntes Fischsterben. Am 1.11.1986 verursachte ein Brand bei der Firma Sandoz in Basel die Einleitung von mindestens 20 Tonnen hochtoxischer Pestizide und Insektizide, die ein massenhaftes Fischsterben auslöste. Großräumige Proteste der Zivilgesellschaft und NGOs (Umweltbewegung) erzwangen ein tiefgreifendes Gesetzespaket als Handlungsrahmen für umfassende Investitionen in Abwasservermeidung und Abwasserreinigung. Die Belastungen wurden dadurch entscheidend verringert.

Die gesundheitsbelastenden Konsequenzen ungeordneter Abfallberge und Deponien sowie die Verwendung von Chemikalien konnte generell nicht mehr vernachlässigt werden. Der steigende Verlust an Artenvielfalt destabilisierte erkennbar die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts. Das Bienen- und Insektensterben führte 2019 über ein Volksbegehren in Bayern zu Handlungsverpflichtungen des Staates zur Erhaltung oder Renaturierung von Biotopen und Artenschutzprogrammen, bildete die Grundlage für dringend erforderliche Biodiversitätspolitik (Biodiversität). Der Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln ist zu einer zentralen Herausforderung für eine Reform der Agrarpolitik in der EU (Europäische Agrarpolitik) wie in Deutschland geworden. Gleichwohl konnte von einer kohärenten und integrierten umweltpolitischen Strategie noch keine Rede sein.

Die sektorale Betrachtung spiegelte sich in der institutionellen Verankerung der Aufgaben. So ressortierten in Deutschland Wasser- und Abwasserwirtschaft, Luftreinhaltung und Abfallproblematik im Bundesinnenministerium, Sicherung der Artenvielfalt im Landwirtschaftsministerium, Schutz vor Chemikalien im Gesundheitsministerium.

Mit zunehmender Nachdrücklichkeit wuchs Kritik aus regionaler und oft lokaler Betroffenheit, die in ein die gesellschaftlichen Schichten übergreifendes Protestpotential mündete. Zivilgesellschaftliche Organisationen, NGOs gewannen Einfluss auf politische Entscheidungsfindungen. NGOs wirkten im ökologischen Bereich wie Gewerkschaften im sozialen. Die Ökologische und Soziale Marktwirtschaft wird dadurch zum Ordnungsrahmen einer nachhaltigen Politik fortentwickelt (Nachhaltigkeit).

Forderungen für die ökologische Komponente in der Marktwirtschaft beziehen sich insb. auf die Einbindung der Zivilgesellschaft in Planungs- und Entscheidungsprozesse. Sie verbinden sich mit Kritik an unvollständigen und oft falschen Informationen: von Geheimhaltung etwa über die Einleitungen kontaminierter Flüsse oder Ablagerungen toxischer Abfälle in ungeordneten Deponien bis hin zu Energietechnologien. Die Kernenergie wurde v. a. in Deutschland zu einem Menetekel. Die ungelösten Probleme einer für eine Mio. Jahre sicheren Lagerung hochradioaktiver Abfallstoffe sind auch für Deutschland, das bis zum Jahre 2022 aus der Kernenergie aussteigt, eine gesellschaftliche Herausforderung. Die damit verbundenen materiellen und immateriellen Kosten sind die externalisierten Kosten der „niedrigen“ Strompreise der Vergangenheit. Gleiches gilt für die ungleich höheren, die Menschheit existentiell bedrohenden Kosten der CO2-Emissionen aus der Kohleverstromung (Energiepolitik). Diese Emissionen sind wissenschaftlich als ursächlich erkannt für den die Menschheit insgesamt gefährdenden Klimawandel. Eine CO2-freie Energieversorgung wird damit zur zentralen Herausforderung einer zukunftsfähigen U. in der Marktwirtschaft.

Die Unsichtbarkeit radioaktiver Strahlung und der mit dem Betrieb derartiger Kraftwerke verbundenen dramatischen Szenarien bei Fehlverhalten oder Systemversagen gehen weit über die üblichen Abwägungsprozesse hinaus. Diese Szenarien fanden in der Katastrophe des Kernkraftwerkes Tschernobyl (26.4.1986) in der Sowjetunion sowie in Fukushima (11.3.2011), im technologisch führenden Japan, fürchterliche Bestätigung.

3. Soziale und Ökologische Marktwirtschaft als Strategie systematischer Umweltpolitik

1962 veröffentlichte die US-amerikanische Zoologin und Wissenschaftsjournalistin Rachel Carson das Buch „Silent Spring“. Der „Stumme Frühling“ wird zurückgeführt auf den massiven Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft (Land- und Forstwirtschaft). Diese Argumentation löste eine breite Welle der Betroffenheit aus. Die negativen Folgen kurzfristiger Vorteile wurden in der Breite der Gesellschaft erfahrbar, wurden diskutiert und begründeten politische Forderungen. Das Verbot von DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan) war ein Ergebnis.

Ein Jahrzehnt später veröffentlichte der Club of Rome die von Dennis und Donella Meadows federführend erstellte Studie „The Limits to Growth“ (1972). Im gleichen Jahr fand in Stockholm mit 114 Nationen die UN-Conference on the Human Environment statt, mitten im Kalten Krieg mit sich boykottierenden Lagerbildungen zwischen Ost und West! Da erstmals an einer UN-Konferenz NGOs stark beteiligt waren, wurde eine neue Rolle für die Zivilgesellschaft in den UN erkennbar. Bemerkenswertes Ergebnis dieser Konferenz war die Gründung der Umweltorganisation der Vereinten Nationen (United Nations Environment Programme [UNEP]). Sie konnte zeitnah realisiert werden – mit Hauptsitz in Nairobi (Kenia), eine programmatische Entscheidung.

Ebenfalls 1972 errichtete der Freistaat Bayern das erste Umweltministerium in Deutschland und verabschiedete 1974 ein erstes Umweltprogramm. Auf Bundesebene wurde 1974 in Berlin das UBA begründet, das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit erst 1986 nach der Katastrophe in Tschernobyl. Bereits 1971 entstand in der DDR ein eigenes Ministerium für Umwelt und Wasserwirtschaft. Die massiven Umweltbelastungen dort, vornehmlich durch den Braunkohletagebau, den Uranbergbau der sowjetisch-deutschen AG Wismut in Freital im Erzgebirge, die Kohle-Chemie im Raum Bitterfeld und die massiven Luft-Wasserbelastungen konnten durch dieses Ministerium allerdings nicht im Ansatz bewältigt werden.

20 Jahre nach Stockholm fand 1992 in Rio de Janeiro die United Nations Conference on Environment and Development (UNCED) mit 17 000 Teilnehmern statt. Dieser „Erd-Gipfel“ griff die Ergebnisse von 1972 auf und erarbeitete die Strategie für die massive Dynamik einer integrierten U. Die Zivilgesellschaft wurde zu einem einflussreichen, wichtigen Akteur. Sie war mit 2 400 engagierten Menschen aus der ganzen Welt vertreten. Die Konferenz verhandelte und verabschiedete die Agenda 21, die Klimarahmenkonvention, „Forest Principles“, Biodiversitätskonvention, Grundlagen einer Konvention gegen die Wüstenbildung sowie die „Rio Principles“ als Grundsatzerklärung für integrierte U. und nachhaltige Entwicklung.

Damit wurde kurz nach der Überwindung der Bipolarität zwischen Ost und West eine globale Verankerung für nachhaltige Entwicklung, für soziale Gerechtigkeit, verbunden mit ökologischer Verantwortung und ökonomischer Stabilität geschaffen. Die Ökologische und Soziale Marktwirtschaft ließ sich als klarer Rahmen erkennen. Folgekonferenzen in Johannesburg 2002 und Rio de Janeiro 2012 haben ihn derart weiter gefestigt, dass aus der Klimakonvention 2015 in Paris ein konkretes, international verpflichtendes Abkommen gegen den Klimawandel entwickelt und verabschiedet werden konnte. Die Konvention zur Artenvielfalt wurde durch untergesetzliche Regelungen für den Schutz von geistigem Eigentum entscheidend gestärkt, der neben agro-industriellen Patenten bes. auch traditionelles Wissen umfasst (Immaterialgüterrecht). Auch die Wüstenkonvention wurde ratifiziert.

4. Aktiver Umweltschutz

Aktiver Umweltschutz hat sich parallel dazu entwickelt. Am Anfang sollten durch bessere Verteilung der Schadstoffe in der Umwelt die negativen Auswirkungen auf den Menschen und die natürliche Stabilität vermieden werden. Diese High Chimney Policy bewirkt eine „bessere“ Verteilung und damit eine Unterschreitung von Immissionswerten. Diese Zielsetzungen finden sich ebenso in der Standortwahl von wasser- und abwasserintensiven Unternehmen an großen Flüssen mit den entsprechenden Verdünnungseffekten für die Abwässer sowie in langen Einleitungskanälen für Abwasser in das Meer.

Die zweite Phase verbindet sich mit dem Begriff der End of the Pipe Policy. Klare gesetzliche Emmissionsgrenzwerte werden mit der Entwicklung und Anwendung von Filtersystemen für Abluft erreicht, bevor sie den Kamin verlässt. Auch dafür gibt es vielfältige Beispiele im Bereich der Wasserwirtschaft mit den jeweiligen Kläranlagentechnologien. Durch diese Maßnahmen wurden allerdings mit Filterstäuben oder Klärschlämmmen z. T. stark belastende Sonderabfälle produziert, die neue schwierige Entsorgungsaufgaben begründeten.

Diese Strategien gründen auf dem Verursacherprinzip, das die Verursacher einer Belastung für entsprechende Maßnahmen prinzipiell verantwortlich macht. Das Allgemeinlastprinzip, der Einsatz staatlicher Mittel, wurde dadurch nicht gänzlich ersetzt, aber doch deutlich problematisiert. Für eine integrierte, nachhaltige U. wurde es erforderlich, vom Verursacherprinzip in das Vorsorgeprinzip voran zu gehen. Diese zwingende Notwendigkeit wird insb. im Rahmen der energiepolitischen Transformation von einer auf fossilen Energieträgern aufgebauten Energieerzeugung mit erheblichen CO2-Emissionen hin zu einem CO2-freien, für die Klimapolitik zentralen Ausbau erneuerbarer Energien deutlich. Energieeffizienz, die Senkung des spezifischen Energieverbrauchs, ist der zweite Ansatzpunkt für eine klimaneutrale Energieversorgung.

Diese Energietransformation, die klimapolitisch erforderliche „Energiewende“, erfordert eine Beendigung der Nutzung fossiler Energieträger und deren Substitution durch CO2-freie Alternativen. Dies kann durch entsprechende Preisstellung für CO2 angestrebt werden. Die dramatischen Konsequenzen einer nicht oder nicht rechtzeitigen CO2-freien Energieversorgung legen allerdings nahe, klare ordnungspolitische Zielsetzungen (Ordnungspolitik) gesetzlich zu verankern. Die technischen Möglichkeiten für die Realisierung dieser rechtlichen Vorgaben bleiben den energiepolitischen Akteuren vorbehalten. Die Konzentration auf Wasserstoff als Energiespeicher stellt eine zukunftsfähige Analyse für den bisherigen Einsatz fossiler Brennstoffe dar. Wasserstoff-Strategien der EU, der Bundesregierung und der Bundesländer können zum Königsweg einer CO2-freien Energieerzeugung werden.

Beim Abfall zwingt diese Herausforderung in einer Welt mit bald 9 Mrd. Menschen zu einer umfassenden Kreislaufwirtschaft. Lineares Denken kann einer vorsorgenden U.- und Ressourcenpolitik nicht gerecht werden. Bereits bei der Entwicklung von Produkten und der Konzipierung von Nutzungsabläufen ist „vom Abfall her“ zu denken, ihre Recyclingfähigkeit ist zu gewährleisten. Rohstoffe und Energie können dadurch dauerhaft eingespart werden. Weltweit erstmals trat in der BRD am 27.9.1994 ein KrWG in Kraft, welches zum Ziel hat, das Denken „vom Abfall her“ zur Pflicht zu machen. Der Green-Deal der Europäischen Kommission 2020 hat diese Überlegungen als einen von drei Schwerpunkten für gemeinschaftliches Handeln aufgegriffen.

5. Ausblick: Nachhaltiges Umweltmanagement

Auf der Konferenz „Sustainable Development. A Nobel Cause“ (2007), stellten in Potsdam Nobelpreisträger und wissenschaftliche Experten fest, dass die Menschheit eine „quasi geologische Kraft“ (2007: 1) geworden ist. Sie griffen damit indirekt Überlegungen auf, die Paul Crutzen bereits 2002 veröffentlicht hat. Er stellt eingangs fest: „The effects of humans on the global environment have escalated“. Er folgert daraus: „It seems appropriate to assign the term ‚Anthropocene‘ to the present, in many ways human-dominated, geological epoch“ (Crutzen 2002: 23).

Diese Entwicklung stellt einer vorsorgenden integrierten U.- und Nachhaltigkeitspolitik eine gänzlich neue Herausforderung. P. Crutzen stellt Wissenschaftlern und Ingenieuren im Anthropozän die herausfordernde Aufgabe, die Gesellschaft in einem nachhaltigen Umweltmanagement durch diese Zeit zu führen. Die Konsequenzen vorangehender Eingriffe des Menschen in die Natur und die dabei nicht berücksichtigten Folgeprobleme schaffen eine Pfadabhängigkeit, die nach seiner Überzeugung Handlungszwänge begründet, die nur durch Wissenschaftler und Techniker bewältigt werden können. Die Auswirkungen dieser Feststellung auf die Funktionsbedingungen einer offenen parlamentarischen Demokratie sind massiv. Sie bestimmen zunehmend die sozialwissenschaftliche Diskussion.

Mit Blick auf die Handlungsoptionen verweist P. Crutzen darauf, dass diese Pfadabhängigkeiten auch großskalige Projekte des Geoengineerings etwa zur Optimierung des Klimas erforderlich machen könnten.

Die wissenschaftliche Forschung verbindet zwei Handlungsfelder mit Geoengineering:

a) Die Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre; damit verbunden negative CO2-Emissionen etwa durch Landnutzung und Aufforstung.

b) Solar Radiation Management, z. B. durch sonnenstrahlungsabweisenden Spiegeltechnologien im All oder durch die Injektion von Partikeln in die Stratosphäre und Atmosphäre: Ein künstlicher menschengemachter Tambora-„Vulkan-Mechanismus“. Der Tambora-Vulkan (größter Vulkanausbruch in geschichtlicher Zeit) hat im Jahr 1815 bis zu 160 Kubikkilometer pyroklastischen Materials mit einer Masse von 140 Mrd. Tonnen bewirkt, dass das Jahr 1816 zu einem „Jahr ohne Sommer“ wurde, mit globalen und regionalen Klimaveränderungen.

Diese Perspektive problematisiert P. Crutzen mit dem Hinweis: „At this stage, we are still largely trading on terra incognita“ (2002: 23).

Damit steht die Menschheit erneut vor der Versuchung, Maßnahmen zu ergreifen, deren mittel- und langfristige Wirkungen nicht abschätzbar sind oder nicht hinreichend erforscht werden. Der Begriff „Umwelt“ entlarvt sich damit als zutiefst anthropozentrisch. Allerdings werden vor dem Hintergrund der Decodierung von Natur und Leben die möglichen externalisierten Wirkungen gravierender und freiheitsbegrenzender. Eine Ökologische und Soziale Marktwirtschaft ist und bleibt daher zwingend.