Aufklärung

1. Zum Ansatz der Fragestellung

Das Wort A. wird nicht erst in der Gegenwart in unterschiedlicher, ja gegensätzlicher Bedeutung verwandt. Schon die deutsche Spät-A. hat seine Vieldeutigkeit beklagt. „Aufklärung ist ein Wort, das eigentlich nun ohne Commentar kein Mensch mehr versteht“ (Hassencamp/Wachler 1789: 408), heißt es bereits 1789 in den „Annalen der neuesten theologischen Litteratur“. Es kann z. B. ein bestimmtes Programm – und evtl. auch dessen Realisierung – bezeichnen, einen Erkenntnisakt, eine typische Geisteshaltung, eine geschichtliche Bewegung oder ein Zeitalter als Ganzes, eine Epoche, deren Grenzen und Verlaufsformen (Früh-, Hoch-, Spät- A.) dann wieder von den einzelnen Forschern ganz verschieden angesetzt werden. Will man einen willkürlichen und einseitigen Begriff von A. so weit wie möglich vermeiden, so empfiehlt es sich, diese zunächst als eine geschichtliche Bewegung innerhalb des sehr viel umfassenderen „Rationalisierungsprozesses“ der Neuzeit zu betrachten, die noch im 17. Jh. einsetzt und mehr oder weniger die gesamte westliche Welt erfasst, zugleich aber auch in den verschiedenen Ländern, insb. in England, Frankreich und Deutschland, tiefgreifende Unterschiede zeigt. Wer die A. mit der Neuzeit insgesamt gleichsetzt oder sie vorschnell als ein einheitliches Phänomen ansieht, läuft Gefahr, das Charakteristische dieser Bewegung zu verfehlen.

2. Anlässe der Entstehung

Diese geschichtliche Bewegung wird von den verschiedenartigsten Faktoren beeinflusst und gespeist: von den bahnbrechenden Erfindungen oder technischen Verbesserungen der Neuzeit (Seekompass, Buchdruck, Fernrohr, Mikroskop), die eine glücklichere Zukunft zu verheißen scheinen; von den Fortschritten der neuen, mathematisch-mechanischen Naturwissenschaft (Naturwissenschaften), die nun endlich den „Heeresweg der Wissenschaft“ (I. Kant, KrV AA III 10) getroffen habe; von der Entdeckung neuer Erdteile, die eine Flut von Reisebeschreibungen nach sich zieht und eine Auseinandersetzung mit fremden Kultur- und Lebensformen verlangt; von einschneidenden Veränderungen in Staat, Kirche, Handel und Gesellschaft; von bestimmten historischen Erfahrungen wie dem Streit zwischen den Konfessionen (Konfessionalisierung)und den Schrecken der Religionskriege, die schließlich die Vernunft (Vernunft – Verstand) als Garanten von Religion und Ethik und den Territorialstaat als Garanten der eigenen Sicherheit erscheinen lassen, und von manchem anderen mehr. Die A. erfasst trotz starker Gegenbewegungen nach und nach alle Lebensbereiche, insb. die Theologie und Religiosität (Physikotheologen, Deisten, Neologen), die Pädagogik (Philanthropinisten), die Publizistik, den Staat (Naturrecht, Gesellschaftsvertrag), das öffentliche wie das private Leben (Geheimgesellschaften: Freimaurer, Rosenkreuzer, Illuminaten). In ihrem Zentrum stehen jedoch einige grundlegende Ideen, die fast ausnahmslos genuin philosophischen Ursprungs sind und das Zeitalter der A. zu dem siècle philosophique werden lassen. Jede dieser Ideen unterliegt freilich im Laufe des 18. Jh. einem erheblichen Bedeutungswandel und sinkt dabei nicht selten zum Schlagwort herab. Der Philosoph wird weithin vom Propagandisten abgelöst. Die unterschiedliche Bewertung der A. hat hier eine ihrer Ursachen. Je nachdem, ob man den ursprünglichen Gehalt ihrer Ideen oder deren progagandistische Verflachung vor Augen hat, ergibt sich zwangsläufig ein anderes Bild von der A. als geschichtlicher Bewegung.

3. Tragende Ideen

Versucht man, die A. als geschichtliche Bewegung im Ausgang von den sie tragenden Ideen zu erfassen, so sind an erster Stelle diejenigen Ideen in Betracht zu ziehen, die von allen Vertretern der A. mehr oder minder ausdrücklich geteilt worden sind. Das ist keinesfalls bei allen Ideen der Fall, die heute im Rückblick das Bild der A. prägen: Der Gedanke eines geschichtlichen Fortschritts der Menschheit wird z. B. von Moses Mendelssohn, dem „deutschen Sokrates“, aber nicht nur von ihm, entschieden abgelehnt. Vernunftskepsis und Vernunftglaube halten sich in England, Frankreich und Deutschland fast durchweg die Waage (Vernunft – Verstand). Die Vorstellung einer durchgängigen sozialen Gleichheit stößt bei zahlreichen Vertretern der deutschen A., und zwar keineswegs erst als Gegenreaktion auf die Französische Revolution, auf erhebliche Bedenken. Die deutsche Popularphilosophie gewinnt zwar zunehmend an Einfluss, bleibt aber bis zum Schluss nur eine philosophische Strömung neben anderen, der z. B. die sogenannte Schulphilosophie Christian Wolffs und seiner Nachfolger bis hin zu Immanuel Kant als eine zweite einflussreiche Bewegung gegenübersteht. Bei denjenigen Ideen, die von der A. als ganze geteilt werden, wird man zunächst zwischen einigen wenigen Haupt- oder Grundideen und zahlreichen anderen, sozusagen abgeleiteten Ideen, die sich aus ihnen mit innerer Notwendigkeit ergeben, unterscheiden müssen. Die Grundideen selbst lassen sich ihrerseits wiederum in drei Klassen aufgliedern: in Programmideen, die die Zielsetzungen der A. formulieren, in Kampfideen, die deren Frontstellungen sichtbar machen, und in Basisideen, in denen sich ein von allen eher stillschweigend zugrunde gelegtes Selbstverständnis des Menschen artikuliert.

3.1 Programmideen

a) Unter den Programmideen nimmt die Idee der A. selbst naturgemäß den ersten Platz ein. Die drei Momente, die für alle Grundideen der A. in diesem oder jenem Grade charakteristisch sind: die Herkunft aus der Philosophie, der ständige Bedeutungswechsel und der propagandistische Ideenverschleiß, lassen sich an ihr mit bemerkenswerter Deutlichkeit ablesen. Wort- und begriffsgeschichtlich gesehen verdient die Karriere des Begriffs A. ein besonderes Interesse. Sie ist alles andere als selbstverständlich. Während man in Frankreich i. d. R. von lumières oder vom siècle des lumières spricht und Wörter wie éclairer oder éclaircissement nur relativ selten gebraucht, während man in England enlightenment oder the age of reason sagt, in Holland verlichting, in Italien illuminismo, im europäischen Judentum Haskala, setzt sich in Deutschland dafür seit etwa 1740 mehr und mehr eine Metapher durch, die aus dem Bereich der Meteorologie stammt und ursprünglich die „A.“ oder „Ausklärung“ des Himmels bedeutet, also das schließliche Durchbrechen des Sonnenlichtes durch Nebel und Wolken (Bilder, die von der A.s-Literatur noch gegen Ende des 18. Jh. auf Schritt und Tritt Verwendung finden). Ideengeschichtlich betrachtet lassen sich die Wurzeln des Begriffs bis zu René Descartes zurückverfolgen, der die Klarheit und Deutlichkeit unserer Vorstellungen zum Kriterium der Wahrheit macht („pro regula generali posse statuere, illud omne esse verum, quod valde clare et distincte percipio“ [Descartes 1904: 35]). Die Schaffung klarer und deutlicher Begriffe (zwischen denen dann schon Gottfried Wilhelm Leibniz terminologisch unterscheidet) wird damit zu einer zentralen Aufgabe der Philosophie. So kommt es, dass sich v. a. in der Schulphilosophie des Wolffianismus für den Erwerb klarer und deutlicher Begriffe (die dilucidatio notionum) mehr und mehr die Bezeichnung „A.“ bzw. „A. des Verstandes“ einbürgert. Noch Johann Heinrich Lambert verwendet in seinem „Neuen Organon“ und in seiner „Anlage zur Architectonic“ die Wörter „aufklären“ und „A.“ ausnahmslos in diesem Sinne, ja noch 1790 wird A. in einem anonymen Beitrag der „Deutschen Monatsschrift“ als „Uebergang entweder eines einzelnen Begriffs, oder des ganzen intellectuellen Gesichtskreises aus der Dunkelheit in die Klarheit“ (Anonymus 1790: 36 f.) bzw. als „Wachsthum menschlicher Erkenntniß durch die Vermehrung klarer Begriffe“ (Anonymus 1790: 36 f.) definiert. Bei einem solchen Verständnis bedarf es, um die Frage „Was ist A.?“ zu beantworten, noch keines Rückgriffs auf andere, zusätzliche Ziele moralischer, geschichtsphilosophischer oder politischer Art. Auch müssen zu einem solchen Zweck neben der Wendung gegen die dunklen oder verworrenen Vorstellungen (die freilich schon bald als die Wurzel aller „Schwärmerei“ begriffen werden) noch keine besonderen Frontstellungen, etwa gegen Autorität, Staat, Kirche oder was immer sonst, geltend gemacht werden. Die „Vermehrung klarer Begriffe“ und die mit ihr verknüpfte Sicherung der Wahrheit ist Ziel und Wert an sich. Und zugleich ist A. in diesem Sinne zuerst und zunächst immer Selbst-A.: Nur wer selbst über klare Begriffe verfügt, ist auch imstande, andere aufzuklären. Nach 1770 bilden sich dann jedoch in rascher Folge die verschiedenartigsten Bedeutungen des Wortes „A.“ heraus. Horst Stuke unterscheidet 1972 in seinem großen Lexikonartikel „Aufklärung“ sieben „Typische Begriffsbildungen im letzten Drittel des 18. Jh.“. Aber schon zwischen 1785 und 1790 beklagen zahlreiche Autoren die „schwankend gewordene“ Bedeutung des Wortes („Aufklärung, ein Wort, das in unseren Tagen […] so schwankend geworden ist, daß man es ohne Gefahr mißverstanden zu werden kaum mehr aussprechen darf“; Johann Michael Sailer, zit. nach: Schäfer 1982: 59). Der genannte Beitrag der „Deutschen Monatsschrift“ zählt gleich auf seinen ersten Seiten „zwölf verschiedene Beschreibungen der Aufklärung“ auf, „aus so viel gedruckten Schriften gezogen, deren fast jegliche ein anderes Genus annimmt“ (Anonymus 1790: 13.): A. wird z. B. verstanden als „richtige Einsicht der Verhältnisse der Dinge gegen unsre Bestimmung“ (Becker 1783: 21 f.); als „richtige Begriffe von unsern wesentlichen Bedürfnissen“ (Fischer 1791: 62); als „die Maxime jederzeit selbst zu denken“ (I. Kant, Was heißt: Sich im Denken orientieren?, AA VIII 146) usw. Die unausbleibliche Folge dieser Entwicklung ist eine weitgehende Beliebigkeit bei der Verwendung des Begriffs, so dass dieser schließlich alles und jedes bezeichnen kann, am Ende sogar den Magnetismus oder die Hellseherei.

b) Eklektik, Selbstdenken, Mündigkeit. Gleich nach dem Begriff der A. sind in der Gruppe der Programmideen drei andere Begriffe zu nennen, die zeitlich aufeinander folgen und bei mancherlei Überlappungen jeweils für ungefähr eine Generation ein und dasselbe Programm zu artikulieren suchen. Es sind dies die Begriffe Eklektik, Selbstdenken und Mündigkeit. Hinter diesen drei Begriffen steht jedoch, so unterschiedlich sie auch klingen mögen, eine und dieselbe Idee: die Idee eines freien und eigenständigen Denkens, das sich aus der Bindung an eine bestimmte Schule oder Autorität gelöst hat und die Erkenntnis der Wahrheit dem eigenen Urteil überantwortet. Diese Idee deckt sich keinesfalls mit der Idee der A. im engeren Sinne. Neben die Forderung nach klaren Begriffen tritt mit ihr vielmehr die Forderung nach eigenem Urteil, neben das Ideal des hellen das Ideal des selbständigen Kopfes. Ohne diese Programmidee ist die A. als geschichtliche Bewegung in manchen ihrer Erscheinungsformen schlechterdings nicht zu verstehen. V. a. ihr Verhältnis zur Überlieferung, aber auch zu Staat und Kirche wird tiefgreifend von dieser zweiten großen Leitvorstellung geprägt. Der Gedanke, dass es darauf ankommen könnte, die großen geistigen Leistungen der Vergangenheit allererst einzuholen, oder dass den Institutionen ein Erbe anvertraut sei, das sie zu bewahren haben, ist dem Menschen der A. weitgehend fremd. Auch die Idee der Kritik, die im 18. Jh. in zahlreiche Wissensgebiete Einzug hält und schließlich zum Losungswort des Zeitalters aufsteigt nimmt hier ihren Ursprung, ist aber wohl unbeschadet ihrer sachlichen Bedeutung zunächst eher als eine abgeleitete Idee zu verstehen, die erst durch I. Kant ihr eigenständiges Gewicht erlangt. Will man den Begriff der Eklektik in seiner ursprünglichen Bedeutung in den Blick bekommen, so muss man alle negativen Wertungen beiseitelassen, die sich heute – insb. unter dem Einfluss des Deutschen Idealismus – mit Wörtern wie „eklektisch“, „Eklektiker“ und v. a. „Eklektizismus“ verbinden. Für diese negative Bedeutung verwenden das 17. und 18. Jh. i. d. R. vielmehr den Begriff des „Synkretismus“.

Philosophia eclectica dagegen meint ursprünglich eine Bewegung, die sich im letzten Drittel des 17. Jh. formiert und das Adjektiv „eklektisch“, das in zahllosen Buchtiteln der Zeit auftaucht, als positives Programm versteht. Im Gegensatz zur „sektirischen“ Philosophie geht sie davon aus, dass die Wahrheit nicht der Besitz einer einzelnen Schule sein könne, sondern in diesem oder jenem Grade auf alle denkenden Köpfe verteilt sei. Eben deshalb gelte es, von dem eigenen Urteil Gebrauch zu machen, die wahren Gedanken aus den verschiedensten Autoren oder Parteien „auszuwählen“ und so der Wahrheit Schritt für Schritt näher zu kommen. Die Überlegung, dass die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Schule (oder Konfession) ja nur zu oft auf einem biographischen Zufall beruht, die eigene, selbständige Bemühung um Erkenntnis dagegen dem Wesen des Menschen entspricht, mag bei der Formulierung dieses Programms eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben. Zur Rechtfertigung beruft sich die Philosophia eclectica immer wieder auf Kirchenväter wie Laktanz, die auch schon betont hätten, die Wahrheit lasse sich nur suo judicio ac propriis sensibus erkennen, oder auf den Apostel Paulus, der schreibt: „Prüft aber alles, und das Gute behaltet“ (1 Thess 5,21). In diesem Sinne heißt es noch 1790 bei dem Prediger Johann Wilhelm Reche (1790: 188): „Wahre Aufklärung ist eklektisch. Sie prüft alles, und das Gute behält sie.“ Im letzten Drittel des 18. Jh. wird der Gedanke der Eklektik – zuweilen in verflachter Form – dann auch zu einem tragenden Pfeiler der deutschen Popularphilosophie. Dabei ist jedoch zu beachten, dass sich das Programm der Philosophia eclectica und das der Philosophia popularis zunächst unabhängig voneinander entwickeln und von verschiedenen Absichten und Motiven geleitet werden. Bei der Eklektik und der Popularphilosophie handelt es sich daher ursprünglich um zwei verschiedene Strömungen innerhalb der A. als ganzes, die erst relativ spät zusammenfließen. Nach 1700 vollzieht sich so etwas wie ein Austausch der Leitbegriffe: Nicht der Begriff der Eklektik, sondern der des Selbstdenkens besetzt jetzt mehr und mehr den ersten Platz. Auch bei diesem Begriff reichen die Wurzeln bis tief in die Anfänge der neuzeitlichen Philosophie zurück. Bei seiner Karriere haben zahlreiche Faktoren zusammengewirkt. Wichtige Impulse gehen z. B. von John Lockes posthumer Schrift „Conduct of the Understanding“ aus, die das Programm des Selbstdenkens an verschiedenster Stelle artikuliert. Zu dessen aktivsten Propagandisten zählt auch Christian Thomasius in Halle. Seine schlüssige Rechtfertigung erhält das Programm schließlich durch C. Wolff. Während nämlich die „historische“ Erkenntnis in einer bloßen Tatsachenkenntnis besteht, sucht die philosophische deren Gründe zu ermitteln. Begründungszusammenhänge aber lassen sich – ähnlich wie mathematische Sachverhalte – ihrer Natur nach nicht einfach historisch weitererzählen, sondern verlangen die eigene Einsicht. Bei ihnen zählt nur, was „suo, non aliorum […] judicio“ erkannt wird. Eben deshalb darf Selbstdenken, wie C. Wolff ausdrücklich betont, auch keinesfalls mit Originalität verwechselt werden. In der Folge sinkt auch der Begriff des Selbstdenkens nicht selten zum bloßen Schlagwort herab, doch kehrt die Argumentation C. Wolffs noch im letzten Drittel des 18. Jh. bei zahlreichen Autoren wieder, bemerkenswerterweise sogar noch in I. Kants „Kritik der reinen Vernunft“. Von I. Kant stammt auch die klassisch gewordene Definition: „Selbstdenken heißt den obersten Probierstein der Wahrheit in sich selbst (d. i. in seiner eigenen Vernunft) suchen; und die Maxime, jederzeit selbst zu denken, ist die Aufklärung“ (Kant 1923: 146). I. Kant ist es aber auch gewesen, der 1784 einen erneuten Austausch der Leitbegriffe in Gang gesetzt hat, einen Austausch, der die Diskussion bis in die Gegenwart hinein bestimmt. Seine berühmte „Beantwortung der Frage: Was heißt Aufklärung?“ beginnt mit der lapidaren Definition „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit“ (Kant 1923: 35). I. Kant knüpft dabei ausdrücklich an den juristischen Begriff der Mündigkeit (maiorennitas, nicht emancipatio) an und erweitert ihn in moralischer Hinsicht: Neben die Mündigkeit, die der Mensch durch Gesetz oder durch die natürliche Entwicklung seiner Kräfte erlangt, stellt I. Kant eine dritte Form von Mündigkeit, die in die Verantwortung des Einzelnen fällt. Eine Reihe von Gründen legt die Vermutung nahe, dass I. Kant bei dieser neuen Definition von A. auch von theologischen Motiven geleitet worden ist und die Verse Gal 4,1–4 mit vor Augen gehabt hat. Durch seine Kritik am sogenannten Paternalismus, der die Glückseligkeit zum Staatszweck erhebt, erhält der Begriff der Mündigkeit schon bei I. Kant auch eine politische Perspektive. Mündigkeit im Bereich des Staates bedeutet für I. Kant, dass der einzelne die Freiheit haben muss, über sein Glück bzw. seine Wohlfahrt nach eigenem Gutdünken zu entscheiden. In der Folge wird Mündigkeit jedoch sehr bald zu einer Sache des „Volks“ (Johann Benjamin Erhard) oder gar des „Menschengeschlechts“ (Johann Adam Bergk). Die Bindung der Mündigkeit an die eigene, unvertretbare Vergewisserung der Wahrheit geht dadurch mehr und mehr verloren, der Begriff sinkt nicht selten zum Schlagwort herab. Bis zu der falschen Etymologie, die Mündigkeit nicht mehr mit dem alten Femininum „die Mund“ (im Sinne von „Schutz, Schirm, Gewalt“), sondern mit dem Maskulinum „der Mund“ in Verbindung bringt, ist es dann nur noch ein kleiner Schritt.

c) Perfektibilität. An dritter Stelle ist in der Gruppe der Programmideen die Idee der Perfektibilität zu nennen. Sie geht auf Jean-Jacques Rousseau zurück. Während sie bei ihm jedoch noch einen negativen Akzent trägt und eher eine Mangelsituation des Menschen beschreibt, wird sie v. a. von der deutschen A. von Anfang an ins Positive gewandt und zu einer Programmidee umgeformt. „Perfektibilität“ bedeutet nun nicht mehr die bloße „Vervollkommnungsfähigkeit“, sondern auch die tatsächliche „Vervollkommnung“ des Menschen. Gegen Ende des 18. Jh. aber wird aus der ethischen und anthropologischen mehr und mehr eine geschichtsphilosophische Idee (Geschichte). Im Zentrum steht jetzt nicht mehr die Vervollkommnung des einzelnen Menschen, sondern die des Gattungswesens Mensch auf dem Wege eines gesamtgeschichtlichen Fortschritts. Freilich fehlt es innerhalb der A. selbst auch nicht an Autoren, die vor einer solchen Ausweitung und Übertragung warnen („Der Endzweck ist nicht Fortgang der Gesellschaft, sondern der Menschen“ [Mendelssohn 1844: 151]).

3.2 Kampfideen

Das Selbstverständnis der A. wird jedoch nicht allein von ihren Programmideen geprägt. Nicht weniger wichtig sind ihre Kampfideen. Während die ersteren die positiven Zielsetzungen der A. zum Ausdruck bringen und ihre Hoffnungen und Erwartungen spiegeln, machen die letzteren ihre Frontstellungen sichtbar. Die A. lebt weitgehend aus dem Bewusstsein, dass ihre Ziele gegen zahlreiche Widerstände, die teils in den bestehenden Institutionen (Institution), teils im Menschen selbst liegen, durchgesetzt werden müssen. Zu ihren Grundprämissen gehört die Überzeugung, dass dem Menschen nichts geschenkt wird. Stärker als andere geschichtliche Bewegungen ist sie zugleich auch eine Kampfgemeinschaft, die ihre innere Geschlossenheit nicht zuletzt auch durch bestimmte Feindbilder gewinnt. Freilich machen sich in diesem Bereich auch die regionalen Unterschiede insb. zwischen der englischen, der französischen und der deutschen A. in besonderem Maße geltend.

a) Kampf gegen Vorurteile. Die wichtigste Kampfidee der A. ist der Kampf gegen Vorurteile. Zu den vielen Gesichtern, die die A. zeigt, zählt wesentlich auch dies: A. ist Vorurteilskritik. Auch diese Idee ist genuin philosophischen Ursprungs. Ihre Anfänge reichen bis zu Francis Bacon, R. Descartes und C. Thomasius zurück. Dabei werden schon früh ganze Kataloge und Stammbäume von Vorurteilen entwickelt. Ihr vielleicht auffälligstes Merkmal ist die Bildung von immer neuen Gegensatzpaaren: Dem praeiudicium autoritatis steht das praeiudicium praecipitantiae, das Vorurteil der Übereilung, gegenüber, dem Vorurteil für das Alte das Vorurteil für das Neue, dem Vorurteil für das Tiefe und Geheimnisvolle das Vorurteil für das Flache usw. Das Ziel, das die A. mit der Bildung solcher Gegensatzpaare verfolgt, scheint eine Art von Balance des Verstandes (Vernunft – Verstand) zu sein: Indem sie ein Vorurteil gegen das andere ausspielt, neutralisieren sich diese am Ende gegenseitig und geben dem Verstand damit überhaupt erst die Chance, zu einem eigenen, in der Sache gegründeten Urteil zu gelangen.

Stärker noch als andere Grundideen der A. ist gerade diese Kampfidee einem einschneidenden Bedeutungswandel unterworfen. Werner Schneiders unterscheidet in seinem Buch „Aufklärung und Vorurteilskritik“, was die deutsche A. angeht, vier große Etappen dieser Entwicklung: die moralische, die gnoseologische und die pragmatische Vorurteilskritik sowie die (Kantische) Vernunftkritik. Der Bedeutungswandel betrifft zunächst den Begriff des Vorurteils selber: Während dieses in aller Regel zunächst als „falsche Meinung“ (C. Thomasius), als „falsa opinio“ (Johann Christian Lange) oder als „iudicium erroneum“ (Gottlieb Samuel Treuer) begriffen wird, setzt sich seit dem zweiten Drittel des 18. Jh. mehr und mehr eine wertneutrale Auffassung durch, die das Vorurteil schließlich nur noch als übereiltes und unzulänglich begründetes Urteil versteht. Hand in Hand damit geht eine unterschiedliche Einschätzung der Rolle der Vorurteile. Der Optimismus, zu guter Letzt alle Vorurteile ausrotten zu können, macht in zunehmendem Maße einer realistischeren („pragmatischen“) Einschätzung Platz. Am Ende dieses Gedankenprozesses steht die ernüchterte Überzeugung, dass niemand auch nur in seinem eigenen Denken alle Vorurteile ausrotten könne, „daß es keinen Menschen, keinen Gelehrten, gebe, der überhaupt von allen Vorurtheilen frey ist“ (Meier 2005: 128). Im Schlagwortrepertoire der A.s-Publizistik freilich behält der Vorurteilsvorwurf als Kampfmittel seinen festen Platz.

b) Kampf gegen Aberglauben. Mit dem Begriff des Vorurteils wird im 18. Jh. häufig noch ein zweiter Begriff fast automatisch verbunden: der des Aberglaubens. Auch er markiert eine zentrale Frontstellung der A. „Befreiung vom Aberglauben heißt Aufklärung“ (Kant AA VII: 153), lautet eine andere, nicht weniger prägnante Definition I. Kants. Dabei knüpft die A. immer wieder an philosophische Autoren der Antike (Theophrast, Plutarch, Cicero) und deren Terminologie (deisidaimonia, superstitio) an. Stärker noch als in der Antike ist jedoch gerade diese Kampfidee im 18. Jh. durch eine ungewöhnliche Bandbreite charakterisiert, die zwangsläufig zu einem ständigen Bedeutungswandel führt. Schon in Johann Heinrich Zedlers „Grossem vollständigen Universal-Lexicon“ und in Johann Georg Walchs „philosophischem Lexicon“ deckt der Begriff „Aberglaube“ so unterschiedliche Phänomene ab wie Magie und Astrologie auf der einen und die religiösen Zeremonien der „Römischen Kirche“ auf der anderen Seite. Auch der Vorwurf des Priesterbetrugs wird schon hier massiv erhoben. Bestes Heilmittel gegen den Aberglauben ist „in der Philosophie eine mit einer richtigen Logique verknüpfte Erkäntniß der Physique“, darüber hinaus aber ganz allgemein eine „unermüdete Betrachtung des göttlichen Wortes, und fleißige Ubung im Gebet“ (Zedler 1733: 109). Nach und nach werden dann immer weitere Phänomene wie Hexenwahn, Gespensterglaube, Alchemie, Volksbräuche, Weissagungen usw. unter den Begriff des Aberglaubens subsumiert, so dass er schließlich fast beliebig als Schlagwort Verwendung finden kann.

c) Kampf gegen Schwärmerei. Ähnlich wie die Begriffe „Vorurteil“ und „Aberglaube“, die von der A. häufig miteinander gekoppelt werden, werden in späteren Jahren auch die Begriffe „Aberglaube“ und „Schwärmerei“ gern zusammen genannt. Auch dieser dritte Begriff markiert noch einmal eine zentrale Frontstellung der A.: A. ist eine Bewegung der Nüchternheit. Freilich ist auch der Begriff der Schwärmerei einem nicht unerheblichen Bedeutungswandel ausgesetzt. Martin Luther hat ihn in der Auseinandersetzung mit Thomas Müntzer, Andreas von Karlstadt und den Wiedertäufern geprägt und dabei die Bezeichnungen „Schwärmer“ und „Enthusiast“ gelegentlich schon nahe zusammengerückt. Noch 1743 meint der Begriff für J. H. Zedler demgemäß eine bes. Art von Fanatismus: „Schwärmer, werden diejenigen Fanatici genennt, welche aus Mangel der Beurtheilungskraft allerley der Christlichen Religion und bisweilen der Vernunfft selbst, widersprechende Meynungen hegen, und dadurch öffentliche Unruhen anrichten“ (Zedler 1743: 912). In der Folge tritt das Moment der Störung der Öffentlichkeit jedoch mehr und mehr in den Hintergrund. Vielmehr bedeutet „Schwärmerei“ jetzt eher so etwas wie einen Hang zu dunklen Begriffen oder wie eine „Liebe zum Wunderbaren“ (Garve 1785: 48 f.) und gerät damit in die Nähe zu Phänomenen wie Enthusiasmus oder Begeisterung. I. Kants Definition bringt diese neue Bedeutung auf den Punkt: „Schwärmerei in der allergemeinsten Bedeutung“ ist „eine nach Grundsätzen unternommene Überschreitung der Grenzen der menschlichen Vernunft“ (Kant 1913: 85). In dieser Definition kommt in der Tat ein Wesenszug der A. zum Ausdruck: Sie ist eine geschichtliche Bewegung, die sich mit letztem Ernst in den Grenzen der menschlichen Vernunft zu halten sucht.

3.3 Basisideen

Neben den Programm- und den Kampfideen ist jedoch noch eine dritte Gruppe von Grundideen zu nennen, die für die innere Geschlossenheit der A. als geschichtlicher Bewegung von fundamentaler Bedeutung sind. Sie formulieren weder ein bestimmtes Programm, das erst noch der Realisierung bedarf, noch reflektieren sie auf dessen tatsächliche oder vermeintliche Gefährdung durch ihm entgegenwirkende Faktoren. Vielmehr artikuliert sich in ihnen so etwas wie ein stillschweigender anthropologischer Grundkonsens (Anthropologie), ein Einverständnis über grundlegende Züge des Menschen, das auch noch die großen Kontroversen innerhalb der A. übergreift und gleichsam den Raum schafft, in dem sich ihre anderen Ideen erst entfalten können. Die Ideen dieser dritten Gruppe machen gleichsam den Boden sichtbar, aus dem die A. lebt. Am treffendsten wird man sie daher vielleicht als Basisideen bezeichnen können.

a) Bestimmung des Menschen. Innerhalb der Gruppe der Basisideen nimmt die Idee der Bestimmung des Menschen v. a. im deutschen Sprachraum eine zentrale Stellung ein. Ihre ausdrückliche Formulierung erhält sie durch den protestantischen Theologen Johann Joachim Spalding, der 1748 unter eben diesem Titel „Die Bestimmung des Menschen“ eine kleine Schrift veröffentlicht hat. Immer wieder überarbeitet, hat sie im 18. Jh., die Raubdrucke nicht mitgerechnet, nicht weniger als 13 Aufl.n erlebt, viermal ist sie ins Französische, zweimal ins Niederländische sowie einmal ins Lateinische übersetzt worden. Zuweilen wurde sie sogar als eine Art Familienbuch von Generation zu Generation weitergegeben. Ihre philosophische Ausarbeitung und Vertiefung erhält die Idee der Bestimmung des Menschen dann insb. durch M. Mendelssohn. In einer Anzahl von Stammbucheintragungen hat er seine vielschichtigen Überlegungen zu diesem Thema in dem lapidaren Satz zusammengefasst: „Bestimmung des Menschen. Nach Warheit forschen; Schönheit lieben; Gutes wollen; das Beste thun“. V. a. in der deutschen Spät-A. begegnet man dem Stichwort der Bestimmung des Menschen dann auf Schritt und Tritt. In der inhaltlichen Ausfüllung der Idee sind dabei oft tiefgreifende Unterschiede festzustellen. Gemeinsam aber ist allen Autoren die Überzeugung, dass das menschliche Leben nicht beliebig disponibel ist. Der Mensch ist nicht der unbeschränkte Herr, der sich seine Ziele nach Lust und Laune selbst zu setzen vermag. Er kann sein eigenes Leben nicht ungestraft nach Gutdünken ausbeuten. Vielmehr ist ihm als Gattungswesen wie als Individuum durch seine unverwechselbaren, nur ihm eigenen Anlagen und Kräfte, aber auch durch die Grundgegebenheiten des menschlichen Lebens, eine ablesbare Richtung vorgezeichnet, der er zu folgen hat, wenn er zu innerer Erfüllung (zur „Glückseligkeit“) gelangen und sich nicht selbst ins Unglück stürzen will. Nicht selten schmilzt die Idee der Bestimmung des Menschen dabei mit der Idee der Perfektibilität zu unauflöslicher Einheit zusammen.

b) Allgemeine Menschenvernunft. Eine zweite zentrale Basisidee der A. ist die der allgemeinen Menschenvernunft. Ihre prägnante Ausformulierung hat diese Idee allem Anschein nach erst durch I. Kant gefunden (die „menschliche Vernunft, welche keinen anderen Richter erkennt, als selbst wiederum die allgemeine Menschenvernunft, worin ein jeder seine Stimme hat“ [I. Kant, KrV AA III: 492]), doch wird schon die Philosophia eclectica der Sache nach von ganz ähnlichen Überzeugungen getragen. In dieser Idee sind zwei gegenläufige Momente untrennbar miteinander verbunden: Auf der einen Seite ist Vernunft nicht das Vorrecht einiger weniger, sondern allgemeine Vernunft. Jeder Mensch (Schule, Bewegung, Konfession) hat in diesem oder jenem Grade an ihr Anteil. Es gibt demzufolge auch keinen „totalen Irrtum“, kein im strengen Sinne „falsches Bewußtsein“. In jeder Position ist vielmehr ein Moment der Wahrheit enthalten. Auf der anderen Seite aber ist und bleibt diese Vernunft endliche Vernunft, Menschenvernunft. Bei jedem Menschen, selbst dem Vernünftigsten, ist sie durch die verschiedensten Erkenntnishindernisse (Vorurteile, Privatinteressen, Leidenschaften usw.) in bestimmtem Grade eingeschränkt. Es gibt daher für den Menschen zwar einzelne vollkommen wahre Sätze, aber keinen vollkommenen Besitz der Wahrheit als ganzer.

3.4 Abgeleitete Ideen

Bei der Idee der allgemeinen Menschenvernunft – zu deren Erläuterung schon I. Kant gelegentlich den Begriff des Pluralismus verwandt hat – handelt es sich um eine Idee, die sich zwar näher explizieren, aber nicht mehr aus anderen Ideen ableiten lässt. Sie ist – ähnlich wie die Idee der Bestimmung des Menschen – eine Grundidee. Umgekehrt aber leiten sich aus ihr eine Reihe anderer Ideen her, die für das Selbstverständnis der A. von besonderem Gewicht sind. Das Verhältnis von Grundideen und abgeleiteten Ideen (von denen hier nur einige wenige stellvertretend genannt werden können) lässt sich daher gerade an diesem Punkt der Analyse anschaulich herausarbeiten.

a) Unparteilichkeit und Toleranz. Zu den Ideen, die das Bild von der A. bis in die Gegenwart hinein bestimmen, gehören mit Recht die Ideen der Unparteilichkeit und Toleranz. Beide finden in der Idee der allgemeinen Menschenvernunft ihre letzte Begründung. Wenn der Andersdenkende nämlich als Teilhaber der allgemeinen Menschenvernunft so etwas wie ein eigener und ursprünglicher Träger der Wahrheit ist, so ist er damit zugleich auch ein unentbehrlicher Partner beim Prozess der Wahrheitsfindung. Seine Auffassungen sind daher nicht nur aus Gründen der Mitmenschlichkeit und Moralität, sondern im eigenen Erkenntnisinteresse zu respektieren. Selbst wo er sich offenkundig im Irrtum zu befinden scheint, ist es geboten, seine Thesen so unvoreingenommen wie möglich zu prüfen und das Moment der Wahrheit, das in ihnen ja notwendig enthalten ist, herauszufinden, um so selber Schritt für Schritt der Wahrheit näherzukommen. Wo immer jemand einen Andersdenkenden diffamiert, verzichtet er damit zugleich für sich selbst auf ein Stück Wahrheit („Die Beurtheilung der Schrifft, indem man sich in den Standpunct des Verfassers stellt, den Grad der Wahrheit der da ist, von der Falschheit absondert und die Wahrheit zu vermehren sucht […] ist die logische und moralische Pflicht“; Kant 1997: 97).

b) Öffentlichkeit und Pressefreiheit. Auf der anderen Seite aber bringt das Wissen um die eigene Endlichkeit, wie es in dem Begriff der Menschenvernunft zum Ausdruck kommt, auch die Verpflichtung mit sich, das eigene Urteil an dem Urteil anderer zu überprüfen. Die fremde Vernunft ist zwar nur ein äußerliches und darum unzureichendes, aber doch ein unentbehrliches Kriterium der Wahrheit. Die öffentliche Diskussion (das „Publikum“) ist daher ein unverzichtbares Hilfsmittel, um die eigenen Erkenntnishindernisse soweit wie möglich zu überwinden. Die Forderung nach Druck- oder Pressefreiheit, wie sie schon bald in allen Ländern der westlichen Welt erhoben wird, findet hier ihre sachliche Begründung: Der Pflicht, sich um die Erkenntnis der Wahrheit zu bemühen, entspricht das Recht, die eigenen Gedanken der Öffentlichkeit zu allgemeiner Prüfung vorzulegen („Es ist demnach Unrecht, im Staate zu verbiethen, daß Menschen Bücher schreiben, und etwa z. B. über Religionssachen urtheilen sollen. Denn da wird ihnen das einzige Mittel genommen, daß ihnen die Natur gegeben, nähmlich ihr Urtheil an fremder Vernunft zu prüfen“ [Kant 1966: 874]).

4. Wirkungsgeschichte und Ausblick

Vergegenwärtigt man sich das Ensemble der sie tragenden Ideen, so wird zugleich sichtbar, wie stark die A. des 18. Jh. die weitere Entwicklung bis in die Gegenwart hinein bestimmt hat. In der Folge haben sich demgemäß zahlreiche Bewegungen unterschiedlichster Art auch selbst als A. verstanden. Sie haben dabei freilich auch manche neuen Akzente gesetzt und den ursprünglichen Ideengehalt nicht selten propagandistisch verkürzt. Der Streit, wer denn nun der wahre Erbe der A. sei, gehört daher zu den charakteristischen Zügen der Folgezeit. In ihrem ursprünglichen Ernst aber ist die A. alles andere als eine erledigte Epoche.