Französische Revolution
Die F. R. steht an der Schwelle von Vormoderne und Moderne. Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, die Geburtsstunde der Demokratie – all dies wird mit der Dekade zwischen 1789 und 1799 verbunden. Aus dem Untertanen (sujet) sollte der mündige (Staats-)Bürger (citoyen) werden, Ständegesellschaft, Zünfte und Gilden abgeschafft, Rechtsgleichheit zum Prinzip erhoben werden, ebenso Unternehmensfreiheit und Meritokratie. Kirche und Staat (Kirche und Staat) waren voneinander zu trennen. Nationalismus, Republikanismus und Laizismus wurden zu den Idealen des revolutionären Frankreichs.
Am Beginn steht die Krise des Ancien régime: Bevölkerungswachstum, Missernten und Hungersnöte, Arbeitslosigkeit, mangelnde Aufstiegsmöglichkeiten für das Bürgertum (Bürger, Bürgertum), Reformstau und Finanzkrise. Der Siebenjährige Krieg und die Unterstützung der Amerikaner in ihrem Unabhängigkeitskampf hatten Frankreich an den Rand des Staatsbankrotts geführt. Viele Elemente des Feudalismus waren längst beseitigt, doch gerade die Überreste wurden als besonders drückend empfunden. Die Privilegien des ersten (Klerus) und des zweiten (Adel) Standes galten als ungerecht. Der dritte Stand, wie dies Abbé Sieyès in Qu’est-ce que les Tiers état? 1789 formulierte, meinte, die Last im Königreich allein zu tragen. Außerdem hatte sich die Krone, v. a. die Österreicherin Marie Antoinette, durch ihre verschwenderische Hofhaltung diskreditiert.
Dabei hatte es durchaus Reformen gegeben: eine Humanisierung von Straf- und Prozessrecht, die Abschaffung der Leibeigenschaft und Etablierung von Gewissens- und Religionsfreiheit. In den Notabelnversammlungen 1787 und 1788 blockierten Adel und Klerus jedoch notwendige Anpassungen des Steuerrechts. Im Lauf des 18. Jh. waren neue Öffentlichkeiten entstanden. Eine politische und gesellschaftliche Kultur, die sich in Freimaurerbünden (Freimaurer), Lesegesellschaften, Akademien, Debattierklubs, Kaffeehäusern und Illuminatenbünden, Zeitungen, Zeitschriften und Pamphleten artikulierte, forderte radikalere Reformen: die Abschaffung von Standesprivilegien, Rechtsgleichheit, persönliche Freiheit, Gewaltenteilung, Sicherheit des Eigentums, Meinungs- und Pressefreiheit; dies alles in dem Glauben, damit die Ideen der Aufklärung, d. h. Montesquieus, Voltaires und Jean-Jacques Rousseaus, umzusetzen. Seit 1787 war die königliche Zensur kaum mehr existent, was zu einer Expansion des Zeitungs- und Pamphletmarkts führte. Ebenso hatte der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg Auswirkungen auf Frankreich. Neben Benjamin Franklin, dem Marquis de Lafayette und Thomas Jefferson verbreiteten auch die nach Frankreich zurückkehrenden Soldaten die Ideen der Amerikanischen Revolution. Politische, Finanz-, Wirtschafts- und Legitimationskrise mündeten schließlich in das Zusammentreten der Generalstände, die seit 1614 nicht mehr einberufen worden waren. Vorausgegangen war die Abfassung von Beschwerdeschriften (Cahiers de doléances), in der die Untertanen der Krone ihre Gravamina formulierten.
Zur Revolution wurde der Reformprozess, als sich am 17.6.1789 in Versailles die Abgeordneten des Dritten Standes zur Nationalversammlung (Assemblée nationale) erklärten und am 20.6. im Ballhaus schworen, nicht eher auseinanderzutreten, bis eine Verfassung für Frankreich ausgearbeitet worden sei. Der Souverän war damit nicht mehr der König, sondern das Volk, vertreten durch die verfassungsgebende Nationalversammlung. Im Juli ließ Ludwig XVI. seine Truppen um Versailles zusammenziehen. Der populäre Reformminister Jacques Necker wurde entlassen. Am 14.7.1789 kam es daraufhin zum Sturm auf die Bastille, Staatsgefängnis und Symbol der Unterdrückung. Die Grande Peur, eine Massenpanik, Gerüchte von Übergriffen von Truppen des Königs und ausländischen Söldnern verbreiteten sich in Frankreich. Munizipalrevolutionen, die Erhebung der Untertanen auf dem Land gegen die seigneuriale Macht folgten. In der Nacht auf den 4.8.1789 schaffte die Nationalversammlung einen Großteil der Privilegien des ersten und zweiten Standes ab. Das Ancien régime wurde offiziell zu Grabe getragen.
Zwischen 1789 und 1791 wurde die erste Verfassung Frankreichs, die einer konstitutionellen Monarchie, erarbeitet. Wichtigstes Element waren die am 26.8.1789 erlassenen Menschen- und Bürgerrechte (Déclaration des Droits de l’Homme et du Citoyen), die Freiheit, Gleichheit (Rechtsgleichheit), Sicherheit des Eigentums, ein Widerstandsrecht gegen tyrannische Herrschaft, Rede-, Presse- und Religionsfreiheit beinhalteten. Ebenso wurde bereits das Prinzip der Volkssouveränität formuliert.
Ludwig XVI. verweigerte jedoch seine Zustimmung zur Inkraftsetzung der Menschen- und Bürgerrechte, ebenso zu den Augustdekreten. Preissteigerungen für Brot, die erneute Zusammenziehung von königlichen Truppen führten am 5.10.1789 zum Marsch der Pariser Frauen nach Versailles, um Ludwig XVI., Marie Antoinette und den Dauphin nach Paris zu holen. Am 14.7.1790 kam es jedoch noch einmal zur Beschwörung der Einheit der Revolution. Auf dem Marsfeld (Champs de Mars) in Paris wurde das Föderationsfest gefeiert, des Bastillesturms von 1789 gedacht, der 14.7. zum Nationalfeiertag erklärt.
Zwischen 1789 und 1791 erfolgten eine Finanzreform, die Säkularisation der Kirchengüter, die Einführung des revolutionären Papiergeldes (Assignaten), eine neue Kirchenverfassung. Es kam zur Neueinteilung des Landes in 86 Départements, zur Abschaffung der Adelstitel, der Binnenzölle, der Zünfte und zur Begründung eines neuen Steuersystems. Lokale Verwaltungen wurden zunehmend demokratisiert und ein neues Zivil- und Strafrecht geschaffen.
Trotz oder gerade wegen der Reformen kam die Revolution nicht zum Stillstand. Weder war der König wirklich gewillt, die erzwungenen Neuerungen zu akzeptieren, noch konnten die unterschiedlichen revolutionären Lager Konsens untereinander erzielen. Auslöser der Radikalisierung war die Flucht der königlichen Familie nach Varennes im Juni 1791. Außerhalb Frankreichs versuchten die Bourbonen, eine Koalition gegen die Revolution zu schmieden. Die Émigrés, ins Ausland geflohene Aristokraten und Angehörige des Klerus, schürten zusätzlich die Angst vor dem Übergreifen der Revolution auf andere Teile Europas. In Frankreich selbst kam es zu ersten Auseinandersetzungen zwischen Revolutionären und Konterrevolutionären.
Die im September 1791 erlassene Verfassung, die eine konstitutionelle Monarchie mit Zensuswahlrecht etablierte, war Ende 1791 letztendlich überholt. In der Legislative standen sich Feuillants (moderate Royalisten und Anhänger einer konstitutionellen Monarchie) um den Marquis de Lafayette und Brissotins gegenüber. Letztere wollten die konstitutionelle Monarchie überwinden, einige dem König den Prozess machen. Jenseits des Parlamentes formierten sich die radikalen Republikaner, die Montagnards, und die Vertreter der Pariser Sektionen, die Sansculottes.
Die Situation in Frankreich radikalisierte sich auch durch die Bedrohung von außen. Am 27.8.1791 kam es zur Erklärung von Pillnitz. Trotz der Warnungen einiger Montagnards erklärte Frankreich am 20.4.1792 Österreich den Krieg. Im Manifest des Herzogs von Braunschweig vom 25.7.1792 drohte die Koalition mit der Vernichtung von Paris, sollte das französische Volk sich nicht Ludwig XVI. unterwerfen. Während Frankreich militärische Niederlagen hinnehmen musste, entstand die von Claude Joseph Rouget de Lisle verfasste Marseillaise (heute die Nationalhymne Frankreichs).
In Paris formierte sich ab Juni 1792 der Widerstand gegen den König, dem Konterrevolution und Hochverrat vorgeworfen wurden. Am 10.8.1792 stürmten Pariser Sansculotten und Nationalgardisten die Tuilerien, die Residenz des Königs, und nahmen Ludwig XVI. und seine Familie in Haft. Die Aufständischen erzwangen die Einberufung eines Nationalkonvents (auf der Basis von allgemeinen, demokratischen Wahlen für Männer ab 21 Jahren), die Abschaffung der konstitutionellen Monarchie und am 21.9.1792 die Ausrufung der ersten französischen Republik. Außenpolitisch setzte der Sieg der französischen Revolutionäre am 20.9.1792 bei Valmy ein Zeichen. Zum grausamen Höhepunkt des Herbstes 1792 gerieten die Septembermorde: Sansculotten drangen in Pariser Gefängnisse ein und ermordeten dort 1 000 bis 1 400 sogenannte Konterrevolutionäre: den Eid auf die Zivilkonstitution verweigernde Priester, Aristokraten, Frauen, Kinder und Strafgefangene.
Ab dem Herbst 1792 spaltete sich das jakobinische Lager in Girondisten (gemäßigte Republikaner) und Montagnards (radikale Republikaner). Auf der Seite der Gironde standen u. a. Jacques Brissot, Pierre Vergniaud und Jeanne-Marie Roland de La Platière, bei den Montagnards Maximilien de Robespierre, Louis Antoine de Saint-Just, Georges Couthon, Georges Danton und Jean Paul Marat. Viele Girondisten vertraten den Schutz des Eigentums, die Verhinderung von Preisfestsetzungen und Zwangsanleihen; für die Montagne standen die revolutionären Errungenschaften und der Sieg über die Konterrevolution an erster Stelle. Im Winter 1792/93 wurde Ludwig XVI. der Prozess gemacht. Er wurde am 21.1.1793 öffentlich hingerichtet, seine Frau Marie Antoinette, Tochter der Habsburger Kaiserin Maria Theresia, folgte ihm am 16.10.1793 auf die Guillotine.
Außenpolitisch expandierte Frankreich nun. Im Oktober 1792 wurde Mainz eingenommen und im März 1793 die erste Republik nach französischem Vorbild auf deutschem Boden errichtet. Die Hinrichtung des Königs führte der europäischen Koalition jedoch weitere Verbündete zu: Großbritannien, Spanien und das Königreich Neapel. Zwischen dem Frühjahr 1793 und 1794 verlor Frankreich fast alle seine eroberten Gebiete.
Innenpolitisch intensivierte sich die Konterrevolution: Aufstände in der Vendée (ab März 1793), in Marseille und Lyon (April 1793) wurden niedergeschlagen, Wachsamkeitskomitees (Comités de surveillance) und Revolutionstribunale eingerichtet, spezielle Gesandte des Nationalkonvents in die Départements geschickt. Die Schreckensherrschaft, Terreur, begann sich zu etablieren. Am 6.4.1793 wurde unter Leitung G. Dantons der Wohlfahrtsausschuss (Comité de Salut Public) gegründet, der die Überwachung politischer Gegner und Zwangsmaßnahmen zur Rettung der Revolution anordnen durfte. Der Widerstand der Gironde wurde im Juni 1793 durch die Montagne unterdrückt, zahlreiche Abgeordnete verurteilt und guillotiniert. Neben der Vendée waren nun auch Lyon, Bordeaux, Marseille, Toulon und Toulouse im offenen Widerstand. Charlotte Corday, eine junge Adlige aus der Normandie, machte sich nach Paris auf, um den Volkstribun J. P. Marat zu ermorden.
Die am 24.6.1793 verabschiedete republikanische Verfassung, die ein allgemeines und gleiches Wahlrecht für Männer über 21 Jahre vorsah, wurde nicht in Kraft gesetzt, da die Konterrevolution Frankreich bedrohe und das Land bis zum Frieden revolutionär bleiben müsse. Am 4.2.1794 wurde die Sklaverei in Frankreichs Kolonien abgeschafft. Die Etablierung weiterer Maßnahmen der Terreur im Herbst 1793 durch das Gesetz gegen die Verdächtigen (Loi sur les suspects), Lohn- und Preisfestsetzungen, Schläge gegen die Hébertisten und Dantonisten (Indulgents) führten bis zum Sommer 1794 zu einer Diskreditierung der Montagne, die im Thermidor gipfelte. Nachdem es zu Siegen der Revolutionsarmee zwischen dem Herbst 1793 und dem Sommer 1794 gekommen war, Teile der Konterrevolution in Frankreich niedergeschlagen worden waren, wurden im Juli 1794 Akteure der Grande Terreur beseitigt: Robespierre, Saint-Just, Couthon starben auf der Guillotine. Der Thermidormoment führte zu einem Ende der Radikalisierung und der Verbreiterung der Machtbasis der Revolution. Nun regierte die Plaine, moderatere Montagnards.
Die F. R. war auch eine Kulturrevolution: Am 22.9[. .]1792 wurde der gregorianische Kalender durch eine revolutionäre Zeitrechnung ersetzt. Aus Wochen wurden Dekaden, republikanische Monatsbezeichnungen eingeführt (Brumaire, Frimaire usw.). Das Dezimalsystem wurde für sämtliche Maße durchgesetzt. Zwischen 1793 und 1794 kam es zur Dechristianisierung: Heiligenstatuen wurden zerstört, Kirchen geplündert und geschlossen, Priester drangsaliert, gefangen genommen und ermordet. Am 10.11.1793 wurde in der Pariser Kathedrale Notre Dame das Fest der Vernunft gefeiert, ein neuer Kultus, der im Juni 1794 durch den des Höchsten Wesens (Être suprême) ersetzt wurde.
Außenpolitisch setzte Frankreich 1794 erneut auf Expansion. Die „natürlichen Grenzen Frankreichs“, Rhein, Schelde, Pyrenäen und Alpen, sollten durch Satellitenstaaten, „Schwesterrepubliken“, geschützt werden: 1795 wurde in den Niederlanden die Batavische Republik gegründet, ab 1796 eroberte Napoleon Bonaparte größere Teile Italiens und errichtete dort die Cispadanische, die Ligurische, die Römische und die Neapolitanische Republik. Der Frieden von Campo Formio (17.10.1797) beendete zunächst die Kriege in Europa. In der Schweiz entstand im Februar 1798 die Helvetische, im Heiligen Römischen Reich bereits 1797 die Cisrhenanische Republik. Im Frühsommer 1798 landete Bonaparte in Ägypten, wo er gegen das Osmanische Reich bei den Pyramiden vor den Toren Kairos siegte. Ab November 1798 formierte sich die zweite europäische Koalition gegen Frankreich. Bonaparte musste nach Europa zurückkehren; Frankreich erlitt Verluste in Italien und im Heiligen Römischen Reich.
In Frankreich war im September 1795 eine neue Verfassung angenommen worden, weniger demokratisch als die von 1793. Es entstanden eine Zweikammernlegislative, der Rat der Fünfhundert und der Rat der Alten (Senat). Ein Direktorium aus fünf Männern übernahm die Exekutive: Jean François Reubell, Paul Barras, Louis de La Révellière-Lépeaux , Lazare Carnot und Étienne-François Letourneur. Eine Konsolidierung der Republik fand trotzdem nicht statt. Auf den royalistischen Aufstand vom Vendémiaire IV (Oktober 1795) folgte die Niederschlagung durch reguläre Truppen, geführt von Napoleon. Im März 1796 kam es zur Verschwörung der Gleichen um Gracchus Babeuf, einem frühkommunistischen Agrarrevolutionär, und Filippe Michele Buonarotti. 1797 gewannen die Royalisten die Wahlen, wurden durch einen neojakobinischen Staatsstreich jedoch von der Macht ausgeschlossen. Am 18.6.1799 folgte ein weiterer Staatstreich – dieses Mal gegen die Neojakobiner, wiederum durch das Militär unterstützt. Napoleon führte am 18. Brumaire VIII (9.11.1799) den letzten Staatsstreich, dieses Mal gegen das Direktorium und beide Kammern der Legislative. Es kam zur Errichtung des Konsulats, 1804 zum französischen Kaiserreich unter Napoleon. Die Revolution war beendet.
Literatur
S. Lachenicht: Die Französische Revolution, 2012 • F. Furet: La Révolution française, 2007 • M. Vovelle: Die Französische Revolution. Soziale Bewegung und Umbruch der Mentalitäten, 1989.
Empfohlene Zitierweise
S. Lachenicht: Französische Revolution, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Franz%C3%B6sische_Revolution (abgerufen: 23.11.2024)