Systemtransformation

  1. I. Politikwissenschaftlich
  2. II. Wirtschaftswissenschaftlich

I. Politikwissenschaftlich

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1. Transformationswellen

Das 20. Jh. war geprägt von fundamentalen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Umwälzungen. Der US-amerikanische Politikwissenschaftler Samuel P. Huntington hat diese politischen Tansformationsprozesse zeitlich in fünf fundamentale „Wellen“ (Huntington 1991) unterteilt: Eine lange erste Demokratisierungswelle, die sich von der Amerikanischen und der Französischen Revolution im ausgehenden 18. Jh. bis nach dem Ersten Weltkrieg hinzog und dort ihren Höhepunkt fand. Ihr folgte von 1922 bis 1942 eine kürzere autokratische Gegenwelle. Den statistisch berechneten „Wellen“ schloss sich 1943–62 eine erneute Demokratisierungswelle an, die von der alliierten Nachkriegsbesatzung gefördert, zu erfolgreichen Demokratisierungen u. a. in Deutschland, Italien, Japan und Österreich führte. Weitere, jedoch meist weniger nachhaltige Demokratisierungsversuche gab es in Griechenland, der Türkei, Lateinamerika und Asien. Die zweite autokratische Gegenwelle kam schon, bevor die Nachkriegsdemokratisierungswelle auslief. S. P. Huntington berechnet sie für die Periode 1958–75. Diese dritte Demokratisierungswelle im letzten Viertel des 20. Jh. erwies sich als die ergiebigste. Sie begann paradoxerweise mit einem Militärputsch in Portugal (1974), erfasste Griechenland (1974) und kurz darauf Spanien (1975). Sie pflanzte sich Anfang der 1980er Jahre in Lateinamerika (Lateinamerika und Karibik) fort, als manche Militärregime zusammenbrachen oder liberalisierungswillige Militärs einen langsamen Übergang zur Demokratie einleiteten. Die dritte Demokratisierungswelle griff dann auf Asien über (u. a. Südkorea, Taiwan, Thailand, Philippinen, Indonesien) und erfasste Teile Subsahara-Afrikas.

Der Kulminationspunkt dieser Welle war zweifellos der Epochenbruch des Annus mirabilis 1989, als die kommunistischen Regime Osteuropas und etwas später der Sowjetunion zusammenbrachen. Die postkommunistischen Regime machten sich auf den beschwerlichen Weg, nicht nur ihre totalitären (Totalitarismus) und autoritären politischen Regime zu demokratisieren, sondern auch ihre gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Systeme zu transformieren. Dies veranlasste u. a. Klaus von Beyme von einer vierten Demokratisierungswelle zu sprechen, da sich die fundamentalen systemischen Transformationsprozesse substanziell von den Demokratisierungen der politischen Regime Südeuropas oder Lateinamerikas unterschieden. Trotz dieses überzeugenden Arguments hat sich die statistische Zählweise von S. P. Huntington durchgesetzt, der eine Demokratisierungswelle so beschreibt: „Eine Demokratisierungswelle ist eine Gruppe von Transitionen von nichtdemokratischen zu demokratischen Regimen, die sich in einem spezifizierten Zeitraum vollzieht und signifikant die Transitionen in die umgekehrte Richtung übersteigen muss“ (Huntington 1991: 15).

Seither ist noch keine klare autokratische Gegenwelle zu beobachten. Allerdings verschwand der fehlgeleitete triumphale Optimismus, wie ihn Francis Fukuyama mit weltweitem Echo verkündet hatte, nach der Jahrtausendwende. Zunehmend kündigten Bücher und Schriften vom Ende des „Endes der Geschichte“ (Fukuyama 1992). Der Historiker Azar Gat (2007) sieht „Die Rückkehr der autoritären Großmächte“; Larry Diamond (2008) konstatiert den „Democratic Rollback“; Colin Crouch (2004) behauptet, dass sich die Demokratie längst in einer postdemokratischen Phase befände. Etwas vorsichtiger argumentieren Wolfgang Merkel (2010) sowie derselbe und Sascha Kneip (2018), die zum einen auf statistische Artefakte verweisen oder die Widerstandskraft der etablierten Demokratien betonen. Was kann die Politikwissenschaft zur Erklärung der Systemwechsel beitragen? Warum kommt es zu Systemwechseln (Ursachen)? Wer sind die relevanten Akteure, die einen Systemwechsel treiben oder verhindern (Akteure)? Worin begründen sich Erfolg oder Misserfolg eines Systemwechsels (Systemfrage)? Zur Beantwortung dieser Fragen stellt die politikwissenschaftliche Forschung Theorien und empirische Forschungsmethoden zur Verfügung.

2. Theorieansätze

2.1 System- und Modernisierungstheorien

Als einflussreichster Strang der systemorientierten Ansätze hat sich in der Transformationsforschung die Modernisierungstheorie erwiesen. Ihr Kernsatz lautet: Je entwickelter Wirtschaft und Gesellschaft eines Landes sind, umso größer sind die Chancen, dass sich eine dauerhafte Demokratie herausbildet. Dieser enge Zusammenhang zwischen der sozioökonomischen Entwicklungsstufe und der Demokratiefähigkeit einer Gesellschaft lässt sich anhand eindrucksvoller statistischer Bestätigungen nicht mehr von der Hand weisen.

Das sind zunächst Korrelationen. Aber hinter diesen verbirgt sich auch ein kausaler Zusammenhang, der sich verkürzt so darstellen lässt: Wirtschaftliche Entwicklung führt zu einem ansteigenden Bildungsniveau und zu einer demokratischeren politischen Kultur. Gestiegener gesellschaftlicher Wohlstand vermindert extreme ökonomische Ungleichheit, mildert Standes-, Klassen- und Statusunterschiede, mäßigt den politischen Extremismus der unteren wie der oberen Schichten und stärkt die Mittelschicht, die nach demokratischer Mitsprache (Partizipation) verlangt.

Diesen wichtigen Einsichten stehen allerdings auch unübersehbare Mängel der klassischen Modernisierungstheorie gegenüber: Erstens vermag sie den Modernisierungsstand, bei dem der Übergang zur Demokratie beginnt, nur sehr unzureichend anzugeben. Zweitens vermag sie nicht, die Einleitung und die Ursachen von Demokratisierungsprozessen in unterentwickelten Gesellschaften zu erklären. Drittens liefert sie keine Erklärung für den Zusammenbruch demokratischer Systeme in sozioökonomisch relativ hoch entwickelten Gesellschaften. Für diese Leerstelle bieten sich Struktur-, Akteurs-, und Institutionentheorien an.

2.2 Strukturtheorien

Die strukturalistische Transformationsforschung betont die sozialen und machtstrukturellen Zwänge, denen politische Transformationsprozesse unterliegen. Der Erfolg oder Misserfolg von Demokratisierungsprozessen wird als Resultat langfristiger Verschiebungen in den Klassen- und Machtstrukturen einer Gesellschaft angesehen. Entgegen den Annahmen der klassischen Modernisierungstheorie wird betont, dass mehrere Pfade zur Modernisierung einer Gesellschaft führen können.

In der Weiterentwicklung von Barrington Moore sehen Dietrich Rueschemeyer, Evelyne Huber Stephens und John D. Stephens v. a. zwei Variablen, die die Demokratisierung autokratischer Regime ermöglichen:

a) Klassenstrukturen und -koalitionen: Kapitalistische Entwicklung fördere die Demokratie, da sie zum Entstehen und Anwachsen von Arbeiterschaft und Mittelschichten führe. Strukturalisten sehen aber v. a. die Arbeiter und nicht die Mittelschichten als demokratietreibende Klasse.

b) Machtverhältnis zwischen Staat und Zivilgesellschaft: Je mehr Ressourcen die Staatseliten kontrollieren und je effektiver sie einen ideologisch geeinten und hierarchisch integrierten Staatsapparat formieren, umso wahrscheinlicher ist die Herausbildung eines autoritären Regimes. Sind in der Zivilgesellschaft dagegen autonome Organisationen wie Parteien und Verbände entstanden und bilden ein Gegengewicht zum Staat, erhöhen sich die Chancen einer erfolgreichen Demokratisierung. Es kommt auf eine gewisse Machtbalance zwischen Staat und Zivilgesellschaft an.

Obwohl der Strukturalismus mit dem ökonomischen Determinismus der Modernisierungstheorie bricht und Klassen, Staat und Institutionen in die Erklärung einbezieht, vernachlässigt er das strategische Handeln von Eliten und Gegeneliten im Transformationsprozess. Sie bestimmen aber jenseits von ökonomischer Entwicklung, System- und Staatsformen in erheblichem Maße das Ergebnis einer S. mit.

2.3 Akteurstheorien

Im Unterschied zu sozioökonomischen, machtstrukturellen und kulturalistischen Ansätzen setzen Akteurstheorien auf der Mikroebene der handelnden Akteure (methodischer Individualismus) an. Subjektive Einschätzungen, Strategien und Handlungen der relevanten Akteure prägen die Entscheidungen. Akteurshandeln wird dabei primär als Elitenhandeln verstanden. Massenbeteiligung (Masse) ist nur ein kurzfristiges, vorübergehendes Phänomen zu Beginn der Transition, wenn etwa Massenproteste wie 1986 auf den Philippinen, 1989 in Ostdeutschland und Osteuropa autoritäre Regime kollabieren lassen. Der Regimekollaps der UdSSR oder die Ereignisse des „Arabischen Frühlings“ zeigen im Übrigen, dass der Sturz autokratischer Regime keineswegs zu Demokratien führen muss, sondern nicht selten in andere Formen diktatorischer Herrschaft (Diktatur) oder hybride Regime führt.

Der akteurstheoretische Rational-Choice-Ansatz (Rational Choice Theory) lehnt die Beschreibung der Akteure allein nach ihren Interessen und Strategien als nicht ausreichend ab. Mit spieltheoretischen Modellen (Spieltheorie) können so nicht nur die rationalen Kalküle, Kooperationen, Koalitionen, sondern auch Wahrnehmungen und Fehlwahrnehmungen herausgearbeitet werden. Insofern besitzen die dem Rational-Choice-Paradigma verpflichteten Akteurstheorien nicht nur ein Erklärungs-, sondern auch ein Prognosepotenzial.

2.4 Bilanz

Die drei großen Transformationstheorien (System, Struktur, Akteur) haben jeweils Stärken und Schwächen. Die Stärken lassen sich ausbauen, wenn die Theorien synthetisch verknüpft werden. Indem Wirtschaft, Macht und Kultur als wichtige Opportunitätsstrukturen transformatorischen Handelns begriffen werden, werden nicht nur Teilaspekte einer S., sondern diese als Ganzes erklärbar.

3. Methoden

3.1 Quantitative Verfahren

In der Transformationsforschung gibt es nicht nur einen Theorien-, sondern auch einen Methodenpluralismus. Und wie in der Sphäre der Theorien konkurrieren zwar die unterschiedlichen Methoden, verschließen sich aber nicht kombinatorischen Verfahren. Quantitative Verfahren arbeiten i. d. R. mit hohen Fallzahlen und konzentrieren ihre Analysen meist auf die Makroebene des gesamten politischen Systems. Ihre Untersuchungsdesigns orientieren sich an Querschnittsanalysen zu einem Zeitpunkt über viele Länder hinweg oder aber am Längsschnitt, um Veränderungen über die Zeit hinweg beobachten zu können. Es dominieren Regressionsmodelle, die die Einflussfaktoren in ihrer Stärke auf die Entwicklung der Systeme messen sollen.

3.2 Makroqualitative Verfahren

Stehen im Untersuchungssample nur eine begrenzte Anzahl von Fällen zur Verfügung und sollen bestimmte Konstellationen von verschieden Einflussfaktoren herausgefiltert werden, bieten sich sogenannte QCA-Verfahren (Qualitative Comparative Analysis) an. Die mengentheoretisch orientierte QCA und ihre Weiterentwicklung in der Fuzzy Set Analysis haben ihre bes. Stärke darin, die Bedingungsmuster von gelingenden oder misslingenden Regimetransformationen herauszuarbeiten.

3.3 Mikroqualitative Verfahren

In der akteursgeleiteten Transformationsforschung spielen mikro-qualitative Verfahren eine wichtige Rolle. Bruno Hildenbrand hebt hier bes. drei Verfahren hervor: die Grounded Theory, ethnomethodologische Verfahren und die objektive Hermeneutik.

3.4 Vergleichende Methode

Der Vergleich dominiert die empirischen Analysen. Er ermöglicht Aussagen über gemeinsame Muster oder Trends beim Wechsel der Systeme. Beide Verfahren, die statistische large-n-Analyse oder die small-n-Studien haben unsere empirischen Einsichten in Ursachen, Verläufe und Ergebnisse von Systemwechseln gestärkt und die Theoriebildung weiter verfeinert.

3.5 Process tracing und Fallstudien

Trotz aller hoch entwickelten Vergleichsverfahren ist die Fallstudie nicht überflüssig geworden. Sie ermöglicht nicht nur detailreichere Erkenntnisse, sondern erlaubt mit der Methode des Process Tracing auch die kausale Verknüpfung von sequenziellen Ereignissen, die den Verlauf eines Systemwechsels prägten.

4. Ausblick

F. Fukuyamas fehlgeleitete Prophetie des endgültigen Sieges der Demokratie und des Kapitalismus hat sich zumindest für ihren ersten Teil als grandiose Fehlprognose erwiesen. Kein Typus eines politischen Regimes ist gegen Herausforderungen, Instabilitäten oder gar Systemwechsel immun. Die Forschung zu Transformationen politischer Systeme in jedwede Richtung wird deshalb ein wichtiger Bereich der Politikwissenschaft bleiben.

II. Wirtschaftswissenschaftlich

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Gesellschaften sind sozialem Wandel unterworfen, der idealtypisch auf zwei verschiedenen Wegen stattfindet: Evolution und Transformation. Das Ergebnis dieser Prozesse sind spontane Ordnungen oder gesetzte Ordnungen, wie z. B. ein Marktpreissystem (Markt) oder ein Planpreissystem (Zentralverwaltungswirtschaft). Beide kommen durch individuelle Entscheidungen zustande, wobei die spontane Ordnung als solche nicht intendiert ist, sondern aus dem Zusammenspiel und den Wechselwirkungen der individuellen Handlungen entsteht. Die gesetzte Ordnung ist dagegen bewusst konstruiert, was allerdings nicht bedeutet, dass das Ergebnis immer den Erwartungen der Planer entspricht. Unbeabsichtigte Nebenwirkungen, spontane Prozesse und unrealistische Ausgangsannahmen führen dazu, dass die gesellschaftliche Entwicklung nicht nur auf den vorgezeichneten Pfaden abläuft.

S. als bewusste und diskrete Umgestaltung bezieht sich auf die Gesellschaft bzw. einen ihrer Teilbereiche, z. B. Politik, Wirtschaft, Bildung, Gesundheit. Der Gegenstand, das System, ist eine funktionsbezogene Beschreibung sozialer Phänomene, deren Komplexität es verbietet, sie in ihrer Gesamtheit zu erfassen. Je nachdem unter welchem Aspekt man die gesellschaftlichen Interaktionen betrachtet, können sie unterschiedlichen Systemen zugeordnet werden. Im Lauf der Entwicklung haben sich einzelne gesellschaftliche Teilbereiche ausdifferenziert mit eigenen Institutionen, Normen und Verhaltensweisen.

Das Wirtschaftssystem „ist die als geistige Einheit gedachte Wirtschaftsweise, die (1) von einer bestimmten Wirtschaftsgesinnung beherrscht, (2) eine bestimmte Ordnung und Organisation hat und (3) eine bestimmte Technik anwendet“ (Sombart 1925: 14). Diese drei konstitutiven Elemente lassen sich zurückführen auf die Marxsche Unterscheidung in Produktivkräfte (Technik), Produktionsverhältnisse (Ordnung und Organisation) und Überbau (Wirtschaftsgesinnung). Das sind wiederum hoch komplexe und dynamische Teilsysteme. Ihrer bewussten Gestaltung sind Grenzen gesetzt. Am ehesten lassen sich Wirtschaftsordnung und -organisation durch einen Wandel v. a. der formellen Institutionen (Neue Politische Ökonomie) beeinflussen. Doch haben die totalitären Systeme (Totalitarismus) des 20. Jh., Kommunismus und Faschismus, nicht immer erfolgreich versucht, auch Technikentwicklung und Wirtschaftsgesinnung z. B. durch eine Transformation des Bildungssystems an ihren Vorstellungen auszurichten. Das führte nicht nur zur Neudefinition der Curricula, sondern auch zur Auswechselung eines erheblichen Teils der Träger des Bildungssystems.

1. Historische Beispiele

S.en in Politik und Wirtschaft sind ein Phänomen der Neuzeit. Sie setzen eine tiefgreifende staatliche Autorität (Staat) voraus. Da sie jedoch die alte Ordnung umzustoßen und durch eine neue zu ersetzen versuchen, können sie i. d. R. nur in internen (Revolution) oder externen (Niederlage in Kriegen) gesellschaftlichen Krisen erfolgreich sein, wenn der Widerstand der alten Eliten erheblich geschwächt ist.

Eine solche Situation war in Frankreich nach der Französischen Revolution gegeben. Im 19. Jh. sahen v. a. die 1860er Jahre umwälzende Transformationen: in Russland nach dem verlorenen Krimkrieg 1861 die Abschaffung der Leibeigenschaft, in den USA nach dem Sezessionskrieg 1865 die Abschaffung der Sklaverei und in Japan nach der „Öffnung“ durch amerikanische Kanonenboote ab 1867 die sogenannte Meiji-Restauration. Das 20. Jh. erlebte nach dem Ersten Weltkrieg die radikale S. in Russland, die dann nach dem Zweiten Weltkrieg auf Osteuropa und China übertragen wurde. Für den damit verbundenen grundlegenden Wandel des Wirtschaftssystems hatte Nikolai Bucharin 1920 den Transformationsbegriff geprägt. Das kommunistische Gesellschaftssystem brach in Osteuropa 1989/90 schlagartig zusammen und löste wiederum eine gewaltige Transformationswelle aus. In China beschränkte sich diese auf das Wirtschaftssystem.

2. Die postsozialistische Transformation

Der Sowjetsozialismus hatte ein Wirtschaftssystem hervorgebracht, das sich in mehrfacher Hinsicht grundlegend von einer liberalen, kapitalistischen Marktwirtschaftsordnung unterschied. Kennzeichnend waren u. a.: staatliches Eigentum, das nur in der Landwirtschaft durch Kollektiveigentum ergänzt wurde; direktive zentrale Planung mit der Unterbindung des Wettbewerbs als Folge; Abschaffung des Segments der KMU und damit des selbständigen Unternehmertums; ein staatliches Außenhandelsmonopol mit strenger Devisenbewirtschaftung; Unterdrückung der Lenkungsfunktion des Geldes; weiche Budgetbeschränkungen, was dauerhafte Vollbeschäftigung erlaubte. Der erklärte Primat der Politik verbot die Entfaltung eines weitgehend nach eigenen Gesetzen (Rentabilität, Effektivität, Innovation, Globalisierung) operierenden Teilsystems Wirtschaft.

Die Re-Transformation des sozialistischen Wirtschaftssystems in eine offene wettbewerbliche Marktwirtschaft, wie sie v. a. in Ost-Mitteleuropa nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Gesellschaftssystems angestrebt wurde, erforderte einen umfassenden Wandel. Das betraf nicht nur die Wirtschaftsverfassung und den daraus abgeleiteten institutionellen Rahmen für die Wirtschaftstätigkeit, sondern auch die Rolle des Staates und der lokalen Verwaltungen. Neue, nämlich unternehmerisch handelnde Eliten waren erforderlich. Die Wirtschaftsgesinnung der beiden Systeme ist unterschiedlich, und schließlich sind auch die Produktions-, Transport- und Organisationstechniken keineswegs identisch. Ganz offensichtlich ist nur ein beschränkter Teil dieser Aufgabe durch diskrete Akte legislativ zu lösen.

Ordnungspolitisch stand der Prozess unter der Losung „Liberalisierung – Privatisierung – Stabilisierung“. Liberalisierung impliziert binnenwirtschaftlich Gewerbe- und Handelsfreiheit, aber auch unternehmerische Handlungs- und Vertragsfreiheit, was zur raschen Wiedereinrichtung v. a. kleiner Betriebe führte. Außenwirtschaftlich bedeutet es Freihandel und freie Konvertierbarkeit der Währung, was nicht notwendigerweise zu den ersten Schritten der Transformation zählt. Privatisierung findet auf zwei Wegen statt, der Privatisierung von unten, d. h. der Neueinrichtung von Gewerbebetrieben, und der Privatisierung von oben, d. h. der Überführung von staatlichen oder kooperativen Betrieben in Privateigentum (Eigentum). Für kleine Betriebe ist das unproblematisch; bei den für den Sozialismus typischen Großbetrieben sind je nach Land unterschiedliche Verfahren gewählt worden. Die Transformationsperiode war in vielen Ländern durch eine Transformationskrise und durch Inflation gekennzeichnet. Deshalb umfasst Stabilisierung sowohl die monetäre wie auch eine realwirtschaftliche Stabilisierung.

Dieses Programm hatte Walter Eucken bereits Anfang der 1950er Jahre in seinen sieben konstituierenden Prinzipien einer Wettbewerbsordnung umrissen, damals um die S. aus der nationalsozialistischen Kriegsplanwirtschaft zu begleiten. Ganz ähnlich lautete das Zehn-Punkte-Programm, das John Williamson 1990 unter dem Namen Washington Consensus bekannt machte. Ursprünglich für die stagnierten Länder in Lateinamerika bestimmt und deshalb stärker wirtschaftspolitisch orientiert, entsprach es in jenem Jahr genau dem ordnungs- und wirtschaftspolitischen Bedarf der Transformationsländer in Osteuropa. Beide Ansätze sind grundsätzlich liberal. Allerdings berücksichtigte W. Eucken mögliches Marktversagen, was er in vier ergänzenden regulierenden Prinzipien aufzufangen versuchte und was der Washington Consensus versäumte.

Der härteste Transformationsschock traf die DDR, als am 1.7.1990 die deutsch-deutsche Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion in Kraft trat, die von einem Tag auf den anderen das neue System und die Mitgliedschaft in die EG einführte. Dieser Schock wurde allerdings durch umfangreiche Transfers von West nach Ost abgefedert. Ähnliche Transfers gab es in den übrigen Ländern Osteuropas nicht. Hier sind die Länder, die mit dem raschen Beitritt zur EU zügig in eine funktionsstarke internationale Gemeinschaft integriert wurden, zu unterscheiden von jenen, die außen vor bleiben mussten und damit eines starken Transformationsankers und auch der personellen wie finanziellen Unterstützung entbehrten. Dieser Unterschied spiegelt sich in der Länge der Transformationskrise und der weiteren Wirtschaftsentwicklung wider.