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− | Versucht man, die Erklärungsmuster zum Ende des K.n K.es, der durch die Auflösung der UdSSR, den „Verlust des Gegners“ gekennzeichnet war, zu bündeln, zeigen sich drei Hauptrichtungen. Nach der ersten waren v. a. interne Gründe, die bereits in der Gründungsphase der UdSSR angelegt wurden, für den Zerfall verantwortlich. Die UdSSR sah sich demnach nicht in der Lage, die Rolle als ideologischer Wegbereiter der „Weltrevolution“ zu spielen. Der schon unter Josef W. Stalin übliche militärisch-politische Druck sei für die zunehmenden Widerstände gegen Moskau und den [[Kommunismus]] verantwortlich gewesen. Die zweite Erklärung gibt den externen Gründen die Hauptverantwortung am Niedergang. Nach dieser Deutung hatte der | + | Versucht man, die Erklärungsmuster zum Ende des K.n K.es, der durch die Auflösung der UdSSR, den „Verlust des Gegners“ gekennzeichnet war, zu bündeln, zeigen sich drei Hauptrichtungen. Nach der ersten waren v. a. interne Gründe, die bereits in der Gründungsphase der UdSSR angelegt wurden, für den Zerfall verantwortlich. Die UdSSR sah sich demnach nicht in der Lage, die Rolle als ideologischer Wegbereiter der „Weltrevolution“ zu spielen. Der schon unter Josef W. Stalin übliche militärisch-politische Druck sei für die zunehmenden Widerstände gegen Moskau und den [[Kommunismus]] verantwortlich gewesen. Die zweite Erklärung gibt den externen Gründen die Hauptverantwortung am Niedergang. Nach dieser Deutung hatte der [[Westen]] durch seine „unbeugsame Haltung“ die UdSSR besiegt. Die dritte Erklärung verknüpft innere und äußere Einflüsse und trifft am ehesten die historische Wahrheit: Die UdSSR stand spätestens in den 1980er-Jahren innen- wie außenpolitisch vor enormen Problemen, die auf die bisherige Weise nicht mehr zu lösen waren. Zu den Verstärkern der Krise gehörten neben dem vom Westen angekündigten immens teuren <I>Star Wars</I>-Programm SDI, das im Fall einer erfolgreichen Einführung die von der UdSSR über Jahre angehäuften und modernisierten Nuklearwaffen auf einen Schlag nutzlos gemacht hätte, insb. die intensiver geäußerten Konsumansprüche der Bevölkerung im gesamten sowjetischen Machtbereich. Sie waren durch die elektronischen Medien des Westens erheblich forciert worden. Mit ihnen verband sich schließlich die Forderung nach mehr persönlicher Freiheit und politischer Selbstbestimmung, der der Ostblock nach der Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte von Helsinki ([[Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE/KSZE)|OSZE]]) 1975 nur wenig entgegenzusetzen hatte. |
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− | B. Stöver: Kalter Krieg, Version | + | B. Stöver: Kalter Krieg, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon<sup>8</sup> online, URL: {{fullurl:Kalter Krieg}} (abgerufen: {{CURRENTDAY2}}.{{CURRENTMONTH}}.{{CURRENTYEAR}}) |
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+ | [[Category:Geschichte]] |
Aktuelle Version vom 16. Dezember 2022, 06:09 Uhr
Als „K. K.“ wird die radikalisierte Phase des seit 1917 geführten Ost-West-Konflikts zwischen 1945/47 und 1991 bezeichnet. Sie zeichnete aus, dass in ihr angesichts der atomaren Rüstung mit schließlich „gegenseitig garantierter Vernichtung“ ein großer militärischer Konflikt nicht mehr sinnvoll geführt werden konnte. Stattdessen wurde der Systemkonflikt zwischen den beiden unvereinbar erscheinenden Ideologien mit ihren konkurrierenden Gesellschaftsentwürfen – staatssozialistische Volksdemokratie v liberalkapitalistische parlamentarische Demokratie – auf politisch-ideologischen, ökonomischen, technologisch-wissenschaftlichen und kulturell-sozialen Ersatzfeldern sowie in konventionellen „Kleinen Kriegen“ in der Dritten Welt geführt.
Als politischer Begriff 1946 entstanden, wurde er ab 1947 allgemein üblich. Seine „Erfindung“ geht auf Herbert Bayard Swope zurück, einen Mitarbeiter des Präsidentenberaters Bernard Mannes Baruch, der 1946 in der UNO die Verhandlungen zur Atomwaffenkontrolle zwischen den USA und der UdSSR erlebte. Unspezifiziert fand sich der Begriff allerdings bereits vorher. B. M. Baruch brachte den Begriff 1947 in die Öffentlichkeit. Im selben Jahr erschien mit Walter Lippmanns „The Cold War“ auch der erste Buchtitel, der allerdings im Inhalt darauf keinen Bezug nahm.
Vier Interpretationen zur Entstehung und Entwicklung des K.n K.es kursieren bis heute in der historischen Forschung:
a) Die früheste, die traditionelle Erklärung, hielt aus westlicher Sicht die marxistisch-leninistische Ideologie mit ihrem Anspruch auf die Weltrevolution verantwortlich.
b) Die im Westen in den 1960ern folgende revisionistische Deutung entsprach dann weitgehend der sowjetischen Sicht und unterstrich die amerikanische Verantwortung.
c) Beide Positionen näherten sich in den 70er Jahren in der postrevisionistischen Interpretation an: Verfehlte Wahrnehmungen auf beiden Seiten hätten kontinuierlich falsche Entscheidungen produziert.
d) Nach 1991 entstand die die mentalitätsgeschichtlich-empirische Erklärung: Der K. K. sei von beiden Hauptbeteiligten bewusst als „Krieg anderer Art“ geführt worden, um ihn zu gewinnen.
Der K. K. durchlief zwischen 1945/47 und 1991 sieben Phasen, die z. T. ineinander übergingen:
a) Formierung und offizielle Eröffnung (1945/47),
b) Blockbindung (1947/48–55),
c) Eskalation und Stilllegung in Europa (1953–61),
d) Verlagerung in die Dritte Welt (seit 1961),
e) Entspannung (1953–79),
f) Rückkehr zur Konfrontation (1979–89) und schließlich
g) die Auflösung des Ostblocks (1985–91).
Der K. K. erweist sich rückblickend als Einheit, als eine Epoche. Die Auflösung der UdSSR beschloss eine Auseinandersetzung, die mit zwei „Quasi-Kriegserklärungen“ begonnen hatte, der am 12.3.1947 in den USA verkündeten „Truman-Doktrin“ und der am 30.9.1947 folgenden sowjetischen „Zwei-Lager-Theorie“.
Strukturell handelte es sich beim K.n K. um einen global und ubiquitär geführten Konflikt, der Auswirkungen bis weit in das Private und „Unpolitische“ zeigte. Annäherungen an die jeweils andere Seite oder Neutralität blieben bis zum Schluss verdächtig. Für dieses Phänomen eines „inneren Belagerungszustands“ wurde bereits in den 50er Jahren der Begriff des „Kalten Bürgerkriegs“ (cold civil war) geläufig.
Die Frage, ob der K. K. bipolar blieb oder zu einem multipolaren wurde, wurde seit den 1960ern diskutiert. Zwar ist es richtig, dass sich zunächst zwei „Supermächte“ gegenüberstanden, die sich durch unvereinbare, absolut gesetzte Ideologien, Atomwaffen (ABC-Waffen) und unbestrittene Hegemonie in den jeweiligen Bündnisblöcken auszeichneten. Im Verhältnis zu ihnen schrumpften ehemalige „Großmächte“, selbst wenn sie wie Frankreich oder England im Besitz von Atomwaffen waren, zu Nationen mittlerer Stärke. Am deutlichsten spricht gegen das Bild einer bipolaren Welt, dass es spätestens dann nicht mehr der Realität entsprach, als sich die 1949 gegründete VR China seit 1960 von der UdSSR löste und ab 1964/67 im Besitz von Atomwaffen war. Darüber hinaus gelang es der ab 1954/55 entstandenen Blockfreienbewegung, sich allmählich als ein Pol in der Weltpolitik zu etablieren. Auch die UNO war zeitweilig ein wirkungsvoller Machtblock. Auch kristallisierten sich innerhalb der einzelnen Blöcke und blockübergreifend transnationale, nationale und innerstaatliche Subsysteme heraus, die ebenfalls kaum mehr in das Schema dualistischer Konfrontation passten, wenngleich sie alle mit dem Hauptkonflikt verbunden blieben. Die deutsch-deutsche Politik verfolgte zeitweilig nahezu unberührt von den Interessenlagen der USA und der UdSSR eigene Wege. Ähnliche Subsysteme waren auch innerhalb der organisierten Dritten Welt auszumachen. Nicht zuletzt kann man auch private Organisationen als nationale oder supranationale Subsysteme verstehen, so die zahlreichen Pressure Groups, die wirkungsvoll Wahlen beeinflussten, oder die verschiedenen Lobby-Gruppen, die sich z. B. für die Interessen der „Dritten Welt“ einsetzten. Zu ihnen gehören die im engeren Sinn als NGO tätigen Verbände, über die die Industriestaaten während des K.n K.es bis zu 60 % ihrer Entwicklungshilfe abwickelten, aber auch die nicht staatlich gebundenen und die z. T. illegal tätigen internationalen Menschenrechts-, Umwelt- oder „Befreiungsorganisationen“.
Versucht man, die Erklärungsmuster zum Ende des K.n K.es, der durch die Auflösung der UdSSR, den „Verlust des Gegners“ gekennzeichnet war, zu bündeln, zeigen sich drei Hauptrichtungen. Nach der ersten waren v. a. interne Gründe, die bereits in der Gründungsphase der UdSSR angelegt wurden, für den Zerfall verantwortlich. Die UdSSR sah sich demnach nicht in der Lage, die Rolle als ideologischer Wegbereiter der „Weltrevolution“ zu spielen. Der schon unter Josef W. Stalin übliche militärisch-politische Druck sei für die zunehmenden Widerstände gegen Moskau und den Kommunismus verantwortlich gewesen. Die zweite Erklärung gibt den externen Gründen die Hauptverantwortung am Niedergang. Nach dieser Deutung hatte der Westen durch seine „unbeugsame Haltung“ die UdSSR besiegt. Die dritte Erklärung verknüpft innere und äußere Einflüsse und trifft am ehesten die historische Wahrheit: Die UdSSR stand spätestens in den 1980er-Jahren innen- wie außenpolitisch vor enormen Problemen, die auf die bisherige Weise nicht mehr zu lösen waren. Zu den Verstärkern der Krise gehörten neben dem vom Westen angekündigten immens teuren Star Wars-Programm SDI, das im Fall einer erfolgreichen Einführung die von der UdSSR über Jahre angehäuften und modernisierten Nuklearwaffen auf einen Schlag nutzlos gemacht hätte, insb. die intensiver geäußerten Konsumansprüche der Bevölkerung im gesamten sowjetischen Machtbereich. Sie waren durch die elektronischen Medien des Westens erheblich forciert worden. Mit ihnen verband sich schließlich die Forderung nach mehr persönlicher Freiheit und politischer Selbstbestimmung, der der Ostblock nach der Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte von Helsinki (OSZE) 1975 nur wenig entgegenzusetzen hatte.
Sicher ist aber auch, dass der vom sowjetischen Generalsekretär Michail S. Gorbatschow beschrittene risikobehaftete Weg der Reformen nicht zwangsläufig hätte beschritten werden müssen. So war es tatsächlich der „Ausnahmepolitiker“ M. S. Gorbatschow, der die ausschlaggebende Rolle spielte. Er verwirklichte seine persönlichen Reformvorstellungen, um die UdSSR im Systemkonflikt zukunftsfähig zu machen, und er setzte seine Politik fort – selbst, als sich die unbeabsichtigten Folgen zeigten.
Literatur
B. Stöver: Der Kalte Krieg. Geschichte eines radikalen Zeitalters 1947–1991, 32017 • B. Greiner u. a. (Hg.): Heiße Kriege im Kalten Krieg, 2006 • J. Dülffer: Europa im Ost-West-Konflikt 1945–1990, 2004 • J. Hanhimaki/O. A. Westad: The Cold War. A History in Documents and Eyewitness Accounts, 22004.
Empfohlene Zitierweise
B. Stöver: Kalter Krieg, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Kalter_Krieg (abgerufen: 23.11.2024)