Christlich Demokratische Union (CDU): Unterschied zwischen den Versionen
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− | Die CDU entstand 1945 als eine neue interkonfessionelle Partei ([[Parteien]]), die unterschiedliche politische Strömungen aus den Jahrzehnten vor dem [[Nationalsozialismus]] vereinigte. Ihr schneller Erfolg während der Besatzungszeit erklärt sich zunächst daraus, dass sie an das organisationsstarke katholische Milieu der Zentrumspartei ( | + | Die CDU entstand 1945 als eine neue interkonfessionelle Partei ([[Parteien]]), die unterschiedliche politische Strömungen aus den Jahrzehnten vor dem [[Nationalsozialismus]] vereinigte. Ihr schneller Erfolg während der Besatzungszeit erklärt sich zunächst daraus, dass sie an das organisationsstarke katholische Milieu der Zentrumspartei ([[Zentrum|Zentrum ]]) anknüpfte. Führende Akteure, wie auch der erste Bundeskanzler und CDU-Bundesparteivorsitzende K. Adenauer, hatten hier ihre politischen Erfahrungen gesammelt und Netzwerke aufgebaut. Von Beginn an aus historischer Erfahrung der Konfessionen übergreifenden Unionsidee verpflichtet, gelang der CDU schrittweise zugleich die Einbindung protestantischer Politiker und Wähler mit einer liberalen und konservativen Orientierung. Integrationsklammern bildeten der Antikommunismus und der Verweis auf christliche Werte. Ihre zunächst nur lockere Organisationsstruktur zeigt sich bis heute in dem Sonderstatus der bayerischen Schwesterpartei [[Christlich-Soziale Union (CSU)|CSU]]. Mit ihr bildet die CDU seit 1949 eine Fraktionsgemeinschaft im [[Bundestag]]. Unterschiedliche Gruppen bündelte die CDU in Vereinigungen der Partei, etwa der <I>Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft</I>, der <I>Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU</I> oder dem <I>Evangelischen Arbeitskreis</I>. Mit der <I>Jungen Union</I> gründete sie eine Organisation für den Nachwuchs bis 35 Jahre, die v. a. bei der Elitenrekrutierung zunehmend an Bedeutung gewann. |
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− | Die Regierungspolitik ihres Bundeskanzlers K. Adenauer (1949–1963) stellte maßgeblich die Weichen für die frühe Geschichte der [[Bundesrepublik Deutschland|BRD]] und prägte | + | Die Regierungspolitik ihres Bundeskanzlers K. Adenauer (1949–1963) stellte maßgeblich die Weichen für die frühe Geschichte der [[Bundesrepublik Deutschland|BRD]] und prägte zugleich das langfristige Selbstverständnis der CDU. Die unter K. Adenauer etablierte Westbindung, die [[Soziale Marktwirtschaft|soziale Marktwirtschaft]] und eine konservative [[Kulturpolitik|Kultur-]] und [[Familienpolitik]] zählten ebenso wie eine scharfe Abgrenzung vom [[Sozialismus]] hierzu. Nach dem Nationalsozialismus setzte sie sich für eine Re-Integration belasteter Verwaltungseliten ein und unterstützte Amnestiegesetze ([[Begnadigung]]). K. Adenauer bildete auf Bundesebene gezielt [[Koalition|Koalitionen]] mit anderen bürgerlichen Parteien wie der [[Freie Demokratische Partei (FDP)|FDP]], der konservativen <I>Deutschen Partei</I> und der Vertriebenenpartei BHE. Dabei offerierte er ihnen großzügige Angebote, um ihre Parteieliten und auch ihre Wähler letztlich in die eigene Partei zu integrieren. Bes. die Rentenreform von 1957, die Rentner dauerhaft finanziell besser stellte, trug zusätzlich dazu bei, dass die CDU/CSU in diesem Jahr bei der Bundestagswahl die absolute Mehrheit gewann und die Kleinparteien am rechten Rand an Bedeutung verloren. |
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− | Als Angela Merkel im April 2000 auf dem CDU-Bundesparteitag in Essen als Nachfolgerin des zurückgetretenen Wolfgang Schäuble zur ersten Frau an der Spitze der CDU gewählt wurde, befand sich die Partei im Zeichen der Spendenaffäre um Helmut Kohl in einer tiefen Krise. Noch im Jahr zuvor hatte A. Merkel als Generalsekretärin am amtierenden Bundesvorsitzenden vorbei die Partei in einem Zeitungsbeitrag zur Abnabelung von ihrem Langzeitvorsitzenden und Kanzler H. Kohl aufgefordert; eine Abnabelung, die A. Merkel als Parteivorsitzende auch gegen Widerstände innerhalb der Partei forcierte. Doch erst infolge der gescheiterten Kanzlerkandidatur des bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber im September 2002, die A. Merkel auch im Lichte mangelnden innerparteilichen Rückhalts für eigene Ambitionen loyal mitgetragen hatte, vermochte sie eine feste Machtbasis an der Spitze der CDU zu konsolidieren. Sie übernahm mit Unterstützung E. Stoibers den Vorsitz der Unionsbundestagsfraktion ([[Fraktion]]) als Nachfolgerin von Friedrich Merz und führte fortan ihre Partei auf einen konsequenten Modernisierungskurs. Dabei standen neben gesellschafts- und familienpolitischen Neujustierungen ([[Gesellschaftspolitik]], [[Familienpolitik]]) v. a. finanz- und steuerpolitische Aspekte ([[Finanzpolitik]]) im Mittelpunkt, die auf dem Bundesparteitag in Leipzig 2003 in der Forderung nach einer tiefgreifenden Reform des Systems der | + | Als Angela Merkel im April 2000 auf dem CDU-Bundesparteitag in Essen als Nachfolgerin des zurückgetretenen Wolfgang Schäuble zur ersten Frau an der Spitze der CDU gewählt wurde, befand sich die Partei im Zeichen der Spendenaffäre um Helmut Kohl in einer tiefen Krise. Noch im Jahr zuvor hatte A. Merkel als Generalsekretärin am amtierenden Bundesvorsitzenden vorbei die Partei in einem Zeitungsbeitrag zur Abnabelung von ihrem Langzeitvorsitzenden und Kanzler H. Kohl aufgefordert; eine Abnabelung, die A. Merkel als Parteivorsitzende auch gegen Widerstände innerhalb der Partei forcierte. Doch erst infolge der gescheiterten Kanzlerkandidatur des bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber im September 2002, die A. Merkel auch im Lichte mangelnden innerparteilichen Rückhalts für eigene Ambitionen loyal mitgetragen hatte, vermochte sie eine feste Machtbasis an der Spitze der CDU zu konsolidieren. Sie übernahm mit Unterstützung E. Stoibers den Vorsitz der Unionsbundestagsfraktion ([[Fraktion]]) als Nachfolgerin von Friedrich Merz und führte fortan ihre Partei auf einen konsequenten Modernisierungskurs. Dabei standen neben gesellschafts- und familienpolitischen Neujustierungen ([[Gesellschaftspolitik]], [[Familienpolitik]]) v. a. finanz- und steuerpolitische Aspekte ([[Finanzpolitik]]) im Mittelpunkt, die auf dem Bundesparteitag in Leipzig 2003 in der Forderung nach einer tiefgreifenden Reform des Systems der [[Soziale Sicherheit|sozialen Sicherheit]], darunter die Umstellung der [[Krankenversicherung]] auf ein einkommensunabhängiges Pro-Kopf-Prämiensystem, gipfelten. Diese Forderung, die im Wahlkampf der vorgezogenen Bundestagwahl 2005 eine wichtige Rolle spielte und nicht nur der Wählerschaft, sondern auch den eigenen Parteimitgliedern nur schwer oder gar nicht vermittelbar war, trug mit dazu bei, dass die Union mit 35,2 % (CDU 27,8 %) nur hauchdünn vor der [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)|SPD]] lag. Trotz dieser „gefühlten“ Wahlniederlage konnte die CDU nach siebenjähriger Oppositionszeit ([[Opposition]]) mit A. Merkel das Amt des Bundeskanzlers an der Spitze einer Großen Koalition für sich reklamieren. Dieses enttäuschende Wahlergebnis wurde 2009 mit 33,8 % (CDU 27,3 %), dem schlechtesten Ergebnis seit 1949, noch einmal unterboten, obwohl die CDU neuerliche programmatische Reformoffensiven im Wahlkampf vermied. Gleichwohl gelang es dank der massiven Stimmzuwächse der [[Freie Demokratische Partei (FDP)|FDP]], erneut die Bundeskanzlerin – nunmehr einer christlich-liberalen [[Bundesregierung]] – zu stellen. Erst bei der nachfolgenden Wahl 2013 sollte die Union deutlich Stimmen hinzu gewinnen und mit 41,5 % (CDU 34,1 %) die für Volksparteien ([[Parteien]]) wichtige 40 %-Hürde erstmals seit 1994 wieder überwinden, sodass die Parteivorsitzende erneut zur Kanzlerin – der zweiten Großen Koalition binnen zehn Jahren – gewählt wurde. Im sich wandelnden, von Volatilität, [[Individualisierung]], Pluralisierung und von sich abschwächender Bindekraft charakterisierten Parteiensystem ([[Parteiensysteme|Parteiensyteme]]) nimmt die Union gleichwohl noch immer eine zentrale Position im Parteienwettbewerb ein. Ohne ihre Führung scheint eine Regierungsbildung auf Bundesebene nur schwer möglich. Dass die CDU ihre Bundesvorsitzende trotz der Wahlergebnisse 2005 und 2009 nicht in Frage stellte, resultierte wesentlich aus dem Umstand, dass die Maximierung der Stimmenzahl für die CDU in ihrer Geschichte stets weniger wichtig war als die Optimierung ihrer Position im Parteiensystem – mit dem Ziel der Eroberung des Kanzleramts („Kanzlerwahlverein“). |
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<h3>2. Veränderungen der Machtarchitektur</h3> | <h3>2. Veränderungen der Machtarchitektur</h3> | ||
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− | Mit dieser elektoralen und koalitionspolitischen Entwicklung der Nach-Kohl-Zeit korrespondiert eine an Dynamik gewinnende Kanzlerfixierung im innerparteilichen Willensbildungsprozess. Diese hat v. a. zwei Ursachen: Bedeutende politische Entscheidungen in Bezug auf die Parteiprogrammatik, kündigten sich nicht langsam an, sondern wurden, bspw. bei der „Energiewende“ ([[Energiepolitik]]), der „[[Eurokrise]]“ und bei der immensen Zuwanderung, durch unvorhergesehene äußere Ereignisse ausgelöst und wirkten sich mit hoher Intensität und Geschwindigkeit unmittelbar auf das Regierungshandeln aus. Für intensive innerparteiliche Programmdebatten war dabei kaum Zeit. Und selbst dort, wo politischer Gestaltungsspielraum bestand, wie bei der Aussetzung der | + | Mit dieser elektoralen und koalitionspolitischen Entwicklung der Nach-Kohl-Zeit korrespondiert eine an Dynamik gewinnende Kanzlerfixierung im innerparteilichen Willensbildungsprozess. Diese hat v. a. zwei Ursachen: Bedeutende politische Entscheidungen in Bezug auf die Parteiprogrammatik, kündigten sich nicht langsam an, sondern wurden, bspw. bei der „Energiewende“ ([[Energiepolitik]]), der „[[Eurokrise]]“ und bei der immensen Zuwanderung, durch unvorhergesehene äußere Ereignisse ausgelöst und wirkten sich mit hoher Intensität und Geschwindigkeit unmittelbar auf das Regierungshandeln aus. Für intensive innerparteiliche Programmdebatten war dabei kaum Zeit. Und selbst dort, wo politischer Gestaltungsspielraum bestand, wie bei der Aussetzung der [[Wehrpflicht]] oder der Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft, folgte die Partei ohne lange Debatten den strategischen Vorstellungen ihrer Spitze. Deren Erfolg und Wählerakzeptanz werden zu einem Risikofaktor, wenn personelle Fixierung zulasten programmatischer Profilierung geht. Zum Zweiten verschob sich das Gewicht innerhalb der CDU-Gliederungen strukturell zu Gunsten der Bundesebene. Diese Machtverlagerung war weniger Ergebnis geplanter Verschiebungen, sondern ein (unerwünschter) Nebeneffekt verloren gegangener Landtagswahlen (Nordrhein-Westfalen 2010, Baden-Württemberg 2011, Hamburg 2011, Schleswig-Holstein 2012, Niedersachsen 2013, Thüringen 2014, fortgesetzt 2016 mit erheblichen Rückgängen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin). Dieser Macht- und Positionsverlust in wichtigen Bundesländern rührt an die tradierte Statik der Volkspartei CDU: eine klare Fixierung auf den starken Bundesvorsitzenden/Kanzler einerseits, ein starker parteiinterner Föderalismus mit wichtigen programmatischen Impulsen andererseits, der die CDU stets davor bewahrte, sich zu einer „selbstreferentiellen Kartellpartei“ (Zolleis 2015: 31) zu entwickeln. |
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− | Kehrseite dessen ist die Erosion der die Partei als Kernwählerschaft | + | Kehrseite dessen ist die Erosion der die Partei als Kernwählerschaft ursprünglich tragenden sozialmoralischen Milieus durch Säkularisierungs- und Weltanschauungsprozesse ([[Säkularisierung]], [[Weltanschauung]]) in der [[Gesellschaft]], für welche die Partei sich zwangsläufig geöffnet hat. Die Tolerierung gesellschaftspolitischer [[Modernisierung]] und die Dynamisierung supranationaler Orientierung führten offensichtlich zu einer Entfremdung wertkonservativer Anhänger, in deren Augen die CDU sich aus der politischen Mitte entfernt. Ein solches Vakuum eröffnet politischen Kräften rechts der Union die Chance, sich im Parteiensystem ([[Parteiensysteme]]) zu etablieren, die zu unterbinden stets eine Maxime von Franz Josef Strauß gewesen ist. Doch faktisch provoziert gesellschaftlicher Wandel eine Transformation der Kontinuität und Stabilität des überkommenen Parteiensystems, wie sie sich seit längerem im ersten Fünftel des 21. Jh. andeutet. Über die CDU hinaus ist davon das Parteiensystem insgesamt betroffen. |
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− | V. Kronenberg: Christlich Demokratische Union (CDU), II. Politikwissenschaftlich, Version | + | V. Kronenberg: Christlich Demokratische Union (CDU), II. Politikwissenschaftlich, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon<sup>8</sup> online, URL: {{fullurl:Christlich Demokratische Union (CDU)}} (abgerufen: {{CURRENTDAY2}}.{{CURRENTMONTH}}.{{CURRENTYEAR}}) |
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Aktuelle Version vom 5. Juli 2023, 09:05 Uhr
I. Geschichtlich
Abschnitt druckenDie CDU ist eine Volkspartei, die in ihrer Selbstbeschreibung auf ihr liberales (Liberalismus), konservatives (Konservatismus) und christlich-soziales Fundament (Christlich-Soziale Bewegung) verweist. Zusammen mit ihrer Schwesterpartei CSU in Bayern reüssierte sie bei Bundestagswahlen mehrheitlich als stärkste Partei und stellte bisher die meisten Bundeskanzler (Bundesregierung). Sowohl beim Aufbau der BRD als auch im Zuge der Wiedervereinigung (Deutsche Einheit) und der Europäischen Einigung (Europäischer Integrationsprozess) in den 1990er Jahren nahm sie erheblichen Einfluss auf politische Weichenstellungen.
1. Formierung unter Konrad Adenauer
Die CDU entstand 1945 als eine neue interkonfessionelle Partei (Parteien), die unterschiedliche politische Strömungen aus den Jahrzehnten vor dem Nationalsozialismus vereinigte. Ihr schneller Erfolg während der Besatzungszeit erklärt sich zunächst daraus, dass sie an das organisationsstarke katholische Milieu der Zentrumspartei (Zentrum ) anknüpfte. Führende Akteure, wie auch der erste Bundeskanzler und CDU-Bundesparteivorsitzende K. Adenauer, hatten hier ihre politischen Erfahrungen gesammelt und Netzwerke aufgebaut. Von Beginn an aus historischer Erfahrung der Konfessionen übergreifenden Unionsidee verpflichtet, gelang der CDU schrittweise zugleich die Einbindung protestantischer Politiker und Wähler mit einer liberalen und konservativen Orientierung. Integrationsklammern bildeten der Antikommunismus und der Verweis auf christliche Werte. Ihre zunächst nur lockere Organisationsstruktur zeigt sich bis heute in dem Sonderstatus der bayerischen Schwesterpartei CSU. Mit ihr bildet die CDU seit 1949 eine Fraktionsgemeinschaft im Bundestag. Unterschiedliche Gruppen bündelte die CDU in Vereinigungen der Partei, etwa der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft, der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU oder dem Evangelischen Arbeitskreis. Mit der Jungen Union gründete sie eine Organisation für den Nachwuchs bis 35 Jahre, die v. a. bei der Elitenrekrutierung zunehmend an Bedeutung gewann.
Die Regierungspolitik ihres Bundeskanzlers K. Adenauer (1949–1963) stellte maßgeblich die Weichen für die frühe Geschichte der BRD und prägte zugleich das langfristige Selbstverständnis der CDU. Die unter K. Adenauer etablierte Westbindung, die soziale Marktwirtschaft und eine konservative Kultur- und Familienpolitik zählten ebenso wie eine scharfe Abgrenzung vom Sozialismus hierzu. Nach dem Nationalsozialismus setzte sie sich für eine Re-Integration belasteter Verwaltungseliten ein und unterstützte Amnestiegesetze (Begnadigung). K. Adenauer bildete auf Bundesebene gezielt Koalitionen mit anderen bürgerlichen Parteien wie der FDP, der konservativen Deutschen Partei und der Vertriebenenpartei BHE. Dabei offerierte er ihnen großzügige Angebote, um ihre Parteieliten und auch ihre Wähler letztlich in die eigene Partei zu integrieren. Bes. die Rentenreform von 1957, die Rentner dauerhaft finanziell besser stellte, trug zusätzlich dazu bei, dass die CDU/CSU in diesem Jahr bei der Bundestagswahl die absolute Mehrheit gewann und die Kleinparteien am rechten Rand an Bedeutung verloren.
Im Vergleich zu ihren westeuropäischen Schwesterparteien fielen die Bezüge zur christlichen Soziallehre und zur Religion bereits seit den 50er Jahren deutlich geringer aus. Da die CDU von Beginn an auch protestantische Wähler ansprechen wollte, setzte ihre Programmatik und Politik vergleichsweise liberale und konservative Akzente. Organisatorisch blieb die Adenauer-CDU schwach entwickelt und wurde vornehmlich aus dem Kanzleramt heraus geführt. Sie hatte eine geringe Mitgliederbasis und führte kaum Programmdebatten. Angesichts ihrer föderalen Struktur variierte ihr Profil in den Bundesländern; in Schleswig-Holstein war sie etwa traditionell konservativer, in Nordrhein-Westfalen hingegen sozialer ausgerichtet.
1945 war die CDU auch in Ostdeutschland entstanden. In der DDR blieb sie dauerhaft eine der zugelassenen Blockparteien, um v. a. Christen politisch zu integrieren. Bereits in den ersten Nachkriegsjahren war die ostdeutsche CDU jedoch systematischen Benachteiligungen und Repressionen ausgesetzt. Große Teile ihres Führungspersonals flohen daher in den Westen, wo sich eine Exil-CDU in der Partei bildete. Das neue Führungspersonal im Osten arrangierte sich als Teil der sogenannten Nationalen Front mit dem Sozialismus. Politische Entscheidungen blieben der SED vorbehalten, aber die CDU trug diese in der Volkskammer und ihren Zeitungen mit. Für viele Mitglieder auf der unteren Ebene war die CDU dennoch eine systemkonforme Alternative zur SED, die einen gemäßigten Konformismus ermöglichte. Angesichts der Linientreue der Ost-CDU blieb eine Zusammenarbeit mit der CDU in der Bundesrepublik aus.
2. Reform der CDU unter Helmut Kohl
Die bundesdeutsche CDU/CSU blieb bis 1972 zwar stärkste Bundestagsfraktion, aber bereits unter K. Adenauers Nachfolgern Ludwig Erhard (1963–1966) und Kurt Georg Kiesinger (1966–1969) versäumte sie die integrative Einbindung des bürgerlichen Koalitionspartners FDP. Innerparteiliche Spannungen und Reformforderungen mündeten seit Ende der 1960er Jahre, zusammen mit dem Regierungsverlust 1969, in eine organisatorische und programmatische Neuorientierung.
Der langjährige Bundesparteivorsitzende H. Kohl, der von 1973–1998 amtierte, prägte die zweite Phase der CDU entscheidend. Mit ihm wählte die Partei bewusst einen jungen Reformer. Kohl forcierte ab 1973 den Aufbau einer professionellen Organisation, eine innerparteiliche Demokratisierung und ausgiebige programmatische Debatten. Letztere betonten nun das soziale Profil der Partei und machten sie kulturell liberaler. Dies bot für verschiedene Gruppen Anknüpfungspunkte. Die Mitgliederzahl der CDU stieg von rund 300 000 (1969) auf 734 555 (1983) und blieb ein weiteres Jahrzehnt auf hohem Niveau. Während sich die Partei in den 1950er Jahren fast ausschließlich durch Spenden aus der Industrie finanziert hatte, eröffneten anschließend staatliche Zuwendungen und Mitgliedsbeiträge der Parteibasis neue Spielräume. Das gute Wahlergebnis bei H. Kohls Kanzlerkandidatur 1976 und das schwache Abschneiden seines CSU-Rivalen Franz Josef Strauß 1980 stützten H. Kohls Stellung als Vorsitzender.
Die Wählerschaft der CDU veränderte sich trotz der Reformen nur geringfügig. Weiterhin wählten überwiegend Katholiken (Katholizismus) die CDU, bei denen sie selbst bei den schlechtesten Wahlergebnissen mindestens die Hälfte der Stimmen erreichte, bei Protestanten hingegen oft nur ein Drittel. Bis 1994 wählten zudem die Frauen überproportional die CDU – trotz ihrer geringen Repräsentanz in der Partei und des konservativen Frauenbildes. Trotz der Verjüngung ihrer Mitgliedsbasis in den 1970er Jahren stützte sich die CDU zunehmend auf ältere Wähler ab 60 Jahren. Dass sie für eine Stärkung der inneren Sicherheit (Innere Sicherheit) eintrat, religiöse Werte betonte und sich bei Gesellschaftsreformen zurückhielt, dürfte diesen Trend gefördert haben. Nach Berufsgruppen betrachtet erfuhr die CDU die höchste Unterstützung bei den Landwirten, die sie lange durch eine generöse Subventionspolitik protegierte, sowie bei Selbständigen, Angestellten und Beamten, die durch die Unionspolitik eine gute Absicherung erhielten. Die geringsten Wähleranteile erzielte sie zunächst bei den Arbeitern.
Die Rückkehr zur Regierung gelang den Christdemokraten 1982 über die Einbindung der FDP als Koalitionspartner. Während H. Kohls Kanzlerschaft knüpfte die CDU sowohl an ihre Reformen als auch an K. Adenauers Kurs an. Außenpolitisch betonte sie erneut die Westbindung, insb. zu Frankreich und den USA, und unterstützte die Nachrüstung. Zugleich akzeptierte sie die vormals bekämpfte sozialliberale Ostpolitik und setzte auf eine Verständigung mit der DDR. In der Sozial- und Wirtschaftspolitik setzte sie weniger auf die sozialen Akzente der vorherigen Programme als auf die Konsolidierung des Staatshaushaltes und die Förderung des Mittelstandes, etwa durch Steuerentlastungen und einzelne sozialpolitische Kürzungen. Positive Ergebnisse erzielte H. Kohls Regierung in den 80er Jahren bei der Steigerung des Wirtschaftswachstums, der Senkung der Inflationsrate (Inflation) und der Netto-Neuverschuldung (Staatsverschuldung). Wenngleich sich die Wirtschaftskonjunktur (Konjunktur) im Rahmen des weltweiten Aufschwungs vollzog, schien damit der Sparkurs der Union bestätigt. Ihr Hauptproblem blieb dagegen die Arbeitslosigkeit, die 1983 auf knapp 2,3 Mio. Menschen anstieg und dauerhaft hoch blieb.
Von ihrer Struktur her blieb die CDU trotz der seit 1983 einsetzenden Mitgliederverluste eine organisationsstarke Partei. Allerdings gewann das Kanzleramt bei Entscheidungen zunehmend an Dominanz gegenüber den Parteigremien und dem Parteiapparat. Zusammen mit sinkenden Umfragewerten und Verlusten bei der Europawahl 1989 und den Landtagswahlen führte dies Ende der 80er Jahre zu einer Parteikrise. Hinzu kamen finanzielle Probleme, nachdem Skandale um ihre Finanzierung zu Einbußen bei den Wirtschaftsspenden geführt hatten.
Die für alle überraschende Wiedervereinigung (Deutsche Einheit) leitete ab 1990 eine zweite Phase der Ära H. Kohl ein, die die Partei revitalisierte. H. Kohl ging hieraus deutlich gestärkt hervor. Durch sein Eintreten für einen schnellen Anschluss der DDR an die Bundesrepublik galt er als eigentlicher Gestalter der Wiedervereinigung. Dies überdeckte innerparteiliche und politische Probleme. Die guten Wahlergebnisse in den neuen Bundesländern verhinderten 1990 die zuvor befürchtete Wahlniederlage. Organisatorisch gestärkt wurde die CDU durch den raschen Zusammenschluss mit der Ost-CDU, der angesichts deren enger Kooperation mit der SED innerparteilich zunächst umstritten war. Hierdurch stieg zugleich der Frauenanteil an der Basis, und junge ostdeutsche Frauen wurden per Proporz in die Regierung eingebunden. Programmatisch und organisatorisch setzte die Ost-CDU jedoch kaum neue Akzente. Dafür stieg H. Kohls innerparteiliche Machtfülle als Kanzler der Einheit Anfang der 1990er Jahre auf einen Höhepunkt.
Mitte der 90er Jahre zeigte sich allerdings, dass die durch die Wiedervereinigung verdeckten Probleme wieder verstärkt hervortraten. Wirtschaftspolitisch scheiterte die CDU unverkennbar bei der Senkung der Arbeitslosigkeit, die bes. in den neuen Bundesländern stark anstieg. Die großzügige Wiedervereinigungspolitik der Union, die ihr Wahlerfolge gesichert hatte, ließ die Staatsverschuldung stark wachsen. Wirtschaftsexperten lasteten ihr bes. die generösen Wechselkurse bei der Währungsunion an, die nicht der Produktivität in Ostdeutschland entsprachen, aber die Abwanderung nach Westdeutschland bremsen sollten. Noch umstrittener waren die nun eingeführten sozialpolitischen Kürzungen.
Dass die CDU unter H. Kohl ein Motor der europäischen Einigung und einer gemeinsamen europäischen Währung war, blieb zwar ein wichtiges Verdienst, stärkte aber nicht den Rückhalt der Partei bei den Wählern.
Innerparteilich führte das 1994 verabschiedete, stark aus der Parteispitze organisierte, Grundsatzprogramm „Freiheit in Verantwortung“ nicht zu einer Aufbruchsstimmung. Stattdessen wuchs der Unmut über H. Kohls Dominanz in der Parteiführung. Auch die Mitgliederbasis verringerte sich gemäß dem generellen Trend weiter. H. Kohl sah davon ab, Vorsitz und Kanzlerkandidatur rechtzeitig an den von ihm aufgebauten Nachfolger Wolfgang Schäuble zu übergeben. Er selbst kandidierte bei der Wahl zum sechsten Mal, jedoch ohne Erfolg: 1998 ging die Regierungsmacht verloren. Parteivorsitzender wurde nun W. Schäuble, der das Amt nur zwei Jahre behielt.
Literatur
F. Walter/C. Werwath/O. D’Antonio: Die CDU. Entstehung und Verfall christdemokratischer Geschlossenheit, 2011 • U. Zolleis: Die CDU. Das politische Leitbild im Wandel der Zeit, 2008 • F. Bösch: Macht und Machtverlust. Die Geschichte der CDU, 2002 • K. Grabow: Abschied von der Massenpartei, 2000 • I. Reichart-Dreyer: Macht und Demokratie in der CDU, 2000 • P. Haungs: Die CDU. Prototyp einer Volkspartei, in: A. Mintzel/H. Oberreuter (Hg.): Parteien in der Bundesrepublik, 1992, 172–216 • J. Schmid: Die CDU. Organisationsstrukturen, Politiken und Funktionsweisen einer Partei im Föderalismus, 1990.
Empfohlene Zitierweise
F. Bösch: Christlich Demokratische Union (CDU), I. Geschichtlich, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Christlich_Demokratische_Union_(CDU) (abgerufen: 25.11.2024)
II. Politikwissenschaftlich
Abschnitt drucken1. Programmatische Neujustierung, Wiedergewinnung der Regierung: Angela Merkel
Als Angela Merkel im April 2000 auf dem CDU-Bundesparteitag in Essen als Nachfolgerin des zurückgetretenen Wolfgang Schäuble zur ersten Frau an der Spitze der CDU gewählt wurde, befand sich die Partei im Zeichen der Spendenaffäre um Helmut Kohl in einer tiefen Krise. Noch im Jahr zuvor hatte A. Merkel als Generalsekretärin am amtierenden Bundesvorsitzenden vorbei die Partei in einem Zeitungsbeitrag zur Abnabelung von ihrem Langzeitvorsitzenden und Kanzler H. Kohl aufgefordert; eine Abnabelung, die A. Merkel als Parteivorsitzende auch gegen Widerstände innerhalb der Partei forcierte. Doch erst infolge der gescheiterten Kanzlerkandidatur des bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber im September 2002, die A. Merkel auch im Lichte mangelnden innerparteilichen Rückhalts für eigene Ambitionen loyal mitgetragen hatte, vermochte sie eine feste Machtbasis an der Spitze der CDU zu konsolidieren. Sie übernahm mit Unterstützung E. Stoibers den Vorsitz der Unionsbundestagsfraktion (Fraktion) als Nachfolgerin von Friedrich Merz und führte fortan ihre Partei auf einen konsequenten Modernisierungskurs. Dabei standen neben gesellschafts- und familienpolitischen Neujustierungen (Gesellschaftspolitik, Familienpolitik) v. a. finanz- und steuerpolitische Aspekte (Finanzpolitik) im Mittelpunkt, die auf dem Bundesparteitag in Leipzig 2003 in der Forderung nach einer tiefgreifenden Reform des Systems der sozialen Sicherheit, darunter die Umstellung der Krankenversicherung auf ein einkommensunabhängiges Pro-Kopf-Prämiensystem, gipfelten. Diese Forderung, die im Wahlkampf der vorgezogenen Bundestagwahl 2005 eine wichtige Rolle spielte und nicht nur der Wählerschaft, sondern auch den eigenen Parteimitgliedern nur schwer oder gar nicht vermittelbar war, trug mit dazu bei, dass die Union mit 35,2 % (CDU 27,8 %) nur hauchdünn vor der SPD lag. Trotz dieser „gefühlten“ Wahlniederlage konnte die CDU nach siebenjähriger Oppositionszeit (Opposition) mit A. Merkel das Amt des Bundeskanzlers an der Spitze einer Großen Koalition für sich reklamieren. Dieses enttäuschende Wahlergebnis wurde 2009 mit 33,8 % (CDU 27,3 %), dem schlechtesten Ergebnis seit 1949, noch einmal unterboten, obwohl die CDU neuerliche programmatische Reformoffensiven im Wahlkampf vermied. Gleichwohl gelang es dank der massiven Stimmzuwächse der FDP, erneut die Bundeskanzlerin – nunmehr einer christlich-liberalen Bundesregierung – zu stellen. Erst bei der nachfolgenden Wahl 2013 sollte die Union deutlich Stimmen hinzu gewinnen und mit 41,5 % (CDU 34,1 %) die für Volksparteien (Parteien) wichtige 40 %-Hürde erstmals seit 1994 wieder überwinden, sodass die Parteivorsitzende erneut zur Kanzlerin – der zweiten Großen Koalition binnen zehn Jahren – gewählt wurde. Im sich wandelnden, von Volatilität, Individualisierung, Pluralisierung und von sich abschwächender Bindekraft charakterisierten Parteiensystem (Parteiensyteme) nimmt die Union gleichwohl noch immer eine zentrale Position im Parteienwettbewerb ein. Ohne ihre Führung scheint eine Regierungsbildung auf Bundesebene nur schwer möglich. Dass die CDU ihre Bundesvorsitzende trotz der Wahlergebnisse 2005 und 2009 nicht in Frage stellte, resultierte wesentlich aus dem Umstand, dass die Maximierung der Stimmenzahl für die CDU in ihrer Geschichte stets weniger wichtig war als die Optimierung ihrer Position im Parteiensystem – mit dem Ziel der Eroberung des Kanzleramts („Kanzlerwahlverein“).
2. Veränderungen der Machtarchitektur
Mit dieser elektoralen und koalitionspolitischen Entwicklung der Nach-Kohl-Zeit korrespondiert eine an Dynamik gewinnende Kanzlerfixierung im innerparteilichen Willensbildungsprozess. Diese hat v. a. zwei Ursachen: Bedeutende politische Entscheidungen in Bezug auf die Parteiprogrammatik, kündigten sich nicht langsam an, sondern wurden, bspw. bei der „Energiewende“ (Energiepolitik), der „Eurokrise“ und bei der immensen Zuwanderung, durch unvorhergesehene äußere Ereignisse ausgelöst und wirkten sich mit hoher Intensität und Geschwindigkeit unmittelbar auf das Regierungshandeln aus. Für intensive innerparteiliche Programmdebatten war dabei kaum Zeit. Und selbst dort, wo politischer Gestaltungsspielraum bestand, wie bei der Aussetzung der Wehrpflicht oder der Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft, folgte die Partei ohne lange Debatten den strategischen Vorstellungen ihrer Spitze. Deren Erfolg und Wählerakzeptanz werden zu einem Risikofaktor, wenn personelle Fixierung zulasten programmatischer Profilierung geht. Zum Zweiten verschob sich das Gewicht innerhalb der CDU-Gliederungen strukturell zu Gunsten der Bundesebene. Diese Machtverlagerung war weniger Ergebnis geplanter Verschiebungen, sondern ein (unerwünschter) Nebeneffekt verloren gegangener Landtagswahlen (Nordrhein-Westfalen 2010, Baden-Württemberg 2011, Hamburg 2011, Schleswig-Holstein 2012, Niedersachsen 2013, Thüringen 2014, fortgesetzt 2016 mit erheblichen Rückgängen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin). Dieser Macht- und Positionsverlust in wichtigen Bundesländern rührt an die tradierte Statik der Volkspartei CDU: eine klare Fixierung auf den starken Bundesvorsitzenden/Kanzler einerseits, ein starker parteiinterner Föderalismus mit wichtigen programmatischen Impulsen andererseits, der die CDU stets davor bewahrte, sich zu einer „selbstreferentiellen Kartellpartei“ (Zolleis 2015: 31) zu entwickeln.
3. Die CDU im Wandel des Parteiensystems
Die Schwächung der föderalen Ebene in der innerparteilichen Machtarchitektur der CDU geht zudem einher mit einem Rückgang der Mitgliederzahl von 890 000 im Jahr 1990 über 616 000 (2000) auf 436 000 (2016) sowie damit verbundener schwindender Verwurzelung in der Bevölkerung: Während in den 1970er und 1980er Jahren die Mitglieder noch den Querschnitt der eigenen Wählerschaft bildeten, hat sich die Mitgliederstruktur der CDU v. a. seit der Jahrtausendwende signifikant verschoben. Sie ist elitärer als noch vor wenigen Jahren, wohlhabendere Milieus und höhere Bildungsabschlüsse sind stärker vertreten, wohingegen der Anteil der Arbeiter sowie jener mit niedrigeren Bildungsabschlüssen zurückgegangen ist. Im Gegensatz dazu ist der schichtübergreifende Charakter in der Wählerschaft weitgehend erhalten geblieben: Die größte Arbeiterpartei in Deutschland an der Wahlurne ist nach wie vor die CDU.
Kehrseite dessen ist die Erosion der die Partei als Kernwählerschaft ursprünglich tragenden sozialmoralischen Milieus durch Säkularisierungs- und Weltanschauungsprozesse (Säkularisierung, Weltanschauung) in der Gesellschaft, für welche die Partei sich zwangsläufig geöffnet hat. Die Tolerierung gesellschaftspolitischer Modernisierung und die Dynamisierung supranationaler Orientierung führten offensichtlich zu einer Entfremdung wertkonservativer Anhänger, in deren Augen die CDU sich aus der politischen Mitte entfernt. Ein solches Vakuum eröffnet politischen Kräften rechts der Union die Chance, sich im Parteiensystem (Parteiensysteme) zu etablieren, die zu unterbinden stets eine Maxime von Franz Josef Strauß gewesen ist. Doch faktisch provoziert gesellschaftlicher Wandel eine Transformation der Kontinuität und Stabilität des überkommenen Parteiensystems, wie sie sich seit längerem im ersten Fünftel des 21. Jh. andeutet. Über die CDU hinaus ist davon das Parteiensystem insgesamt betroffen.
Literatur
F. Walter/C. Werwarth/O. D’Antonio: Die CDU. Entstehung und Verfall christdemokratischer Geschlossenheit, 22015 • U. Zolleis/J. Schmid: Die CDU unter Angela Merkel. Der neue Kanzlerwahlverein?, in: O. Niedermayer (Hg.): Die Parteien nach der Bundestagswahl 2013, 2015, 25–48 • F. Bösch: Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU), in: F. Decker/V. Neu (Hg.): Handbuch der deutschen Parteien, 22013, 203–218 • U. Zolleis: Die CDU. Das politische Leitbild im Wandel der Zeit, 2008.
Empfohlene Zitierweise
V. Kronenberg: Christlich Demokratische Union (CDU), II. Politikwissenschaftlich, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Christlich_Demokratische_Union_(CDU) (abgerufen: 25.11.2024)