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Aktuelle Version vom 16. Dezember 2022, 06:07 Uhr
1. Grundsätzliches
Unter E. versteht man den Sachverhalt, dass die Arbeitnehmer eines Betriebs neben ihrem vertraglich fest vereinbarten Entgelt (Kontrakteinkommen) einen Anteil am wirtschaftlichen Ergebnis des Unternehmens erhalten (Residualeinkommen). Die absolute Höhe dieses Einkommens ist im Vorhinein nicht festgelegt, sondern hängt vom Markterfolg des Unternehmens ab. Ansatzpunkte für eine E. der Arbeitnehmer können der Umsatz, die Produktivität oder der Gewinn des Unternehmens sein.
In einer marktwirtschaftlichen Ordnung steht der wirtschaftliche Ertrag eines Unternehmens grundsätzlich den Eigentümern (Kapitalgebern) zu. Diese einseitige Zurechnung des ökonomischen Erfolgs auf die Kapitaleigner begründet sich daraus, dass die Kapitalgeber auch das unternehmerische Risiko tragen. Die Arbeitnehmer haben unabhängig von der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens einen Anspruch auf den fest vereinbarten Lohn, durch den die Arbeitsleistung vollständig entgolten ist. Die Forderung nach einer Beteiligung der Arbeitnehmer am wirtschaftlichen Ergebnis eines Unternehmens muss demnach eigenständig begründet werden. Hierfür lassen sich wirtschaftsethische, betriebswirtschaftliche, volkswirtschaftliche und gesellschaftspolitische Gründe anführen. Aus wirtschaftsethischer Sicht wird argumentiert, dass nicht nur die Unternehmenseigner, sondern auch die Arbeitnehmer ein unternehmerisches Risiko tragen. Denn die Arbeitnehmer sind im Fall von Produktionseinschränkungen, Betriebsstilllegungen oder Standortänderungen dem Risiko des Arbeitsplatzverlustes ausgesetzt. In diesem Fall verlieren sie nicht nur das laufende Arbeitseinkommen, sondern sie sind auch gezwungen, eine neue Beschäftigung zu i. d. R. schlechteren Konditionen zu akzeptieren. Anders formuliert: die Arbeitnehmer investieren in betriebsspezifisches Humankapital, das sie im Fall einer schlechten Ertragslage des Unternehmens verlieren können.
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht sprechen personal- und finanzwirtschaftliche Argumente für eine Beteiligung der Arbeitnehmer am Erfolg des Unternehmens. Aus personalwirtschaftlicher Sicht erhofft man sich von Beschäftigten, die am Erfolg ihres Unternehmens beteiligt sind, eine höhere Arbeitsproduktivität. Dies wird zum einen damit begründet, dass sich Arbeitnehmer, die am Ertrag des Unternehmens beteiligt sind, in einem höheren Maße mit ihrem Unternehmen identifizieren als Arbeitnehmer, deren Entgelt im Vorhinein fest vereinbart wurde. Des Weiteren verspricht man sich von der Ertragsbeteiligung eine geringere Personalfluktuation. Dadurch verringern sich zum einen die Kosten, die durch Einstellungen und Entlassungen anfallen (sogenannte labor-turnover-Kosten), zum anderen werden Investitionen (Investition) in betriebsspezifisches Humankapital (Humankapital) für die Unternehmen rentabler. Die dadurch höhere Qualifikation der Arbeitnehmer erhöht ebenfalls deren Arbeitsproduktivität. Dass Betriebe, die ihre Arbeitnehmer am Ertrag beteiligen, produktiver sind als Betriebe ohne Ertragsbeteiligung, wurde empirisch vielfach festgestellt. Unklar ist jedoch die Kausalität dieses Effekts. Aus volkswirtschaftlicher Sicht spricht v. a. die höhere Flexibilität der Arbeitsentgelte für eine Beteiligung der Arbeitnehmer am ökonomischen Gewinn. Wenn die Arbeitsentgelte an den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens gekoppelt sind, dann passen sich die Kosten des Faktors Arbeit automatisch an Änderungen der Ertragslage des Unternehmens an. Dadurch erhöht sich zwar einerseits die Volatilität der Arbeitseinkommen, andererseits reduziert sich jedoch die Notwendigkeit, während einer Rezessionsphase Arbeitskräfte freizusetzen. Insofern substituiert eine Koppelung der Arbeitsentgelte an den Unternehmensertrag aus Sicht des Arbeitnehmers Einkommenssicherheit durch Beschäftigungssicherheit.
Gesellschaftspolitisch ist die E. der Arbeitnehmer ein Instrument, um den Gegensatz zwischen Arbeit und Kapital abzubauen. Durch eine Ertragsbeteiligung partizipieren die Arbeitnehmer unmittelbar an der wirtschaftlichen Verwertung des Faktors Kapital. Die Einkünfte der Arbeitnehmer bestehen damit nicht nur aus Arbeits-, sondern auch aus Kapitaleinkommen, d. h. es kommt zu einer „Querverteilung“ von Arbeits- und Kapitaleinkünften. Dadurch verspricht man sich eine höhere gesellschaftliche Akzeptanz eines auf Privateigentum an Produktionsmitteln beruhenden Wirtschaftssystems.
2. Beteiligungsmodelle
Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, die Mitarbeiter am Ertrag eines Unternehmens zu beteiligen. Bei der Gewinn- oder E. erhalten die Arbeitnehmer zusätzlich zu ihrem Arbeitsentgelt einen Teil des Unternehmensertrags. Bei der Kapitalbeteiligung erhalten die Arbeitnehmer einen Anteil am Eigen- oder Fremdkapital des Unternehmens. Hier erfolgt die Beteiligung der Arbeitnehmer in Form der Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand. Von einer Ertragsbeteiligung im engeren Sinne kann man in diesem Fall jedoch nur sprechen, wenn die Beteiligung der Arbeitnehmer am Eigenkapital des Unternehmens erfolgt. Denn nur dann findet über die Kapitalbeteiligung auch eine Beteiligung der Arbeitnehmer am ökonomischen Ertrag des Unternehmens statt.
Sowohl bei der E. wie bei der Kapitalbeteiligung kann man zwischen einer betrieblichen und einer überbetrieblichen Beteiligung unterscheiden. Bei der betrieblichen Beteiligung werden die Kapitalien im Arbeit gebenden Unternehmen angelegt. Dies hat für das Unternehmen den Vorteil, dass die Mittel im Unternehmen verbleiben und kein Abfluss von Liquidität stattfindet. Darüber hinaus ist das Einkommen der Beschäftigten direkt mit dem Unternehmenserfolg verbunden; hiervon erwartet man die stärksten Anreizeffekte. Allerdings sind mit einer betrieblichen Beteiligung auch bestimmte Risiken verbunden. Bei einer betrieblichen Gewinn- und Kapitalbeteiligung kumulieren sich Einkommens-, Arbeitsplatz- und Vermögensrisiko, da im Insolvenzfall (Insolvenz) zum Arbeitsplatzverlust auch ein Verlust der Ertragsanteile und der Kapitalbeteiligung hinzutritt. Bei überbetrieblichen Beteiligungsformen werden die Arbeitnehmer am Gewinn einer Branche oder der Gesamtwirtschaft beteiligt, die Anlage erfolgt am Kapitalmarkt. Dadurch entfällt das unternehmensspezifische Risiko, gleichzeitig sind die Anreizeffekte deutlich schwächer ausgeprägt.
Beteiligungsmodelle werden in der BRD staatlich gefördert. Gemäß § 3 Nr. 39 EStG sind unentgeltlich oder verbilligt überlassene Unternehmensbeteiligungen bis zu 360 € pro Jahr für den Arbeitnehmer steuer- und sozialabgabebefreit. Eine steuerliche Förderung ist auch möglich, wenn die Vermögensbeteiligung durch Entgeltumwandlung finanziert wird; in diesem Fall ist das Einkommen jedoch beitragspflichtig.
Beteiligungen am Eigenkapital eines Unternehmens sind Belegschaftsaktien, Genossenschaftsanteile sowie GmbH- und Kommanditistenanteile. Die häufigste Beteiligung am Fremdkapital ist das Mitarbeiterdarlehen. Dabei überlassen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Beteiligungskapital durch einen Darlehensvertrag. Sie werden dadurch zu Gläubigern des Unternehmens. Weiterhin existieren mit der stillen Beteiligung, der indirekten Beteiligung und den Genussrechten Mischformen aus Eigen- und Fremdkapitalbeteiligung. Zahlreiche klein- und mittelständische Unternehmen mit Mitarbeiterbeteiligung sind in der „Arbeitsgemeinschaft Partnerschaft in der Wirtschaft“ zusammengeschlossen. Der Verbreitungsgrad von Mitarbeiterkapitalbeteiligungsmodellen wird in Deutschland nicht systematisch erfasst. Nach einer Studie des Deutschen Aktieninstituts boten im Jahr 2012 36 % der börsennotierten Unternehmen Beteiligungsprogramme für breite Mitarbeiterkreise an, weitere 15 % sahen entsprechende Beteiligungsformen nur für Führungskräfte vor. In den klein- und mittelständischen Betrieben dominieren Fremdkapitalbeteiligungen in Form von Mitarbeiterdarlehen und stillen Darlehen. Eine Auswertung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung über alle Betriebe ergab, dass im Jahr 2009 lediglich ein Prozent aller Betriebe ihre Beschäftigten am Kapital des Unternehmens beteiligten. Etwas weiter verbreitet ist die Gewinn- oder E. der Arbeitnehmer; hier gaben 9 % aller Betriebe an, ihre Arbeitnehmer direkt am Gewinn zu beteiligen.
Literatur
Deutsches Aktieninstitut: Mitarbeiterbeteiligung mit Aktien. Eine Umfrage unter börsennotierten Unternehmen in Deutschland, 2013 • L. Bellmann/I. Möller: Finanzielle Mitarbeiterbeteiligung, iab-Kurzbericht 17 (2011) • BMAS (Hg.): Mitarbeiterkapitalbeteiligung. Modelle und Förderwege, 2009 • U. Backes-Gellner u. a.: Mitarbeiterbeteiligung in kleinen und mittleren Unternehmen. Verbreitung, Effekte, Voraussetzungen, 2002 • J. Althammer: Gewinnbeteiligung bei begrenzter Haftung, 1994 • D. L. Kruse: Profit sharing and Productivity. Microecononic Evidence from the United States, in: EconJ 102/410 (1992), 24–36 • M. Weitzmann: The Share Economy. Conquering Stagflation, 1986.
Empfohlene Zitierweise
J. Althammer: Erfolgsbeteiligung, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Erfolgsbeteiligung (abgerufen: 22.11.2024)