Handelsrecht: Unterschied zwischen den Versionen

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Erstens ist H. [[Privatrecht|<I>Privatrecht</I>]], auch wenn es vereinzelt ihrer Natur nach öffentlich-rechtliche Normen enthält (etwa §§&nbsp;8–16 [Registerrecht] oder §§&nbsp;18–37 HGB [Firmenrecht]). Und zweitens ist H. <I>Sonder</I>privatrecht. Darunter fallen Privatrechtsnormen, die nur zivilrechtliche Teilbereiche erfassen, namentlich nur bestimmte Gruppen von Personen. So gilt das H. nach herkömmlicher Lesart eben nur – so jedenfalls das historische Konzept des HGB – für Kaufleute, und folgt mit der Anknüpfung an die Kaufmannseigenschaft (daher: <I>Kaufmannsrecht</I>) dem sogenannten <I>subjektiven System</I>. Danach kommt es für die Anwendung des H.s grundsätzlich nicht darauf an, ob ein bestimmtes Rechtsgeschäft vorliegt, sondern ob das Rechtssubjekt dem H. unterstellt wird. Das erste Buch des HGB behandelt dementsprechend den „Handelsstand“ und dort in §§&nbsp;1–7 die Kaufleute. Während andere Rechtsordnungen teilweise ein „objektives System“ ihrem H. zugrunde legen, namentlich etwa Frankreich <I>(actes de commerce)</I>, beruht die deutsche Anknüpfung an den Kaufmannsstand auf den Fortwirkungen des Ständewesens und des Berufsrechts.
 
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H. trägt in einem bes.n Maße zu einer zwischenstaatlichen Rechtsvereinheitlichung bei, da der Handelsverkehr stärker als der sonstige Privatrechtsverkehr auf grenzüberschreitende Vorgänge abgestimmt ist; durch seinen frühzeitigen Praxisbezug ist es sozusagen Schrittmacher der Rechtsentwicklung. Des Weiteren setzt ein gut funktionierender Handelsverkehr Einfachheit und Schnelligkeit des Abschlusses und der Abwicklung von Handelsgeschäften voraus. Charakteristisch hierzu sind etwa: Formfreiheit für einzelne Geschäfte (§&nbsp;350 HGB), Schweigen als Annahme (§&nbsp;362 HGB) oder die Rügeobliegenheit im Gewährleistungsrecht (§&nbsp;377 HGB). Schließlich sind noch die ineinandergreifenden Gesichtspunkte der Rechtsklarheit und des Vertrauensschutzes hervorzuheben. So verringern die bes.n Regelungen zur Vertretungsmacht (§§&nbsp;49&nbsp;f., 54, 56 HGB) das Risiko des <I>falsus procurator</I>. Dem Vertrauensschutz dient aus sachenrechtlicher Sicht insb. das nach §&nbsp;366 HGB zusätzliche Vertrauen des Erwerbers in die Verfügungsmacht des Veräußerers.
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H. trägt in einem besonderen Maße zu einer zwischenstaatlichen Rechtsvereinheitlichung bei, da der Handelsverkehr stärker als der sonstige Privatrechtsverkehr auf grenzüberschreitende Vorgänge abgestimmt ist; durch seinen frühzeitigen Praxisbezug ist es sozusagen Schrittmacher der Rechtsentwicklung. Des Weiteren setzt ein gut funktionierender Handelsverkehr Einfachheit und Schnelligkeit des Abschlusses und der Abwicklung von Handelsgeschäften voraus. Charakteristisch hierzu sind etwa: Formfreiheit für einzelne Geschäfte (§&nbsp;350 HGB), Schweigen als Annahme (§&nbsp;362 HGB) oder die Rügeobliegenheit im Gewährleistungsrecht (§&nbsp;377 HGB). Schließlich sind noch die ineinandergreifenden Gesichtspunkte der Rechtsklarheit und des Vertrauensschutzes hervorzuheben. So verringern die besonderen Regelungen zur Vertretungsmacht (§§&nbsp;49&nbsp;f., 54, 56 HGB) das Risiko des <I>falsus procurator</I>. Dem Vertrauensschutz dient aus sachenrechtlicher Sicht insb. das nach §&nbsp;366 HGB zusätzliche Vertrauen des Erwerbers in die Verfügungsmacht des Veräußerers.
 
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Wie sonstiges [[Gewohnheitsrecht]] entsteht auch das <I>Handels</I>gewohnheitsrecht durch eine länger praktizierte und von Rechtsgeltungswillen getragene, ständige Übung durch die betroffenen, hier also kaufmännischen, Verkehrskreise. Bekannte Beispiele sind die Lehre vom Scheinkaufmann und die Regeln zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben. Vom Handelsgewohnheitsrecht zu unterscheiden sind die nach §&nbsp;346 HGB anerkannten Handelsbräuche. Sie entstehen durch eine länger praktizierte Übung von Auslegungsregeln oder Verhaltenserwartungen (und dienen so als Auslegungshilfe; §§&nbsp;157, 242 BGB). Im Gegensatz zum Gewohnheitsrecht sind sie nicht als Rechtsnormen anerkannt, weil es ihnen an einem allg.en Rechtsgeltungswillen fehlt; erst wenn zur lang anhaltenden Übung der Rechtsgeltungswille hinzukommt, wird aus dem Handelsbrauch ein (Handels-)Gewohnheitsrecht. Größere Bedeutung erlangen die Handelsbräuche gerade im Bilanzrecht bei den GoB.
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Wie sonstiges [[Gewohnheitsrecht]] entsteht auch das <I>Handels</I>gewohnheitsrecht durch eine länger praktizierte und von Rechtsgeltungswillen getragene, ständige Übung durch die betroffenen, hier also kaufmännischen, Verkehrskreise. Bekannte Beispiele sind die Lehre vom Scheinkaufmann und die Regeln zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben. Vom Handelsgewohnheitsrecht zu unterscheiden sind die nach §&nbsp;346 HGB anerkannten Handelsbräuche. Sie entstehen durch eine länger praktizierte Übung von Auslegungsregeln oder Verhaltenserwartungen (und dienen so als Auslegungshilfe; §§&nbsp;157, 242 BGB). Im Gegensatz zum Gewohnheitsrecht sind sie nicht als Rechtsnormen anerkannt, weil es ihnen an einem allgemeinen Rechtsgeltungswillen fehlt; erst wenn zur lang anhaltenden Übung der Rechtsgeltungswille hinzukommt, wird aus dem Handelsbrauch ein (Handels-)Gewohnheitsrecht. Größere Bedeutung erlangen die Handelsbräuche gerade im Bilanzrecht bei den GoB.
 
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[[Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)|AGB]] sind im Handelsverkehr weit verbreitet, bedürfen aber zwingend einer vertraglichen Einbeziehung (§&nbsp;305 Abs.&nbsp;1 BGB); daher sind sie auch keine Rechtsnormen. Zur erleichterten Anwendung der §§&nbsp;305–310 BGB unter Kaufleuten ist auf §&nbsp;310 BGB zu verweisen (so z.&nbsp;B. stillschweigende Willensübereinstimmung über Abs.&nbsp;1 S.&nbsp;1 i.&nbsp;V.&nbsp;m. §§&nbsp;14, 305 Abs.&nbsp;2 BGB; wichtig auch Abs.&nbsp;1 S.&nbsp;2. Halbs.&nbsp;2). Allg.e Verbreitung haben z.&nbsp;B. die AGB-Sparkassen, AGB-Banken oder die Allgemeinen Deutschen Spediteur-Bedingungen.
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[[Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)|AGB]] sind im Handelsverkehr weit verbreitet, bedürfen aber zwingend einer vertraglichen Einbeziehung (§&nbsp;305 Abs.&nbsp;1 BGB); daher sind sie auch keine Rechtsnormen. Zur erleichterten Anwendung der §§&nbsp;305–310 BGB unter Kaufleuten ist auf §&nbsp;310 BGB zu verweisen (so z.&nbsp;B. stillschweigende Willensübereinstimmung über Abs.&nbsp;1 S.&nbsp;1 i.&nbsp;V.&nbsp;m. §§&nbsp;14, 305 Abs.&nbsp;2 BGB; wichtig auch Abs.&nbsp;1 S.&nbsp;2. Halbs.&nbsp;2). Allgemeine Verbreitung haben z.&nbsp;B. die AGB-Sparkassen, AGB-Banken oder die Allgemeinen Deutschen Spediteur-Bedingungen.
 
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<I>f)</I> Besonderheiten bei der Mängelhaftung beim Handelskauf durch sogenannte Rügeobliegenheit (§&nbsp;377 HGB).
 
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[[Category:Rechtswissenschaft]]

Aktuelle Version vom 16. Dezember 2022, 06:08 Uhr

1. Gegenstand und Charakteristika

1.1 Begriffsbestimmung

H. wird herkömmlich als Sonderprivatrecht der Kaufleute bezeichnet. Damit wird zweierlei gesagt:

Erstens ist H. Privatrecht, auch wenn es vereinzelt ihrer Natur nach öffentlich-rechtliche Normen enthält (etwa §§ 8–16 [Registerrecht] oder §§ 18–37 HGB [Firmenrecht]). Und zweitens ist H. Sonderprivatrecht. Darunter fallen Privatrechtsnormen, die nur zivilrechtliche Teilbereiche erfassen, namentlich nur bestimmte Gruppen von Personen. So gilt das H. nach herkömmlicher Lesart eben nur – so jedenfalls das historische Konzept des HGB – für Kaufleute, und folgt mit der Anknüpfung an die Kaufmannseigenschaft (daher: Kaufmannsrecht) dem sogenannten subjektiven System. Danach kommt es für die Anwendung des H.s grundsätzlich nicht darauf an, ob ein bestimmtes Rechtsgeschäft vorliegt, sondern ob das Rechtssubjekt dem H. unterstellt wird. Das erste Buch des HGB behandelt dementsprechend den „Handelsstand“ und dort in §§ 1–7 die Kaufleute. Während andere Rechtsordnungen teilweise ein „objektives System“ ihrem H. zugrunde legen, namentlich etwa Frankreich (actes de commerce), beruht die deutsche Anknüpfung an den Kaufmannsstand auf den Fortwirkungen des Ständewesens und des Berufsrechts.

1.2 Bedeutung

Als Sonderprivatrecht für den kaufmännischen Rechtsverkehr beruht das H. auf der Überzeugung, das Privatrecht auf bes. Bedürfnisse stärker einzurichten:

H. trägt in einem besonderen Maße zu einer zwischenstaatlichen Rechtsvereinheitlichung bei, da der Handelsverkehr stärker als der sonstige Privatrechtsverkehr auf grenzüberschreitende Vorgänge abgestimmt ist; durch seinen frühzeitigen Praxisbezug ist es sozusagen Schrittmacher der Rechtsentwicklung. Des Weiteren setzt ein gut funktionierender Handelsverkehr Einfachheit und Schnelligkeit des Abschlusses und der Abwicklung von Handelsgeschäften voraus. Charakteristisch hierzu sind etwa: Formfreiheit für einzelne Geschäfte (§ 350 HGB), Schweigen als Annahme (§ 362 HGB) oder die Rügeobliegenheit im Gewährleistungsrecht (§ 377 HGB). Schließlich sind noch die ineinandergreifenden Gesichtspunkte der Rechtsklarheit und des Vertrauensschutzes hervorzuheben. So verringern die besonderen Regelungen zur Vertretungsmacht (§§ 49 f., 54, 56 HGB) das Risiko des falsus procurator. Dem Vertrauensschutz dient aus sachenrechtlicher Sicht insb. das nach § 366 HGB zusätzliche Vertrauen des Erwerbers in die Verfügungsmacht des Veräußerers.

2. Rechtsquellen

Das H. im materiellen Sinne ist nicht identisch mit dem und nicht ausgeschöpft durch das HGB. Eine Gleichsetzung von HGB und H. vermittelt ein schiefes Bild. Quellen des H.s sind breit vorhanden:

2.1 Gesetzes- und Verordnungsrecht

Im Mittelpunkt des handelsrechtlichen Gesetzesrechts stehen die fünf Bücher des HGB vom 10.5.1897, welches als Bundesrecht fortgilt (Art. 125 GG). Enthalten sind hier:

HGB
Erstes Buch (§§ 1–104a) Handelsstand: Kaufleute, Handels- und Unternehmensregister, Handelsfirma, Prokura und Handlungsvollmacht, Handlungsgehilfen, Handelsvertreter, Handelsmakler, Bußgeldvorschrift
Zweites Buch (§§ 105–237) Handelsgesellschaften und stille Gesellschaft: Offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft, Stille Gesellschaft
Drittes Buch (§§ 238–342e) Handelsbücher: Vorschriften für alle Kaufleute, Ergänzende Vorschriften für Kapitalgesellschaften und bestimmte Personenhandelsgesellschaften, für eingetragene Genossenschaften und für Unternehmen bestimmter Geschäftszweige
Viertes Buch (§§ 343–475h) Handelsgeschäfte: Allgemeine Vorschriften, Handelskauf, Kommissionsgeschäft, Frachtgeschäft, Speditionsgeschäft, Lagergeschäft
Fünftes Buch (§§ 476–619) Seehandel

Abb. 1 Bücher des HGB

Grundlage des H.s sind hier v. a. das Erste und das Vierte Buch des HGB, da diese weitgehend das Sonderprivatrecht der Kaufleute enthalten. Außerhalb des HGB finden sich zahlreiche handelsrechtliche Normen etwa im WechselG, ScheckG, DepotG, VVG sowie auch in der ZPO im Bereich der gerichtlichen Zuständigkeit (§§ 29 Abs. 2, 38 Abs. 1 ZPO). Von den Rechtsverordnungen hervorzuheben sind die EVO und die HRV. Im Übrigen wird das nationale Recht zunehmend durch das Europarecht beeinflusst, namentlich aufgrund von RL. Die Rechtsvereinheitlichung hat so insb. auf dem Gebiet des Kaufrechts (UN-Kaufrecht, CISG) zu einem Einheitsrecht geführt.

2.2 Handelsgewohnheitsrecht und Handelsbräuche

Wie sonstiges Gewohnheitsrecht entsteht auch das Handelsgewohnheitsrecht durch eine länger praktizierte und von Rechtsgeltungswillen getragene, ständige Übung durch die betroffenen, hier also kaufmännischen, Verkehrskreise. Bekannte Beispiele sind die Lehre vom Scheinkaufmann und die Regeln zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben. Vom Handelsgewohnheitsrecht zu unterscheiden sind die nach § 346 HGB anerkannten Handelsbräuche. Sie entstehen durch eine länger praktizierte Übung von Auslegungsregeln oder Verhaltenserwartungen (und dienen so als Auslegungshilfe; §§ 157, 242 BGB). Im Gegensatz zum Gewohnheitsrecht sind sie nicht als Rechtsnormen anerkannt, weil es ihnen an einem allgemeinen Rechtsgeltungswillen fehlt; erst wenn zur lang anhaltenden Übung der Rechtsgeltungswille hinzukommt, wird aus dem Handelsbrauch ein (Handels-)Gewohnheitsrecht. Größere Bedeutung erlangen die Handelsbräuche gerade im Bilanzrecht bei den GoB.

2.3 Allgemeine Geschäftsbedingungen

AGB sind im Handelsverkehr weit verbreitet, bedürfen aber zwingend einer vertraglichen Einbeziehung (§ 305 Abs. 1 BGB); daher sind sie auch keine Rechtsnormen. Zur erleichterten Anwendung der §§ 305–310 BGB unter Kaufleuten ist auf § 310 BGB zu verweisen (so z. B. stillschweigende Willensübereinstimmung über Abs. 1 S. 1 i. V. m. §§ 14, 305 Abs. 2 BGB; wichtig auch Abs. 1 S. 2. Halbs. 2). Allgemeine Verbreitung haben z. B. die AGB-Sparkassen, AGB-Banken oder die Allgemeinen Deutschen Spediteur-Bedingungen.

3. (Kurz-)Geschichte des Handelsrechts

Als Frühformen eines H.s lassen sich bereits die im Spätmittelalter in den oberitalienischen Handelsstädten und den Hansestädten vorzufindenden Privilegien und Handelsbräuche für bzw. zwischen Händlern und Kaufleuten begreifen. In Deutschland enthielt erstmals das PrALR von 1794 umfassende Regelungen des H.- und Gewerberechts. Nach der Vorbildwirkung des französischen code de commerce für zahlreiche handelsrechtliche Kodifikationen namentlich in den linksrheinischen Gebieten und Baden bis in die Mitte des 19. Jh. trat im Jahr 1861 mit dem ADHGB die erste gesamtdeutsche H.s-Kodifikation in Kraft. Auch wenn das ADHGB eine durchaus moderne und gelungene Kodifikation darstellte und Protokolle der Kommission ebenso wie die Rspr. des Reichsoberhandelsgerichts vielfach noch heute zur Auslegung von HGB-Vorschriften herangezogen werden, beschloss man, das H. im Zuge der Schaffung des BGB an dieses anzupassen. Zeitgleich mit dem BGB trat sodann das im Grundsatz noch heute geltende HGB am 1.1.1900 in Kraft. Die mehrfachen Änderungen des HGB, die keine revolutionären Einschnitte brachten, sind hier nicht alle im Einzelnen aufzuzählen. Von grundsätzlicher Bedeutung sind nur zu nennen: die Ausgliederung des reformierten Aktienrechts in das selbstständige AktG 1937, die Reformierung des Kaufmannsbegriffs und des Firmenrechts durch das HRefG 1998 und die Reform des Registerrechts durch das EHUG von 2006.

4. Kaufleute als handelsrechtliche Grundlegung

Da das H. als Sonderprivatrecht der Kaufleute konzipiert ist, stellt das HGB die Festlegung des Kaufmannsbegriffs an die Spitze (§§ 1–7). Handelsrechtliche Vorschriften sind demzufolge nur anwendbar, wenn mindestens einer der am Geschäft Beteiligten Kaufmann ist:

4.1 Kaufmannsrecht

Die Kaufmannseigenschaft setzt das Betreiben eines Handelsgewerbes voraus, und Handelsgewerbe selbst ist nach § 1 Abs. 2 HGB (Ist-Kaufmann) seit der Reform durch das HRefG grundsätzlich jeder Gewerbetreibende (heute richtiger als „Kaufmann“ daher: Gewerbetreibender); ausgenommen werden nur Kleingewerbetreibende, deren Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert. Eine gesetzliche Definition des Gewerbebegriffs, der an erster Stufe zu klären ist, findet sich weder im HGB noch im Gewerberecht; im Steuerrecht ist zwar auf § 15 Abs. 2 S. 1 EStG abzustellen, doch ist der Gewerbebegriff angesichts der Relativität der Rechtsbegriffe nicht notwendigerweise für alle Rechtsgebiete derselbe. Für das H. verstehen Rspr. und Wissenschaft unter dem Begriff des Gewerbes im Grundsatz eine a) selbstständige, b) planmäßig, auf eine gewisse Dauer angelegte, c) nach außen gerichtete, marktorientierte, d) auf Gewinnerzielung gerichtete (str.) und e) zulässige und rechtsgeschäftlich durchsetzbare (str.) Tätigkeit, f) mit Ausnahme der freien Berufe (vgl. BGHZ 63, 32, 33). Juristische Personen des Privatrechts wie Kapitalgesellschaften (AG, KGaA, SE, GmbH) sind Kaufleute, unabhängig davon, ob sie ein Gewerbe betreiben (§ 6 Abs. 2 HGB, Formkaufmann). Personenhandelsgesellschaften (OHG und KG) sind notwendigerweise auf den Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtet und erhalten die Kaufmannseigenschaft zuerkannt (§ 6 Abs. 1 HGB). Die Eintragung eines Kleingewerbetreibenden in das HR hat im Fall des § 2 HGB konstitutive Wirkung, da dieser erst durch sie den Kaufmannsstatus erlangt (Kann-Kaufmann); der Kleingewerbetreibende ist hierzu berechtigt, aber nicht verpflichtet (S. 2).

4.2 Unterschiede zum Unternehmensrecht

H. und Unternehmensrecht sind nicht dasselbe, weil die Rechtsmaterien sich voneinander unterscheiden und die maßgebliche Anknüpfung zum jeweiligen Rechtsgebiet auch nach der grundlegenden Novelle durch das HRefG weiterhin anders verläuft. Unternehmen meint die wirtschaftliche Organisation, mittels derer ihr „Träger“ am Markt tätig wird. Der Kaufmannsbegriff wird durch den des Unternehmens aber nicht ersetzt, und so ist bis jetzt keine grundlegende Umgestaltung des H.s in ein Recht der Unternehmen vorgesehen. Wichtige Formen unternehmerischer Betätigung bleiben vom H. also ausgeklammert. Namentlich die freiberuflichen Tätigkeiten, eine historisch begründete Differenzierung, fallen nicht unter den Anwendungsbereich handelsrechtlicher Normen. Das Bürgerliche Recht enthält in § 14 BGB indes eine Legaldefinition des Unternehmers und hat somit einen unternehmensrechtlichen Ansatz gewählt. Dieser Begriff ist weiter als der Kaufmannsbegriff (und umfasst freiberufliche Tätigkeiten). Im Übrigen wählt das österreichische Gesetzbuch insoweit einen anderen Weg und hat durch das UGB den Kaufmannsbegriff durch den des Unternehmers ersetzt.

5. Verweis auf Besonderheiten

Abschließend hier noch eine kurze Auflistung der typisch handelsrechtlichen Punkte, mit denen das HGB das Bürgerliche Recht spezifiziert:

a) das (elektronische) HR mit seiner Publizitätswirkung (wichtig: § 15 HGB);

b) Prokura als bes. handelsrechtliche Vollmacht mit gesetzlich bestimmtem Umfang (§§ 48–53 HGB) sowie die Handlungs- und die Ladenvollmacht (§§ 54, 56 HGB);

c) erleichterter Eigentums- und Pfandrechtserwerb (§ 366 HGB);

d) das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht und das die Abrechnung erleichternde Kontokorrent (§ 369 bzw. § 355 HGB);

e) Verzögerungen beim Handelskauf (§§ 373 f. HGB);

f) Besonderheiten bei der Mängelhaftung beim Handelskauf durch sogenannte Rügeobliegenheit (§ 377 HGB).