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D. bezeichnet die Gestaltung der politischen Ordnung eines [[Staat|Staates]] nach demokratischen Prinzipien. Zwei Hauptmerkmale charakterisieren den demokratischen Verfassungsstaat, die moderne Ausprägung einer der demokratischen Legitimationsidee ([[Legitimation]]) entsprechenden politischen Ordnung: zum einen das Erfordernis der Zustimmung des Volkes ([[Volkssouveränität]])  zur politischen Führung im formellen Akt allg.er, freier und gleicher [[Wahlen]] unter den Bedingungen der [[Meinungsfreiheit]], Presse- und [[Vereinigungsfreiheit]]; zum anderen die Begrenzung und Abstützung der Mehrheitsherrschaft durch den [[Rechtsstaat]], der die Tätigkeit der staatlichen Organe an Verfassung und Gesetz bindet, damit zugleich für Machtbegrenzung, Verantwortlichkeit und Freiheitssicherung sorgt und auf diese Weise die Voraussetzungen für eine pluralistische Gesellschaft ([[Pluralismus]]), einen offenen politischen Prozess, politische Partizipations- und bürgerliche Freiheitsrechte sowie eine wirkungsvolle [[Gewaltenteilung]] schafft. D. bedeutet die Etablierung dieser Grundelemente demokratischer Verfassung in einem bestimmten Staat, was Gestaltungsraum für unterschiedliche Spielarten demokratischer Systeme lässt (parlamentarische/präsidentielle, Mehrheits-/Konsensdemokratien etc.). Sie kann auf dem Weg zu einer voll entwickelten [[Demokratie]] stecken bleiben; in diesem Fall entsteht eine „defekte“ Demokratie, die wegen des Fehlens eines oder mehrerer Grundelemente nur unzulänglich funktioniert.
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D. bezeichnet die Gestaltung der politischen Ordnung eines [[Staat|Staates]] nach demokratischen Prinzipien. Zwei Hauptmerkmale charakterisieren den demokratischen Verfassungsstaat, die moderne Ausprägung einer der demokratischen Legitimationsidee ([[Legitimation]]) entsprechenden politischen Ordnung: zum einen das Erfordernis der Zustimmung des Volkes ([[Volkssouveränität]])  zur politischen Führung im formellen Akt allgemeiner, freier und gleicher [[Wahlen]] unter den Bedingungen der [[Meinungsfreiheit]], Presse- und [[Vereinigungsfreiheit]]; zum anderen die Begrenzung und Abstützung der Mehrheitsherrschaft durch den [[Rechtsstaat]], der die Tätigkeit der staatlichen Organe an Verfassung und Gesetz bindet, damit zugleich für Machtbegrenzung, Verantwortlichkeit und Freiheitssicherung sorgt und auf diese Weise die Voraussetzungen für eine pluralistische Gesellschaft ([[Pluralismus]]), einen offenen politischen Prozess, politische Partizipations- und bürgerliche Freiheitsrechte sowie eine wirkungsvolle [[Gewaltenteilung]] schafft. D. bedeutet die Etablierung dieser Grundelemente demokratischer Verfassung in einem bestimmten Staat, was Gestaltungsraum für unterschiedliche Spielarten demokratischer Systeme lässt (parlamentarische/präsidentielle, Mehrheits-/Konsensdemokratien etc.). Sie kann auf dem Weg zu einer voll entwickelten [[Demokratie]] stecken bleiben; in diesem Fall entsteht eine „defekte“ Demokratie, die wegen des Fehlens eines oder mehrerer Grundelemente nur unzulänglich funktioniert.
 
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Über diesen engeren, auf den Staat bezogenen Begriff hinaus wird D. in einem weiteren Sinn als die Einführung demokratischer Willensbildungs- und Entscheidungsverfahren in der Gesellschaft verstanden. Gestützt auf das Argument, die verfassungsmäßige staatlich-politische Demokratie bedürfe zu ihrer Sicherung der komplementären D. aller sozialen Bereiche, ansonsten schwebe sie in der Luft, entwickelte sich das D.s-Postulat zur „universalste[n] gesellschaftspolitische[n] Forderung“ der 1960er und 1970er Jahre (Hennis 1972:&nbsp;9). Die D. aller gesellschaftlichen Strukturen (der Schule, der Hochschule, der Familie, der Wirtschaftsunternehmen, der Streitkräfte, der Kirchen usw.) soll die in ihnen bestehenden Herrschaftsverhältnisse minimieren, wenn nicht Herrschaft überhaupt beseitigen. Der Realisierung eines so verstandenen D.s-Postulats stehen jedoch grundsätzliche Hindernisse entgegen. So sind Freiheit und Gleichheit der Beteiligten, Grundvoraussetzung der Geltung demokratischer Prinzipien im Staat, in den gesellschaftlichen Bereichen nicht gegeben. Weiterhin unterscheiden sich die Aufgaben des Staates, nämlich die Herstellung und Durchsetzung legitimer für die Gesamtheit verbindlicher Entscheidungen, von den Aufgaben, die die jeweiligen gesellschaftlichen Bereiche wahrnehmen. Eine Übertragung staatlicher Organisationsstrukturen auf sie ist somit nicht funktionsgerecht. So wünschenswert der Abbau von Hierarchien ([[Hierarchie]]) und, etwa in den Kirchen, die Stärkung synodaler Strukturen ([[Synode]]), so sinnvoll die Mitbestimmung in Wirtschaftsunternehmen oder die Abschaffung autoritärer Unterrichtsmethoden in den Schulen sein mögen, so wenig lassen sie sich von einem streng gefassten Demokratiebegriff ableiten. Es empfiehlt sich daher, auch den D.s-Begriff in seiner engeren Bedeutung zu verwenden und auf die staatliche Sphäre zu beschränken.
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Über diesen engeren, auf den Staat bezogenen Begriff hinaus wird D. in einem weiteren Sinn als die Einführung demokratischer Willensbildungs- und Entscheidungsverfahren in der Gesellschaft verstanden. Gestützt auf das Argument, die verfassungsmäßige staatlich-politische Demokratie bedürfe zu ihrer Sicherung der komplementären D. aller sozialen Bereiche, ansonsten schwebe sie in der Luft, entwickelte sich das D.s-Postulat zur „universalste[n] gesellschaftspolitische[n] Forderung“ der 1960er und 1970er Jahre (Hennis 1972:&nbsp;9). Die D. aller gesellschaftlichen Strukturen (der Schule, der Hochschule, der Familie, der Wirtschaftsunternehmen, der Streitkräfte, der Kirchen usw.) soll die in ihnen bestehenden Herrschaftsverhältnisse minimieren, wenn nicht Herrschaft überhaupt beseitigen. Der Realisierung eines so verstandenen D.s-Postulats stehen jedoch grundsätzliche Hindernisse entgegen. So sind Freiheit und Gleichheit der Beteiligten, Grundvoraussetzung der Geltung demokratischer Prinzipien im Staat, in den gesellschaftlichen Bereichen nicht gegeben. Weiterhin unterscheiden sich die Aufgaben des Staates, nämlich die Herstellung und Durchsetzung legitimer für die Gesamtheit verbindlicher Entscheidungen, von den Aufgaben, die die jeweiligen gesellschaftlichen Bereiche wahrnehmen. Eine Übertragung staatlicher Organisationsstrukturen auf sie ist somit nicht funktionsgerecht. So wünschenswert der Abbau von Hierarchien ([[Hierarchie]]) und, etwa in den Kirchen, die [[Synodaler Weg|Stärkung synodaler Strukturen]] ([[Synode]]), so sinnvoll die Mitbestimmung in Wirtschaftsunternehmen oder die Abschaffung autoritärer Unterrichtsmethoden in den Schulen sein mögen, so wenig lassen sie sich von einem streng gefassten Demokratiebegriff ableiten. Es empfiehlt sich daher, auch den D.s-Begriff in seiner engeren Bedeutung zu verwenden und auf die staatliche Sphäre zu beschränken.
 
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Aktuelle Version vom 30. Mai 2023, 11:36 Uhr

1. Begriff

D. bezeichnet die Gestaltung der politischen Ordnung eines Staates nach demokratischen Prinzipien. Zwei Hauptmerkmale charakterisieren den demokratischen Verfassungsstaat, die moderne Ausprägung einer der demokratischen Legitimationsidee (Legitimation) entsprechenden politischen Ordnung: zum einen das Erfordernis der Zustimmung des Volkes (Volkssouveränität) zur politischen Führung im formellen Akt allgemeiner, freier und gleicher Wahlen unter den Bedingungen der Meinungsfreiheit, Presse- und Vereinigungsfreiheit; zum anderen die Begrenzung und Abstützung der Mehrheitsherrschaft durch den Rechtsstaat, der die Tätigkeit der staatlichen Organe an Verfassung und Gesetz bindet, damit zugleich für Machtbegrenzung, Verantwortlichkeit und Freiheitssicherung sorgt und auf diese Weise die Voraussetzungen für eine pluralistische Gesellschaft (Pluralismus), einen offenen politischen Prozess, politische Partizipations- und bürgerliche Freiheitsrechte sowie eine wirkungsvolle Gewaltenteilung schafft. D. bedeutet die Etablierung dieser Grundelemente demokratischer Verfassung in einem bestimmten Staat, was Gestaltungsraum für unterschiedliche Spielarten demokratischer Systeme lässt (parlamentarische/präsidentielle, Mehrheits-/Konsensdemokratien etc.). Sie kann auf dem Weg zu einer voll entwickelten Demokratie stecken bleiben; in diesem Fall entsteht eine „defekte“ Demokratie, die wegen des Fehlens eines oder mehrerer Grundelemente nur unzulänglich funktioniert.

Über diesen engeren, auf den Staat bezogenen Begriff hinaus wird D. in einem weiteren Sinn als die Einführung demokratischer Willensbildungs- und Entscheidungsverfahren in der Gesellschaft verstanden. Gestützt auf das Argument, die verfassungsmäßige staatlich-politische Demokratie bedürfe zu ihrer Sicherung der komplementären D. aller sozialen Bereiche, ansonsten schwebe sie in der Luft, entwickelte sich das D.s-Postulat zur „universalste[n] gesellschaftspolitische[n] Forderung“ der 1960er und 1970er Jahre (Hennis 1972: 9). Die D. aller gesellschaftlichen Strukturen (der Schule, der Hochschule, der Familie, der Wirtschaftsunternehmen, der Streitkräfte, der Kirchen usw.) soll die in ihnen bestehenden Herrschaftsverhältnisse minimieren, wenn nicht Herrschaft überhaupt beseitigen. Der Realisierung eines so verstandenen D.s-Postulats stehen jedoch grundsätzliche Hindernisse entgegen. So sind Freiheit und Gleichheit der Beteiligten, Grundvoraussetzung der Geltung demokratischer Prinzipien im Staat, in den gesellschaftlichen Bereichen nicht gegeben. Weiterhin unterscheiden sich die Aufgaben des Staates, nämlich die Herstellung und Durchsetzung legitimer für die Gesamtheit verbindlicher Entscheidungen, von den Aufgaben, die die jeweiligen gesellschaftlichen Bereiche wahrnehmen. Eine Übertragung staatlicher Organisationsstrukturen auf sie ist somit nicht funktionsgerecht. So wünschenswert der Abbau von Hierarchien (Hierarchie) und, etwa in den Kirchen, die Stärkung synodaler Strukturen (Synode), so sinnvoll die Mitbestimmung in Wirtschaftsunternehmen oder die Abschaffung autoritärer Unterrichtsmethoden in den Schulen sein mögen, so wenig lassen sie sich von einem streng gefassten Demokratiebegriff ableiten. Es empfiehlt sich daher, auch den D.s-Begriff in seiner engeren Bedeutung zu verwenden und auf die staatliche Sphäre zu beschränken.

2. Wellen der Demokratisierung

Die Etablierung demokratischer Systeme hat sich historisch betrachtet in D.s-Wellen vollzogen. Die erste D.s-Welle, die auf die von der Amerikanischen und Französischen Revolution in Gang gesetzten Gründung der ersten modernen Demokratien folgte, dauerte das ganze 19. Jh. hindurch bis in die 1920er Jahre an. Sie äußerte sich einerseits in der Konsolidierung des demokratischen Charakters der bereits vorhandenen Demokratien (u. a. schrittweise Beseitigung der Wahlrechtsrestriktionen nach Besitz, Alter, Geschlecht, Hautfarbe), andererseits in deren quantitativer Ausweitung. 1910 bestanden sechs Demokratien; nach dem Ersten Weltkrieg erhöhte sich ihre Zahl auf 31, v. a. in Europa durch die Staaten-Neugründungen auf dem Boden der Donaumonarchie, des Kaiserreiches und des Zarenreiches; hinzu kamen Regimewechsel in Übersee (Japan, Argentinien, Chile, Kolumbien, Uruguay) und in den in die Unabhängigkeit entlassenen Staaten des British Empire. Die rasche Zunahme der Demokratien wurde jedoch durch eine autokratische Gegenwelle abgelöst, die 1922 mit Benito Mussolinis Marsch auf Rom einsetzte. Vornehmlich durch Militärputsche und später durch die deutsche Besatzung wurde der größte Teil der erst kurz zuvor etablierten demokratischen Systeme wieder beseitigt; in Europa blieben nur Großbritannien, Irland, Schweden, Island, Finnland und die Schweiz (weltweit insgesamt 14 Staaten) demokratisch regiert.

Wie das Ende des Ersten Weltkriegs, so führte auch das Ende des Zweiten Weltkriegs zu Regimewechseln bei den Besiegten und löste die zweite D.s-Welle (1943–1962) aus. Italien, Deutschland, Österreich und Japan wurden von den alliierten Siegermächten besetzt; ihre D. wurde insb. von den USA in die Wege geleitet und überwacht. Die von der deutschen Besatzung befreiten Staaten West- und Nordeuropas stellten ihre Demokratien wieder her; den Staaten Osteuropas, die von den alliierten Kriegskonferenzen dem sowjetischen Machtbereich zugeschlagen worden waren, blieben hingegen D.s-Chancen einstweilen versagt. In Lateinamerika (Lateinamerika und Karibik) kehrten einige ehemals demokratische Systeme zur Demokratie zurück, andere vollzogen erstmals diesen Schritt. In Asien und Afrika sorgte die Dekolonisierung für einen Zuwachs an Demokratien. Allerdings waren die Erfolge der zweiten D.s-Welle in vielen Fällen von kurzer Dauer; nur 17 von 31 neuen Demokratien blieben von Rückfällen verschont, in Lateinamerika nur Costa Rica und Venezuela, in Asien nur Indien, Japan und Israel, keine in Afrika.

Die Mitte der 1970er Jahre einsetzende dritte D.s-Welle nahm ihren Ausgang in Südeuropa, wo Spanien und Portugal sich von ihren noch aus der Zwischenkriegszeit stammenden autoritären Regimen befreiten und Griechenland die 1967 installierte Militärdiktatur abschüttelte. Es folgten von Ende der 1970er bis Ende der 1980er Jahre Regimewechsel zur Demokratie in fast allen Staaten Lateinamerikas, dazu in vielen Ländern Ostasiens und Afrikas. Ab 1989, nach dem Zerfall des sowjetischen Imperiums, erreichte die dritte D.s-Welle schließlich ihren Höhepunkt in Osteuropa und kam Mitte der 1990er Jahre zum Stillstand. Wenn auch einige Demokratien noch nicht als voll konsolidiert gelten können und inzwischen Rückfälle in nichtdemokratische Regime zu verzeichnen sind, so übertrifft die Wirkung der dritten D.s-Welle die der vorangegangenen beiden Wellen bei weitem. In ihrem Verlauf wuchs die Zahl der (den Mindestanforderungen genügenden) „elektoralen Demokratien“ von 39 auf 117; der Anteil dieser Demokratien an allen Staaten der Welt stieg von 27 auf 61 %. 2015 hat der Anteil der voll entwickelten „liberalen Demokratien“ weltweit immerhin knapp die Hälfte erreicht; nie zuvor hat ein so großer Teil der Menschheit unter demokratisch legitimierten Regierungen gelebt.

3. Voraussetzungen der Demokratisierung

Zwei Jahrhunderte Erfahrungen mit der Etablierung, mit dem Überleben und mit dem Scheitern von Demokratien lassen freilich keinen unaufhaltsamen Siegeszug der Demokratie erwarten. Vielmehr hat sich erwiesen, dass die Kodifizierung einer noch so perfekten Verfassung und die Installierung ihr angemessener politischer Institutionen (Institution) allein noch keine Garantie für eine erfolgreiche D. bieten, ja, dass selbst konsolidierte Demokratien nicht ein für alle Mal gegen Prozesse der Selbstzerstörung gefeit sind. Die empirisch arbeitende Demokratieforschung, insb. in Gestalt der Transitionsforschung, hat Faktoren ermittelt, die als notwendige Voraussetzungen gelungener D. gelten können. Die Vielzahl der dabei entwickelten Theorien lässt sich in vier Stränge zusammenfassen. Modernisierungstheorien sehen in der Ökonomie den Hauptfaktor: Wichtigste Erfolgsbedingung gelungener Modernisierung ist danach die wirtschaftliche Entwicklung, die Überwindung von Not und Elend. Die wirtschaftliche Entwicklungsstufe bedingt die Demokratiereife eines Landes. Strukturtheorien setzen bei der Beschaffenheit der Gesellschaft an und sehen im Grad ihrer Homogenität und in der Machtverteilung die entscheidenden Größen: Je geringer die soziale Spaltung nach Klassen, Ethnien oder Religionen und je gleichmäßiger die Verteilung von Machtressourcen in einer Gesellschaft ausfallen, desto besser sind die Voraussetzungen für Demokratie. Kulturtheorien gehen von der Prämisse aus, dass demokratische politische Systeme (politisches System) auf eine ihnen angemessene politische Kultur sowohl bei den Entscheidungsträgern als auch bei den Bürgern angewiesen sind; demzufolge fördern bzw. behindern kulturelle Prägungen die Herausbildung einer für das Funktionieren von Demokratien unerlässlichen Bürgerkultur und einer Zivilgesellschaft. Im Unterschied zur Betrachtung der D.s-Effekte wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und kultureller Faktoren nehmen Akteurstheorien die Konstellationen der Handelnden in konkreten Situationen in den Blick. Sie versuchen etwa zu klären, inwieweit Massenaktionen (Masse) Regimewechsel erzwingen und wann sie einen Systemkollaps herbeiführen können, ob ein Systemwechsel zwischen alten und neuen Eliten ausgehandelt wurde und wer seinen Ablauf steuert oder welchen Einfluss externe Akteure haben.

Jeder der vier Theorieansätze hat eine begrenzte Erklärungskraft. Idealerweise werden sie nicht als Alternativen betrachtet, sondern miteinander verbunden, um gemeinsam die Ergebnisse sehr unterschiedlicher Transformationsprozesse zu erklären; die ökonomischen, die gesellschaftlichen und die kulturellen Faktoren können dann als Rahmenbedingungen für Machtkonstellationen analysiert werden, innerhalb derer die beteiligten Akteure ihre Handlungsstrategien entwickeln. Des Weiteren zeigt sich, dass die pauschale Unterscheidung demokratiefördernder und demokratiehinderlicher Faktoren der Differenzierung bedarf. Diejenigen Faktoren, die einen Regimewechsel zur Demokratie erklären, stellen nicht notwendig zugleich auch die Voraussetzungen für ihr erfolgreiches Funktionieren dar und umgekehrt. Auch beim Regimewechsel selbst sind einzelne Phasen zu unterscheiden, deren Ablauf durch das Zusammenwirken jeweils unterschiedlicher Bedingungen zustande kommt: Auflösung des autoritären Regimes (Regierungssysteme), Institutionalisierung der Demokratie, Konsolidierung der Demokratie.

4. Externe Demokratieförderung

Wenngleich Regimewechsel zur Demokratie notwendigerweise interne Prozesse im jeweiligen Staat sind, können Einwirkungen von außen u. U. entscheidenden – positiven, aber auch negativen – Einfluss ausüben. So wurde die D. Deutschlands, Österreichs, Italiens und Japans nach der militärischen Niederlage durch die Westalliierten initiiert, eine D. der Staaten Osteuropas dagegen während des Kalten Krieges durch die Sowjetunion verhindert. Äußerer Einfluss muss nicht zielgerichtet erfolgen; er kann auch unbeabsichtigt und ungesteuert wirken, etwa durch Diffusion demokratischer Ideale, die über moderne Medien ausstrahlen, „Ansteckungswirkung“ entfalten und Massenbewegungen (Masse) auslösen, wie z. B. 1989 in der Volksrepublik China oder in Phasen des „Arabischen Frühlings“ nach 2011. Gleichwohl ist die bewusste, zielgerichtete Demokratieförderung inzwischen nicht nur zu einem festen Bestandteil der Außenpolitik demokratischer Staaten geworden, sondern auch zu einem Betätigungsfeld einer Vielzahl nichtstaatlicher Akteure. Die Palette der Letzteren reicht von privaten NGOs über bilaterale oder multilaterale Entwicklungshilfeorganisationen (OECD, IWF, Weltbank) und internationale Organisationen (UNO, OSZE ) bis zur EU.

Externe Demokratieförderung durch staatliche wie nichtstaatliche Akteure steht vor dem schwierigen Problem der Auswahl geeigneter Zielländer und Kooperationspartner. Sie ist umso aussichtsreicher, je weiter ein Land in seinen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Voraussetzungen und in seinen politischen Strukturen sich bereits einer D.s-Perspektive angenähert hat. Defekte Demokratien und solche Autokratien, die eine hinreichende Wandlungsfähigkeit erwarten lassen und offen für Oppositionsbewegungen oder regimekritische Organisationen sind, kommen als Zielländer in Betracht. Hingegen ist Demokratieförderung in zerfallenen oder zerfallenden Staaten (Failed State) wenig erfolgversprechend, weil hier zuvor nicht nur state building sondern in der Regel auch nation building erforderlich ist – Voraussetzungen, die von außen kaum geschaffen werden können. Totalitäre Regime (Totalitarismus), die von außerhalb kommende Einflussnahmen rigoros unterbinden, scheiden als Zielländer für Demokratieförderung von vornherein aus.

Das Arsenal der zur Demokratieförderung eingesetzten Instrumente ist breit gefächert. Sie lassen sich nach dem ihr jeweils zu Grunde liegenden Konzept zwei Gruppen (bottom-up oder top-down) zuordnen. Im Rahmen der bottom-up-Strategie setzen sie bei der Förderung der Zivilgesellschaft des Ziellandes an, um die demokratischen Kräfte direkt zu fördern. Musterbeispiele sind die Förderung der Solidarnosc-Bewegung in Polen und die Mobilisierung gegen das Apartheid-Regime in Südafrika (Apartheid). Demgegenüber zielen die Instrumente beim top-down-Ansatz primär auf die Unterstützung des Aufbaus staatlicher Institutionen: Wahlen, Parteien, Parlamente, Gerichtsbarkeit, Verfassung und Verwaltung. Diesem Konzept liegt die Erwartung zu Grunde, dass die so etablierten Institutionen einen Prozess der D. in Gang setzen. Dabei besteht allerdings die Gefahr, dass sie durch korrupte Staatseliten vereinnahmt werden.

Die Instrumente der externen Demokratieförderung unterscheiden sich auch danach, auf welche Weise sie eingesetzt werden. So bedient sich die klassische Diplomatie „sanfter“ Einwirkungen, wenn sie etwa Demokratie und Rechtsstaat propagiert oder die Einhaltung von Menschenrechtsstandards einfordert (Menschenrechte); dies gilt auch für Unterstützungsleistungen beim Aufbau demokratischer Institutionen. Mit Sanktionen operiert dagegen weithin die bilaterale und multilaterale Entwicklungszusammenarbeit: Leistungen der Geber werden an D.s-Fortschritte der Empfängerländer geknüpft. Die EU machte die „Kopenhagen-Kriterien“ („demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, die Wahrung der Menschenrechte sowie die Achtung und der Schutz von Minderheiten“) zur Beitrittsbedingung bei ihrer Osterweiterung. Der gleichen Logik folgen die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Instrumente mit manifestem Zwangscharakter sind die Unterstützung von Paramilitärs gegen autokratische Regime (Regierungssysteme) und vollends militärische Interventionen, die eine demokratische Ordnung durch Krieg erzwingen wollen. „Demokratische Interventionen“ verstoßen gegen das Gewaltverbot des Völkerrechts (Interventionsverbot). Allerdings wird die Auffassung vertreten, dass die Charta der Vereinten Nationen im Fall einer Bedrohung oder Verletzung des Friedens durch Genozid (Völkermord) oder Massenvertreibung (Flucht und Vertreibung) die Mandatierung einer „humanitären Intervention“ erlaubt. Der UN-Sicherheitsrat ist dieser Auffassung in einigen Fällen gefolgt; eine durchgängige Praxis ist jedoch von den Veto-Mächten bislang verhindert worden. Ein Grundproblem liegt darin, dass die Fortsetzung (und Vollendung) einer „humanitären“ durch eine „demokratische Intervention“ immer dann naheliegt, wenn nur durch die Errichtung einer demokratischen Ordnung ein Rückfall in massive Menschenrechtsverletzungen vermeidbar erscheint.

Wie jedoch allein die Fälle Afghanistan, Irak und Libyen zeigen, sind die Erfolgsaussichten externer Demokratieförderung mit militärischen Mitteln gering: Je massiver sich die Intervention von außen gestaltet, desto schwieriger ist die Kontrolle der für die Institutionalisierung von Demokratie notwendigen Voraussetzungen und desto größer wird das Risiko kontraproduktiver Nebenwirkungen. Auch die Wirkungsbilanz anderer Instrumente externer Demokratieförderung ist ernüchternd. Zu den positiven Beispielen zählt die Konsolidierung der Demokratien Osteuropas im Zuge der Osterweiterung der EU. Konsequent durchgehaltene Konditionalität, intensive begleitende Beratung und ein starkes Interesse der Beitrittsländer an der Perspektive von Prosperität und Sicherheit in der EU boten hier günstige Rahmenbedingungen.