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Version vom 15. August 2021, 11:50 Uhr
Beim M. handelt es sich um eine ökonomische Denkrichtung, gemäß der die Geldmenge von entscheidender Bedeutung für das Preisniveau und die Höhe des Volkseinkommens ist und die Steuerung des Wachstums der Geldmenge im Mittelpunkt der Geldpolitik stehen sollte. Als bekanntester und einflussreichster Vertreter des M. gilt Milton Friedman. Zu den wichtigsten Mitstreitern M. Friedmans gehörten Karl Brunner und Allan Harold Meltzer, von denen jener den Begriff „M.“ geprägt hat.
1. Quantitäts- und Neoquantitätstheorie
Theoretische Grundlage des M. ist die Quantitätstheorie des Geldes, die von M. Friedman zur Neoquantitätstheorie weiterentwickelt wurde. Die Quantitätstheorie der klassischen Ökonomie beruht auf der Quantitätsgleichung, gemäß derer das nominale Volkseinkommen (das Produkt von realem Volkseinkommen und Preisniveau) gleich dem Produkt von nominaler Geldmenge und Geldumlaufgeschwindigkeit sein muss. Die Quantitätsgleichung wird zur Quantitätstheorie, wenn angenommen wird, dass die Geldumlaufgeschwindigkeit stabil ist und das reale Volkseinkommen längerfristig nicht durch monetäre, sondern durch reale Faktoren (z. B. Produktionsfaktorausstattung oder Stand des technischen Wissens) bestimmt wird. Folglich besteht längerfristig ein direkter Zusammenhang zwischen Geldmenge und Preisniveau dergestalt, dass mit einer Geldmengenänderung eine gleichgerichtete Preisniveauänderung einhergeht. Die Geldpolitik kann also allenfalls kurzfristig reale Effekte haben. Dabei wird implizit unterstellt, dass das Geldangebot exogen ist, die Geldmenge also von der Zentralbank autonom und unabhängig von der Geldnachfrage gesteuert werden kann; andernfalls könnte keine eindeutige Wirkungsrichtung von der Geldmenge zum Preisniveau angenommen werden. Die Neoquantitätstheorie geht insoweit über die Quantitätstheorie hinaus, als die Stabilität der Geldumlaufgeschwindigkeit mittels der monetaristischen Geldnachfragetheorie begründet wird. Geld wird dabei als Vermögensgegenstand angesehen, sodass die Geldnachfrage im Zusammenhang mit der Optimierung des gesamten Vermögensportfolios steht, bei welcher neben den Kosten und Erträgen der Haltung von Geld im Vergleich zu alternativen Anlageformen v. a. die Höhe des permanenten Einkommens, d. h. des dauerhaft erwarteten Einkommens, eine wichtige Rolle spielt. Zu beachten ist dabei, dass sich die Geldnachfrage aus Sicht der Monetaristen immer auf die reale Geldmenge, also die Kaufkraft einer bestimmten nominalen Geldmenge bezieht. Näherungsweise kann die (reale) Geldnachfrage als Funktion des permanenten Einkommens dargestellt werden, wenn man von extremen Werten von Zinsen und Inflationsrate absieht. Die Geldumlaufgeschwindigkeit würde deshalb kurzfristig nur insoweit schwanken, als das tatsächliche vom permanenten Einkommen abweichen würde und wäre langfristig stabil.
2. Konsequenzen für die Geldpolitik
Geldpolitische Eingriffe würden zu Portfolioungleichgewichten und entspr.en Anpassungsreaktionen führen, würden also unmittelbare Ausgabenwirkungen haben, weitgehend unabhängig von Zinsänderungen. Bspw. würde eine Geldmengenexpansion eine suboptimal hohe Kassenhaltung induzieren, weswegen die Wirtschaftssubjekte ihre Ausgaben erhöhen würden bis die realen Geldbestände wieder einen Gleichgewichtswert erreicht hätten. Diese Ausgabenerhöhung wiederum würde das reale Volkseinkommen oder das Preisniveau beeinflussen. Der monetaristische Transmissionsmechanismus der Geldpolitik unterscheidet sich deutlich von dem des Keynesianismus. Die keynesianische Geldnachfragetheorie sieht die Geldnachfrage in Abhängigkeit zum einen vom Transaktionsvolumen, zum anderen aber direkt von der Zinshöhe, unterstellt eine hohe Zinselastizität der Geldnachfrage (d. h. eine relativ geringe Zinssenkung führt zu einer relativ hohen Zunahme der Geldnachfrage) und unterscheidet nicht zwischen nominalen und realen Kassenbeständen. Nach dieser Auffassung würden eine Geldmengenexpansion und die damit einhergehende Zinssenkung zu einer deutlichen Erhöhung der Kassenhaltung führen, aber kaum zu höheren Ausgaben. Da außerdem die Investitionsnachfrage als zinsunelastisch angesehen wird (das Investitionsvolumen auf Zinsänderungen also nur wenig reagiert), ist aus keynesianischer Sicht die Geldpolitik – im Sinne einer Beeinflussung der gesamtwirtschaftlichen Aktivität – ineffektiv und damit der Fiskalpolitik unterlegen. Der M. behauptet dagegen die Effektivität der Geldpolitik, die infolge der angenommenen geringen Zinselastizität (Zins) der Geldnachfrage in der Lage sei, durch Variation der Geldmenge unmittelbare Ausgabenwirkungen herbeizuführen. Dennoch wird eine, prinzipiell durchaus mögliche, antizyklische Geldpolitik zur Stabilisierung der Konjunktur entschieden abgelehnt, da eine solche infolge der Wirkungsverzögerungen der Geldpolitik, die durchaus ein oder zwei Jahre betragen können, nur bei vollkommener Information bzw. perfekter Voraussicht wie gewünscht funktionieren würde. Da diese Bedingungen nie gegeben sind, würden diskretionäre geldpolitische Eingriffe Konjunkturschwankungen (Konjunktur) höchstwahrscheinlich eher verstärken als glätten. Deshalb wird eine regelgebundene, verlässliche Geldpolitik empfohlen, um monetäre Störungen und Schocks zu vermeiden. Diese sollte in einer konstanten, am langfristigen Wachstum des Produktionspotentials orientierten Ausweitung der Geldmenge bestehen, wodurch ein langfristig stabiles Preisniveau realisiert werden könne – das einzig sinnvolle und tatsächlich erreichbare Ziel, das sich die Geldpolitik setzen könne. „[M]onetary policy can prevent money itself from being a major source of economic disturbance“ (Friedman 1968: 12). Denn realwirtschaftliche Wirkungen könne die Geldpolitik allenfalls kurzfristig erzielen, längerfristig hätte sie nur nominale, d. h. das Preisniveau betreffende, Wirkungen. So würden die durch eine expansive Geldpolitik ausgelösten Ausgabensteigerungen nur kurzfristig (auch) zu einer höheren gesamtwirtschaftlichen Aktivität (reale Wirkung) führen, langfristig aber lediglich eine Erhöhung des Preisniveaus (nominale Wirkung) zur Folge haben. Um der Zentralbank die Umsetzung der monetaristischen geldpolitischen Strategie zu erleichtern, schlägt M. Friedman die Einführung eines 100 %-Mindestreservesystems vor. In einem solchen System könnten Geschäftsbanken kein Buchgeld schaffen, sodass die Geldversorgung allein in der Hand der Zentralbank wäre und diese die Geldmenge autonom kontrollieren könnte.
3. Die Phillips-Kurve
Die Unterscheidung zwischen kurz- und langfristigen Wirkungen geldpolitischer Eingriffe liegt auch M. Friedmans Kritik an der Phillips-Kurve zugrunde. Diese beschreibt den in den 1950er Jahren empirisch festgestellten negativen Zusammenhang zwischen Inflationsrate (Diagrammordinate) und Arbeitslosenquote (Diagrammabszisse) und scheint zu implizieren, dass man eine geringere Arbeitslosigkeit um den Preis einer höheren Inflation „erkaufen“ könne. Zur Senkung der Arbeitslosigkeit infolge einer inflationär wirkenden Ausweitung der Geldmenge komme es aber nur insoweit, als Nominallöhne kurzfristig inflexibel seien und so über höhere Preise eine Nominallohnsenkung herbeigeführt werden könne. Langfristig würden dagegen die Nominallöhne an das geänderte Preisniveau angepasst werden, mithin die Reallohnsenkung rückgängig gemacht werden und die Arbeitslosigkeit sich wieder auf ihr vorheriges Niveau erhöhen. Da diese „natürliche“ Rate der Arbeitslosigkeit nur von realwirtschaftlichen, nicht aber von monetären Faktoren abhänge, könne sie auf Dauer gesehen nicht durch die Geldpolitik beeinflusst werden. Deshalb gelte die Phillips-Kurve mit ihrer negativen Steigung nur kurzfristig; langfristig würde die Phillips-Kurve dagegen senkrecht (mit der „natürlichen“ Rate der Arbeitslosigkeit als Abszissenwert) verlaufen. Dies impliziert zwar, dass eine Senkung der Arbeitslosigkeit nicht auf Dauer durch Inflation erkauft werden kann, aber auch, dass Preisniveaustabilität auf Dauer nicht zu Arbeitslosigkeit führt.
4. Jenseits der Geldpolitik
Der M. wird zwar durch eine bestimmte geldpolitische Position charakterisiert, ist aber nicht auf dieselbe beschränkt. Die Monetaristen äußerten sich auch zur Wirtschaftspolitik im Allgemeinen, wobei – wie bei der Geldpolitik – bes.s Gewicht auf die langfristigen Konsequenzen der Wirtschaftspolitik gelegt wird. Denn diskretionäre wirtschaftspolitische Eingriffe – gleich ob geld- oder fiskalpolitischer Natur – seien zwar kurzfristig wirksam, wären aber auf Dauer bestenfalls wirkungslos, wahrscheinlich aber sogar schädlich, da durch sie die Marktwirtschaft (Markt, Kapitalismus), welche als inhärent stabil angesehen wird, erst destabilisiert werden würde. Von daher wird statt einer (aktiven) Stabilisierungspolitik eine (passive) Stabilitätspolitik gefordert, die sich auf die Gewährleistungen stabiler Rahmenbedingungen (Ordnungsökonomik) beschränken und so die Funktionsfähigkeit des marktwirtschaftlichen Systems gewährleisten solle, welches als Hauptgarant für Wirtschaftswachstum und Wohlstand angesehen wird.
Die wirtschaftspolitischen Positionen des M. setzten sich im Laufe der 1970er Jahre zu Lasten des Keynesianismus durch und beeinflussten in der Folgezeit die Wirtschaftspolitik in vielen Ländern, am ausgeprägtesten in den USA unter Ronald Reagan und in Großbritannien unter Margaret Thatcher (Neoliberalismus). Dies gilt v. a. für die grundsätzliche, am Markt und am Wettbewerb orientierte, Staatseingriffen kritisch gegenüberstehende und zum laissez faire tendierende wirtschaftspolitische Philosophie. Dagegen wurde die wichtigste konkrete wirtschaftspolitische Empfehlung, nämlich die des konstanten Geldmengenwachstums, nie konsequent umgesetzt, da sie sich als zu inflexibel und zu einseitig für die praktische Geldpolitik erwies.
Was die Wirtschaftspolitik angeht, so sprach man häufig von der „monetaristischen Gegenrevolution“ als Reaktion auf die „keynesianische Revolution“ der 1930er Jahre. In theoretischer Hinsicht sind dagegen die Unterschiede zwischen beiden Lagern sehr gering; sie beziehen sich im Wesentlichen auf das Ausmaß der Zinselastizität von Investitions- und Geldnachfrage und die Frage, wie „kurze“ und „lange“ Frist genau voneinander abzugrenzen sind. „There are in reality no serious analytical disagreements between leading monetarists and leading nonmonetarists“ (Modigliani 1977: 1). Theoretisch wurden beide Ansätze durch die Neue Klassische Makroökonomie mit ihrem Konzept der „rationalen Erwartungen“ revolutioniert.
Literatur
F. Söllner: Die Geschichte des ökonomischen Denkens, 42015 • M. Blaug: Economic Theory in Retrospect, 51997 • J. Niehans: A History of Economic Theory, 1990 • P. Cagan: Monetarism, in: J. Eatwell/M. Milgate/P. Newman (Hg.): The New Palgrave. A Dictionary of Economics, Bd. 3, 1987, 492–497 • F. Modigliani: The Monetarist Controversy or, Should we Forsake Stabilization Policies?, in: AER 67/2 (1977), 1–19 • K. Brunner: The Role of Money and Monetary Policy, in: Federal Reserve Bank of St. Louis Review 50/7 (1968), 9–24 • M. Friedman: The Role of Monetary Policy, in: AER 58/1 (1968), 1–17 • Ders.: A Program for Monetary Stability, 1960 • Ders.: The Quantity Theory of Money. A Restatement, in: ders. (Hg.): Studies in the Quantity Theory of Money, 1956, 3–21.
Empfohlene Zitierweise
F. Söllner: Monetarismus, Version 14.08.2021, 13:00 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Monetarismus (abgerufen: 22.11.2024)