Mobilität

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  1. I. Soziale und räumliche Mobilität
  2. II. Räumliche Mobilität unter wirtschaftlicher Betrachtung

I. Soziale und räumliche Mobilität

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1. Begriffe und Konzepte

Unter sozialer M. versteht man den Wechsel von Menschen zwischen sozialen Positionen: Hierbei kann es sich z. B. um Klassen-, Berufs-, Erwerbs- oder Einkommens-M. handeln. Mit Pitirim Alexandrovich Sorokin (1927) wird zwischen vertikaler und horizontaler M. unterschieden: Vertikale M. ist mit sozialem Auf- oder Abstieg verbunden, z. B. ein Aufstieg von der Unter- in die Mittelschicht. Horizontal Mobile verändern ihre Position, aber nicht deren Rang, z. B. bei einem Branchenwechsel. Weiterhin differenziert man – basierend auf Max Weber – zwischen inter- und intragenerationaler M.: Intergenerationale M. bezeichnet M. im Vergleich zur sozialen Position der Eltern. Intragenerationale oder Karriere-M. bezeichnet Veränderungen der Position im eigenen Lebenslauf. Jemand steigt z. B. in die Führungsebene auf oder muss eine Rückstufung hinnehmen. Theodor Geiger unterscheidet zudem zwischen individueller und kollektiver M. (d. h. Auf-/Abstiege ganzer sozialer Gruppierungen).

Einen gesellschaftstheoretischen Bezugspunkt sozialer M. stellt das Ausmaß sozialer Durchlässigkeit in einer Gesellschaft dar. Mit einer stärker individuellen Perspektive richtet man die Aufmerksamkeit dabei auf zugeschriebene und erworbene Merkmale (z. B. Geschlecht, Qualifikation). Die strukturelle Perspektive legt einen Schwerpunkt z. B. auf Prozesse sozialer Öffnung bzw. Schließung, die mit Dynamiken etwa des Bildungssystems, des Arbeitsmarkts oder des Wohlfahrtsstaats zusammenhängen. In beiden Fällen sind M.s-Chancen und -Zwänge im Kontext sozialer Ungleichheiten zu sehen.

Das diagnostizierte Ausmaß sozialer M. in einer Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt hängt nicht zuletzt vom empirisch-konzeptionellen Ansatz ab. Relevante Aspekte hierfür sind z. B.

a) Kriterien, nach denen Unterschiede sozialer Positionen (z. B. von Individuen oder Haushalten) bestimmt werden. Typische Kriterien in Schichtungsansätzen sind z. B. die Bildung, der Berufsstatus und das Einkommen. Ob man die Struktur sozialer Ungleichheit also als geschichtet, milieudifferenziert oder individualisiert auffasst, ist eine wichtige theoretische Entscheidung bei der Konzipierung von M. Weiter ist zu berücksichtigen,

b) wie viele soziale Positionen in welchem Zeitrahmen unterschieden werden. Je höher diese Anzahl ist, desto größer ist prinzipiell das Ausmaß sozialer M. Schließlich macht es

c) einen Unterschied, ob Abströme (der Anteil an Personen, die sich im Zeitvergleich nicht mehr in einer Position befinden) oder Zuströme (die Anteile von Personen in einer bestimmten Position mit vormals verschiedenen Herkunftspositionen) betrachtet werden.

Zudem unterscheidet man absolute und relative M.s-Raten. Absolute Raten sind von den Größen der jeweiligen Statusgruppen abhängig (wenn z. B. die Zahl der Landwirte deutlich schrumpft), während relative davon abstrahieren.

Unter räumlicher M. fasst man Ortsveränderungen zusammen, die sich entweder ohne Wohnortwechsel vollziehen (zirkuläre M.) oder mit einem solchen Wechsel (residentielle M.). Räumliche M. kann je nach Verkehrsmittel unterschiedlich viel Verkehr mit sich bringen. Hinsichtlich beider M.s-Formen sind vielfältige Varianten denkbar, z. B. Nah-, Fern- oder Wochenendpendeln, Multilokalität, Tourismus, Saisonarbeit oder Umzüge bis hin zur Migration.

Soziale und räumliche M. sind nicht selten miteinander verknüpft, wenn etwa Berufspendeln mit Karriere-M. einhergeht. Der Begriff der Motility rekurriert hierbei sowohl auf individuelle Ressourcen und Präferenzen als auch auf kollektive (z. B. geografische/demografische/kulturelle) Faktoren. Neben der Herausarbeitung von Erklärungsfaktoren befasst sich die Forschung ebenso mit Folgen von M., z. B. für die persönliche und soziale Identität, für soziale Beziehungen oder für die Gesundheit.

2. Befunde

2.1 Soziale Mobilität

Im internationalen Vergleich fällt ein eher geringes Ausmaß intragenerationeller M. in Deutschland auf, was u. a. mit der engen Kopplung zwischen Qualifikation und erster beruflicher Position (verstärkt durch die duale Ausbildung) zusammenhängt. Insgesamt nahm die soziale Durchlässigkeit nicht zuletzt mit der Bildungsexpansion seit den 1970er Jahren in der BRD jedoch leicht zu, insb. durch Aufstiegs-M. und stärker für Männer als für Frauen. Die soziale M. stieg nach 1990 auch in Ostdeutschland an, während die DDR von einer geringeren Durchlässigkeit als im Westen geprägt war.

Ländervergleichende Studien zu intergenerationeller M. bestätigen den (noch immer) starken Zusammenhang von familiärer Herkunft und Bildungserfolg in Deutschland. Die Einkommens-M. liegt hier auf mittlerem Niveau, leicht über dem der USA, wo – trotz des Aufstiegsmythos – eine sehr niedrige intergenerationale M. vorliegt. Eine bes. hohe M. findet sich dagegen z. B. in Dänemark. Gerade privilegierte soziale Positionen werden in Deutschland seit Mitte der 1970er Jahre zunehmend von Personen besetzt, deren Väter bereits eine solche Position innehatten. Das Ausmaß intergenerationeller M. hat sich in Deutschland seit Anfang der 1980er Jahre – trotz fortschreitenden Strukturwandels – dabei nicht wesentlich verändert: Der Anteil von Personen mit anderen Positionen als jene ihrer Väter blieb zwischen 1976 und 2014 weitgehend konstant. Unterschiede zeigen sich insofern, als z. B. Männer fünfmal, Frauen viermal so oft vertikal wie horizontal mobil sind. Bei westdeutschen Männern gibt es insgesamt etwa doppelt so viele Auf- wie Abstiege, auch wenn das Verhältnis im Zeitverlauf leicht nachteiliger geworden ist. Frauen steigen etwas seltener auf, wenngleich auch ihre Aufstiegs-M. im Zeitverlauf gestiegen ist. Während sich Frauen in Ost und West hier kaum unterscheiden, gelingt westdeutschen Männern häufiger ein Aufstieg als ostdeutschen. Der Verbleib bzw. Aufstieg in die obere Mittel-/Oberschicht ist bei Personen mit Migrationshintergrund unterdurchschnittlich, wobei es große Unterschiede z. B. je nach Herkunftsland, Bildung und Lebensform mit/ohne Kinder gibt.

2.2 Räumliche Mobilität

Diese ist kein exklusives Merkmal moderner Gesellschaften. Auch etwa im Mittelalter gehörte sie zum Alltag z. B. in Form von wandernden Gesellen, Händlern oder Vertriebenen. Trotz heutzutage teils hoher beruflicher Flexibilitätsanforderungen ist das Ausmaß (Anzahl Wege/Zeitaufwand) räumlicher M. etwa zwischen 1998 und 2013 annähernd konstant geblieben. Allerdings zeigen zurückgelegte Wege pro Tag und Strecke, dass v. a. berufsbedingte M. in dieser Zeit leicht zugenommen hat. Auch im europäischen Vergleich weist Deutschland eine relativ hohe berufsbedingte (eher zirkuläre als residentielle) M. auf. Die größten Unterschiede im M.s-Verhalten gibt es zwischen städtischer und ländlicher, armer und reicher Bevölkerung sowie zwischen verschiedenen Haushaltstypen.

II. Räumliche Mobilität unter wirtschaftlicher Betrachtung

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M. von Menschen, hier verstanden als räumlicher, auf Dauer angelegter Wechsel des Wohnortes, ist ein lokales, nationales und insb. internationales Phänomen, das in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen hat. Im Folgenden liegt der Fokus auf wirtschaftlichen Gründen für M.; humanitäre oder familiäre Gründe werden nicht betrachtet.

Zur Abschätzung der Größe lässt sich festhalten, dass internationale M. groß genug ist, um zu Sorgen und Ängsten in der Bevölkerung zu führen. Trotzdem bestehen nach wie vor große Unterschiede in den Reallöhnen und Arbeitslosenraten zwischen den Ländern, was auf wichtige Barrieren selbst innerhalb der EU hindeutet.

1. Mobilitätsanreize

Unter ökonomischer (Effizienz-)Betrachtung spricht man von unverzerrter M., wenn die Wanderung dorthin erfolgt, wo die Produktivität am größten und entspr. die Bruttolöhne am höchsten sind. Dies trägt dazu bei, das BIP (in der Summe über das Heimat- und das Zielland) zu maximieren. Wirtschaftlich motivierte M. ist jedoch im Normalfall verzerrt, da sie sich an den Nettolöhnen und nicht an den Bruttolöhnen orientiert. Für Hochqualifizierte spielen v. a. Steuern eine wichtige Rolle, da sie Nettozahler im Steuer-Transfersystem sind. Für Niedrigqualifizierte ist der Umfang der Transfers von Bedeutung, da sie als Nettoempfänger davon bes. profitieren. Wenn für die M.s-Entscheidung die sozialen Leistungen entscheidend sind, dann spricht man vom Wohlfahrtsstaat als Magneten. Andere Determinanten können ebenfalls eine Rolle spielen wie die allg.e wirtschaftliche Lage oder die Qualität des Bildungssystems. Positive Ausprägungen im Zielland wirken dabei als pull-Faktoren, negative Ausprägungen im Heimatland als push-Faktoren.

Neben Faktoren, die den Ertrag von M. beeinflussen, müssen auch Faktoren berücksichtig werden, die die monetären und nicht-monetären Kosten bestimmen. Dazu zählen die geographische Entfernung, aber auch individuelle Charakteristika wie Alter oder Familienstand. Die M.s-Entscheidung ist unter ökonomischer Betrachtung eine Investition, die von den Personen nur getätigt wird, wenn die Erträge die Kosten im Barwert übersteigen. Es ist offensichtlich, dass die den individuellen Nutzen maximierende Entscheidung nur zufällig mit einer unverzerrten M. übereinstimmt und deshalb meist effizient ist.

2. Verteilungseffekte

Wirtschaftlich motivierte M. ist zudem immer auch mit Verteilungseffekten verbunden. Auf dem Arbeitsmarkt sehen sich insb. Arbeitskräfte mit komplementären Qualifikationen als Gewinner, während Arbeitskräfte, die im Wettbewerb mit Zuwanderern stehen (einschließlich früherer Zuwanderer), Gefahr laufen, zu verlieren. Dies gilt auch, wenn die M. insgesamt zu einer Vergrößerung des BIP führt. Letzteres ermöglicht aber, über Transfers die negativen Verteilungseffekte abzumildern.

3. Optionen der Migrationspolitik

Ob Migrationspolitik (Migration) des Ziellands zu effizienter M. führt, von der möglichst alle profitieren, hängt vom allg.en gesetzlichen Rahmen ab. Bei M. innerhalb der EU bedeuten die Prinzipien der Freizügigkeit und der Nicht-Diskriminierung, dass eine direkte Steuerung nicht möglich ist. Lediglich indirekt kann die M. politisch beeinflusst werden. So können z. B. die Steuer-, Sozial- oder Bildungspolitik ein Land für bestimmte mobile Personengruppen mehr oder weniger attraktiv machen.

Bei M. von außerhalb der EU ist dagegen eine direkte Steuerung durch das Zielland, die die Anzahl oder die Charakteristika der Zuwanderer adressiert, eine Option. Quoten oder ein Punktsystem stellen mögliche Instrumente dar.

4. Fazit

Verzerrte M. wie auch durch M. bedingte Verteilungseffekte dürfen nicht dazu führen, dass Grenzen geschlossen werden. Vielmehr muss nach Politikoptionen gesucht werden, die helfen, die Vorteile zu maximieren und möglichst viele an den Erträgen partizipieren zu lassen.