Parteien
I. Parteienrecht und Parteienfinanzierung
Abschnitt drucken1. Parteienrecht
1.1 Verfassungsrechtlicher Status
Schon in den Repräsentativversammlungen des Frühkonstitutionalismus und in der Frankfurter Nationalversammlung von 1848 gab es Zusammenschlüsse von Abgeordneten. Als Fraktionen wurden P. erstmals 1922 in der Geschäftsordnung des Reichstages verankert. Erst 1949 fanden sie durch Art. 21 GG Eingang in die Rechts- und Verfassungsordnung. Art. 21 GG enthält auch die ausschließliche, erst ab 1967 genutzte Gesetzgebungsbefugnis des Bundes für ein P.-Gesetz. Die P. wirken nach Art. 21 GG „bei der politischen Willensbildung des Volkes mit“. Dies verschafft ihnen eine bes. Legitimation, auch auf die personelle Zusammensetzung und Arbeit der Staatsorgane einzuwirken. Es macht sie aber nicht selbst zu Staatsorganen. Denn dann könnten sie ihre zentrale Aufgabe einer Ordnung, Kanalisierung und Formulierung der Willensbildung innerhalb der (rechtlich nicht organisierten) Bürger- und Wählerschaft hin zu den Staatsorganen nicht mehr erfüllen. Ihr Einwirken auf staatliche Entscheidungen muss sich dabei im Rahmen des rechtlich Zulässigen halten. So setzt Art. 33 Abs. 2, 3 GG, der die Vergabe öffentlicher Ämter an Eignung und Befähigung knüpft, politisch motivierter Stellenbesetzung enge Grenzen. Politische P. können Träger von Grundrechten, wie etwa den Prozess- und Kommunikationsgrundrechten, dem Eigentumsrecht, der Gewerbefreiheit (im Hinblick auf ihre erwerbswirtschaftliche Betätigung) sein. Während sie hier grundsätzlich wie Private behandelt werden, führt die Ausstattung mit eigenen Rechten in Art. 21 GG beim Streit um den Umfang dieser Rechte und Pflichten mit anderen Verfassungsorganen des Bundes, zu einer Eröffnung des Organstreitverfahrens vor dem BVerfG. Insoweit werden sie mit den Organen und Teilorganen der BRD gleichbehandelt. Eine Definition der P. findet sich in § 2 PartG, der zwar für Art. 21 GG Anhaltspunkte geben kann, der aber als unterhalb des Verfassungsrechts stehendes und zudem erst nach dem GG erlassenes Recht den verfassungsrechtlichen P.-Begriff nicht zu determinieren vermag. Nach dieser Definition ist insb. auf die Dauerhaftigkeit und die durch Mitgliederzahl und Organisationsweise zum Ausdruck kommende Ernsthaftigkeit des Zusammenschlusses zum Zwecke der politischen Willensbildung und der Einflussnahme auf die Volksvertretungen im Bund und/oder jedenfalls einem Bundesland abzustellen. Dieser Zweck gilt als ausgeschlossen, wenn sechs Jahre lang keine Teilnahme an Parlamentswahlen stattgefunden hat.
1.2 Gründungs- und Betätigungsfreiheit
Art. 21 GG garantiert zunächst die Freiheit der Gründung, aber auch die Betätigung nach eigenem Ermessen. P. unterliegen keiner Staatsaufsicht. Staatliche Registrierung oder gar Lizenzierung wäre unzulässig. Überwiegend verzichten die P. zwar auf eine bes. Rechtsform und gelten danach als nicht-rechtsfähige Vereine. Nach den allg.en Vorschriften steht ihnen aber die Rechtsform eines eingetragenen bürgerlich-rechtlichen Vereins grundsätzlich offen. Auch wirtschaftliche Betätigung ist zulässig, solange sie nicht im Mittelpunkt steht, sondern nur die politische Arbeit unterstützt. Der Status als P. darf nicht missbraucht werden, um sich nur (verfassungs-)rechtliche Vorteile für unternehmerisches Handeln oder gar für kriminelle Handlungen zu verschaffen.
1.3 Innere Ordnung
Bes. Bedeutung hat die grundgesetzliche Bestimmung, nach der die innere Ordnung demokratischen Grundsätzen entsprechen muss (Art. 21 Abs. 1 S. 3 GG). Das GG überträgt damit das demokratische Organisations- und Entscheidungsprinzip in den vorstaatlichen Raum. Denn erst ein demokratischer P.-Aufbau von „unten nach oben“, der die gleichberechtigte Mitwirkung aller P.-Mitglieder ermöglicht, kann die Aufgabe der P. bei der politischen Mitwirkung des Volkes sicherstellen. Diese Garantie binnendemokratischer Strukturen sichert die effektive politische Betätigungsmöglichkeit für jeden Bürger, der sich einer P. anschließen möchte, auch zwischen den Wahlen. Einen Anspruch auf Aufnahme in eine P. besteht dennoch nicht, da die zuständigen P.-Organe nach § 10 Abs. 1 S. 1 PartG frei über die Kriterien der Mitgliedschaft entscheiden. Während Auswahlkriterien wie Geschlecht, Abstammung oder Herkunft problematisch sind, hindert dies eine P. nicht daran, sich inhaltlich einseitig den Interessen etwa der Frauen oder Senioren zu verschreiben. Bes. Förderung einer bestimmten Gruppe von P.-Mitgliedern (insb. „Frauenquote“) steht zwar im Spannungsverhältnis mit dem gleichfalls aus Art. 21 GG folgenden Gleichbehandlungsgebot, lässt sich verfassungsrechtlich aber rechtfertigen, wenn auch die dadurch nicht privilegierten Teile der Mitgliedschaft ein angemessenes Mitwirkungs- und Teilhaberecht behalten und v. a. ihr aktives Wahlrecht nicht beschnitten wird. Mitglieder, die vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen Grundsätze der P. verstoßen, können qua Entscheidung eines P.-Schiedsgerichtes ausgeschlossen werden. Dagegen kann die staatliche Zivilgerichtsbarkeit angerufen werden. Weder Mitglieder noch abgelehnte Beitrittsinteressenten können sich aber unmittelbar auf die Grundrechte berufen. Eine mögliche mittelbare Drittwirkung bei der Auslegung der Vorschriften des PartG erübrigt sich regelmäßig aufgrund der Vorgabe innerparteilicher Demokratie in Art. 21 GG. Diese garantiert, dass Vorstandsämter und Kandidaturen für staatliche und kommunale Wahlen nur durch Wahlen vergeben werden können, die geheim vorzunehmen sind (§ 15 Abs. 2 S. 1 PartG). Wahlen zu Vorstandsämtern haben mindestens in jedem zweiten Kalenderjahr stattzufinden (§ 11 Abs. 1 PartG). Wahlvorschläge müssen grundsätzlich auch aus der Wahlversammlung gemacht werden können. Während auf der niedrigsten Organisationsebene alle Mitglieder rede-, antrags- und stimmberechtigt sind, besteht auf allen höheren Ebenen die in der Satzung auszuübende Wahlfreiheit zwischen Mitglieder- und Delegiertenversammlung, wobei die Delegierten wiederum in demokratischen Wahlen zu bestimmen sind. Eine rechtliche Präferenz zwischen beiden Entscheidungssystemen besteht nicht. Bei Mitgliederversammlungen, aber auch bei der Festlegung der Größe von Delegiertenversammlungen ist es allerdings unerlässlich, dass alle Teilnehmer in einem Raum an den Beratungen teilnehmen können und die Chance auf aktive Mitwirkung haben. Die Auswahl von Parlamentskandidaten durch einen Kreis, der über die P.-Mitglieder hinausgeht und z. B. potentiell alle Bürger eines Wahlkreises umfasst (sog.e open primaries) ist mit dem deutschen P.-Recht nicht zu vereinbaren. Die demokratische und plurale Binnenorganisation der P., bei der die Meinungsfreiheit der Mitglieder eine zentrale Rolle spielt, hindern nicht daran, dass die Satzung eine gewisse P.-Disziplin im Auftritt nach außen verlangen kann.
1.4 Chancengleichheit
Auch die Chancengleichheit lässt sich unmittelbar aus Art. 21 GG ableiten, ohne dass es eines Rückgriffs auf den Gleichheitssatz des Art. 3 GG bedarf. Die Aufgabe, bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken, gilt für alle P. Der Staat hat sicherzustellen, dass alle gleichermaßen die Chance behalten, an dieser Aufgabe mitzuwirken und so die politische Mehrheit erlangen zu können. P. haben keine originären Ansprüche auf staatliche Leistungen. Werden solche Leistungen gewährt, müssen sie neutral ausgestaltet sein, um den P.-Wettbewerb nicht zu verzerren: eine formale Handhabung des Gebots der Chancengleichheit. Dieses Gebot gilt für den Zugang zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk (insb. die Einräumung von Sendezeiten im Wahlkampf), für die Vergabe von staatlichen und kommunalen Räumen für P.-Veranstaltungen und für andere öffentliche Leistungen (§ 5 Abs. 1 S. 1 PartG; zur staatlichen P.-Finanzierung s. u.). Formale Chancengleichheit hindert staatliche Stellen aber nicht daran, tatsächliche Unterschiede im Hinblick auf Größe und Bedeutung einer P. angemessen zu berücksichtigen und so zu einer Abstufung von Leistungsgewährungen zu kommen. § 5 Abs. 1 S. 3 f. PartG stellt zunächst maßgeblich auf den Stimmenanteil bei vorausgegangenen Wahlen ab, lässt aber jedenfalls in Bezug auf bereits im Bundestag vertretene P. keine volle Proportionalität bei der Differenzierung zu. Der maßgebliche Anwendungsfall der Chancengleichheit ist die Ausgestaltung des Wahlrechts, das darüber entscheidet, ob P. in den Parlamenten und kommunalen Vertretungsorganen mitwirken und Mehrheiten bilden können. Gegen die Nichtzulassung zu Wahlen kann eine P. seit 2012 auch unmittelbar vor dem BVerfG Beschwerde einlegen. Dass bislang nicht bei Wahlen angetretene P. oder solche mit sehr niedrigen Stimmenzahlen eine Mindestzahl von Unterschriften beibringen müssen, verstößt nicht gegen die Chancengleichheit, sondern bildet das Kriterium der Ernsthaftigkeit für politische P. ab. Auch eine Sperrklausel ist als Voraussetzung für den Einzug in ein Parlament zulässig, weil sie die Funktionsfähigkeit der Volksvertretung sicherstellt. Für den Bundestag folgt dieses Schutzgut unmittelbar aus den grundgesetzlichen Bestimmungen der Art. 38 ff. GG. Die in den Regelungen des PartG und im Wahlrecht gesetzlich angelegten Begünstigungen von bereits parlamentarisch etablierten P. werden mit Hinweis auf Art. 21 GG teilweise kritisiert. Empirisch ist indes festzuhalten, dass sie in der Vergangenheit den Erfolg einer nicht unbeträchtlichen Anzahl neuer P. vor allem in Landtagswahlen nicht verhindert haben. Soweit sie später wieder aus den Parlamenten verschwanden, geschah dies in einer Phase, in der sie an der tendenziellen Besserstellung der etablierten P. bereits teilhatten. Insgesamt gilt, dass der funktionale Ansatz des Art. 21 GG, der auf die Mitwirkung bei der politischen Willensbildung des Volkes abstellt, konsequent berücksichtigen muss, ob eine P. wenig oder viel Zuspruch aus dem Volk erfährt.
1.5 Parteienprivileg und Parteienverbot
Dass der Staat Organisationen und Vereine, die darauf abzielen, die freiheitliche demokratische Grundordnung (fdGO) zu beeinträchtigen oder gar ihren Bestand zu gefährden, verbieten darf (vgl. Art. 9 Abs. 2 GG), ist eine notwendige Ausprägung der „wehrhaften Demokratie“ des GG. Dass ein solches Verbot gegenüber politischen P. nicht durch die Exekutive, sondern nur durch das BVerfG verhängt werden kann, ist wiederum Ausdruck des bes.n Schutzes der P. vor staatlichem Handeln. Diese Regel gilt als „P.-Privileg“. Dieses hat mit dem Entscheidungsmonopol des BVerfG aber nicht nur eine prozedurale, sondern auch eine materiell-rechtliche Komponente. Solange eine P. nicht verboten ist, darf ihre mögliche oder angenommene Verfassungswidrigkeit auch grundsätzlich nicht zu nachteiligen staatlichen Entscheidungen zu Lasten ihres Anspruchs auf Chancengleichheit führen. Davon unberührt bleibt die Beobachtung durch Verfassungsschutzämter und die Nennung in Verfassungsschutzberichten (Verfassungsschutz), da diese zur Prüfung möglicher Verbotsanträge unerlässlich sind und hier wiederum der Grundsatz der „wehrhaften Demokratie“ zum Tragen kommt. Ferner sind auch kritische oder abwertende Äußerungen von Amtsträgern (bspw. Bundesministern) gegenüber P. erlaubt, denn auch diese dürfen am politischen Meinungskampf teilnehmen (BVerfGE 138,102 [114 ff.]). Unzulässig wären hingegen anhaltende Äußerungen, die einer P. von Amts wegen Verfassungswidrigkeit unterstellen. Anknüpfungspunkt für ein Verbot müssen (politische) Handlungen gegen die „obersten Grundwerte“ des Verfassungsstaates (BVerfGE 5,85 [140]) sein, nicht bloße Ideen.
Der Maßstab der fdGO ist im Wesentlichen identisch mit den von der sog.en Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Verfassungsinhalten, wobei sich eine gewisse Einschränkung mit Blick auf das übernationale Gemeingut demokratischer Verfassungsstaaten ergibt, sodass jedenfalls das Bundesstaatsprinzip (Bundesstaat) als Spezifikum des deutschen Verfassungsstaates für die Zwecke eines P.-Verbots nicht als Teil dieser Grundordnung gelten kann. Das zweite in Art. 21 Abs. 2 GG genannte Schutzgut, „der Bestand der Bundesrepublik“, erfasst aber auch ihre territoriale Integrität und ermächtigt damit zum Verbot von P., die separatistische Ziele (Separatismus) verfolgen. Antragsberechtigt sind gemäß § 43 BVerfGG Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung sowie Landesregierungen für P., die ausschließlich in ihrem Bundesland tätig sind. Z. T. sieht die Staatsrechtslehre bei manifester Verfassungswidrigkeit eine Pflicht zum Verbotsantrag. Zumindest der Gesetzgeber geht aber eher von einem Ermessen bei der Antragstellung aus, wenn er gleich drei Verfassungsorganen des Bundes die Befugnis dazu einräumt. Das BVerfG führt zunächst ein Vorverfahren durch, in dem die Vertreter der betroffenen P. angehört werden. Das Gericht kann im Anschluss einen Richter mit einer Voruntersuchung beauftragen. Beim eigentlichen Verbot muss das BVerfG mit Zweidrittelmehrheit entscheiden (§ 15 Abs. 4 S. 1 BVerfGG). Die Verbotsentscheidung kann auf rechtlich und organisatorisch selbständige Teile der P. beschränkt werden. Sie beendet die rechtliche Existenz der P. (oder der betroffenen Teilorganisation). Angeordnet werden kann zudem die Einziehung ihres Vermögens zugunsten des Staates. Ersatzorganisationen können nicht gebildet werden. § 46 Abs. 1 Nr. 5 BWahlG und entspr.e Bestimmungen der Länder und des Europawahlrechts bestimmen ferner den Verlust aller errungenen politischen Mandate.
Das BVerfG hat am 17.1.2017 (BVerfGE 144,20) bei der Ablehnung des Verbotsantrags gegen die NPD hohe Anforderungen, gleichzeitig aber abgestufte Sanktionen zugelassen. Daher hat der verfassungsändernde Gesetzgeber neben das P.-Verbot den Entzug der P.-Finanzierung ermöglicht (Art. 21 Abs. 3 GG). Das Verfahren ist mit dem Verbotsverfahren weitgehend identisch, aber für den Entzug ist keine konkrete oder potentielle Gefährdung der fdGO erforderlich. Es genügt die Ausrichtung auf entspr.e verfassungsfeindliche Ziele. Rechtsfolge ist der sechsjährige Ausschluss von der staatlichen P.-Finanzierung, einschließlich der steuerlichen Begünstigung von P.-Spenden (§ 46a Abs. 1 BVerfGG); der Ausschluss kann verlängert werden.
2. Parteienfinanzierung
2.1 Private und öffentliche Finanzierung
Weder GG noch PartG gehen von einer staatlichen P.-Finanzierung aus, schon gar nicht von öffentlicher Vollalimentierung, da eine solche den demokratischen Mitwirkungsprozess vom Volk über die P. zu den Staatsorganen geradezu umkehren würde. P. sind unbeschadet ihres bes.n verfassungsrechtlichen Auftrages dem gesellschaftlichen und nicht dem staatlichen Bereich zuzuordnen. Aus dem Grundsatz der Staatsfreiheit folgt demnach der Vorrang der Eigenfinanzierung (BVerfGE 20,56 [102]). Die zulässigen staatlichen Zuwendungen müssen sich auf das beschränken, was die P. benötigen, um ihre Funktionsfähigkeit und verfassungsrechtliche Aufgabenerfüllung aufrechtzuerhalten, unter Anrechnung dessen, was sie in zumutbarer Weise selbst aufbringen können (BVerfGE 85,264 [290]). Das BVerfG hat hieraus 1992 eine absolute Obergrenze anhand der den P. 1989–92 zugeflossenen Mittel festgelegt, deren Anpassung aufgrund veränderter Verhältnisse aber für möglich erachtet (BVerfGE 85,264 [291]). Auf der Grundlage dieser Entscheidung hat der Gesetzgeber die seit 2002 geltenden Obergrenzen von 133 Mio. Euro im Jahre 2009 (BGBl I: 3145) dynamisiert. Die absolute Obergrenze steigt – ausgehend von 150,8 Mio. Euro für das Jahr 2012 – jährlich gemäß der Preissteigerung der „für eine Partei typischen Ausgaben“ (§ 18 Abs. 2 S. 2 PartG). Diese wird vom StBA ermittelt. Der Primat der Eigenfinanzierung verlangt ferner eine relative Obergrenze für Staatszuwendungen, welche die anderweitigen Einnahmen nicht übersteigen dürfen (BVerfGE 85,264 [289]). Aus dem gleichen Gedanken erfolgt die Ausgestaltung der Zuschüsse erfolgsabhängig. Als Maßstab gilt zunächst das Abschneiden bei den letzten Wahlen. Da die P. indes mehr als „Wahlvereine“ sind und sich ihre Arbeit nicht in der Teilnahme an Wahlen erschöpft, werden als weitere Indikatoren ihrer erfolgreichen gesellschaftlichen Verankerung die Summe der Mitgliedsbeiträge und das Spendenaufkommen herangezogen. Diese erfolgsabhängige Differenzierung ist kein Verstoß gegen den Grundsatz der P.-Gleichheit, sondern die Konsequenz hieraus. Daher ist ein Sockelbeitrag wegen seiner Erfolgsunabhängigkeit unzulässig. Andererseits ist der Ausschluss von Kleinst-P. von staatlichen Zuwendungen nicht schlechthin verfassungswidrig. I. S. d. Chancengleichheit darf die Teilnahme an der staatlichen Teilfinanzierung aber auch nicht an zu hohe Hürden geknüpft werden: ein Mindeststimmenanteil von 2,5 % war demnach zu hoch, während 0,5 % bei Bundes- und Europawahlen, 1,0 % bei Landtagswahlen vom BVerfG akzeptiert werden. In Anwendung dieser Grundsätze erhalten die P. gemäß des zuletzt 2015 geänderten § 18 Abs. 3 PartG für jede auf ihrer Liste bei Europa-, Bundestags- und Landtagswahlen abgegebene Stimme jährlich einen bestimmten Betrag: für die ersten vier Mio. Stimmen 1 Euro, für jeder weitere Stimme 0,83 Euro. Für jeden Euro, den sie als Mitgliedsbeitrag, Mandatsträgerbeitrag oder als rechtmäßig erlangte Spende von einer natürlichen Person (bis zur Obergrenze von 3 300 Euro) vereinnahmen, erhalten sie zusätzlich 0,45 Euro aus Bundesmitteln.
Für verfassungsfeindliche P. sieht das GG seit 2017 durch Ergänzung des Art. 21 um die Absätze 3 und 4 einen sechsjährigen (und verlängerbaren) Ausschluss von der P.-Finanzierung vor.
2.2 Steuerliche Begünstigungen
Die steuerrechtlichen Regelungen zur Begünstigung von P.-Spenden stellen eine wichtige indirekte staatliche Finanzierung dar. Begünstigt werden ausschließlich Spenden natürlicher Personen bis zu einer jährlichen Höchstgrenze für Alleinstehende von 1 650 Euro bzw. für Verheiratete bis 3 300 Euro. Um nicht Spender mit hohen Einkommen zu bevorteilen (und damit indirekt auch die von ihnen präferierten P.), werden P.-Spenden auch nicht wie Werbungskosten in Abzug gebracht. In genannten Grenzen werden vielmehr 50 % des Betrags von der Steuerschuld abgezogen. Darüberhinausgehende Spenden und Spenden juristischer Personen sind zulässig, aber steuerlich nicht abzugsfähig.
2.3 Transparenz
Anders als in einigen anderen Staaten lässt die deutsche Rechtsordnung auch Groß- und Unternehmensspenden unbeschränkt zu. Der Sorge vor einer Steuerung der P. durch wirtschaftliche Interessen und durch einzelne Geldgeber tritt das GG mit dem Gebot der innerparteilichen Demokratie (Art. 21 Abs. 1 S. 3) und der Pflicht, „über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihre Vermögen öffentlich Rechenschaft“ zu geben (S. 4), entgegen. GG und PartG gehen somit nicht den Weg des Verbots (BVerfGE 85,264 [285]), sondern der Transparenz. Gemäß § 25 Abs. 3 PartG gelten bes. Transparenzregeln für größere Spenden. Einzelspenden, die über 50 000 Euro hinausgehen, sind dem Bundestagspräsidenten unverzüglich anzuzeigen und werden von ihm zeitnah mit Name und Anschrift veröffentlicht. Zuwendende, die in einem Kalenderjahr mehr als 10 000 Euro spenden, sind im jährlichen Rechenschaftsbericht der P. zu nennen. Dass Spender bis 10 000 Euro nicht genannt werden, wird in der Literatur teilweise kritisiert, da Art. 21 GG keine Relativierung des Transparenzgebotes vorsehe. Sanktionen für Verstöße gegen das Transparenzgebot sind verfassungsrechtlich geboten und finden sich insb. in §§ 23a und 31a ff. PartG. Prüfungs- und Sanktionsbehörde ist der Bundestagspräsident, der auch für die Festsetzung des Anspruchs auf staatliche Finanzierung zuständig ist. Die P.-Finanzierung mit den dazugehörigen Prüfungs- und Sanktionsentscheidungen ist einer der wenigen Bereiche, wo der Präsident über das Parlament hinauswirkt und rechtlich verbindliche Entscheidungen mit Außenwirkung trifft. Bei rechtswidrigen Spenden (etwa solchen aus dem Ausland über 1 000 Euro, von Unternehmen im Eigentum der öffentlichen Hand) muss die P. eine Strafzahlung in der dreifachen Höhe leisten (§ 31b S. 1 PartG); bei der Unrichtigkeit eines Rechenschaftsberichts in Höhe des zweifachen des den unrichtigen Angaben entspr.en Betrages (§ 31b S. 1 PartG). Bei Umgehung der Transparenz- und Rechenschaftspflicht droht unter Umständen auch eine Freiheitsstrafe bis zur drei Jahren (§ 31d PartG).
Literatur
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Empfohlene Zitierweise
G. Krings: Parteien, I. Parteienrecht und Parteienfinanzierung, Version 11.11.2020, 09:00 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Parteien (abgerufen: 24.11.2024)
II. Parteien im politischen System
Abschnitt drucken1. Definition
In der Rechts- und Politikwissenschaft existieren vielfältige Definitionen des P.-Begriffs, welche durch unterschiedliche, z. T. normativ geprägte Vorstellungen über Demokratie, Macht, Staat, Repräsentation, Konflikt oder Legitimation bestimmt sind. In jüngerer Zeit wird versucht, den Begriff durch Reduktion auf Kernmerkmale zu vereinheitlichen. Dadurch lassen sich P. als solche Organisationen auffassen, welche dauerhaft in der Gesellschaft die Rekrutierung und Auslese der politischen Elite vornehmen, politische Ziele in Form von Programmen formulieren, Kommunikation zwischen der staatlichen und gesellschaftlichen Sphäre im Prozess der politischen Willensbildung ermöglichen, an der Meinungsbildung mitwirken – somit Öffentlichkeit herstellen – und Entscheidungen auf gouvernementaler Ebene möglichst zu steuern oder zu koordinieren, zumindest aber zu beeinflussen versuchen. Bei den Wählern suchen sie nach Unterstützung, um ein politischer Machtfaktor zu werden oder zu bleiben. Intern betrachtet sind sie Organe der Interessenartikulation, -aggregation und -repräsentation, wobei sie nicht nur Interessen, sondern auch Meinungen, Haltungen oder Werte artikulieren, aggregieren und repräsentieren. Ihre Handlungsmöglichkeiten werden durch die jeweiligen Makro-Strukturen des politischen Systems wesentlich mitbestimmt. In Demokratien bildet der Wettbewerb untereinander im Rahmen des P.-Systems einen machtbegrenzenden und -alternierenden Bezugspunkt ihres Handlungskalküls.
2. Funktionen
Funktionsfähigkeit und Stabilität repräsentativer Demokratien hängen wesentlich von der Erfüllung der den politischen P. normativ zugeschriebenen, aber auch empirisch wahrnehmbaren Aufgaben ab, jedenfalls soweit sie als P.-Demokratien ausgestaltet sind, wie es seit Ende des 19. Jh., spätestens mit Beginn der dritten Dekade des 20. Jh. in Westeuropa üblich ist. Unter massendemokratischen Voraussetzungen sind politische P. zur Legitimation der Herrschaft und zur Vermittlungsleistung zwischen den Staatsorganen und einer Bürgergesellschaft unabdingbar; vielfach kritisiert und gescholten, haben sie sich in dieser Hinsicht bislang als alternativlos herausgestellt. Erwartungen, dass andere politische Organisationen an ihre Stelle treten und ihre Aufgaben weitgehend oder vollständig übernehmen könnten, haben sich als Illusion erwiesen, wenngleich nicht bestritten werden kann, dass P. bei der Erfüllung systemrelevanter Aufgaben mit anderen Organisationen (etwa Interessengruppen) und Bewegungen zusammenwirken oder letztere komplementäre Funktionen ausüben. Zum besseren Verständnis der zentralen Stellung politischer P. in modernen Demokratien ist es weiterhin unerlässlich, ihre Rolle in den staatlichen Institutionen konkreter zu umreißen. Nach der party on the ground als (Mitglieder-)Organisation auf der gesellschaftlichen Ebene (Ortsvereine, Kreisverbände), der party in central offices als strukturierte (Binnen-)Einheit mit Präsidium, Geschäftsstellen und bewusster Außenwirkung bspw. in Wahlkämpfen, ist die party in public office die dritte Ausformung: ihr Hineinwirken durch Abgeordnete und/oder Regierungsvertreter in staatliche Institutionen der Exekutive und Legislative; selbst in die Judikative erstreckt sich ihr Einfluss. Auch wirken P.-Vertreter in andere öffentliche Einrichtungen hinein, wie etwa unmittelbar in große Teile der öffentlichen Verwaltung (insb. Ministerialbürokratie, Parlamentsverwaltung), den öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder andere quasi-staatliche Einrichtungen und Unternehmen.
Somit hängt es nach wie vor wesentlich von der Funktionserfüllung der P. ab, ob und in welchem Ausmaß politische Herrschaft sowohl effizient als auch repräsentativ gegenüber Wählerwünschen und Bevölkerungsanliegen ausgeübt wird. Damit sind die beiden zentralen Ebenen des Handelns politischer P. und somit auch die Ebenen der Funktionserfüllung angesprochen: die parlamentarisch-gouvernementale und die elektorale bzw. gesellschaftliche. Die einzelnen Funktionen können diesen beiden zentralen Handlungsebenen zugeordnet werden. P. agieren auf beiden, da sie als gesellschaftliche Akteure weit in den Staatsapparat hineinwirken und Rückkopplungseffekte zwischen beiden Ebenen herstellen. Diese Verbindungsposition oder Vermittlerrolle kommt im sog.en Linkage-Ansatz zum Ausdruck. Durch ihre Verortung in beiden Ebenen und die Kombination der Wahrnehmung sowohl elektoraler wie gesellschaftlicher und parlamentarisch-gouvernementaler Aufgaben sind politische P. in einer zentralen Position im politischen Willensbildungs- wie Entscheidungsprozess. Bei Erfüllung ihrer Funktionen gewährleisten sie die Legitimität des demokratischen Systems. Zu Recht sind sie als funktionserfüllende Subsysteme charakterisiert worden.
Die Vielfalt der Handlungsräume und Einflussnahme politischer P. insgesamt lässt sich neben beiden zentralen Ebenen auf vier Sektoren ausdehnen: als Ausdruck sozialer Gruppen sowie ideologisch-programmatischer Vorstellungen und Ziele; als Instrument der Machtausübung; als Vermittler demokratischer Legitimation; schließlich als Interessenvertreter in eigener Sache und als Rekrutierungsfeld politischer Führung. Darin finden sich schon vielerlei Funktionen wieder. Diese werden nicht nur von einzelnen P. wahrgenommen, sondern logischerweise von der Gesamtzahl der P. und deren Interaktionen in einem politischen System. Legitimation und Innovation fallen dabei nur dem P.-System insgesamt zu, während Elitenrekrutierung, Integration und Repräsentation auch den einzelnen P. zukommen.
Der Funktionenkatalog für P. differiert zwischen den Autoren sowohl qualitativ wie quantitativ: zwischen vier zentralen Funktionen, wie sie etwa von Richard Katz, Klaus von Beyme oder Frank Decker genannt werden, und einem weiten Feld von bis zu elf Funktionen bei Elmar Wiesendahl. Einigkeit herrscht darüber, P. als multifunktionale Organisationen zu betrachten, die ein breites Funktionsspektrum auszufüllen versuchen. Interessanterweise stimmen die Autoren nur bei einer Funktion – zumindest begrifflich – vollständig überein: der Rekrutierung von Personen für öffentliche und innerparteiliche politische Ämter, also für politische Entscheidungsgremien.
Unerlässlich ist wohl auch die Interessenartikulation bzw. -repräsentation. Giovanni Sartori erachtet sie als zentrale Aufgabe. Die anderen von ihm genannten Funktionen ordnet er dieser nur nach. Die Artikulationsfunktion bedeutet für ihn die Repräsentation von gesellschaftlichen und politischen Interessen; außer dieser sieht er nur die Teilnahme an Wahlen und die Ermöglichung freiwilliger politischer Partizipation als nicht ersetzbar an. Schließlich gilt dann im Verhältnis der drei Funktionen zueinander, dass Wahlteilnahme und Partizipationsangebot nur mehr Mittel sind, um P. die Möglichkeit zu geben, als Repräsentationsagenturen zu wirken und nicht als Ziele für sich gelten sollten. Plattform für dauerhaftes politisches Engagement und damit wirkungsmächtiges Partizipationsinstrument zu sein, ist ebenfalls von eminenter Bedeutung. Freiwilliges, selbst gewähltes Engagement in P. stellt in dieser Lesart eine Art Bewegung von unten dar, indem die Gesellschaft parteiliche Basisorganisationen bildet, um das politische Geschehen mitbestimmen zu können.
Es gibt P., die möglichst viele soziale Gruppen hinter sich vereinen möchten; diese müssen entspr.e Interessen bündeln und zusammenfassen, somit aggregieren, was auch widerstreitende Positionen einschließt und den Kompromisscharakter vieler Groß-P. erklärt. Diese Aggregation unterschiedlicher Interessen und Meinungen wird oftmals nach innen durch die Bildung verschiedenster Flügel, Vereinigungen oder Strömungen abgebildet, nach außen durch den Versuch, programmatisch sowie pragmatisch möglichst umfassend soziale Gruppen anzusprechen und zu integrieren. Formulierung von Programmen und Interpretationsangebote zur Lösung politischer, sozialer oder ökonomischer Probleme werden unter der Funktion der Zielfindung subsumiert. Die Programmformulierung kann als Binnenaktivität von politischen P. gelten, die Vermittlung als nach außen gerichtete Leistung. P. liefern der Gesellschaft Deutungsmuster und Orientierungsrahmen und bringen damit im P.-Wettbewerb ideologische oder sachpolitische Differenzen bzw. Kontroversen zum Ausdruck. Gleichzeitig wollen sie integrativ wirken, indem sie durch ihren Vertretungsanspruch gegenüber sozialen Gruppen diese in das politische System sozialisieren, sie mit dessen Werten und Normen vertraut machen und ihnen Mitwirkungsmöglichkeiten anbieten. Die Integration erfolgt durch Teilnahme an Wahlen, Partizipation innerhalb der P.-Organisation und Teilnahme an weiteren Willensbildungsprozessen.
Um den Vorstellungen ihrer Anhängerschaft oder davon unabhängigen Positionen und Inhalten Wirkungsmacht zu verleihen, bedarf es in P.-Demokratien öffentlicher Ämter. Daher ist Regierungsbeteiligung bzw. Oppositionsarbeit als unmittelbare Funktion von P. nicht zu unterschätzen. Das Funktionieren parlamentarischer Demokratien ist geprägt vom engen Zusammenwirken der außerparlamentarischen und parlamentarischen Teile der P.-Organisationen. Als Regierungs- oder Oppositions-P. treffen sie Entscheidungen über Politikinhalte und üben somit unmittelbaren Einfluss im politischen Entscheidungsprozess aus; sie fungieren somit als Konfliktlöser und -schlichter. Staatliche Regelsetzung obliegt weitestgehend ihnen, Entscheidungen über die Inhalte von Politik fallen aber vermehrt in Netzwerken, in denen außer staatlichen auch zentrale gesellschaftliche Akteure (NGOs, Verbände, Bürgerinitiativen, Experten etc.) mitwirken.
Um öffentliche Ämter und Mandate besetzen zu können, bedarf es des Erfolgs bei Wahlen. Diese versuchen P. durch die Mobilisierung ihrer Anhänger oder der Wechselwähler zu erreichen. Zusammenfassend lassen sich fünf zentrale Funktionen für politische P. in westlichen Demokratien benennen, die wiederum weiter ausdifferenziert werden können:
a) Rekrutierung des politischen Personals,
b) Responsivität durch Interessenartikulation, -repräsentation und -aggregation,
c) Regierungsbildung und Oppositionsarbeit (Opposition),
d) Bestimmung von politischen Inhalten (Policy-Funktion; Policy) sowie
e) Mobilisierung und Integration der Wähler- und Mitgliedschaft.
3. Typen
Eine der am häufigsten gebrauchten Methoden in der vergleichenden P.-Forschung ist die Typen- oder Typologienbildung. Typen spielen eine zentrale Rolle; sie ersetzen partiell eine allg.e P.-Theorie, wenn sie auch in ihrer Vielfältigkeit recht unübersichtlich erscheinen. P.-Typen können anhand unterschiedlichster Aspekte bzw. Dimensionen konstruiert bzw. abgebildet und in Typologien zusammengefasst werden. Zu nennen sind:
a) Programmatik und Ideologie,
b) historischer Ursprung und Nähe zum Staat bzw. zur Gesellschaft,
c) Organisationsstruktur, wesentlich bezogen auf Rekrutierungsprozesse und auf die innerparteiliche Macht der P.-Führung,
d) zentrale Zielsetzung bzw. wesentlicher Handlungsort und
e) elektorale Anziehungskraft oder Struktur der Wählerschaft.
Diese einzelnen Dimensionen schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern können sich ergänzen und sind verschieden kombinierbar.
Bei Programmatik und Ideologie werden P. entspr. ihrer inhaltlichen Ausrichtung einer einzelnen P.-Familie zugeordnet. Die jeweilige P.-Familie vertritt ähnliche politische Werte und Ziele, zeichnet sich durch eine abgrenzbare ideologische Basis aus und besitzt eine historisch gewachsene genetische Identität. In westlichen Demokratien sind hauptsächlich sechs etablierte Familien zu unterscheiden: sozialdemokratische, christdemokratische, konservative, liberale, grün-ökologische und linkssozialistische. Neuerdings lassen sich auch eine rechtspopulistische und eine der EU skeptisch gegenüberstehende P.-Familie ausmachen. Auch regionalistische P. haben sich zunehmend formiert.
Der historische Ursprung oder die Wurzeln einer P. bestimmen deren weitere Entwicklung nicht unwesentlich mit. Hat sie zunächst als Parlaments-P. mit geringer gesellschaftlicher Verankerung im politischen System gewirkt oder ist sie von einer kleinen Gruppe aus der Elite heraus gegründet worden, ist sie aus einer sozialen Bewegung heraus entstanden oder als Massen-P. aus der Gesellschaft hervorgegangen und Repräsentantin sozialmoralischer Milieus geworden? Ist die P. als eine Abspaltung zu kennzeichnen oder ist sie eine gänzliche Neugründung? Wesentlich zur Ausdifferenzierung erscheint die Frage, ob die P. gesellschaftliche Verwurzelung und enge Verbindung mit einzelnen gesellschaftlichen Interessen pflegt oder ob sie enger mit den Institutionen des politischen Systems verbunden ist und damit weit mehr in die staatliche Sphäre hineinwirkt.
Wesentlich bedeutsamer als der historische Ursprung für die Typenfrage ist die Organisationsstruktur. Grundlegend ist zunächst zu klären, ob es sich um eine Mitglieder-P. handelt oder nicht, wobei der Begriff nur dann Sinn ergibt, wenn quantitative Daten in die Definition mit einfließen und gleichzeitig die Relevanz bzw. Kompetenzen der Mitglieder im Willensbildungs- und Entscheidungsprozess Berücksichtigung finden. Die an der Zahl der Wahlberechtigten gemessene Mitgliederdichte (Massen-P. v Honoratioren-P.) und der Aspekt, inwieweit Mitglieder als Ressourcen für das Binnenleben und für die Außendarstellung genutzt werden, sowie die Frage, welche Teilhabemöglichkeiten existieren, bestimmen die Zuordnung (Kader-P., Rahmen-P. v demokratische Mitglieder-P.). Die reale innerparteiliche Demokratie ist also ein zentraler Faktor, wenn P. über die Organisationsstruktur typologisiert werden. Qualitativ spricht E. Wiesendahl von Mitglieder-P., wenn Mitglieder exklusive Rechte bei der Kandidatenauswahl für öffentliche Ämter, bei der Programmformulierung und bei der Verwirklichung einer politischen Karriere haben, wenn sie als strategische Organisationsressource genutzt werden und wenn sich politische Programme bzw. die Politiken an der Mitgliederbasis orientieren. Dass die einstmals engere Verknüpfung von P. und Gesellschaft sich gelockert hat, wird insb. am spürbaren Mitgliederschwund deutlich. Mitglieder sind Multiplikatoren, die als solche zur gesellschaftlichen Verankerung wesentlich beitragen, weil sie gesellschaftliche Interessen in die P. vermitteln, diese artikulieren und repräsentieren können. Insofern tragen sie auch zur Legitimation der P.-Demokratie bei. Doch in nahezu allen westlichen Demokratien ist ihre Anzahl rückläufig, einhergehend mit einer Schwächung der Organisationskraft – ohne Aussicht auf grundlegende Besserung.
Die Zielsetzung kann ebenfalls zur Typologisierung herangezogen werden. Grundlegend ist, ob die P. systemloyal agiert oder eher systemkritisch bzw. -feindlich. Systemkritische P. äußern ihre Haltung häufig in Protest oder betonen ihre kritische Haltung gegenüber der vorherrschenden Politik (Anti-Establishment-P.). Anti-System-P. formulieren ihre prinzipielle Absage an die herrschende Verfassungsordnung.
Aber auch die klassischen drei Ziele (Stimmenmaximierung, Erringung öffentlicher Ämter und Mandate und Durchsetzung inhaltlicher Positionen) können je nach Ausrichtung eine Typenbildung zulassen. Je nach Zielsetzung spielen auch unterschiedliche Handlungsfelder eine Rolle: das Parlament, die gesellschaftliche Öffentlichkeit, der staatliche Apparat oder soziale Netzwerke.
In der P.-Forschung haben sich mehrdimensionale Verlaufstypen von P. etabliert: Je nach zeithistorischer Epoche hat sich ein neuer P.-Typus herausgeschält. Die Forschung konstatiert nahezu einmütig einen Wandel im Laufe der letzten 100 Jahre, ist sich jedoch nicht vollständig einig, welcher Typ die Gegenwart am aussagekräftigsten beschreibt: noch immer die Volks-P. oder Catch-All party, die Kartell-P., die wahlprofessionelle P. oder die professionalisierte Medienkommunikations-P.?
Die Entwicklung des Modells der Cartel Party als vorherrschender Typus mit der Grundidee, P. seien Vertreter des Staates, wobei P. und Staat in einem symbiotischen Beziehungsgeflecht eng aneinander gerückt sind, ist in der Politikwissenschaft nicht kritiklos aufgenommen worden. So ist zu monieren, dass das Modell zu staatszentriert fixiert ist, während doch die Realität zeigt, dass politische Macht keineswegs mehr in einem als Monolith gedachten Staatsapparat konzentriert ist. R. Katz und Peter Mair haben des Weiteren eindeutig die Bedeutung der Massenmedien für die Entwicklung vernachlässigt, denn diese haben erheblichen Einfluss auf P. als politische Organisationen. Dies bringen andere Typen wie die professionalisierte Medienkommunikations-P., die professionelle Wähler-P. zum Ausdruck. Die Deutungshoheit über die öffentliche Diskussion in Folge der Berichterstattung der Massenmedien kann in diesem Zusammenhang als mindestens so wichtig wie die Kontrolle über den Staatsapparat angesehen werden. Die Zuschreibung positiver Imagemerkmale und Popularität sowie Prominenz im Leitmedium Fernsehen sind zu wichtigen Machtressourcen geworden. Der Wähler wird als unbeständiges Wesen erkannt und hohe Volatilität vorausgesetzt. Die Professionalisierung der P.-Organisation durch die Verstärkung des P.-Apparats durch Experten trägt dazu bei, dass „the party’s gravitational center shifts from the members to the electorate“ (Panebianco 1988: 264), ein Prioritätenwechsel, der im Modell der Catch-All Party schon angelegt war. Die Mobilisierung potenzieller Wähler rangiert in der Prioritätenskala ganz eindeutig vor der Integration der Mitglieder. Der Spitzenkandidat und seine Experten dominieren den Wahlkampf. Massenmitgliedschaft steht bei diesem Typus für das Handeln von politischen P. nicht mehr im Vordergrund, sondern Berufspolitiker und professionelle Berater. Wie schon bei R. Katz’ und P. Mairs Kartell-P. haben Mandatsträger in öffentlichen Ämtern eine zentrale Rolle innerhalb der P.-Organisation inne, und wie schon die Catch-all Party ist dieser Typus issue- und (wähler-)interessenorientiert. Die Rekrutierungsfunktion steht ebenso im Vordergrund wie Regierungsbildung bzw. Oppositionsarbeit, während Responsivität sich fast ausschließlich auf die eigenen Wähler bezieht.
Die im politischen System etablierten politischen P. der Zukunft werden – sollten sich die derzeitigen Trends fortsetzen – bei geringerer gesellschaftlicher Verwurzelung weniger Akteure der Interessenrepräsentation und der politischen Zielfindung sein, sondern vielmehr professionelle Organisationen im Parlaments- und Regierungsbereich eines politischen Systems, die mit professionellem Kommunikationsmanagement politische Entscheidungen nach innen und außen darstellen und im intensiven Wettbewerb untereinander mit wählerzentrierten Instrumenten und Mitteln Kandidaten für öffentliche Ämter rekrutieren, ohne jedoch ihren Anspruch als Mitglieder-P. mit gesellschaftlicher Verankerung aufzugeben.
Diese Entwicklung korrespondiert nur partiell mit den gewachsenen Ansprüchen auf mehr Partizipationsrechte und auf Mitwirkung an Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen stark interessierter Wähler, wie am Unbehagen an den als zu gering empfundenen Möglichkeiten der demokratischen Beteiligung abzulesen ist.
Literatur
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Empfohlene Zitierweise
U. Jun: Parteien, II. Parteien im politischen System, Version 11.11.2020, 09:00 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Parteien (abgerufen: 24.11.2024)