Familienrecht

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1. Geschichte

1.1 Geschichte bis zum BGB

Die Familie ist eine der ältesten Institutionen der menschlichen Gesellschaft und hat eine entspr. lange Rechtsgeschichte, auch wenn das Recht in frühesten Zeiten nicht aufgezeichnet war, in denen sich die Familienstruktur nach der Form des Wirtschaftens richtete (Jäger/Sammler, Nomaden, Bauern). Die in Sippenverbänden siedelnden germanischen Stämme kannten Polygamie, Verheiratung durch die Sippe, Heirat innerhalb des engeren Sippenverbandes. Im Mittelalter haben sich dann durch den Einfluss des Christentums und des römischen Rechts die für Jh. prägenden Strukturen des F.s herausgebildet: Die Ehe war seitdem ein von Mann und Frau geschlossener Vertrag (Konsensprinzip), wodurch Formen der Raub- oder Kaufehe ausgeschlossen wurden. Die Ehe wurde auf Lebenszeit geschlossen, eine Scheidung war grundsätzlich unzulässig. Verboten war die Doppelehe, genauso wie Ehen im engeren Verwandtschaftskreis, wobei die Kirche dieses Inzestverbot im Laufe der Jh. immer mehr ausweitete. Die starke religiöse Prägung der Materie beschränkte sich nicht auf das materielle Recht, sondern führte auch zur alleinigen Zuständigkeit der kirchlichen Gerichtsbarkeit zumindest hinsichtlich Eheschließung und Ehebeendigung. Dagegen blieb der innerfamiliäre Bereich, insb. das Verhältnis der Eltern zu den Kindern weitgehend unreglementiert, und daher bestand – der damaligen patriarchalischen Gesellschaft entsprechend – ein Machtmonopol des Vaters, der im römischen Recht pater familias hieß, in der germanisch/deutschen Terminologie Muntwalt. Indem das spätmittelalterliche Kirchenrecht die Ehe zum Sakrament erhoben hatte, wurde diese überhöht und andere nichteheliche Verbindungen geächtet, genauso wie die daraus hervorkommende Nachkommenschaft, die als Kinder aus einem Konkubinat oder als „Unflatskinder“ bezeichnet wurden und mit ihrem Vater als nicht verwandt galten, eine Regelung, die sogar bis ins BGB von 1900 überdauerte. Allerdings geht es auf den Einfluss der Kirche zurück, dass sich gewisse Alimentationspflichten langsam etablierten. Die Reformation bedeutete für die katholische Kirche den Verlust des Monopols im Eherecht. Trotz Martin Luthers Diktum von der Ehe als einem „weltlich Ding“ blieb es bei der kirchlichen Zuständigkeit, da die evangelischen Fürsten in ihren Kirchenordnungen die Ehe ähnlich genau normierten. Mit dem Erstarken staatlicher Macht in der frühen Neuzeit kam es aber auch in den katholischen Territorien zu einer Auseinandersetzung zwischen Kirche und Staat (Kirche und Staat) in dieser Frage. Eine Wende brachte insoweit die Aufklärung mit ihrer Abkehr von der Legitimation des Rechts durch göttliche Fügung, was bedeutete, dass auch das F. immer mehr säkularisiert wurde. Die Ehe und die Familie wurden nicht mehr als von Gott geschaffen, sondern als eine rechtliche Gesellschaft (societas) verstanden. Allerdings kämpften noch im 19. Jh. Staat und Kirche um die Vorherrschaft auf diesem Gebiet; für Deutschland bedeutete der Kulturkampf Otto von Bismarcks mit der katholischen Kirche und konkret die Einführung der obligatorischen Zivilehe im Jahre 1875 den entscheidenden Wendepunkt. Das BGB aus dem Jahre 1900 sah schließlich das gesamte F. als eine rein staatliche Angelegenheit an, ohne aber die religiös-sittliche Prägung dieses Rechtsgebietes zu leugnen.

1.2 Entwicklung im 20. Jh.

Das vierte Buch des BGB behandelt die Bereiche „Ehe, Verwandtschaft und Vormundschaft“ und hat sich im Laufe der gut 100 Jahre Geltung so stark verändert wie kein anderer Teil dieses Gesetzes. Verantwortlich dafür ist in erster Linie der gesellschaftliche Wandel, der ab dem 19. Jh. und konkret durch die Industrialisierung (Industrialisierung, Industrielle Revolution) zu einem Funktionswandel der Familie und zur Herausbildung neuer Familienformen geführt hat. Weitere Faktoren sind neben der Trennung von Wohn- und Arbeitsplatz v. a. die Emanzipation der Frauen, aber auch die zunehmende Anerkennung der Kinderrechte. Entscheidend zur Veränderung dieses Rechtsgebiets hat schließlich auch die Verfassung beigetragen, von besonderer Bedeutung war hier der Familienartikel Art. 6 GG sowie das Gleichheitspostulat des Art. 3 Abs. 2 GG. Während das BGB von 1900 noch stark die patriarchalische Familie rechtlich widerspiegelte, hat die formale Gleichstellung von Mann und Frau (Gender) zu einem radikalen Umbau v. a. des Eherechts geführt, was im Wesentlichen im GleichberG von 1957 geschehen ist. Die von Art. 6 Abs. 5 GG geforderte Gleichstellung ehelicher und nichtehelicher Kinder wurde im NEhelG von 1969 z. T. verwirklicht, noch stärker mit der Kindschaftsrechtsreform von 1998. Weitere, z. T. von der Verfassung geforderte Reformschritte in der BRD waren die Veränderung des Scheidungsrechts (der Übergang vom Verschuldens- zum Zerrüttungsprinzip 1977), das Sorgerechtsgesetz von 1974, mit dem eine Emanzipation der Kinder einherging, das BtG von 1992 und schließlich die Reform von 1998, die sowohl die Eheschließung, die Stellung der nichtehelichen Kinder, das Sorgerecht (Elterliches Sorgerecht) und das Abstammungsrecht betraf. Aber auch in den letzten knapp 20 Jahren hat eine Reihe von kleineren Änderungen dieses Rechtsgebiet weiter den gesellschaftlichen Veränderungen angepasst. Diese Entwicklung ist durch das europäische Recht (Europarecht) verstärkt worden, insb. durch den EuGH, der gestützt auf Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) v. a. die Rechte der Nicht-Verheirateten, konkret der nichtehelichen Kinder bzw. der nicht mit der Mutter verheirateten Väter gestärkt hat. Mittlerweile ist anerkannt, dass der Grundrechtsschutz auch Stief-, Adoptiv- und Pflegeeltern zusteht, dass darüber hinaus ein Schutz auch für nicht verheiratete Eltern, insb. den nichtehelichen Vater besteht, der daher auch unabhängig von dem Willen der Mutter das Sorgerecht zugesprochen erhalten kann. Bes. Probleme sind in den letzten Jahrzehnten durch die neuen medizinischen Techniken aufgeworfen worden, speziell durch die Möglichkeiten der künstlichen Zeugung von Nachwuchs, sei es durch heterologe Insemination oder durch eine Ersatz- oder Leihmutterschaft. Letztere sind zwar in Deutschland verboten, kommen allerdings in der Praxis vor und werfen dann große Probleme für die Gerichte und die betroffenen Menschen auf.

2. Geltendes Recht

2.1 Verlöbnis/Eheschließung

Das Verlöbnis ist das Versprechen der Eheschließung, das mangels Einklagbarkeit kaum praktische Bedeutung hat, allenfalls für Schadensersatzansprüche bei einseitig schuldhafter Auflösung oder für die Rückforderung von Geschenken. Die Eheschließung ist ein formgebundener Vertrag, der höchstpersönlich vor dem Standesbeamten bei gleichzeitiger Anwesenheit der Eheschließenden geschlossen wird. Fehlerhaft zustande gekommene Ehen, z. B. bei fehlender Ehemündigkeit, bei Willensmängeln oder bei Abschluss unter Drohung oder Täuschung, berühren die Wirksamkeit der Ehe nicht, führen aber zur Aufhebbarkeit auf Antrag eines Ehegatten oder – in einzelnen Fällen – auf Antrag der Behörde. Letzteres gilt auch für eine sogenannte Scheinehe, bei der die Heiratenden keine wirkliche Ehe anstreben, sondern lediglich formell verheiratet sein wollen, um bspw. ein Aufenthaltsrecht für einen der beiden zu erreichen. In allen diesen Fällen muss allerdings der Standesbeamte, wenn er vor der Hochzeit von dem Ehemangel Kenntnis erhält, seine Mitwirkung an der Eheschließung verweigern. Die kirchliche Eheschließung ist bürgerlich-rechtlich ohne Bedeutung (Kirchliches Eherecht).

Den immer wieder erhobenen Forderungen nach einer Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare kam der Gesetzgeber mit der Schaffung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft entgegen. Seit Oktober 2017 steht solchen Paaren nunmehr auch die Eheschließung offen, neue eingetragene Lebenspartnerschaften sind dagegen nicht mehr zulässig.

2.2 Ehewirkungen

Als Grundsatz bestimmt § 1353 BGB, dass die eheliche Lebensgemeinschaft auf Lebenszeit geschlossen wird. Was eine solche eheliche Lebensgemeinschaft ausmacht, wird heute weniger objektiv-institutionell geregelt, sondern eher durch die einzelnen Paare aufgrund der jeweils gelebten Ehe bestimmt. Von den vielen ehelichen Pflichten, die früher dem Gesetz entnommen wurden, werden heute nur noch wenige anerkannt, z. B. das gemeinsame Wohnen, die Geschlechtsgemeinschaft und die eheliche Treue, wobei auch in diesen Punkten den Eheleuten eine einvernehmliche andere Ehegestaltung möglich sein muss. Letztlich bleibt als unverzichtbarer Kern übrig lediglich die etwas vage Verpflichtung zur Übernahme gegenseitiger Verantwortung. Die eheliche Solidarität kommt ferner zum Ausdruck in der wechselseitigen Unterhaltspflicht sowie in der Möglichkeit, dass jeder der beiden Ehegatten Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung für und gegen den anderen Ehegatten vornehmen kann. Das gesetzliche Güterrecht des BGB geht von einer grundsätzlichen Trennung der Vermögen von Mann und Frau aus, das jeder eigenständig ohne Mitwirkung des anderen verwaltet. Eine Ausnahme stellen zwei Verfügungsbeschränkungen dar, einmal bei der Verfügung über das (nahezu) gesamte Vermögen, zum anderen für die Verfügung über Haushaltsgegenstände, bei denen jeweils die Zustimmung des anderen Ehegatten erforderlich ist. Die Beendigung des gesetzlichen Güterstandes (durch Scheidung, Tod oder Ehevertrag) führt zu einem Zugewinnausgleich desjenigen Ehegatten, der während der Dauer des gesetzlichen Güterstandes den geringeren Zugewinn erzielt hat; er kann die Hälfte der Differenz zwischen den beiden Zugewinnen als Ausgleichsanspruch verlangen. Der Versorgungsausgleich soll eine entsprechende Kompensation für die während der Ehe erworbenen Versorgungsanrechte erreichen. Durch notariellen Vertrag können die Ehegatten abweichende Vereinbarungen treffen, wobei ein denkbarer Verstoß gegen die guten Sitten die Grenze bildet. Dies ist etwa gegeben, wenn der eine Teil wirtschaftlich und intellektuell überlegen ist und eine Notlage oder die Unerfahrenheit des anderen ausnutzt.

2.3 Scheidung

Eine Scheidung der Ehe ist durch gerichtliches Urteil möglich, wenn die Ehe gescheitert ist, was das Gesetz vermutet bei einjährigem Getrenntleben, wenn beide Ehegatten die Scheidung wünschen, sonst bei dreijährigem Getrenntleben. Beantragt nur einer der Ehegatten die Scheidung und leben die Ehegatten mindestens ein Jahr, aber noch keine drei Jahre getrennt, so muss das Scheitern der Ehe vor Gericht nachgewiesen werden. Nach einer Scheidung soll grundsätzlich jeder der beiden Ehegatten für sich selbst sorgen. Ein Anspruch auf Unterhalt setzt einen konkreten Grund voraus, der häufigste stellt die Betreuung eines gemeinsamen minderjährigen Kindes dar. In diesem Fall erhält der betreuende Elternteil Unterhalt bis zum dritten Lebensjahr des Kindes, mit der Möglichkeit der Verlängerung, wenn dies aus kindesbezogenen Gründen (z. B. Behinderung des Kindes) oder aus elternbezogenen Gründen (entsprechende Vereinbarung während der Ehe) geboten erscheint. Weitere Gründe für einen Unterhaltsanspruch können sein: Krankheit, Alter oder ein anderer Grund, dessentwegen eine Erwerbstätigkeit nicht ausgeübt werden kann. Die Höhe des Unterhaltsanspruchs richtet sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen, also dem Lebensstandard, den die Ehegatten zur Zeit der Ehe geführt hatten. Um eine lebenslange Versorgung zu verhindern, hat der Gesetzgeber erweiterte Möglichkeiten geschaffen, den Unterhaltsanspruch zeitlich oder der Höhe nach zu begrenzen.

2.4 Elternschaft

Die rechtliche Elternschaft ist nicht immer mit der biologischen kongruent: Mutter ist immer die Frau, die das Kind geboren hat, also nicht eine Leih- oder Ersatzmutter, nicht die Spenderin der Eizelle oder die Bestellmutter. Eine Anfechtung der Mutterschaft kennt das BGB nicht. Vater ist der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet ist, sonst der Mann, der die Vaterschaft anerkennt oder auf gerichtliches Urteil hin als Vater festgestellt wird. Die Vaterschaft kann durch eine Anfechtungsklage (rückwirkend) vernichtet werden, anfechtungsberechtigt sind der rechtliche Vater, die Mutter, das Kind und unter engen Grenzen auch der biologische Vater. Zur Absicherung des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung gewährt der Gesetzgeber einen Anspruch auf Einholung eines Abstammungsgutachtens gegenüber seinen rechtlichen Eltern und umgekehrt.

2.5 Sorge- und Umgangsrecht

Das Sorgerecht steht bei einem verheirateten Paar beiden Elternteilen gemeinsam zu. Es umfasst die Sorge für das persönliche Wohl des Kindes als auch für dessen Vermögen. Die Eltern sind insoweit gesetzliche Vertreter ihres Kindes. Eine nicht verheiratete Mutter hat grundsätzlich zunächst das alleinige Sorgerecht für ihr Kind, ein gemeinsames Sorgerecht zusammen mit dem Vater tritt ein, wenn beide Eltern eine entsprechende Sorgerechtserklärung abgeben, wenn beide heiraten oder wenn der Vater das Sorgerecht auf einen entsprechenden Antrag hin vom Gericht zugesprochen erhält. Trennen sich die Eltern oder lassen sie sich scheiden, so bleibt das gemeinsame Sorgerecht grundsätzlich bestehen, der Elternteil bei dem das Kind lebt, entscheidet allerdings über die Fragen des Alltagslebens allein. Jeder Elternteil kann einen Antrag auf Zuweisung des Alleinsorgerechts stellen, dem stattgegeben wird, wenn dies dem Kindeswohl entspricht. Der nicht-sorgeberechtigte Elternteil hat ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wie auch das Kind ein entsprechendes Recht auf Umgang hat, die Häufigkeit des Umgangs wird durch elterliche Vereinbarung festgelegt, im Streitfall durch einen gerichtlichen Beschluss. Unabhängig vom Sorgerecht sind Eltern ihren Kindern gegenüber unterhaltspflichtig, soweit die Eltern leistungsfähig und die Kinder bedürftig sind. Diese Bedürftigkeit ist bei Minderjährigen i. d. R. gegeben, da diese keine eigenen Einkünfte besitzen und ihren Vermögensstamm nicht zum eigenen Unterhalt verwenden müssen. Da die Unterhaltspflicht grundsätzlich zwischen Verwandten in gerader Linie besteht, können auch Kinder gegenüber ihren Eltern unterhaltspflichtig sein, etwa wenn deren Rente nicht ausreicht, um im Alter die Heimkosten abzudecken.

2.6 Annahme an Kindes statt

Die Annahme an Kindes statt (Adoption), die früher als Vertrag ausgestaltet war, erfolgt heute durch einen gerichtlichen Beschluss. Das Kind verliert mit diesem Beschluss jegliche Rechtsstellung zu den bisherigen Eltern und deren Verwandten und wird rechtlich vollständig den Adoptiveltern zugeordnet und mit deren Familie verwandt. Grundsätzlich bedarf die Adoption der Einwilligung der bisherigen rechtlichen Eltern, nur unter schwierigen Bedingungen ist die Ersetzung der Zustimmung eines Elternteils möglich.

2.7 Betreuung

Das 1992 an die Stelle der Vormundschaft für Erwachsene getretene Betreuungsrecht regelt die Rechtstellung von Personen, die infolge einer Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage sind ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise selbst zu besorgen. In diesem Fall erhält die betroffene Person einen Betreuer, es sei denn, der Betreuungsbedarf kann durch andere Hilfen befriedigt werden (Verwandte, Nachbarn, soziale Dienste) oder dadurch, dass der Betroffene eine (Vorsorge-)Vollmacht aus(ge)stellt (hat). Der Betreuer ist gesetzlicher Vertreter des Betroffenen in dem vom Gericht festgelegten Aufgabenkreis und steht bei seinem Handeln unter der Aufsicht des Betreuungsgerichts.

Literatur